Romantische Bibliothek - Folge 39 - Renate Busch - E-Book

Romantische Bibliothek - Folge 39 E-Book

Renate Busch

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Renate fürchtet sich vor ihrem Mann Joachim Frese. Nur zu gut weiß sie, dass der aufstrebende Geschäftsmann aus einfachen Verhältnissen sie nur aus einem einzigen Grund zur Frau genommen hat: Sie stammt aus einem angesehenen Professorenhaushalt und verleiht ihm dadurch Prestige.

Ehre, Treue und Anstand sind für Frese bedeutungslos, und so beginnt er ein Verhältnis mit seiner Sekretärin. Als Renate dahinterkommt, bäumt sich der allerletzte Rest Stolz in ihr auf und sie verlangt die Scheidung. Dabei weiß sie, dass sie alles verlieren wird - ihr Zuhause, ihr Geld und sogar ihre geliebten Kinder ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 168

Veröffentlichungsjahr: 2016

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Mein Kuss wird dich erlösen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Oleg Gekman

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3707-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mein Kuss wird dich erlösen

Wundervoller Roman um die Allmacht der Liebe

Von Renate Busch

Renate fürchtet sich vor ihrem Mann Joachim Frese. Nur zu gut weiß sie, dass der aufstrebende Geschäftsmann aus einfachen Verhältnissen sie nur aus einem einzigen Grund zur Frau genommen hat: Sie stammt aus einem angesehenen Professorenhaushalt und verleiht ihm dadurch Prestige.

Ehre, Treue und Anstand sind für Frese bedeutungslos, und so beginnt er ein Verhältnis mit seiner Sekretärin. Als Renate dahinterkommt, bäumt sich der allerletzte Rest Stolz in ihr auf und sie verlangt die Scheidung. Dabei weiß sie, dass sie alles verlieren wird – ihr Zuhause, ihr Geld und sogar ihre geliebten Kinder …

„Dieses Haus habe ich für uns gekauft, Renate!“

Der schwere Wagen hielt vor einer großen Einfahrt. Durch einen Garten gelangte man zu einem klotzigen Haus. Mit seinen Säulen und den zwei Türmen rechts und links der Seitenfront nahm es sich trutzig in dem verwilderten Garten aus.

Die braunen Augen der etwas blassen Frau neben dem Fahrer schweiften umher.

„Gefällt es dir hier etwa nicht?“ Der zur Fülle neigende Mann neben ihr legte seine Hände massig aufs Steuerrad. In dieser Geste lag etwas ungeheuer Besitzergreifendes.

„Doch, natürlich“, beeilte sich die junge Frau zu versichern, während ihre schlanke, ausdrucksvolle Rechte in ihrem Handtäschchen nach einem Taschentuch suchte.

Joachim Frese zog seine buschigen Brauen zusammen. Sie waren über der Nasenwurzel zusammengewachsen und gaben ihm einen Furcht einflößenden Ausdruck.

„Ich habe dir zu deinem Geburtstag die Krokotasche geschenkt. Warum nimmst du dieses billige Stück?“ Dabei maß er Renates Täschchen mit einem verächtlichen Blick.

Renates Finger bebten, als sie endlich das Taschentuch hervorgeholt hatte. Um ihren Mund lief ein müdes Zucken. Noch immer blickten die Augen des Gatten sie erwartungsvoll an. Ein Joachim Frese war es nicht gewohnt, dass er auf eine seiner Fragen keine Antwort bekam – auch nicht von seiner Frau.

„Ich konnte sie so schnell nicht finden“, log sie. Renate mochte die protzige, viel zu große Tasche nicht, hasste sie nahezu, genau wie sie das Leben hasste, in das Joachim sie zwang.

Es war groß angelegt, dieses Leben!

Es war prunkhaft, es glänzte und gleißte nach außen hin wie der riesige Brillant an Joachims Finger.

„Ich möchte gern, dass du sie immer trägst“, sagte ihr Mann. Er schenkte nicht, damit sie an diesen Dingen Freude hatte. Er schenkte ihr wahnsinnig teure Sachen, damit sie, seine Frau, sie auch trug! Jeder sollte sie sehen und bewundern. Jeder sollte wissen, dass er, Joachim Frese, für seine Frau etwas übrig hatte und dass er es sich erlauben konnte, ihr nur das Beste zu schenken.

Renate wusste es. Es war bitter gewesen, bis sie sich nicht mehr selbst belog und sich eingestand, wer Joachim, der Vater ihrer Kinder, war.

