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Die junge Försterstochter Gabi ist ein richtiges Naturkind. Kaum jemals ist sie aus ihrem geliebten Wald herausgekommen. Das ändert sich, als der Förster von einem Wilderer erschossen wird. Gabi muss das Försterhaus verlassen und findet eine neue Heimat auf dem Anwesen des Gutsbesitzers Malte von Terpetten. Vom ersten Moment an fühlt sich der Mann zu dem außergewöhnlichen Mädchen hingezogen. Einmal ist Gabi das wilde, ungestüme Naturkind, dann wieder zeigt sie eine stolze, fast aristokratische Haltung. Dass Malte sich in die kleine Magd verliebt hat, merkt schon bald auch die schöne Karen von Brixen - und getrieben von wilder Eifersucht schmiedet sie eine hinterhältige Intrige, um ihre Rivalin auszuschalten ...
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Kleine Komtess aus dem Försterhaus
Vorschau
Impressum
Kleine Komtess aus dem Försterhaus
Meisterlich erzählter Roman um eine Schicksalsfügung
Die junge Försterstochter Gabi ist ein richtiges Naturkind. Kaum jemals ist sie aus ihrem geliebten Wald herausgekommen. Das ändert sich, als ihr geliebter Vater von einem Wilderer erschossen wird. Gabi muss das Försterhaus verlassen und findet eine neue Heimat auf dem Anwesen des Gutsbesitzers Malte von Terpetten.
Vom ersten Moment an fühlt sich der Mann zu dem außergewöhnlichen Mädchen hingezogen. Einmal ist Gabi das wilde, ungestüme Naturkind, dann wieder zeigt sie eine stolze, fast aristokratische Haltung.
Dass Malte sich in die kleine Magd verliebt hat, merkt schon bald auch die schöne Karen von Brixen – und getrieben von wilder Eifersucht schmiedet sie eine hinterhältige Intrige, um ihre Rivalin auszuschalten ...
»Ich glaube, ich würde sterben, wenn ich jemals von hier fortmüsste!« Gabriele, Förster Wedemeiers einziges Kind, breitete die Arme aus, als wollte sie die ganze Welt umarmen.
Ihr Elternhaus lag mitten im Wald, mehr als zwei Wegstunden vom nächsten Dorf entfernt. Und es kam im Winter häufiger vor, dass man wochenlang von aller Welt abgeschnitten war. Dann lag der Schnee bis unter die Fenster, und der Wind heulte um das kleine Häuschen.
Aber selbst in tiefster Wintereinsamkeit fand Gabi das Forsthaus und den Wald wunderschön.
Es war nicht groß, dieses Haus, beileibe nicht feudal eingerichtet, und dennoch strahlte es Gemütlichkeit aus.
An ihre Mutter konnte Gabi sich kaum noch erinnern. Sie war gestorben, als sie gerade drei Jahre alt gewesen war.
Zuerst hatte ihr Vater sie versorgt. Als sie dann etwas älter und vernünftiger geworden war, hatte sie nach und nach alle Hausfrauenpflichten übernommen.
An diesem Morgen veranstaltete Gabi einen großen Hausputz. Sie stellte das kleine Haus auf den Kopf und vertrieb dadurch nicht nur ihren Vater, nein, auch die lieben Vierbeiner liefen vor ihrem Besen und Scheuereimer davon.
Vater Georg nahm wieder einmal den alten Rucksack und schnallte ihn sich auf den Rücken. Gabi gab ihm eine Liste von Dingen, die er im Dorf einkaufen musste. Sie musste immer höllisch aufpassen, dass sie auch nichts vergaß. Es war ja immer eine Halbtagstour von hier ins Dorf hinab!
Nach dem Hausputz machte sie sich an die Gartenarbeit. Um ihr üppiges Blondhaar band sie ein Kopftuch, fuhr mit ihren nackten Füßen in Holzpantoffeln und begab sich hinter das Haus, wo sich ein großer Garten erstreckte.
Sie mochte wohl zwei Stunden gearbeitet haben, als der Dackel Purzel und das Setterpaar Nicky und Senta laut zu bellen begannen. Also richtete sich Gabi auf und eilte zum Haus.
Der Gutsherr von Lohenhausen, der Herr über riesige Güter und über das Forsthaus, war gekommen. Und da ihr Vater sie stets Ehrerbietung vor der Herrschaft gelehrt hatte, knickste Gabi.
»Guten Tag, Herr«, sagte sie.
