Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 753 - Renate Busch - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 753 E-Book

Renate Busch

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Beschreibung

Obwohl die neunzehnjährige Martina jahrelang ihre todkranke Mutter und ihre kleine Schwester liebevoll versorgt hat, besteht das Fürsorgeamt nach dem Tod der Mutter darauf, dass Franzi in ein Heim kommt. Es sei denn, sie könnte dem Kind ein Leben in einer Familie bieten. Verzweifelt tritt Martina nach dieser Eröffnung auf die Straße und läuft prompt vor ein Auto. Gottlob stößt ihr nichts zu. Bei einer Tasse Kaffee, zu der der Mann sie auf den Schreck einlädt, erfährt er von ihrem Kummer und weiß, wie Martina sich all ihrer Sorgen entledigen kann. Er schlägt ihr vor, seinen todgeweihten Vetter zu heiraten. Nach seinem Tode würde vor ihr und Franzi eine strahlende Zukunft auf dem wunderschönen Gut Rosenberg liegen. Martina müsste bei der Eheschließung allerdings vorgeben, eine andere zu sein ...


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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Glück nach schweren Zeiten

Vorschau

Impressum

Glück nach schweren Zeiten

Roman eines geprüften Frauenherzens

Obwohl die neunzehnjährige Martina jahrelang ihre todkranke Mutter und ihre kleine Schwester liebevoll versorgt hat, besteht das Fürsorgeamt nach dem Tod der Mutter darauf, dass Franzi in ein ordentliches Heim kommt. Es sei denn, Martina könnte dem Kind ein Leben in einer Familie bieten.

Verzweifelt tritt Martina nach dieser Eröffnung auf die Straße und läuft prompt vor ein Auto. Gottlob stößt ihr nichts zu. Bei einer Tasse Kaffee, zu der der Mann sie auf den Schreck einlädt, erfährt er von ihrem Kummer und weiß, wie Martina sich all ihrer Sorgen entledigen kann. Er schlägt ihr vor, seinen todgeweihten Vetter zu heiraten. Nach dessen Tod würde vor ihr und Franzi eine strahlende Zukunft auf dem wunderschönen Gut Rosenberg liegen. Martina müsste bei der Eheschließung allerdings vorgeben, eine andere zu sein ...

»Du kannst dir schon allein helfen, Martina. Aber was wird nur aus der kleinen Franzi?«

Tante Berta blickte sich mitleidig zu dem kleinen Blondkopf um, der friedlich auf dem Teppich spielte. Franzi wusste noch nicht, welch schwerer Verlust sie getroffen hatte. Für sie war die Welt noch immer in Ordnung. Sie hatte ja Martina. Martina war ihr Zuhause, ihre Zuflucht, Mutter und Vater in einem. Das war schon immer so gewesen.

Gewiss gab es in ihrem jungen Leben auch noch eine Mutti. Aber Franzi plapperte den Namen eigentlich nur so dahin, ohne je erfasst zu haben, was sich mit dem Begriff verband. Ihre Mutter hatte ja immer im Bett gelegen, hatte niemals Zeit für sie gehabt und war stets von Schmerzen geplagt gewesen.

Frau Elisabeth war das lebhafte kleine Mädchen viel zu anstrengend gewesen, und sie hatte nur zu gern ihrer Ältesten die Fürsorge für den kleinen Nachkömmling überlassen.

Nun war Mutti tot, aber Martina war ja da.

»Aus Franzi?«, wiederholte Martina mit tränenerstickter Stimme. Der Schmerz um den Verlust der geliebten Mutter war noch zu frisch. Die Verstorbene hatte in den letzten zwei Jahren furchtbar unter ihrer schrecklichen Krankheit leiden müssen.

Auch Martina blickte jetzt zu dem blonden Mädchen hin, das einen hohen Turm aus Bauklötzchen baute.

»Franzi hat ja mich«, sagte sie dann. Für sie war es selbstverständlich, sich wie bisher um die kleine Schwester zu kümmern.

Tante Berta, die Cousine ihrer verstorbenen Mutter, verzog das Gesicht.

»So leicht wird das wohl alles nicht sein«, gab sie zu bedenken. »Du bist noch sehr jung.«

»Ich werde bald zwanzig, Tante.« Martina verstand nicht, warum ihre einzige Verwandte plötzlich auf ihr Alter anspielte. Schließlich war sie nicht zu jung dafür gewesen, ihre todkranke Mutter zu pflegen und nebenbei noch Franzi zu versorgen, die noch ein Säugling gewesen war, als ihre Mutter die ersten Anzeichen der schlimmen Krankheit verspürt hatte.

