1,99 €
Pina Komtess von Kobel bleibt kein Kummer erspart. Der verstorbene Vater hat die Familie um ihr ganzes Vermögen gebracht, und dann stirbt plötzlich die geliebte Mutter. Auf dem Sterbebett nimmt sie Pina das Versprechen ab, für die Schulden ihres leichtsinnigen Bruders aufzukommen, damit der gute Familienname keine Flecken bekommt. Als Timo auch noch als Kunsträuber überführt wird, sieht sich die bildhübsche Pina gezwungen, nun doch das Angebot, als Fotomodell zu arbeiten, anzunehmen, um die erneuten Schulden ihres Bruders zu begleichen. Immer hat sie sich gesträubt, auf diese Weise ihr Geld zu verdienen, weil sie weiß, dass Fotomodellen oft der Ruf anhaftet, leichtlebig und freizügig zu sein. Und tatsächlich sind es genau diese Vorurteile, die eines Tages ihren schönsten Traum zerstören ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 133
Cover
Komtess im Scheinwerferlicht
Vorschau
Impressum
Komtess im Scheinwerferlicht
Der dramatische Schicksalsweg einer verarmten Grafentochter
Pina Komtess von Kobel bleibt kein Kummer erspart. Der verstorbene Vater hat die Familie um ihr ganzes Vermögen gebracht, und dann stirbt plötzlich die geliebte Mutter. Auf dem Sterbebett nimmt sie Pina das Versprechen ab, für die Schulden ihres leichtsinnigen Bruders aufzukommen, damit der gute Familienname keinen Makel bekommt. Als Timo auch noch als Kunsträuber überführt wird, sieht sich die bildhübsche Pina gezwungen, nun doch das Angebot, als Fotomodell zu arbeiten, anzunehmen, um die erneuten Schulden ihres Bruders zu begleichen. Immer hat sie sich gesträubt, auf diese Weise ihr Geld zu verdienen, weil sie weiß, dass Fotomodellen oft der Ruf anhaftet, allzu leichtlebig und freizügig zu sein. Und tatsächlich sind es genau diese gängigen Vorurteile, die eines Tages ihren schönsten Traum zerstören ...
»Hallo, Karsten, sind Sie zu Hause?« Hell klang die Mädchenstimme durch das Treppenhaus der alten Villa in Hamburg-Harvestehude.
»Ja, hier bin ich!« Eine Tür wurde aufgerissen, polternde Schritte erklangen, und gleich darauf beugte sich ein roter Wuschelkopf über das Treppengeländer.
»Wo brennt's denn, schönste Pina?«, erkundigte sich Karsten Burmeester. »Soll ich löschen kommen?«
»Ach was!« Pina von Kobel schüttelte den Kopf, dass das lange blonde Haar flog. »Nur Ihre Post sollen Sie entgegennehmen. Der Briefträger ist da und hat eine Anweisung für Sie.«
Der rot gelockte junge Mann im ersten Stock machte einen Luftsprung vor Freude.
»Eine Anweisung! Hurra, das bedeutet, dass mein Geld angekommen ist!«
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, polterte der baumlange Architekturstudent die Treppe herab und landete haarscharf vor Pina.
Ihre zierliche Schlankheit wirkte neben diesem jungen Mann ausgesprochen kindlich, schwach und hilfsbedürftig, aber nichts von alledem war Pina.
Einundzwanzig Jahre war sie alt und somit nach dem Gesetz volljährig, aber auch sonst in jeder Weise erwachsen. Ihre hübschen blauen Augen sahen skeptisch in die Welt, von der sie bisher nicht allzu viel Gutes erfahren hatte. Im Allgemeinen verließ sie sich lieber auf sich selbst als auf ihre Mitmenschen, denn sie wusste, dass sie sich selbst und ihrem klaren Urteil vertrauen konnte.
Karsten Burmeester aus Niebühl quittierte indessen dem Briefträger den Empfang von fünfhundert Mark. Sein Vater, der ein großes Baugeschäft besaß, war mit den monatlichen Zuwendungen für den Filius streng, aber gerecht.
»Dann darf ich sicher gleich die Miete kassieren?«
Pina von Kobel trat auf den jungen Mann zu, als der Briefträger das Haus verlassen hatte und Karsten die erhaltene Summe noch einmal überzählte.