Der junge Mann, der groß, schlank und elegant vor ihr stand, schaute nicht ohne geheime Belustigung auf sie herab.
Woher mochte diese kleine Wilde kommen? Malte von Terpetten musterte das unmögliche Kleid, das Gabi trug. Und wer ging um diese Jahreszeit schon barfuß und ohne Strümpfe? Gabis Kopftuch war verrutscht, und so quoll ihr lockiges Blondhaar hervor, das sich offenbar zu keiner Frisur ordnen ließ.
Malte von Terpetten strich sich nachdenklich über das glatt rasierte Kinn. Er überlegte, ob diese Kleine noch ein Kind war oder nicht.
»Guten Tag«, erwiderte er nun. »Ich wollte Förster Wedemeier sprechen.«
»Mein Vater ist im Dorf.« Gabi stand in stolzer Haltung vor ihm.
Der junge Gutsherr räusperte sich. Donnerwetter, was für schöne, große grüne Augen das Mädchen vor ihm besaß.
»Dann sind Sie also Förster Wedemeiers Tochter.« Er musste sich anstrengen, um dieses junge Geschöpf zu siezen.
»Ja, Herr!« Gabi besann sich auf ihre Hausfrauenpflichten. Sie lächelte ihn freundlich an. »Darf ich Sie ins Haus bitten? Ich reiche Ihnen auch gleich eine Erfrischung!« Sie stieß die Haustür auf.
Der Gast folgte Gabi, die nun die Tür zum Wohnzimmer öffnete.
»Nehmen Sie bitte Platz, ich muss mich eben ein bisschen frisch machen!«
Gabi ging gleich unter die Pumpe und wusch ihre schlanken, starken Arme. Auch mit dem Kämmen machte sie sich nicht viel Arbeit. Ein paar Striche durch ihr Haar, und sie war fertig!
Als sie ins Wohnzimmer kam, hatte es sich der Gast bereits in einem der verschlissenen Sessel bequem gemacht. Gabi bereitete ihm ein Frühstück zu, das er mit gutem Appetit verzehrte.
Unterdessen überlegte sie, was der Gutsherr wohl im Forsthaus wollte. Bisher hatte er ihrem Vater völlig freie Hand bei seiner Arbeit gelassen.
»Darf ich Ihnen ein Glas Wein anbieten?«, fragte Gabi schließlich.
Malte von Terpetten nahm das Angebot dankend an, und der Wein schmeckte köstlich.
Gabi freute sich, als er es ihr sagte.
»Ich braue ihn nach einem eigenen Rezept meines Vaters«, erzählte sie ihm.
Der Förster schien sich heute besonders lange im Dorf aufzuhalten. Der Gutsherr warf immer häufiger einen Blick auf die Uhr. Endlich erhob er sich.
»Ich muss jetzt gehen, Fräulein ...«
»Ich heiße Gabriele, alle nennen mich aber Gabi«, sagte sie.
»Na gut, Fräulein Gabi, also ...« Der Gutsherr trug ihr auf, ihrem Vater doch zu bestellen, er möge sich bald einmal auf Lohenhausen sehen lassen, und verabschiedete sich darauf kurz.
Gabi blieb in seltsamer Stimmung zurück. Es mochte wohl an dem warmen Sonnenschein liegen, dass sie plötzlich Lust bekam zu tanzen. Ihre Holzsandalen klapperten laut auf dem Steinfußboden der Küche, ihr Rock wirbelte hoch, und sie summte eine muntere Melodie. Tanzen lag ihr einfach im Blut.
»Das hast du von deiner Mutter«, hatte ihr Vater einmal gesagt.
Sie wusste, dass er es nicht gern sah, wenn sie tanzte, wusste aber nicht, warum.
Jetzt ging die Tür auf, und der Forstmann blieb betroffen stehen.
»Kind«, sagte er. Im gleichen Moment hörte Gabi zu singen und tanzen auf. »Ich habe alles bekommen.« Georg Wedemeier stellte den Rucksack auf den Tisch.
Später, als beide das einfache Mahl aßen, erzählte Gabi von dem Besuch des Gutsherrn.
»Was wollte er?«, argwöhnte der Vater.
»Ich weiß es nicht.«
Der alte Forstmann konnte es sich auch nicht denken. Aber tief im Herzen fühlte er bereits seit einiger Zeit eine geheime Furcht. Er war alt geworden, und vielleicht hielt ihn der Gutsherr für zu alt, um noch allein die großen Wälder zu betreuen? Und wenn er ihm nun einen jungen Gehilfen zugeben wollte, der nur Unruhe ins Haus trug?