»Sicher, du wirst bald zwanzig, aber du bist tatsächlich zu jung, um für eine Dreijährige zu sorgen. Das werden jedenfalls die Behörden sagen.«

Plötzlich hob Franzi den Kopf. Es schien fast so, als spürte die Kleine, dass man über sie gesprochen hatte. Sie stand schnell auf, kam auf Martina zugelaufen und streckte die Arme aus.

Martina hob das Schwesterchen auf ihren Schoß. Sofort legte Franzi ihren Kopf an Martinas Brust und sah aus dieser sicheren Stellung Tante Berta etwas misstrauisch an.

»Tja«, sagte diese. »Ich muss jetzt gehen. Ich weiß nicht, wann Onkel Hugo von seiner Geschäftsreise zurückkehrt. Dann muss ich natürlich zu Hause sein.« Sie hatte es plötzlich sehr eilig, aus dem Trauerhaus zu kommen. Die lästige Pflicht hatte sie hinter sich gebracht, und darüber war sie froh.

Martina folgte ihr mit Franzi auf dem Arm zur Garderobe.

»So, Franzi, nun muss ich Tante Berta in die Jacke helfen.«

Sie tat es. Franzi klammerte sich sofort wieder an sie.

»Du hast Franzi viel zu sehr verwöhnt, das sieht man immer wieder«, stellte die Besucherin fest, als sie erleichtert in die Kostümjacke schlüpfte. »Sie hängt wie eine Klette an dir.«

»Was ganz natürlich ist, sie hat ja nur mich, Tante Berta. Aber zum Verwöhnen hatte ich gar keine Zeit.«

Martina ärgerte sich, weil sie sich verteidigte. Tante Berta würde sie doch nicht verstehen. Sie hatte niemals ein Kind gehabt und sich sicher auch nicht danach gesehnt. In ihrer Vorstellung hatte ein artiges Kind ständig allein vor sich hin zu spielen und zwischendurch brav seine Mahlzeiten einzunehmen. Dass ein Kind keine Puppe war, die man nach Belieben irgendwo in eine Ecke setzte, darauf wäre sie niemals gekommen.

Die Tante lächelte so, als wüsste sie es besser. Dann streifte sie ihren linken Handschuh über und reichte Martina die Hand.

»Auf Wiedersehen«, sagte sie hastig.

Martina wollte sie noch bis auf die Straße begleiten, aber Tante Berta winkte ab.

♥♥♥

In den nächsten Tagen verbot sich Martina, über ihr zukünftiges Leben nachzudenken. Sie widmete sich Franzi, kochte, putzte die Wohnung, ging nachmittags mit der Kleinen spazieren und spielte mit ihr.

Eines Tages würde sie sich eine Beschäftigung suchen müssen. Das bisschen Geld, das sie noch besaß, würde sehr bald verbraucht sein. Bis zum Tod ihrer Mutter hatten sie von der Pension der Verstorbenen gelebt. Aber die fiel natürlich nun weg.

Martina bemühte sich, Franzi täglich ein lachendes Gesicht zu zeigen. Dabei war ihr zuweilen wund und weh genug ums Herz.

»Warum trägst du jetzt immer so ein olles Kleid?«, fragte die Kleine sie heute und musterte ihre Schwester mit kritischen Blicken.

Martina zuckte leicht zusammen.

»Du hast recht, Liebes, das schwarze Kleid ist nicht schön«, sagte sie dann.

Ihre Mutter hatte um Franzis willen nicht gewollt, dass sie Trauerkleidung trug. Sie würde sicher darunter leiden, hatte sie gemeint.

Aber Martina hatte sich nicht dazu überwinden können, den Rat der Mutter zu befolgen. Nun würde sie die Trauerkleidung jedoch ablegen.

»Komm, Martina, wir suchen ein schönes Kleid für dich aus«, drängte Franzi.

Sie ergriff Martinas Hand und zog sie mit sich.

»Zieh das Kleid mit den schönen Blümchen an!«, verlangte die Kleine, als Martina den Kleiderschrank geöffnet hatte.

»Na gut«, stimmte sie zu. »Wenn du es gern möchtest.«

Als Martina sich umgekleidet hatte, stand Franzi neben ihr und klatschte begeistert in die Hände.

»Schön«, sagte sie. »Das mag ich.« Ihre kleinen Finger glitten liebevoll über die roten Klatschmohnblüten.

