Die Zaubermuschel - S.E. Smith - E-Book

Die Zaubermuschel E-Book

S.E. Smith

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Beschreibung

Ross Galloway will endlich ein neues Leben fernab von Yachats, Oregon, beginnen. Alles, was er dazu braucht, ist ein wenig Geld und eine Menge Glück. Dieses Glück ereilt ihn, als er bei einem seiner Tauchgänge etwas Ungewöhnliches entdeckt – eine echte Meerjungfrau.
Sein Plan, mit seiner Entdeckung Geld zu verdienen, geht jedoch nicht ganz auf, da ihm die Meerjungfrau ein unerwartetes Geschenk macht – eine Zaubermuschel. Der Zauber, mit dem die Muschel belegt ist, reißt Ross über Bord und er taucht in einer seltsamen, bizarren Welt auf.
Prinzessin Gem LaBreeze ist ein Elementargeist, eine mächtige Spezies, die über die Macht verfügt, die Elemente zu kontrollieren. Sie hatte sich in Stein verwandelt, um sich vor dem Bösen zu schützen, das die Insel der Elementargeister bedroht. Eines Tages wird sie von einem Mann aus einer anderen Welt erweckt – einem Fremden, der nicht nur arrogant und ungehobelt, sondern auch unberechenbar ist.
Gem und Ross müssen in einem verzweifelten Wettlauf gegen die Zeit lernen, dass sich Gegensätze anziehen können und dass sich unter einer harten Schale manchmal ein zartes Herz verbirgt. Werden der ungewöhnliche Held und die einsame Frau es schaffen, eine unheilvolle außerirdische Kreatur aufzuhalten, oder wird die Insel der Elementargeister für immer in den Tiefen des Ozeans verschwinden?
Die weltberühmte Autorin S.E. Smith präsentiert ein neues aufregendes Buch voller Leidenschaft und Abenteuer. Durch ihren einzigartigen Humor, die lebhaften Landschaften und die beliebten Charaktere wird dieses Buch garantiert ein weiterer Fan-Favorit!

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Die Zaubermuschel

S.E. Smith

Danksagung

Ich danke meinem Mann Steve dafür, dass er an mich geglaubt hat und so stolz auf mich war, dass ich den Mut hatte, meinem Traum zu folgen. Ein besonderer Dank gilt außerdem meiner Schwester und besten Freundin Linda, die mich nicht nur zum Schreiben ermutigt, sondern auch das Manuskript gelesen hat; und auch meinen anderen Freundinnen, die an mich glauben: Maria, Jennifer, Jasmin, Rebecca, Julie, Jackie, Lisa, Sally, Elizabeth (Beth), Laurelle, und Narelle. Diese Mädels geben mir Kraft!

Und ein ganz besonderes Dankeschön an Paul Heitsch, David Brenin, Samantha Cook, Suzanne Elise Freeman, Laura Sophie, Vincent Fallow, Amandine Vincent, und PJ Ochlan – die wunderbaren Stimmen meiner Hörbücher!

—S.E. Smith

Die Zaubermuschel

Eine Sieben Königreiche Erzählung 6

Copyright © 2021 bei Susan E. Smith

Erstveröffentlichung des E-Books auf Englisch Dezember 2019

Erstveröffentlichung des E-Books auf DeutschOktober2021

Umschlaggestaltung von: Melody Simmons und Montana Publishing

ALLE RECHTE VORBEHALTEN: Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Autorin auf irgendeine Art und Weise vervielfältigt werden, dazu zählen auch vollständige oder teilweise elektronische oder fotografische Vervielfältigungen.

Alle Charaktere und Ereignisse in diesem Buch rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder tatsächlichen Ereignissen oder Organisationen sind rein zufällig und von der Autorin nicht beabsichtigt.

Zusammenfassung: Ein Fischer macht die Entdeckung seines Lebens und wird in eine magische Welt transportiert. Dort verbündet er sich mit einer mächtigen Prinzessin, um nicht nur ihr Königreich, sondern alle Sieben Königreiche zu retten.