Langsam und schmerzvoll war dieser Prozess erfolgt. Und nun zeigte ihr Joachim also das neue Haus, das er gekauft hatte.

Er öffnete die Wagentür, reckte erst einmal seine massige Gestalt. Vom Fahren war er steif geworden. Er kümmerte sich nicht darum, wie sie aus dem Wagen kam. Wozu? Sie waren weit und breit allein, niemand sah, wenn er sich wie ein Kavalier benahm. Er sah keinen Grund, unnötig Rücksicht zu nehmen.

Er schaute sich das Haus an, sein Haus, die Erfüllung seines Traums, seitdem er ein Bub war.

Ich will einmal in einer Villa wohnen, hatte er sich damals vorgenommen. Ich will, dass man von Weitem den Hut vor mir abnimmt. Ich will „wer“ werden.

Und nun war er „wer“ geworden! Nun war er der ebenso geachtete wie gefürchtete Kaufmann Joachim Frese. Niemand sah ihm an, dass er als kleiner Bub vor Schulbeginn schon Zeitungen hatte austragen müssen. Niemand wusste, dass er als Kind in einer Villa gewohnt hatte – jedoch im Souterrain.

Sein Vater durfte den Kommerzienrat ins Büro fahren, durfte den großen Garten in Ordnung halten, die Heizung bedienen! Seiner Mutter fiel die Aufgabe zu, für Kommerzienrats zu waschen und zu plätten.

Jeden Tag gab es da einen Berg Wäsche! Und er kannte seine Mutter nur mit aufgekrempelten Ärmeln, Seifenspritzern im Gesicht und Haar, das von der Feuchtigkeit des Laugendampfes strähnig und glanzlos geworden war.

„Du sollst es einmal besser haben“, hatte seine Mutter mitunter gesagt. Aber sie hatte selbst nicht recht daran geglaubt, dass ihr einziger Sohn, der sich vor jedem Schulgang noch Geld durch Zeitungsaustragen verdiente, ein schöneres Leben bekam.

„Ja, ich werde es besser haben, ich werde einmal in einer Villa wohnen – aber als Herr!“, hatte er ihr dann zugerufen, wenn er sie wieder einmal müde am Waschtrog sah.

Und nun war der Tag gekommen. Jetzt war er Besitzer dieser Villa. Sie glich fast haargenau der des Kommerzienrats. Aber wen ging das etwas an? Er hatte schon so manches Mal hier gestanden und in den verwilderten Park geschaut.

Beim Notar war alles perfekt. Er, Joachim Frese, war der Besitzer dieses Hauses! Er würde in ihm Feste geben wie der Kommerzienrat. Kristall und Silber sollten im Kerzenschein des Leuchters blitzen.

Inzwischen war Renate auch aus dem Wagen gestiegen. Selbst als sie die Tür zuklappte, schreckte ihr Mann nicht aus seiner Versunkenheit auf, sondern blickte die Häuserfront, die schmutzig grauen Fenster wie ein Wunder an.

Renate fröstelte. Das Haus wirkte plump, steif und kalt auf sie. Wie ein steinerner Kasten ohne Leben und ohne Seele.

Joachim hatte es gekauft, ohne sie zu fragen. Er machte alles allein und bestimmte in ihrer Ehe. Das Kaufen war sein Ein und Alles! Wie konnte er nur darauf verfallen, ein so riesiges, graues Haus zu erwerben?

„Ein wunderschönes Haus, nicht wahr, Renate?“ Das klang geradezu weich und zärtlich!

Die junge Frau starrte auf die steinerne Festung.

„Ja, ein schönes Haus“, log sie wie so manches Mal, damit Joachim zufrieden war.

„Die Müllers und die Kammeiers werden staunen, wenn wir sie das erste Mal einladen.“ Joachim rieb sich die Hände.

„Ja“, sagte Renate tonlos. Sie kannte den Vater ihrer Kinder zu gut, um noch darüber zu staunen, dass er selbst bei diesem Haus zuerst an seine Geschäftsfreunde dachte und an deren Reaktion.

„Ich werde die Handwerker anspitzen, damit sie flott arbeiten. Das neue Jahr wollen wir im neuen Haus feiern.“

„So schnell schon?“, entfuhr es Renate.

„Was heißt so schnell? Glaubst du, ich will Hausbesitzer sein und noch ewig warten, bis ich hier einziehen kann? Nichts da!“ Er schüttelte nachdrücklich den Kopf.