In diesem Moment klingelte es.

Martina ging zur Tür und öffnete. Franzi folgte ihr und versteckte sich hinter ihrem Rücken.

Vor Martina stand eine fremde Frau.

»Guten Tag«, sagte Martina zurückhaltend.

»Guten Tag. Darf ich eintreten? Ich komme vom Fürsorgeamt und wollte zu Fräulein Martina Dressel. Das sind Sie doch, nicht wahr?« Ihr Blick glitt schnell über Martinas farbenfrohes Kleid.

Martina entdeckte einen missbilligenden Zug um den leicht verkniffenen Mund. Die Frau war ihr sofort unsympathisch. Es gehörte nicht viel dazu, um herauszufinden, was sie dachte.

»Ja bitte!« Martina trat zur Seite und gab zögernd den Weg in die Diele frei.

»Das ist sicher Ihre kleine Schwester, nicht wahr?«, fragte die Frau, als sie das Kind erblickte.

»Ja, das ist Franzi«, bestätigte Martina.

Sie nahm der Besucherin den Mantel ab und hängte ihn auf einen Bügel. Dann ging sie der Dame voran ins Wohnzimmer.

»Setzen Sie sich doch«, bot Martina ihr an.

Die Frau vom Fürsorgeamt nahm Platz.

»Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Fräulein Sablotzki, und ich bin wegen Ihrer kleinen Schwester gekommen«, sagte sie.

»Wegen meiner Schwester?«

»Ja. Sie werden mich sicher schon erwartet haben. Wir hatten Ihre Akte ein wenig verlegt, sonst wäre ich schon längst gekommen.«

»Ich habe Sie nicht erwartet.«

»So?« Die Dame zog erstaunt die Brauen in die Höhe. »Wir müssen uns doch um die kleine Franziska kümmern. Ihre Frau Mutter ist vor gut vier Wochen verstorben, nun ist Ihre kleine Schwester eine Vollwaise.«

»Das ist richtig, aber Sie brauchen sich nicht um meine kleine Schwester zu kümmern. Sie ist zwar Vollwaise, hat aber gottlob ja mich. Ich sorge für sie.«

Die Dame schien im ersten Moment recht erstaunt zu sein.

»Dafür sind Sie noch viel zu jung.«

Martina spürte, dass Wut in ihr aufstieg. Diese Person ging ihr allmählich auf die Nerven. Aber sie beherrschte sich. Es war vielleicht besser, sich mit solchen Leuten gut zu stellen. Das konnte unter Umständen manchen Ärger ersparen.

»Ich habe bisher auch für meine Schwester gesorgt und außerdem noch meine schwer kranke Mutter gepflegt. Sie sehen also, dass nicht allein das Alter ausschlaggebend ist.« Martina hatte mit Nachdruck gesprochen.

»Sie hatten in Ihrer Frau Mutter einen festen Halt und eine Stütze«, belehrte Fräulein Sablotzki sie.

Nun wäre Martina wirklich fast aus der Haut gefahren. Hatte diese Person eine Ahnung, welche Stütze man an einer Todkranken besaß?

»Meine Mutter war jahrelang todkrank«, sagte sie.

»Sicher, aber eine Mutter ist eine Mutter«, beharrte die Dame vom Fürsorgeamt.

»Das stimmt. Meine Mutter hat jedoch in den letzten Monaten meistens nur so dahingedämmert, da sie starke Medikamente einnehmen musste, um die Schmerzen überhaupt ertragen zu können. Von einer Stütze konnte da wirklich keine Rede sein.«

Das war schweres Geschütz. Fräulein Sablotzki spitzte vor Entrüstung den Mund. Sie erinnerte Martina an eine unscheinbare Maus.

»Es geht jetzt ja auch nicht um die Verstorbene, sondern um Ihre Schwester Franziska. Ich habe für sie eine Einweisung in ein Heim.«

Der Schreck fuhr Martina in die Glieder. Sie sprang auf. Franzi hatte ihr Bilderbuch unter den Arm geklemmt und stellte sich sofort instinktiv an Martinas Seite.

»Nein«, sagte sie laut und legte unwillkürlich den Arm um Franzis schmale Schultern.

»Ich verstehe Sie nicht«, sagte Fräulein Sablotzki. »Was wollen Sie mit dem Kind beginnen?«

Martina bemühte sich, ihrer inneren Erregung Herr zu werden. Sie setzte sich wieder.