ISBN: 9781956052350 (Taschenbuch)

ISBN: 9781956052343 (eBook)

Romantik | Zeitgenössisch | Action Abenteuer | Paranormal

Veröffentlicht von Montana Publishing, LLC

und SE Smith von Florida Inc. www.sesmithfl.com

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Weitere Bücher und Informationen

Über die Autorin

Charaktere

Insel der Elementargeister

King Ruger und Königin Adrina LaBreeze

Gem Aurora LaBreeze – Prinzessin der Elementargeister

Wayman – Hochkanzler und Gems Cousin

Samuel – Persönlicher Leibwächter des Königs

Insel der Monster

Kaiserin Nali

Pirateninsel

Piratenkönig King Ashure Waves

Insel der Riesen:

König Koorgan – König der Riesen

Gant – Halb Riese/halb Zauberer, Koorgans Freund und stellvertretender Kommandant

König Samui und Königin Malay: Koorgans Eltern und die ursprünglichen Herrscher der Riesen

Dracheninsel:

Drago – König der Drachen

Insel der Meeresschlange:

Orion – König der Insel der Meeresschlange

Magna – Die Meerhexe

Übersicht

Ross Galloway will endlich ein neues Leben fernab von Yachats, Oregon, beginnen. Alles, was er dazu braucht, ist ein wenig Geld und eine Menge Glück. Dieses Glück ereilt ihn, als er bei einem seiner Tauchgänge etwas Ungewöhnliches entdeckt – eine echte Meerjungfrau.

Sein Plan, mit seiner Entdeckung Geld zu verdienen, geht jedoch nicht ganz auf, da ihm die Meerjungfrau ein unerwartetes Geschenk macht – eine Zaubermuschel. Der Zauber, mit dem die Muschel belegt ist, reißt Ross über Bord und er taucht in einer seltsamen, bizarren Welt auf.

Prinzessin Gem LaBreeze ist ein Elementargeist, eine mächtige Spezies, die über die Macht verfügt, die Elemente zu kontrollieren. Sie hatte sich in Stein verwandelt, um sich vor dem Bösen zu schützen, das die Insel der Elementargeister bedroht. Eines Tages wird sie von einem Mann aus einer anderen Welt erweckt – einem Fremden, der nicht nur arrogant und ungehobelt, sondern auch unberechenbar ist.

Gem und Ross müssen in einem verzweifelten Wettlauf gegen die Zeit lernen, dass sich Gegensätze anziehen können und dass sich unter einer harten Schale manchmal ein zartes Herz verbirgt. Werden der ungewöhnliche Held und die einsame Frau es schaffen, eine unheilvolle außerirdische Kreatur aufzuhalten, oder wird die Insel der Elementargeister für immer in den Tiefen des Ozeans verschwinden?

Prolog

Die Insel der Elementargeister:

Drei Jahre zuvor

Auf den Fluren des Kristallpalastes herrschte frühmorgens reges Treiben, doch Prinzessin Gem Aurora LaBreeze, die den prächtigen Korridor entlangschritt, nahm den Trubel nur am Rande wahr. In Gedanken war sie noch immer bei dem Treffen, an dem sie am Abend zuvor teilgenommen hatte. Sie versuchte nach wie vor, alles, was sie gesehen und erfahren hatte, zu verarbeiten, bevor sie ihren Eltern davon berichtete.

Am schockierendsten war die Begegnung mit dem Drachenkönig gewesen! Das Letzte, was sie gehört hatte, war, dass Drago die gesamte Dracheninsel in einen tödlichen Nebel gehüllt hatte, nachdem die Meerhexe seine Familie und alle seine Untertanen in Stein verwandelt hatte. Seitdem war er von der Bildfläche verschwunden – bis gestern Abend, als er an dem Treffen der Herrscher und Vertreter teilgenommen hatte – und das nur, weil eine Frau aus einer anderen Welt aufgetaucht war und alles verändert hatte.

Nali, die Kaiserin der Monster, hatte behauptet, dass diese Frau, Carly Tate, eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt hatte. Angeblich sollten die Königreiche dadurch zusammengeführt werden und „die außerirdische Kreatur“ vernichten. So nannten sie das böse Wesen, das von Magna, der Meerhexe, Besitz ergriffen hatte und sie zwang, die Sieben Königreiche in Angst und Schrecken zu versetzen.