»Ja, richtig, die Miete.« Er nickte geistesabwesend und schaute an ihr vorbei so grüblerisch in die Ferne, als hätte sie ihm eine Schicksalsfrage gestellt. »An die hatte ich ja überhaupt nicht gedacht!«
Pina kannte das. Karsten Burmeester vergaß nur zu leicht, dass er schließlich für sein hübsches Zimmer im Obergeschoss dieses alten Hauses in Harvestehude etwas bezahlen musste.
Längst hatte die kleine Komtess es sich abgewöhnt, taktvoll und zurückhaltend zu sein und zu warten, bis es den Studenten, die im Hause ihrer Mutter untergekommen waren, einfiel zu zahlen. Sie wusste, dass man sie mit sanften Rippenstößen an ihre Pflicht erinnern musste. Diese unangenehme Aufgabe fiel nun einmal Pina zu.
Die verwitwete Gräfin Leonore von Kobel war ganz und gar unfähig dazu. Die fünfzigjährige, frühzeitig verblühte Frau wusste, dass sie es niemals lernen würde, ihre Hemmungen zu überwinden, die ihr ihre aristokratische Erziehung beigebracht hatte.
Was hätte Frau von Kobel wohl ohne ihre energische Tochter angefangen?
Von dem Gutsbesitz derer von Kobel in Schleswig-Holstein war nichts mehr übrig geblieben als dieses Haus in Hamburg-Harvestehude.
Graf Eberhard, der verstorbene Gatte der Gräfin, war ein Spieler gewesen, der nach und nach seinen gesamten Landbesitz, die Wertpapiere und Aktien, Gemälde und Teile des Familienschmucks und zum Schluss das Dach über dem Kopf verloren hatte.
»Wir ziehen nach Hamburg, Mama«, hatte Pina ihrer Mutter vorgeschlagen, als das Gut unter den Hammer gekommen war. »Das Obergeschoss des Hauses vermieten wir an Studenten. Und von den Mieteinnahmen und den Zinsen der letzten Aktie, die du noch besitzt, können wir gerade unser Leben fristen.«
»Ach, Kind, was ist das doch für ein armseliges Schicksal, das dir beschieden ist!«
Neben ihrem Beruf als Übersetzerin betreute Komtess Pina ihre herzkranke Mutter, hielt das Haus in Ordnung und führte den Haushalt.
Der Kontakt zu jungen Menschen fehlte Pina. Sie gehörte keinem Kreis von Gleichaltrigen an, mit denen sie Gedankenaustausch hätte betreiben können. Und an irgendwelche fröhlichen gemeinsamen Unternehmungen war schon gar nicht zu denken, da die Mutter sie ganz in Anspruch nahm.
»Du kannst mich doch nicht alleinlassen, Pina!«, klagte sie ständig. »Du weißt doch, dass ich mit dem Leben nicht fertig werde. Und was habe ich denn noch außer dir?«
Gern hätte Pina darauf geantwortet: Du hast ja auch noch Timo, meinen Bruder. Aber es hatte keinen Zweck, die Mutter auf Timo hinzuweisen!
Von ihrem bildhübschen fünfundzwanzigjährigen Sohn hatte die alte Dame doch keine Hilfe und kein Verständnis zu erwarten. Graf Timo sorgte nur für Sorgen und Aufregungen. Und er machte laufend Schulden, um sich jeglichen Luxus leisten zu können.
»Ich kann mich nicht einschränken, Mama«, erklärte er immer. »Ich bin nun einmal für das Leben in Glanz und Reichtum geboren und möchte mein Leben genießen.«
Ja, vom Genießen verstand Timo von Kobel wirklich etwas.
In Hamburgs Nachtleben war er eine bekannte Erscheinung. In gewissen Zeitabständen beschäftigten sich die Klatschspalten der Boulevard-Blätter immer wieder mit ihm und berichteten von seinen neuen bizarren Einfällen. Und wenn er wirklich nichts ausgefressen hatte, dann hatte er sich gerade wieder einmal eine neue attraktive Geliebte zugelegt oder wurde als ständiger Begleiter irgendeiner nicht mehr ganz taufrischen, dafür aber schwerreichen Dame registriert.
Nein, von Timo war keine Hilfe zu erwarten. Im Gegenteil, wenn Pina einen Zwanzigmarkschein vom Haushaltsgeld unachtsam herumliegen ließ, vereinnahmte Timo ihn ganz bestimmt, denn er war immer in Geldverlegenheit.
Darum also hielt Komtess Pina die Hand auf, und darum sah sie den rothaarigen Karsten Burmeester so unmissverständlich auffordernd an.