»Ich werde wie bisher für Franzi sorgen, Fräulein Sablotzki.«

»Sind Ihre finanziellen Verhältnisse so glänzend, dass Sie dazu überhaupt die Möglichkeit haben?«

Martina zuckte unangenehm berührt zusammen.

»Ich kann für Franzi und für mich arbeiten«, sagte sie herb.

Fräulein Sablotzki lächelte nachsichtig.

»Und wo bleibt dann die Kleine?«

»Wo andere Kinder auch bleiben, wenn ihre Mütter arbeiten.«

»Sie sind aber nicht Franzis Mutter, und Sie sind noch nicht einmal volljährig«, sagte Fräulein Sablotzki sanft. »Ich erkenne Ihre guten Vorsätze wirklich an, aber sie sind nicht durchzuführen. Das sehen Sie hoffentlich selbst ein.«

Vielleicht glaubte sie, Martina nun umgestimmt zu haben. Das war nicht der Fall.

»Ich behalte Franzi, und dabei bleibt es!« Martina gingen die Nerven durch. »Und nun muss ich Sie ersuchen, mich zu verlassen!«

Fräulein Sablotzki war schockiert, das sah man deutlich. Sie stand prompt auf und lächelte recht sauer.

»Dann muss ich leider in dem Bericht über den Besuch bemerken, dass Sie mich hinausgeworfen haben.«

»Tun Sie, was Sie für richtig halten, und lassen sich möglichst nicht wieder hier blicken. Ich gebe Franzi nicht her, verstehen Sie? Ich habe meiner Mutter versprochen, für sie zu sorgen, und das Versprechen halte ich auch.«

Fräulein Sablotzki gab keine Antwort. Sie riss ihren Mantel vom Bügel und verschwand sang- und klanglos, ohne sich zu verabschieden.

»Das war aber eine böse Tante«, sagte Franzi, als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte.

»Ja, Franzi, das war sie, mein Liebling«, stimmte Martina ihr zu. Sie glaubte, diese Schlacht gewonnen zu haben. Sicher würde diese Person nicht wiederkommen.

Darin irrte sie sich nicht. Aber eine Woche später erhielt sie einen amtlichen Brief per Einschreiben. Martina war tief beunruhigt, als sie ihn aufschlitzte und zu lesen begann.

Irgendein fremder Mensch lud sie höflich, aber nachdrücklich ein, sich in wenigen Tagen zu einer bestimmten Uhrzeit auf dem Fürsorgeamt einzustellen. Gleichzeitig wurde ihr eine behördliche Strafe angedroht, falls sie dieser Aufforderung nicht Folge leisten würde.

Martina wurde schreckensbleich. Sie musste sich setzen, so sehr zitterten ihr die Knie.

Franzi spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie kam sogleich angehüpft, sprang auf Martinas Schoß und schmiegte sich an sie.

Die große Schwester presste das Kind fest an sich. Und wenn sie gegen Tod und Teufel kämpfen müsste, sie würde Franzi nicht hergeben!

Wer weiß, welchen verfälschten Bericht Fräulein Sablotzki über sie und ihre häuslichen Verhältnisse abgegeben hatte! Jeder vernünftige Mensch musste doch einsehen, dass sie nicht zu jung war, um Franzi wie bisher zu betreuen!

♥♥♥

An jenem Vormittag, als Martina zum Fürsorgeamt gehen musste, ließ sie Franzi bei einer Nachbarin. Mit unguten Gefühlen machte sie sich auf den Weg.

Schließlich stand sie vor einem älteren Herrn, der sie durch eine dicke Brille verstohlen musterte. Gottlob wirkte er nett und sympathisch! Martina atmete erleichtert auf. Er begrüßte sie freundlich, bat sie, Platz zu nehmen. Dann kam er sogleich auf den Kernpunkt der Dinge zu sprechen. Es ging um Franzi.

»Wie stellen Sie sich praktisch vor, die Kleine zu betreuen und gleichzeitig Geld zu verdienen?«, fragte er sachlich.

»Ich werde meine Schwester in einen Kindergarten bringen müssen.« Martina sah ihn fest an.

Er nickte langsam, aber um seinen Mund lag ein mitleidiges Lächeln.

»Ihre Vorsätze sind lobenswert. Doch in diesem Fall können wir von behördlicher Seite aus dazu keine Einwilligung geben.« Er zuckte bedauernd die Schultern.

»Das kann doch nicht wahr sein«, sagte Martina verstört.