Da sie seit Jahrhunderten nicht über ihren freien Willen verfügen konnte, hatten die anderen Teilnehmer der Versammlung dafür gestimmt, das Leben der Meerhexe wenn möglich zu verschonen. Gem war als Einzige dagegen gewesen. Sie wusste noch nicht, warum ihre Eltern so hartnäckig darauf bestanden hatten, dass sie unter allen Umständen für Magnas Tod stimmen musste, doch sie war sich sicher, dass sie nicht sonderlich erfreut sein würden, wenn sie ihnen die Entscheidung mitteilen würde, die auf der Versammlung gefällt worden war.

Gems Miene hellte sich auf, als sie den alten Wachmann sah, der schützend vor einer prächtigen Doppeltür stand. Der Wächter senkte respektvoll den Kopf und öffnete die Tür zum Konferenzraum, als sie sich näherte. Die prunkvollen Schnitzereien an den Türen erzählten die Geschichte der Elementargeister. Sie streckte die Hand aus und ließ ihre Finger liebevoll über die Oberfläche der einen Tür gleiten.

„Eure Eltern erwarten Euch bereits, Prinzessin. Aber seid gewarnt: Der Hochkanzler ist bei ihnen“, flüsterte der Wächter.

„Danke für die Warnung, Samuel“, antwortete Gem mit einem schiefen Lächeln.

„Es ist mir ein Vergnügen, Lady Gem. Außerdem werde ich ein ernstes Wort mit den jungen Wachen reden müssen. Ihr Verhalten ist vollkommen inakzeptabel. Ich glaube, Ihr habt allein durch Eure Ankunft heute Morgen schon mehr als ein Herz gebrochen, ohne es zu merken“, antwortete Samuel mit blitzenden Augen.

Als sie einen Blick über ihre Schulter warf, bemerkte sie, dass mehrere junge Wachmänner mit einem zaghaften Lächeln in ihre Richtung schauten. Sie gluckste und schüttelte den Kopf, als einer der jungen Männer errötete und ihr ein breites Grinsen zuwarf. Unter Samuels strengem Blick zog sich die Gruppe schnell in verschiedene Richtungen zurück und sie wandte sich wieder dem älteren Wachmann zu.

„Neue Rekruten, es ist jedes Mal das Gleiche. Sie sind heute zum ersten Mal im Palast. Ich wollte, dass sie einen Einblick in die täglichen Abläufe bekommen. Sie werden den Rest des Tages nur noch von dir reden“, sagte er und schüttelte amüsiert den Kopf.

„Ich mache das absichtlich, um dich bei Laune zu halten. So hast du etwas, weswegen du sie schimpfen kannst“, stichelte sie.

Gem lächelte immer noch, als sie den Konferenzraum betrat. Samuel war der persönliche Leibwächter ihrer Eltern gewesen, so lange sie denken konnte. Sie hatte unzählige Stunden damit verbracht, ihn über die verschiedenen Szenen auf den Türen auszufragen, und er hatte ebenso viele Stunden damit verbracht, ihre die fesselnde Geschichte der Insel der Elementargeister zu erzählen. Außerdem hatte er ihr den Umgang mit einem Schwert beigebracht.

Das Lächeln auf ihren Lippen verblasste, als sie den Hochkanzler mit ihren Eltern sprechen sah. Es spielte keine Rolle, dass er ihr entfernter Cousin war, sie konnte ihn nicht leiden. Außerdem traute sie ihm nicht. Selbst als sie noch Kinder gewesen waren, war sie Wayman möglichst aus dem Weg gegangen. Es war ihr ein Rätsel, warum ihre Eltern beschlossen hatten, ihm nach dem frühen Tod seiner Eltern eine so mächtige Position zu geben.

Als sie den Raum durchquerte, wandte Gem den Blick von Wayman ab und konzentrierte sich stattdessen auf das amüsierte Funkeln in den Augen ihrer Mutter. Königin Adrina LaBreeze hob eine Augenbraue, und Gem rang sich ein Lächeln ab und nickte dem Hochkanzler höflich zu, als er sie abschätzig musterte. Sie blickte dem widerwärtigen Mann gelassen in die Augen, wobei sie darauf achtete, dass ihr heiteres Lächeln nicht wankte. Wie üblich flammte in den Augen ihres Cousins Zorn auf, bevor er wegschaute. Der Mistkerl hatte noch einen weiten Weg vor sich, bevor er es ihm gelingen würde, sie einzuschüchtern.