„Nein, natürlich nicht“, sagte Renate, nur um zu antworten.

„Ha, ich kenne doch die Burschen. Wenn sie Bargeld riechen, arbeiten sie einen Schlag mehr! Ich werde Ihnen zum Frühstück immer eine Flasche Bier spendieren …“ Er plante erneut. Er plante stets mit seinem Bankkonto und konnte sich sicher nicht erklären, warum die zarte, schlanke Frau neben ihm nicht beifällig nickte, sondern ein höchst unglückliches Gesicht machte.

Plötzlich lachte Joachim Frese hart auf. „Dem Prinzesschen passt wohl wieder so manches nicht, was?“

Renate zuckte zusammen. „Wie … kommst du darauf?“, murmelte sie. „Mir ist kalt, das ist alles.“

„So, dann steig nur ein“, brummte Joachim versöhnlicher. Er warf noch einen langen Blick zurück, bevor er den Motor anspringen ließ. „Ich fahre zum Büro, habe es jetzt mächtig eilig. Ich setze dich gleich an der Ecke ab.“

„Ja“, murmelte der blasse Frauenmund. Renate kuschelte sich schutzsuchend in die Polster. Es wäre für Joachim nur ein Umweg von wenigen Minuten gewesen, sie nach Hause zu fahren, aber für sie hatte er keine Zeit, nahm keinerlei Unbequemlichkeiten in Kauf. Ihr gegenüber spielte er nur den ritterlich vornehmen Mann, wenn ein Dritter in der Nähe war.

„Wir kennen uns schließlich gut genug“, sagte er einmal. Vielleicht sollte das sogar eine Entschuldigung sein, Renate wusste es nicht. Sie kannten sich – leider! Sie kannte ihn inzwischen, wusste, wer er war.

Aber war das auch umgekehrt der Fall? Wusste er von ihren Gedanken, ihren Empfindungen? Sicher nicht! Er würde sich wohl kaum die Mühe machen, sie zu erforschen. Dafür hatte er keine Zeit, er musste ja Geld verdienen, viel Geld, um sich immer das Teuerste und Beste kaufen zu können.

Was für ein geistig armer Mensch er doch war!

„So, da sind wir.“ Er hielt tatsächlich prompt an einer Straßenkreuzung. „Ich komme heute Abend vielleicht später nach Hause, Renate. Ihr braucht nicht mit dem Abendessen auf mich zu warten.“

Er machte sich wieder nicht die Mühe, ihr die Wagentür zu öffnen oder sich etwa durch einen herzlichen Händedruck von ihr zu verabschieden. Er nickte ihr gleichmütig zu, hatte keinen Blick mehr für ihre zierliche Gestalt.

Renate steckte fröstelnd die Hände in die Taschen, dann ging sie mit leicht vorgebeugten Schultern bis zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. Immer, wenn ihr Joachim in den Sinn kam, schob sie diese Gedanken weit von sich. Denn sie hatte vor der Konsequenz ihrer Gedankengänge Furcht. Joachim war der Vater ihrer Kinder, war seit sechs Jahren ihr Gatte. Sie war nun fünfundzwanzig, kam sich mitunter jedoch vor wie eine alte Frau.

Damals, nach der Eltern Tod, hatte Renate Joachim ohne Einschränkung ihr Jawort gegeben, einem ritterlichen, zuvorkommenden, immer höflichen Joachim Frese. Es hatte ihr imponiert, dass er anscheinend genau wusste, was er wollte. Sie war glücklich darüber gewesen, als er ihr seine Träume offenbarte. Sie hatte darin ein tiefes, großes Seelenleben gesehen, hatte nachsichtig über ihn gelächelt, wie man etwa über einen Buben lächelt, der noch zu große, hochgeschraubte Erwartungen ans Leben stellt.

Sie hatte so schrecklich allein und verlassen auf der Welt gestanden. Sie, die überaus verwöhnte Tochter des Professor Eggers, war lebensuntüchtig gewesen. Sie hatte sich mit der veränderten Lage nicht abfinden können.

Da war Joachim in ihr Dasein getreten, Joachim, der sie verwöhnte, wie sie einst ihre Eltern verwöhnt hatten. Er hatte ihr Blumen gebracht und ihr Pralinen geschenkt. Er war zehn Jahre älter als sie und wirkte so ungeheuer vernünftig und weise.