»Hast du Sorgen, Vater?«, fragte Gabi mitfühlend. Sie war es gewohnt, dass ihr Vater Freud und Leid mit ihr teilte.
»Sorgen?«, wiederholte der alte Herr. Dann lächelte er. Gabi würde schon früh genug erfahren, wenn Malte von Terpetten mit seinen Diensten nicht mehr zufrieden war.
♥♥♥
An diesem Abend ließ Gabi plötzlich ihre Näharbeit sinken und sah ihren Vater bittend an.
»Vater, ich weiß eigentlich so wenig von meiner Mutter«, sagte sie. »Bitte, erzähl mir von ihr.«
Georg Wedemeier rauchte seine geliebte Pfeife. Er saß ganz in blaue Dunstwolken eingehüllt da. Jetzt lächelte er in Gedanken versunken.
»Sie war sehr schön, deine Mutter«, sagte er leise. »Und sie war sehr gut.«
»Wo lerntest du Mutter kennen? Stammte sie aus dem Dorf?«
»Nein, Gabi, sie lebte in der Stadt, in einer sehr großen Stadt sogar.«
»Und du warst in der Stadt?«, bohrte das junge Mädchen mit seltener Hartnäckigkeit weiter, die er bisher überhaupt nicht an ihr gekannt hatte.
»Deine Mutter kam ins Dorf, um sich zu erholen.«
»Wovon denn erholen? Sie war doch noch jung.« Gabi verstand das nicht. Wovon hätte sie sich schon erholen sollen? Sie selbst fühlte sich immer stark und kräftig.
Georg Wedemeier sah durch den Rauch, und er hatte das Empfinden, als tauche die Vergangenheit wieder vor ihm auf, die kurze und schöne Vergangenheit mit seiner jungen Frau.
Ja, Marietta war sehr jung gewesen, viele Jahre jünger als er, als er sie kennengelernt hatte, und überirdisch schön.
Er war durch den Wald gegangen und zu dem Schwarzsee gekommen, der weitab vom Weg lag.
Da hatte er Marietta erblickt. Sie war verzweifelt und im Begriff gewesen, sich diesem unheimlichen dunklen Wasser anzuvertrauen. Er hatte sie vor dem Schlimmsten bewahrt und sie mit ins Forsthaus genommen.
Und da hatte er ihre traurige Geschichte erfahren ...
Marietta war Tänzerin und besaß alle Aussichten, später einmal sehr berühmt zu werden. Sie lebte nur für ihre Kunst, bis sie einen Mann kennen und lieben lernte. Sie glaubte sich von ihm wiedergeliebt und war darüber sehr glücklich. Doch dann wurde sie schwanger. Und als sie ihm das süße Geheimnis ins Ohr flüsterte, sah sie Entsetzen in seinen Augen. Er gestand ihr, dass er bereits gebunden war.
Da verließ sie ihn verzweifelt. Am gleichen Abend brach sie nach der Vorstellung zusammen. Der herbeigerufene Arzt untersuchte sie gründlich.
»Sie dürfen auf keinen Fall mehr Ihren Beruf ausüben«, befahl er. »Wissen Sie denn nicht, dass Ihre Lunge sehr angegriffen ist? Sie brauchen Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe, gute Kost und frische Luft.«
Aber er sagte ihr nicht, wie sie diese Vorschriften einhalten sollte. Sicher hatte sie etwas gespart, aber wie lange mochte es reichen? Außerdem musste sie ja auch an ihr Kind denken, das sie bald zur Welt bringen würde. So trat sie noch einige Wochen auf. Als sie dann abermals zusammenbrach, wurde sie entlassen.
Der Vater ihres Kindes versuchte immer wieder, mit ihr in Verbindung zu treten, doch sie wich ihm aus.
Dann packte Marietta kurzerhand ihre Koffer und reiste in diese waldreiche Gegend. Hier hoffte sie, die Schwäche zu überwinden und sich zu erholen. Aber sie irrte sich. In der ländlichen Einsamkeit wurde die Verzweiflung immer stärker. Da entschloss sie sich, mit ihrem Kind aus dem Leben zu scheiden. Was konnte sie schon noch für sich und ihr Kind von der Zukunft erhoffen?
Da an dem See hatte Georg Wedemeier Gabrieles Mutter also getroffen und mit ins Forsthaus genommen. Als er sie später gebeten hatte, ihn zu heiraten, hatte sie aus Dankbarkeit geweint. Doch es war kein Mitleid, sondern Liebe, die den Mann, der zwanzig Jahre älter als seine kränkelnde zarte Frau gewesen war, zu dem Schritt bewogen hatte.