„Willkommen zu Hause, Liebling“, begrüßte ihre Mutter sie herzlich.

Gem blieb vor ihrer Mutter stehen und küsste sie kurz auf beide Wangen, bevor sie dasselbe bei ihrem Vater machte. Ihr Vater hielt ihre Arme noch einen Augenblick lang fest, bevor er sie losließ. Sie ignorierte Wayman. Wenn es einen Weg gab, ihren Cousin zu ärgern, dann war es, ihm die Aufmerksamkeit und Macht zu verweigern, nach der er sich so sehr sehnte.

„Ist die Reise gut verlaufen?“, erkundigte sich ihr Vater leise.

Gem senkte den Kopf. „Es war interessant“, antwortete sie ausweichend.

Sie warf Wayman einen Blick zu. Sie würde ihren Eltern später von der Versammlung berichten. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass sie mit Informationen in Anwesenheit ihres Cousins äußerst vorsichtig sein sollte. Wenn ihre Eltern beschlossen, Wayman mitzuteilen, wo sie gewesen war und was dort besprochen worden war, dann war das ihre Entscheidung.

„Ich wusste gar nicht, dass du die Insel verlassen hast, Gem. Soweit ich weiß, gibt es immer noch eine strenge Beschränkung für Reisen“, bemerkte Wayman spitz.

Gem zuckte mit den Schultern. „Meine Reise ist vom König und der Königin genehmigt worden, Wayman. Daher habe ich keinen Grund gesehen, dir meine Reisepläne mitzuteilen“, entgegnete sie.

Waymans Augen verengten sich und er schürzte die Lippen, bevor er leise erwiderte: „Wie unsere Majestäten wünschen, natürlich.“ Er neigte seinen Kopf ehrerbietig zu König Ruger und Königin Adrina.

Gem sah ihre Mutter an, als sie eine Berührung an ihrem Arm spürte. Erst da bemerkte sie, dass sie den Griff ihres Schwertes umklammerte. Ihr Cousin hatte schon immer den Wunsch in ihr geweckt, herauszufinden, ob sein Blut rot oder schwarz war.

„Wayman, wir werden unser Gespräch später fortsetzen. Wir wären gerne ein bisschen mit unserer Tochter allein“, erklärte ihre Mutter freundlich.

Wayman erstarrte, als ihre Mutter ihn entließ. Er machte eine knappe Verbeugung vor ihren Eltern und warf ihr einen skeptischen Blick zu. Gem drehte sich lässig um und sah zu, wie er schweigend zu einem Ausgang auf der linken Seite des Raumes ging, der sich hinter einem großen Wandteppich befand.

Sie wartete, bis sie hörte, wie die Tür geöffnet und geschlossen wurde, bevor sie sich wieder ihrer Mutter zuwandte. Ihr Vater gluckste und Gem schnaubte.

„Ich weiß nicht, warum ihr euch mit diesem wertlosen Stück –“, murrte sie verächtlich.

„Manchmal ist es besser, Leute, denen man nicht traut, in der Nähe zu behalten“, antwortete König Ruger mit einem Seufzer.

Gem sah ihren Vater überrascht an. „Ich wusste nicht, dass du so denkst“, sagte sie.

„Er ist schon immer nach seinem Vater gekommen, fürchte ich“, antwortete ihr Vater.

Ihre Mutter schnaubte unwirsch, bevor sie das Thema wechselte. „Was hast du erfahren?“, fragte ihre Mutter.

Gem sah ihre Eltern mit tiefer Besorgnis an. „Die anderen wollen versuchen, Magna zu fangen. Nali hat davor gewarnt, sie zu töten. Drago –“

„Drago!“, riefen ihre Eltern wie aus einem Munde.

„Der Drachenkönig ist zurückgekehrt?“, fragte ihr Vater.

Gem nickte. „Ja. Er hat jetzt anscheinend eine Frau. Sie stammt nicht aus unserer Welt“, erklärte sie.

„Nicht …“, begann ihre Mutter und legte interessiert den Kopf schief.

„Erzähl uns von ihr“, drängte ihr Vater.