Sie hatten sich noch nicht lange gekannt, als sie heirateten. Worauf hätten sie denn warten sollen? Joachim hatte allein auf der Welt gestanden, Renate ebenfalls. Eine komplett eingerichtete Wohnung war vorhanden gewesen.

Renate steckte die Hände tiefer in die Taschen, nur noch einige Schritte, dann stand sie vor einem großen, schönen Dreifamilienhaus. Unwillkürlich hielt sie einen Moment inne und betrachtete es wie einen liebgewonnenen Gegenstand. Sie wohnte bereits seit zwanzig Jahren hier. Ihre Eltern waren eingezogen, als sie fünf Jahre zählte und das Haus gerade erbaut worden war.

Jetzt schritt Renate die Steinstufen hoch. Durch diese Tür war sie als Braut gegangen, damals, als ihre erste große Enttäuschung in ihrer Ehe sie beinahe erdrückt hatte: Joachim wollte nicht kirchlich heiraten. Er hielt das für Firlefanz.

Sechs Jahre waren seitdem vergangen …

Renate stieg jetzt die läuferbelegte Treppe hinauf. Das Treppenhaus war hell und freundlich.

Vor ihrer Korridortüre, die weiß gestrichen war, hingen luftige Gardinen.

Sie klingelte. Ein jüngeres Mädchen öffnete.

„Gnädige Frau …“ Es war auch nett und freundlich, dieses Mädchen.

„Wie geht es, Frieda?“

„Alles in Ordnung, gnädige Frau. Die Zwillinge spielen artig in ihrem Zimmer.“

Da verflogen Renates trübe Gedanken über ihre Ehe. Ein mütterlich weiches Lächeln verklärte ihr Gesicht.

Ihre beiden Kinder! Für sie lebte sie, an ihnen hatte sie täglich neue Freude.

Die Geschwister sahen einander nicht besonders ähnlich, obwohl sie Zwillinge waren. Und sie schienen auch im Wesen nicht viel Gemeinsames zu haben.

Renate sah in Wolfgang oft ihren eigenen Vater, den ruhigen, stillen, gütigen Gelehrten, der lieber einmal nachgab, um einem Streit aus dem Weg zu gehen.

Erika dagegen war es gewohnt, stets im Mittelpunkt zu stehen. Sie, die Lebhafte, oft vor Übermut Sprühende, konnte ganz allerliebst und reizend sein. Zeigte sie ihre guten Seiten, verblasste Wolfgang neben ihr. Er blieb sich stets gleich, war ruhig und zurückhaltend. Seltsamerweise schien er sich vor seinem Vater mehr zu fürchten, als ihn zu bewundern, wie es doch die meisten Buben in seinem Alter taten. Er hielt sich mehr an seine Mutter.

Joachim fühlte das natürlich. Anstatt in dieser Reaktion seines Kindes eine Mahnung zu sehen, sich zu bemühen, Wolfgangs Vertrauen zu gewinnen, reagierte er genau gegenteilig.

Er strafte Wolfgang seiner Abneigung wegen und stellte bei jeder Gelegenheit Erika als leuchtendes Beispiel hin.

„Schau dir deine Schwester an, du Memme! Sie ist nur ein Mädchen …“ Wie oft hörte der Bub diesen Vorwurf, und wie oft musste ihn Renate ertragen!

„Joachim, ich bitte dich, behandele die Kinder doch nicht so unterschiedlich!“, hatte sie früher wiederholt gebeten.

„Sind sie nicht verschieden? Du redest doch stets von individueller Behandlung.“ Joachim wollte sie absichtlich nicht verstehen. Er grinste so, dass Renate ein kalter Schauer über den Rücken lief.

Erika stand völlig unter Joachims Einfluss. Der Vater war nur selten mit ihr zusammen, aber diese wenigen Minuten genügten, um die Kleine so weit für sich einzunehmen, dass sie in seinem Kielwasser schwamm.

„Papi hat gesagt, Papi tut dieses …“ Gottlob zeigte sich bei ihr noch nicht der Hang zum Protzen. So hatte sie ein Püppchen gern, das durchaus nicht teuer gewesen war, vielmehr noch aus Renates seliger Jugendzeit stammte.

„Wirf doch diese alte Lotte weg, Liebling, sie sieht ja entsetzlich aus“, sagte einmal Joachim Frese, als er mit ansah, wie Erika gerade das reichlich zottelige Etwas an sich drückte.

„Das ist meine Beate, und alt ist sie nicht, Papi“, erklärte Erika entrüstet. Wie sehr sich die Mutter über dieses Gespräch freute, ahnten weder ihr Gatte noch das Kind.