»Sie wissen, Herr Burmeester, dass wir auf die Mieten angewiesen sind. Unsere Verhältnisse sind nicht die rosigsten!«
»Ja gewiss. Entschuldigen Sie, Fräulein von Kobel!«
Der lange Mensch kehrte in die Gegenwart zurück, zog einen Hunderter und einen Fünfziger aus dem Bündel von Geldscheinen, das er in der Hand hielt, und überreichte die beiden Scheine Pina.
»Darf ich um eine Quittung bitten?«, fragte er.
»Selbstverständlich, Herr Burmeester. Einen Augenblick bitte!«
Pina ging ins Arbeitszimmer, in welchem der Schreibsekretär der Mutter stand, der die Geldkassette enthielt. Hier gab es auch einen Quittungsblock und eine kleine Schreibmaschine.
Sie tippte die gewünschte Quittung und unterschrieb sie. Dann überreichte sie diese dem Studenten, der wartend auf der Schwelle stand.
»Na, wie ist's, Fräulein von Kobel, wann werden wir Sie denn von den Plakatwänden lächeln sehen?«, erkundigte sich Karsten Burmeester, ehe er sich zum Gehen wandte.
»So Gott will, gar nicht«, antwortete Pina ihm entschieden. »Seit mehr als einem Jahr macht man mir den Vorschlag, Fotomodell zu werden. Doch ich halte nichts von dieser Tätigkeit.«
»Und warum nicht? Hübsch genug sind Sie doch.«
»Weil ich eine ausgesprochene Scheu vor der Öffentlichkeit habe«, versuchte sie ihm zu erklären. »Nein, ich bleibe bei meinen Übersetzungen. Es springt zwar nicht viel dabei heraus, aber da habe ich wenigstens sicheren Boden unter den Füßen.«
Um ein wenig zur Verbesserung des Familieneinkommens beizutragen, übersetzte Komtess Pina englische Krimis ins Deutsche. Das war eine Arbeit, die von den Verlagen mehr schlecht als recht bezahlt wurde.
Ihre ausgezeichneten Sprachkenntnisse hatte Pina während eines einjährigen Englandaufenthaltes erworben, wohin ihre Mutter sie zu guten Freunden geschickt hatte.
Ja, dort auf dem Landgut von Lord Briston war alles noch einmal so gewesen wie einst in der schleswig-holsteinischen Heimat. Dort hatte Pina wieder im Sattel sitzen und auf dem Rücken eines guten Pferdes durch Felder und Wälder galoppieren können. Sie hatte die großzügige Atmosphäre eines Gutshaushalts genossen, hinter dem ein solider Reichtum und eine jahrhundertelange Tradition standen.
Ach, die kleine Komtess durfte nicht zurückdenken an die Kindheit auf dem Gut ihrer Väter, dann stieg doch Bitterkeit in ihr auf!
Aber Pina hatte kein Talent dazu, sich selbst zu bemitleiden. Sie rief sich energisch zur Ordnung, wenn die Gedanken in diese Richtung gingen.
♥♥♥
Nun hatte sie also die Miete von Karsten Burmeester bekommen, und für die nächsten zwei Wochen war das Haushaltsgeld gesichert. Sie freute sich über die Geldscheine, die in ihrer Hand knisterten, und machte schon einen Schritt auf die Wohnzimmertür zu, um ihrer kränkelnden Mutter die gute Nachricht zu bringen, dass der sympathische, aber oft säumige Mieter wieder einmal prompt gezahlt hatte.
Gräfin Leonore brauchte nicht zu wissen, dass dies zum guten Teil ihrer Tochter zuzuschreiben war, denn sie hätte Pinas Verhalten unvornehm und undamenhaft gefunden.
Doch bevor Pina die Hand nach der Türklinke ausstreckte, fiel es ihr noch ein, dass nicht nur Karsten Burmeester Post erhalten hatte, sondern auch die Kobels.
Ich will doch erst einen Blick auf die Post werfen, überlegte sie. Vielleicht ist etwas dabei, was Mama aufregen könnte.
Sie trat an den kleinen Tisch unter dem großen, alten Spiegel, die beide aus dem Gutshaus stammten und in der Zeit Napoleons angefertigt worden waren.
Hier schlitzte sie die Briefumschläge auf, die sie in der Hand hielt, und sah schon beim ersten Blick, dass es sich durchweg um Rechnungen und Mahnungen handelte.
»Timo ist wieder einmal tätig gewesen«, murmelte sie vor sich hin und las schaudernd die Zahlen.