Gem dachte an Carly Tate. „Sie ist unglaublich freundlich und liebenswert. Und sie sieht den Leuten aus unserer Welt ziemlich ähnlich. Allerdings scheint sie nicht über Zauberkräfte zu verfügen. Nali meinte, dass ihre Anwesenheit eine Reihe von Ereignissen ausgelöst hat, die unsere Welt retten werden – vorausgesetzt, Drago bringt Magna nicht um“, berichtete sie.

Die Stirn ihrer Mutter legte sich in Falten. „Nali hat den Spiegel der Göttin. Sie muss es wissen“, bestätigte sie.

„Aber warum sollte sie ihnen sagen, dass sie Magna nicht töten sollen? Wenn die Meerhexe tot ist, sollten die Königreiche doch wieder sicher sein“, gab ihr Vater zu bedenken.

Gem schüttelte den Kopf. „Nali sagte, dass Magna diese Dinge nicht selbst tut, sondern eine außerirdische Kreatur, die Besitz von ihrem Körper ergriffen hat. Nali glaubt, dass Magna die Kreatur bekämpft“, sagte sie.

„Eine Kreatur wie – “, flüsterte ihre Mutter und sah Ruger mit besorgter Miene an.

„Was ist?“, fragte Gem.

„Wie sieht dieses außerirdische Wesen aus?“, erkundigte sich ihr Vater leise.

Gem runzelte die Stirn. „Ich weiß es nicht. Nali sagte, es sei vom Himmel gefallen, und sie habe einen schwarzen Schatten über Magna gesehen. Warum? Wisst ihr etwas darüber?“, fragte sie.

Ihre Eltern wechselten einen Blick, bevor sie sich wieder ihr zuwandten. Ihr Vater griff nach der Hand ihrer Mutter und drückte sie.

„Komm mit uns“, wies ihr Vater sie leise an.

Gem nickte und folgte ihren Eltern schweigend aus dem Konferenzraum. Sie war überrascht, als sie nach draußen gingen. Sie hielt kurz inne und schaute sich um. Sie hatte das unangenehme Gefühl, dass sie beobachtet wurden.

„Wohin gehen wir?“, fragte sie, als sie sich wieder zu ihren Eltern umdrehte, die die Treppe zu den Gartenanlagen hinuntergingen.

Ihre Mutter drehte sich zu ihr um. „Es ist besser, wenn wir es dir zeigen“, antwortete sie leise.

Erstaunt über das Verhalten ihrer Eltern, folgte Gem ihnen die Treppe hinunter und auf den Pfad, der durch die Gärten führte. Inmitten eines riesigen Labyrinths befanden sich einzelne, mit Efeu bewachsene Gärten, die alle einem Thema gewidmet waren.

Ihre Mutter liebte den Rosengarten, während ihr Vater die Wüstenkakteen bevorzugte. Sie selbst liebte den Nachtblumen-Garten. Sie folgte ihnen durch das Labyrinth. Die hohen Hecken, die die Wege säumten, wechselten ständig. Die einzige Konstante waren die acht ummauerten Gärten.

Sie hatte Jahre gebraucht, um sich die winzigen Nuancen im Energiefeld einzuprägen, die sie durch das Labyrinth zu jedem der Gärten führten. Sie blickte auf ihre Hände hinunter. Ein reumütiges Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie bemerkte, dass sie unbewusst ihre Handflächen erhoben hatte, um die Energieimpulse zu spüren.

Sie verlangsamte ihren Schritt, als ein ungewohnter Impuls sie nach links zog. Als sie aufblickte, sah sie, dass ihre Mutter stehengeblieben war und sie mit einem traurigen Lächeln anblickte.

„Was ist das? Es fühlt sich fast an wie …“ Sie schüttelte den Kopf, unfähig, das Gefühl zu benennen.

„Trauer, Schmerz …“, erklärte ihre Mutter.

Gem sah ihre Mutter verwirrt an. „Ja“, antwortete sie.

Ihre Mutter hielt ihr die Hand hin. Gem legte ihre Hand in die ihrer Mutter und sie bogen um die Ecke des Labyrinths. Ihr stockte der Atem, als sie den Lieblingsgarten ihrer Mutter sah. Wilde mit scharfen Dornen besetzten Ranken wucherten darin.