„Du blamierst dich mit dieser Beate, hast doch so schöne und teure Puppen“, machte Joachim einen erneuten Vorstoß.

„Was ist blamieren, Papi?“, fragte Erika und presste ihr Püppchen noch fester an sich.

„Blamieren …“ Joachim konnte es ihr nicht erklären, runzelte verärgert die Stirn und ließ das Gespräch fallen.

Diese Unterhaltung hatte vor ungefähr acht Tagen stattgefunden. Seitdem hatte Erika ihr zotteliges Püppchen Beate beinahe noch lieber.

Renate spielte jetzt mit ihren Lieblingen, und die Stunde, da Erika und Wolfgang ihr Abendbrot einnehmen mussten, kam viel zu schnell heran. Sie aß gleich mit ihnen, Joachim würde ja ohnehin später kommen, und badete die kleinen Trabanten anschließend. Hei, was gab das für eine Freude und für ein Platschen.

Dann lagen die beiden Rangen frisch gewaschen in ihren Betten. Renate beugte sich über sie. In ihren Augen leuchteten Stolz und Glück.

Später saß sie in dem Wohnzimmer, das zu Lebzeiten ihrer Eltern bereits so möbliert gewesen war. Sie fühlte sich hier wohl. Die Chintzbezüge der Polstermöbel verbreiteten eine anheimelnde Atmosphäre, der große, dicke Teppich erinnerte an ihre Kindheit. Wie oft hatte sie auf ihm zu Füßen ihrer Mutter gesessen, wenn sie Märchen erzählte. Frau Renate streifte die Möbel mit einem zärtlichen Blick, bevor sie aufstand, sich ein Buch aus dem Schrank nahm und zu lesen begann.

Sie wartete nicht auf ihren Mann. Sie wusste, dass es oft spät wurde, bevor er kam. Sie schämte sich plötzlich, als es ihr klar wurde, wie glücklich sie über sein Fernbleiben war.

***

Wie sehr hatte sich Joachim verändert! Schon gleich nach der Hochzeit fing es an. Er war plötzlich nicht mehr der ritterliche, zuvorkommende Gatte, sprang nicht sofort herbei, wenn ihr einmal etwas aus den Händen glitt.

Nur wenn ein Fremder in der Nähe war. Anfangs war sie noch der Meinung, sein Gefühl für sie habe vorübergehend eine Abkühlung erfahren, weil sie während der Schwangerschaft keinen erfreulichen Anblick bot. Natürlich war sie verletzt, wie es eben ein empfindsames Menschenkind nur sein kann, das mit zwanzig Jahren Mutter wurde und sich völlig auf jemanden verlassen hatte, der sie jetzt enttäuschte.

Sie bat ihn um getrennte Schlafzimmer. Joachim willigte, wenn auch zögernd, ein.

„Du bekommst ja wohl keine Launen?“, fragte er sie damals.

Seit jenem Tage war ihre Ehe kaum noch eine. Auch nach der Geburt der Kinder blieb es bei dieser Regelung.

Es war sinnlos, jetzt über die Kette von Demütigungen, Kümmernissen und Enttäuschungen nachzudenken, die hinter ihr lagen.

Warum? Änderte sie dadurch etwas? Ihr Leben war nun einmal mit Joachims verknüpft. Er war der Vater ihrer Kinder. Er besaß eine andere Art als sie.

Es war ihr Fehler, dass sie nicht vorhergesehen hatte, wie wenig sie doch zusammenpassten. Sie konnte Joachim dafür keinen Vorwurf machen.

Und es war ja nicht so, dass sie unglücklich war. Sie lebte hier in der ihr vertrauten Umgebung. Jedes Möbelstück erinnerte sie an ihre eigene glückliche Kinderzeit. Sie hatte ihre Kinder, darum war sie reich.

***

Renate zuckte zusammen, als der Schlüssel in der Korridortür umgedreht wurde. Joachim, dachte sie. Sie hatte keine Lust, noch etwas mit ihm zu plaudern, und tat so, als habe sie ihn nicht gehört, schloss wieder die Augen.

Sie lauschte seinem schweren Schritt. Sie wunderte sich, dass er anscheinend heute auf Zehenspitzen ging, um niemanden zu stören. Soviel Rücksicht nahm er doch sonst nicht.