Marietta schien sich nach und nach zu erholen und in der wunderbaren Stille des Forsthauses aufzublühen. Auch sie begann den Mann ehrlich zu lieben.
Und dann wurde Gabriele geboren. Die Freude im Forsthaus kannte keine Grenzen. Georg Wedemeier vergaß, dass er nicht der Vater des kleinen, süßen Geschöpfes war. Seine Frau und sein Kind bedeuteten ihm alles.
Daran musste der alte Mann nun denken, der in dem Sessel saß und durch die Rauchwolken hindurchsah.
»Deine Mutter war recht zart und anfällig«, sagte er lächelnd.
»Ich habe gottlob deine Gesundheit geerbt, Vater«, erwiderte Gabi.
Ihr Vater zuckte mit keiner Wimper.
»Ja, Kind, das hast du wohl«, bestätigte er. Und Gabi dachte daran, dass sie ihren Vater eigentlich noch keinen Tag krank gesehen hatte.
»Und warum musste Mutter so früh sterben?«, bohrte sie weiter.
»Warum, Kind? Gottes Wege sind eben unergründlich. Nach einer bösen Grippe erholte sie sich nicht wieder, und eines Tages schlief sie friedlich ein.«
An den langen dunklen Wimpern des Mädchens hingen Tränen.
»Ich hätte Mutter so gern einmal richtig kennengelernt, Vater.«
Plötzlich zuckten beide zusammen.
»Ein Schuss!«, murmelte Gabi verstört.
Georg Wedemeier sprang auf, ging zum Fenster und riss es auf. Jetzt lag der Wald wieder unheimlich still und ruhig vor ihm. Gabi trat zu ihm. In ihren Gesichtern spiegelte sich die Anspannung des Lauschens.
»Wilderer!«, sagte der Förster. Das Wort hing plötzlich wie ein drohendes Schwert im Raum. Gabi schluckte und starrte wieder in die dunkle Nacht.
♥♥♥
Im nächsten Moment waren Vater und Tochter bereits an der Tür. Gabi hatte sich ihren alten Lodenmantel übergezogen, Georg Wedemeier die grüne Joppe übergestreift. Beide schulterten wie nach stummer Übereinkunft ihr Gewehr und nahmen die klugen Hunde Nicky und Senta mit.
»Sucht«, flüsterte ihnen Gabi zu. »Hier im Wald gibt es einen bösen Menschen, den müssen wir unbedingt finden.«
Nicky wedelte mit seinem stolzen Schweif und hob seinen Kopf noch einige Zentimeter höher.
Es war selbstverständlich, dass Gabi ihren Vater begleitete, wie sie ja auch auf vielen Pirschgängen stets an seiner Seite blieb. Sie schritten zügig aus, aber Georg Wedemeier musste sich anstrengen, um mit Gabis Tempo mitzuhalten.
Jetzt wurden die Hunde unruhig. Senta bellte sogar und sprang voraus. Gabi blieb ihr auf den Fersen. Die Nacht war ungewöhnlich dunkel. Am Himmel stand kein Stern.
Plötzlich hielt Gabi den Atem an. Knackte es da nicht im Unterholz? Georg Wedemeier ließ seine Taschenlampe aufblitzen. Die Hunde bellten und jagten davon.
»Komm, Vater!«, rief Gabi und eilte ihnen nach.
Sie war wieselflink und sprang wie ein Reh zwischen den Bäumen hindurch. Und so war sie als Erste bei der Blutspur, die Nicky und Senta verbellten. Sie führte noch einige Hundert Meter weiter und endete auf einem ausgefahrenen Holzfällerweg. Hier zeichneten sich deutlich Autoreifenspuren ab.
»Zu spät«, flüsterte Gabi dumpf. Ohnmächtige Wut und Verzweiflung stiegen in ihr auf. Als ihr Vater außer Atem und in Schweiß gebadet an Ort und Stelle erschien, konnte er nur dasselbe wie Gabi feststellen. Man war zu spät gekommen. Die heimtückischen Wilddiebe waren mit ihrer Beute auf und davon.
Es war ein trauriger, schweigsamer Heimweg, den Gabi mit ihrem Vater antrat. Nicky und Senta umsprangen sie unruhig.
♥♥♥
Am nächsten Morgen schien die Sonne wieder, als sei in der vergangen Nacht nichts geschehen.