„Was ist passiert?“, fragte Gem mit kaum hörbarer Stimme.

„Wir sollten lieber in den Garten gehen, bevor wir darüber sprechen“, antwortete ihr Vater.

Adrina streckte die Hand aus und murmelte den Ranken etwas zu. Dann hob sie ihre Hand und einer der Ausläufer wickelte sich um ihre Fingerspitze. Ein scharfer Dorn strich über die Fingerkuppe und ein Blutstropfen sickerte heraus. Erst als die Ranke ihre Mutter erkannte, zog sie sich so weit zurück, dass eine Öffnung in der Tür entstand.

Ruger trat vor und wedelte mit der Hand durch die Luft, woraufhin ein Kristallschlüssel erschien. Er nahm den Schlüssel und steckte ihn ins Schloss. Gem konnte nicht umhin, sich zu fragen, was sich hinter der Tür verbarg, das so wichtig war, dass es auf diese Weise geschützt werden musste.

Sie hielt inne und sah ihren Vater besorgt an, bevor sie ihrer Mutter in den Garten folgte und sich umsah. Sie war seit ihrer Kindheit nicht mehr in diesem Garten gewesen.

Mit offenem Mund betrachtete Gem die Zwillingsbäume, die ineinander verschlungen in der Mitte des Gartens standen. Diese Bäume hatte sie noch nie gesehen. Sie sahen aus wie zwei Körper, die einander umarmen. Der größere Baum war schützend um den etwas kleineren gewickelt. Wilde Kletterrosen wuchsen um die dicken Stämme herum, doch es blühte nur eine einzige Rose. Die Rose war dunkelrot, von schwarzen Adern durchzogen und größer als ein Teller. Gem trat einen Schritt vor, um eines der Blütenblätter zu berühren. Ein leises Keuchen entwich ihr, als ihr Vater ihr Handgelenk festhielt, um sie aufzuhalten.

„Nicht anfassen“, mahnte er.

„Warum nicht? Ich verstehe nicht. Warum ist es so kalt hier?“, fragte sie und zog ihre Hände zurück, um ihre Arme zu reiben.

„Es ist der dunkle Schatten, den Nali erwähnt hat“, antwortete ihre Mutter mit sanfter Stimme.

„Der dunkle Schatten …“ Gem sah erst ihre Mutter und dann ihren Vater an, bevor sie sich wieder der Rose zuwandte. „Wollt ihr damit sagen, dass das außerirdische Wesen, das von Magna Besitz ergriffen hat, hier ist? Wie? Und wann? Warum habt ihr mir nichts davon erzählt?“

Gem beobachtete, wie ihre Eltern einen Blick austauschten, ihre Gesichter zeigten eine Fülle widersprüchlicher Gefühle. „Ja, die außerirdische Kreatur ist hier, aber es ist nicht dieselbe, die von Magna Besitz ergriffen hat“, begann Königin Adrina. „Kurz nachdem der Große Krieg vorbei war, haben König Samui und Königin Malay von der Insel der Riesen uns aufgesucht und uns um Hilfe gebeten. Sie waren in der Nähe der Insel der Meeresschlange unterwegs gewesen, als ein Objekt vom Himmel fiel. Der Meteorit hatte ihr Schiff beschädigt, und die Reparatur hatte mehrere Tage gedauert. In der Nähe der Absturzstelle fand Samui ein Stück des Meteoriten – und es war lebendig. Es glitt unter seine Haut und begann ihn zu verzehren. Malay hat sich sofort an uns gewandt“, erklärte ihre Mutter.

„Aber … warum? Warum sind sie nicht auf ihre Insel zurückgekehrt?“, fragte sie, während sie immer noch die verschlungenen Bäume betrachtete.

„Malay ist meine Schwester – deine Tante. Riesen müssen außerhalb ihres Königreichs heiraten. Malay und er haben sich als Teenager kennengelernt und sie hat sich in Samui verliebt“, erzählte ihre Mutter.

Gem schaute ihre Mutter überrascht an. „Warum hast du mir nie von ihr erzählt?“, fragte sie.

„Du warst noch sehr jung, als Malay und Samui hier ankamen. Die fremde Kreatur wuchs rasch und breitete sich in Samuis Körper aus. Nichts, was wir taten, konnte sie aufhalten. Nach ein paar Tagen merkten wir, dass sie die Kontrolle über seinen Geist übernommen hatte.“ Die Stimme ihrer Mutter zitterte angsterfüllt.