Nanu? Irrte er sich in der Richtung? Hatte er etwa vor, sie in ihrem Schlafzimmer aufzusuchen? Sein eigenes Zimmer lag doch auf der entgegengesetzten Seite.

Ein kalter Schauer überlief Renate. Nur das nicht … Es war lange her, seitdem er diesen Weg gegangen war.

Oder wollte er noch einmal nach den Kindern sehen?

Eine Tür quietschte. Renate atmete befreit auf. Die Tür zum Kinderzimmer. Eine warme, zärtliche Welle überflutete sie. Joachim … Vielleicht verkannte sie ihn. Er kam spät heim und ging zuerst ins Kinderzimmer … Er musste doch sehr an den Zwillingen hängen.

Es dauerte eine Weile, bis die Tür vom Kinderzimmer abermals quietschte. Jetzt trat Joachim nicht mehr so leise auf. Die Tür zum Badezimmer wurde nicht allzu sanft zugemacht. Endlich verschwand er in seinem Schlafzimmer.

Am nächsten Tag kam die Kinderschwester zu Renate. „Gnädige Frau, kommen Sie doch einmal und schauen Sie nach Erika. Sie ist gar nicht zu beruhigen, weil sie ihre Puppe Beate nicht findet.“

Renate lächelte nachsichtig. Oh, sie kannte Erika. Mitunter konnte sie Kleinigkeiten wegen Theater machen! Und so gutmütig die Kinderschwester auch war, sehr geschickt im Ablenken war sie nicht.

Sie folgte der Kinderschwester und hörte auch schon das Gebrüll. Erika saß auf dem Teppich und schrie. Sie war anscheinend wirklich durch nichts abzulenken. Wolfgang hatte bereits alle anderen Puppen um sie herum aufgebaut.

Selbst als ihre Mutter eintrat, verzog sie nur noch schmerzlicher ihr Mündchen und weinte.

„Meine Beate will ich haben! Sie hat heute Geburtstag, und ich kann ihr nichts schenken“, jammerte sie.

Frau Renate versuchte ihr Ablenkungsmanöver. Es gelang ihr erst nach einiger Zeit. Danach machte sie sich daran, das verloren gegangene Puppenkind zu suchen. Schließlich konnte es ja nicht verschwunden sein.

Ganz plötzlich tauchte ein hässlicher Verdacht in ihr auf. Joachim …? Aber dann lächelte sie. Sie war total übergeschnappt. Auch wenn er der Puppe Beate keine große Sympathie entgegenbrachte, so würde er sie doch nie und nimmer fortgenommen haben. Wie käme er dazu? Irgendwo würde das Püppchen schon wieder auftauchen.

Beim Mittagessen war das zottelige Puppenkind Gesprächsthema Nummer eins. Schwester Therese Mandel ließ sich nämlich lang und breit über das Suchen aus, während Erika zu schlucken begann.

Joachim hörte sich den Bericht ungewohnt geduldig an. Er lächelte sogar mitleidig, sodass sich Renate ihres Verdachtes noch mehr schämte.

Er würde doch niemals seinem Liebling Erika wehtun. Das brächte er nicht fertig. Was hätte er auch davon?

***

Am nächsten Tag klingelte es.

Frieda war gerade einkaufen, so öffnete Renate. Regierungsrat Boller, der Hauswirt, bewohnte die Parterrewohnung. Seit er pensioniert war, kümmerte er sich um die Heizung. Der alte Herr stand vor der Korridortür und strahlte sie an.

„Guten Morgen, gnädige Frau.“ Er hielt ein kleines Päckchen unterm Arm.

„Guten Morgen, treten Sie doch näher!“, bat Renate. Aber er schüttelte nur den Kopf. „Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, dass ich Ihre freundliche Einladung nicht annehmen kann, aber ich habe wirklich keine Zeit. Ich wollte Ihnen nur etwas zurückbringen, was ich fast mit verbrannt hätte.“ Er lächelte herzlich. „Ich habe nämlich erfahren, wie schmerzlich dieser Gegenstand bei Ihnen bereits vermisst wurde.“ Er grüßte freundlich, reichte Renate das Päckchen und ging wieder.

Renate blieb in steinerner Erstarrung zurück. Ein fürchterlicher Verdacht keimte in ihr auf. Sie wankte ins Wohnzimmer. Das in Zeitung gewickelte Etwas brannte unter ihrem Arm wie Feuer.

Endlich wickelte sie es aus. Sie wusste ja, was sie finden würde, dennoch traf sie die Wahrheit wie ein Schlag.