Weil Graf Timo meinte, dass ein junger Mann von seinem Rang und Aussehen sich nur in einem schicken Wagen zeigen konnte, hatte er sich einen solchen auf Kredit gekauft, der ihm nichts als Ärger bereitete. Denn dem jungen Mann gelang es nie, pünktlich die Raten zu zahlen. Hier flatterte gerade wieder eine deftige Rechnung ins Haus.
Das Kreditinstitut, das den Wagen finanziert hatte, mahnte die Rate an.
Der Schneider Timos, der ihm Maßanzüge hatte arbeiten müssen, bat ebenfalls bereits zum zweiten Mal um den Betrag von eintausendzweihundert Mark.
Die Crazy-Bar, in der Timo häufig seine Nächte zu verbringen pflegte, schickte ein geharnischtes Schreiben und ersuchte den jungen Grafen, endlich den aufgelaufenen Betrag von achthundertneunundfünfzig Mark zu begleichen. Man erklärte ihm, dass man ihm außerdem keinen Kredit mehr gewähren würde.
Um Gottes willen, wer soll denn das alles bezahlen?, fragte sich Pina bang und ließ die Rechnungen und Mahnungen schnell in der winzigen Schublade des schön geschnitzten Tischchens verschwinden.
Denn jenseits der Wohnzimmertür war soeben ein schleppender Schritt erklungen, und jetzt ging die Tür auf, und ihre Mutter stand auf der Schwelle.
Gräfin Leonore war eine immer noch schöne Frau, deren Gesicht jedoch von den Sorgen und von einer schweren Herzkrankheit gezeichnet war.
Ihr schneeweißes Haar trug die Fünfzigjährige hochgesteckt in einer sehr damenhaften Frisur, die die schön geformten kleinen Ohren sehen ließ, in deren Ohrläppchen zwei Perlen saßen. Es waren echte Perlen, die Gräfin Leonore von ihrem Mann zur Geburt des Sohnes bekommen hatte. Sie hing an diesen Erinnerungsstücken aus einer glücklichen Zeit und hatte sich bisher nicht davon getrennt.
Schmalwangig und eingefallen war das Gesicht der einstmals sehr schönen Frau. Die zarte Haut wies tausend kleine Fältchen auf, die an zerknittertes Seidenpapier denken ließen.
Die wunderschönen veilchenblauen Augen wirkten glanzlos und müde und hatten einen schwermütigen Blick. Den Lippen sah man es an, dass sie allzu oft in tiefem Weh zusammengepresst wurden. Sie hatten das Lächeln allmählich verlernt.
Gräfin Leonore trug ein schlichtes dunkelblaues Kleid, dessen einziger Schmuck eine schmale silberne Brosche mit einer Perle darstellte, die zu den Ohrringen passte.
»Was zögerst du so lange mit dem Eintreten, Pina?«, forschte sie. »Ich habe doch gehört, dass der Postbote da gewesen ist. Hat er uns etwas gebracht?«
»Nein, Mama. Er brachte lediglich Geld für Herrn Burmeester, und er hat mir sofort die Miete gegeben.«
»Oh, das ist schön! Burmeester ist ein sehr korrekter und zuverlässiger junger Mann«, lobte die Gräfin den abwesenden Rotschopf.
Dann machte sie eine auffordernde Handbewegung zum Wohnzimmer.
»Komm doch herein, Pina! Wir wollen gemeinsam beraten, wie der Küchenzettel für diese Woche aussehen soll. Es soll ja schmackhaft und zugleich billig sein.«
»Sofort, Mama.« Pina schickte sich an, ihrer Mutter in das Wohnzimmer zu folgen, das mit schönen alten Möbeln aus dem Gutshaus eingerichtet worden war.
In diesem Augenblick schlug die Klingel der Haustür an.
Gräfin Leonore schaute zur gegenüberliegenden Wand, an der eine alte Uhr hing.
»Es ist erst zehn Minuten nach neun«, stellte sie fest. »Wer besucht uns um diese Zeit?«
»Ich weiß es nicht, Mama, aber ich werde öffnen«, antwortete Komtess Pina und hatte ein ungutes Gefühl, als sie sich der Haustür näherte.
Leider war es nicht zu verhindern, dass ihre Mutter Zeugin der nun beginnenden Szene wurde, denn Gräfin Leonore war auf der Schwelle des Wohnzimmers stehen geblieben und konnte, da die Diele nicht groß war, jedes Wort verstehen, das gesprochen wurde.