Ruger machte einen Schritt auf Adrina zu und legte seinen Arm um ihre Taille. „Wir waren in diesem Garten und haben verschiedene Zauber ausprobiert, um Samui von der Kreatur zu befreien, doch das Wesen war zu mächtig. Dann hat Samui uns plötzlich angegriffen. Malay hat versucht, ihn aufzuhalten. Doch als sie ihn berührte, sprang ein Teil der Kreatur auf sie über. Deine Mutter und ich wussten, dass sie verheerenden Schaden anrichten und Menschenleben fordern würde, falls es uns nicht gelingen sollte, sie aufzuhalten – ganz zu schweigen von der möglichen Ausbreitung der außerirdischen Plage auf andere Inseln. Also beschwor ich einen uralten Zauber herauf und verwandelte sie in Bäume“, erklärte er.

Ihre Mutter machte eine Handbewegung in Richtung der Rose. „Vor kurzem begannen die Ranken zu wachsen, und wir bemerkten, dass sich die Dunkelheit in den Blütenblättern der Rose ausbreitete. Wir glauben, dass die Kreatur stark genug geworden ist, um zu entkommen und sich einen neuen Wirt zu suchen“, sagte sie.

Gem betrachtete die Blume. Während der kurzen Zeit, in der sie sich unterhalten hatten, hatte das Schwarz das Rot fast verdrängt. Die Bewegung der Blütenblätter war fast hypnotisch. Sie musste ihre Finger zu einer Faust ballen, um der Versuchung zu widerstehen, die Blume anzufassen.

„Warum ist sie nicht von Magna auf jemanden anderen übergesprungen?“, fragte sie abwesend.

„Magna ist eine sehr mächtige Hexe. Das Wesen nutzt die Macht derer, von denen sie Besitz ergreift. Ich glaube, Magna hat die Gefahr gespürt und die Kreatur an sich gebunden, damit sie sich nicht ausbreiten konnte. So ähnlich wie Malay und Samui es gemacht haben, als sie sich in Bäume verwandelten haben. Sie haben ihre Macht vereint und die Kreatur in sich eingesperrt. Wenn wir eine Möglichkeit finden, die Kreatur herauszuziehen und einzudämmen, können wir Malay und Samui vielleicht retten, doch das muss bald passieren. Wenn nicht, sind wir womöglich gezwungen, ihr Leben zu beenden, um das Wesen zu vernichten. Denn wir können auf keinen Fall zulassen, dass es sich ausbreitet“, erklärte ihre Mutter mit stockender Stimme.

„Wenn diese Kreaturen so mächtig sind, wie ihr sagt, wäre es vielleicht besser, sie am Leben zu lassen.“ Beim Klang von Waymans tiefer Stimme drehten sich alle um.

„Was machst du denn hier?“, fragte Ruger.

Waymans Lippen verzogen sich zu einem hämischen Grinsen. „Was wohl, Eure Majestät, ich bin Euer Berater“, antwortete er.

Gem sah mit wachsendem Unbehagen zu, wie Wayman den Garten betrat. Sein Blick war nicht auf sie gerichtet, sondern auf die verwandelten Gestalten von Samui und Malay. Sie stellte sich direkt vor ihn.

„Du bist hier nicht willkommen“, blaffte sie ihn an.

Wayman sah sie an. „Ich wüsste nicht, wo ich sonst sein sollte“, sagte er mit grimmiger Gewissheit und Gem fragte sich, ob es hier um mehr ging als um sein gekränktes Ego, weil sie ihn zurückgelassen hatten. Eine Bewegung in der Nähe der Gartentür lenkte sie einen kurzen Augenblick von Wayman ab.

„Verzeihung, Eure Majestäten, ich habe versucht, ihn davon abzuhalten, Euch zu folgen, aber ich habe ihn im Labyrinth aus den Augen verloren“, keuchte Samuel atemlos.

„Ich kümmere mich darum, Samuel“, beruhigte Ruger den alten Wachmann.

„Wayman, tu es nicht!“, rief Adrina entsetzt.