»Leider doch, Fräulein Dressel!« Offenbar fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut, als er ihr nun einen Vortrag über diese Entscheidung hielt, die immer das Wohl des Kindes im Auge hatte.

»Und wenn ich nun geschieden wäre und Franzi wäre mein Kind?«, fragte Martina ihn ungehalten. »Dann hätten Sie doch wohl nicht die Befugnisse, mir die Kleine fortzunehmen?«

»Natürlich nicht!«

»Und worin besteht der Unterschied, dass ich Franzis Schwester bin?« Ihre Augen waren dunkel vor Erregung.

»Beruhigen Sie sich bitte! Sie haben ja vollkommen recht«, räumte er ein. »Aber ich kann mich leider nur nach den Gesetzen richten. Sie sind noch minderjährig und praktisch finanziell nicht in der Lage, Ihrer kleinen Schwester ein Heim zu bieten. Ich weiß, Gesetze sind oft ungerecht und berücksichtigen nicht jeden Einzelfall.«

»Bitte, gibt es nicht doch einen Weg, mich nicht von meiner kleinen Schwester trennen zu müssen?«, flehte Martina verzweifelt.

»Unter den gegebenen Umständen nicht«, sagte der Herr bedauernd. »Es sei denn, Ihre finanzielle Lage ändert sich schlagartig, oder Sie könnten Ihrer kleinen Schwester ein Leben innerhalb einer Familie bieten.«

Martina begriff. Indirekt schlug er ihr eine Heirat vor, als wäre sie als Ehefrau ein anderes Wesen!

»Welche Frist räumen Sie mir und meiner kleinen Schwester noch ein?«

»Sobald Sie arbeiten müssen, müssen wir uns um Franziska kümmern. Es tut mir leid.«

Martina hastete hinaus. In ihren Augen standen Tränen. Sie überlegte krampfhaft, wie lange sie noch im äußersten Falle ohne Beschäftigung durchhalten konnte. Lange hielten sie und Franzi sich nicht mehr über Wasser, das stand fest.

Dann musste sie Franzi in ein Heim geben! Das sensible Kind würde vor Heimweh nach ihr vergehen. Und sie hatte ihrer Mutter fest in die Hand versprochen, immer für ihre kleine Schwester da zu sein. Ach, wie schmählich versagte sie!

♥♥♥

Auf der Straße sah Martina keinen der vielen Menschen. Sie nahm von ihrer Umgebung nichts wahr. Als sie die Straße überquerte, achtete sie nicht auf das Licht der Ampeln. Die Verzweiflung ließ sie blind gegen die Umwelt werden.

Erst als Bremsen quietschten und sie gegen ein Auto stieß, erwachte sie aus ihrer Erstarrung. Sie stand schreckensbleich vor einem großen Straßenkreuzer.

Der Fahrer sprang aus dem Wagen.

»Sind Sie verletzt?«

Martina schüttelte den Kopf.

»Dann ist es gut!« Der Mann atmete erleichtert auf. »So etwas Verrücktes aber auch, mir direkt vor das Auto zu laufen!« Er sah sich um. Inzwischen hatte sich eine kleine Menschenmenge auf dem Fußweg gebildet. Das schien ihm peinlich zu sein. Er ergriff Martinas Hand.

Sie war noch immer willenlos und folgte ihm zum Wagen. Er zwang sie mit sanfter Gewalt, Platz zu nehmen. Erst als Martina in die weichen Lederpolster sank, begriff sie, dass sie in einem fremden Fahrzeug saß.

»Bitte, ich muss nach Hause«, sagte sie, als sich der Fremde neben ihr niederließ.

Er hatte offenbar den Schreck überwunden und lachte sie an.

»Ich fahre Sie selbstverständlich heim, aber zuerst brauchen wir beide eine Tasse Kaffee und einen doppelten Kognak, um uns von dem Schreck zu erholen.«

Martina machte eine abwehrende Handbewegung.

»Sträuben Sie sich nicht, und sehen Sie mich nicht so furchtsam an. Ich will Sie nicht entführen.« Während er den Wagen geschickt durch das Großstadtgewühl lenkte, lachte er belustigt.

Martina fühlte sich durchschaut.

»Ich bin ohnehin auf dem Weg zu einem bestimmten Café«, fuhr der Fremde im Plauderton fort. »Dort treffe ich mich mit meiner Schwester. Sie kann mich als braven Bürger ausweisen, von dem Sie sich ruhig nach Hause fahren lassen können.«

»Ich möchte Ihnen keine Umstände machen.«