Auf der Schwelle stand ein stiernackiger, untersetzter Mann, dessen öliges schwarzes Haar in einer Schmachtlocke in die Stirn fiel und dessen dichte, buschige Brauen und lebhafte Gesten beim Sprechen ihn sofort als einen Südländer auswiesen.
»Ich heiße Alexander Padarkis«, sagte er. »Ich möchte Graf Timo von Kobel sprechen.«
»Das tut mir leid!«, bedauerte Pina. »Mein Bruder ist nicht zu Hause.«
Es kam häufig vor, dass Timo von seinen ausgedehnten nächtlichen Unternehmungen nicht nach Hause kam. Er verriet der Mutter und der Schwester auch niemals, wo er dann gewesen war.
Die Miene des Besuchers verfinsterte sich.
»Ich habe nicht die Absicht, mich abweisen zu lassen, mein Fräulein!«, erklärte er in scharfem Ton. »Dann muss ich darauf bestehen, mit Ihnen oder jener alten Dame dort zu sprechen, in der ich die Mutter des jungen Herrn vermute.«
Gräfin Leonore straffte die überschlanke, immer etwas nach vorn gebeugte Gestalt.
»Sie irren sich nicht, mein Herr«, sagte sie mit großer Würde. »Ich bin Leonore von Kobel. Darf ich wissen, um was es sich handelt?«
»Um die Schulden Ihres Sohnes, gnädige Frau«, schleuderte der Mann ihr entgegen. »Ich habe es jetzt endgültig satt, weiter hinter meinem Geld herzulaufen.«
Gräfin Leonore war noch um einen Schein blasser geworden. Ihre Hand, die sich auf das kleine Tischchen aus der Zeit Napoleons stützte, zitterte merklich.
»Würden Sie bitte eintreten, mein Herr?«, sagte sie dennoch in bester Haltung. »Das sind keine Dinge, die man zwischen Tür und Angel verhandelt.«
»Freilich«, erwiderte der Besucher. »Ich kann mir denken, dass es Ihnen unangenehm ist. Möglichst soll niemand etwas davon wissen, dass der Graf von Kobel aus dem letzten Loch pfeift, nicht wahr?«
»Sie werden unverschämt, mein Herr«, wies Gräfin Leonore den stiernackigen Mann zurecht. »Und nun erklären Sie mir bitte möglichst sachlich und kurz, wieso mein Sohn sich bei Ihnen Geld geliehen hat!«
»Nun, um die Kosten für sein aufwendiges Leben zu bezahlen!«, erklärte Alexander Padarkis. »Ihre Verhältnisse sind für mich kein Geheimnis, gnädige Frau. Ich weiß, dass die Familie von Kobel pleite ist. Aber der junge Herr hat mir ja immer etwas von seinen weitreichenden Beziehungen und der schwerreichen Verwandtschaft am Bodensee erzählt, und ich habe mich schließlich darauf verlassen, dass die von Kobels es wohl nicht dulden werden, dass ihr Wappenschild Flecken bekommt.«
»Was soll das heißen?«, erkundigte sich die Gräfin.
»Das heißt, dass ich den Gerichtsvollzieher in dieses Haus schicken und alles, was Wert besitzt, pfänden lassen werde, um zu meinem Geld zu kommen, dass ich notfalls dafür sorge, dass Graf Timo ins Kittchen wandert, denn man kann nicht einen Kredit von fünfzigtausend Mark in Anspruch nehmen und weder die Zinsen noch die Tilgung zahlen.«
»Fünfzigtausend Mark?«, wiederholte Gräfin Leonore fassungslos.
Die Worte kamen leise wie ein Hauch über ihre Lippen, dann griff sie mit der Hand nach ihrem Herzen, das plötzlich unsäglich schmerzte, und gleich darauf sank sie mit einem leisen Wehlaut in sich zusammen.
Langsam fiel sie auf den Teppich nieder. Ihre Tochter eilte herbei, um sie aufzufangen, doch das Gewicht des schlaffen Körpers war zu schwer. Pina konnte nur noch den Fall der Mutter bremsen und diese sanft auf den Teppich gleiten lassen.
»Da sehen Sie, was Sie angerichtet haben«, rief sie dem Mann zu. »Kommen Sie her, fassen Sie mit an! Wir wollen meine Mutter ins Wohnzimmer tragen und auf das Ruhebett legen.«
Alexander Padarkis war bestürzt. Das hatte er nicht gewollt.