»Ich muss zum Herrn, aber was wird er sagen, wenn er von den jüngsten Ereignissen erfährt?«, fragte der Förster dumpf.
»Er wird empört sein, Vater.«
Georg Wedemeier nickte und dachte an den vorigen Herrn von Lohenhausen.
»Himmel, sind Sie nun mein Förster, der monatlich ein dickes Gehalt kassiert, oder nicht?«, hatte der ihn damals vor vielen Jahren angeschrien, als er die Meldung von Wilddieben gebracht hatte. »Machen Sie die Männer unschädlich!«
Wie würde nun der neue Herr von Terpetten auf die Hiobsbotschaft reagieren?, fragte sich der Förster besorgt.
Nun machte sich Georg Wedemeier auf den Weg zum Gut. Ihn begleiteten seine bangen Ahnungen.
Der Förster blieb seufzend stehen, als er das Gutshaus vor sich liegen sah. Ein Herrenhaus war es, aber ein neuer Anstrich wäre notwendig gewesen. Überhaupt war es nicht zu übersehen, dass die Gutsleute kein Geld im Überfluss besaßen.
Der alternde Förster schritt weiter. Er ging die schöne, breite Treppe hinauf, die aus wundervollen Natursteinen gemauert war. Ihnen konnte der Zahn der Zeit nichts anhaben.
Dann drückte Georg Wedemeier auf den Klingelknopf an der Haustür. Ein adrettes Stubenmädchen öffnete ihm und bat ihn herein.
»Der gnädige Herr ist nicht im Haus«, sagte sie.
Als er unschlüssig in der großen Halle stand, kam eine alte Dame mit schneeweißem Haar auf ihn zu. Sie hatte feine Gesichtszüge und gütige Augen.
Georg Wedemeier verbeugte sich linkisch. Er war den Umgang mit feinen Damen nicht gewohnt.
»Mein lieber Wedemeier«, begrüßte die Mutter des Gutsherrn den Förster freundlich.
Er streckte ihr seine große, raue Hand entgegen. Er hatte Luitgard von Terpetten immer gern gemocht und sich so manches liebe Mal gefragt, wie diese liebenswürdige Dame wohl zu ihrem Mann gekommen war. Aber es musste ja wohl Liebe gewesen sein, was beide einst zusammengeführt hatte.
»Mein Sohn ist leider nicht anwesend und wird auch heute Abend sicher nicht kommen«, leitete die alte Dame das Gespräch ein.
»Ich habe es gerade gehört, gnädige Frau.«
»Nun haben Sie den weiten Weg hierher umsonst gemacht, das tut mir leid. Der Jüngste sind Sie ja schließlich auch nicht mehr«, fuhr sie freundlich fort.
Sofort glomm Misstrauen in Georg Wedemeiers Augen auf. Hatte er sich also doch nicht geirrt? Er sei alt geworden, hatte die Herrin gerade eben festgestellt.
»Ich fühle mich noch immer gesund und kräftig«, versicherte er ihr schnell.
»Das will ich Ihnen gern glauben.« Luitgard von Terpetten läutete nach einem Mädchen, das dem Förster bald darauf ein Schnäpschen kredenzte. Der alte Mann schüttelte sich, nachdem er getrunken hatte. Er war so scharfe Sachen nicht mehr gewohnt.
»Mein Sohn erzählte mir neulich gerade von Ihrer Tochter, mein lieber Wedemeier. Sie soll ihm einen vorzüglichen Obstwein angeboten haben.«
Damit gab sie das Stichwort für Georg Wedemeier, der sich im Handumdrehen in einen beredten Menschen verwandelte. Über seine Gabi konnte er stundenlang erzählen. Und so erfuhr Frau von Terpetten einiges über ihr Leben im Forsthaus.
»Jetzt sagen Sie nur, dass Ihr Töchterchen Ihnen bei Ihren Forstgeschäften hilft?«
»Nun ja ...« Georg Wedemeier lächelte wie um Verzeihung bittend. »Sie ist sehr tüchtig, meine Gabi.«
»Aber Ihr Töchterchen ist doch ein Mädchen und fast im heiratsfähigen Alter. Meinen Sie nicht auch, dass es allmählich die Waldeinsamkeit verlassen müsste?« Sie drückte sich vorsichtig aus. Sie erwähnte nicht, wie entsetzt ihr Sohn über das Zusammentreffen mit dem Försterkind gewesen war.
»Gabi ist im Wald glücklich, gnädige Frau. Sie sehnt sich nicht von mir fort.«