Innerhalb eines Sekundenbruchteils nahm die Katastrophe vor Gems Augen ihren Lauf. Wayman streckte beide Hände aus und griff nach der inzwischen völlig schwarzen Rose. Sein Körper versteifte sich, und seine Augen weiteten sich. Schwarze Tentakeln wickelten sich um seine Arme und begannen, sich rasch um seinen Körper zu winden.

Ruger zog Gem und Adrina schnell von Wayman weg und schob sie hinter sich.

Adrina packte ihn am Arm. „Verwandle ihn, Ruger“, riet sie.

Wayman drehte sich zu ihr um. Seine Gesichtszüge waren hart und seine Augen schwarz wie eine mondlose Nacht. Ein Knurren entwich seinen Lippen, und er hob seine Hände.

„Ich bin frei!“ Waymans Lippen bewegten sich, doch der Ton, der herauskam, war rau, heiser, kalt und fremd.

Ihr Vater wollte etwas erwidern, doch bevor er die Gelegenheit dazu hatte, schossen lange, scharfe schwarze Speere aus Waymans Handflächen. Samuel sprang blitzschnell vor ihren Vater. Die Speere durchbohrten den Körper ihres geliebten Wächters, bevor sie ihn in die Luft hoben, wo er einen Moment lang herumbaumelte. Dann ließ der Außerirdische, der von Waymans Körper Besitz ergriffen hatte, ihn wie ein altes Kinderspielzeug fallen.

Gem streckte die Hand nach ihrem Freund aus und ihr entsetzter Schrei erfüllte die Luft: „Nein! Samuel!“

„Lauf!“, schrie ihr Vater.

Gem stolperte, als ihr Vater herumwirbelte und sie und Adrina durch die Gartentür schob. Er folgte ihnen, dann schlug er die Tür zu und murmelte einen heiseren Befehl. Als sie zurücktraten, sahen sie, wie sich die Ranken, die den Garten geschützt hatten, zu verwandeln begannen.

„Es breitet sich aus“, sagte ihre Mutter besorgt.

Gem nahm die Hand ihrer Mutter und zog sie auf den Pfad. Die Kreatur breitete sich tatsächlich aus – und die Ranken griffen gierig nach ihnen. Sie drehte sich zu ihrem Vater um, als sie bemerkte, dass er nicht neben ihnen war.

„Vater?“, rief sie.

Ruger wich zurück. Adrina streckte ihre Hand nach ihm aus. Sein Blick war auf die wachsende schwarze Masse gerichtet. Gem zischte, als die Mauern, die den Garten umgaben, plötzlich einstürzten und Wayman durch das Rankengeflecht trat. Ein verächtliches Grinsen umspielte seine Lippen.

„So fühlt sich wahre Macht an, Ruger. Du hättest sie annehmen sollen, anstatt zu versuchen, sie wegzusperren“, zischte Wayman.

„Wasser gefriere, halte ihn auf!“, befahl Ruger.

Gem beobachtete, wie sich Wassertropfen um Waymans Körper bildeten, bevor sie zu Eis gefroren. Im Inneren des Eises konnte sie die schwarzen Tentakeln zappeln sehen. Sie umklammerte den Arm ihrer Mutter fester, als die Ranken, die nach ihnen gegriffen hatten, sich zurückzogen. Hoffnung keimte in ihr auf, bis sie das bösartige Glitzern in Waymans Augen bemerkte.

„Vater, pass auf!“, rief Gem.

Sie stieß ihre Mutter zur Seite und machte einen Satz nach vorne. Schnell schlang sie ihre Arme um die Taille ihres Vaters und riss ihn von den Füßen, als das Eis zerbrach und Splitter scharfkantiger Eiskristalle auf sie zuflogen. Gem rollte sich auf die Knie, zog einen Dolch aus ihrem Stiefel und warf ihn durch die Luft. Die Klinge bohrte sich tief in Waymans Schulter und ließ ihn einige Schritte rückwärtstaumeln.

Dann rappelte Gem sich auf und half ihrem Vater auf die Beine, bevor sie sich zu ihrer Mutter umdrehte. Sie mussten von hier verschwinden. Die Kreatur kreischte vor Wut und streckte ihre Tentakeln aus, um den Dolch aus Waymans Schulter zu ziehen.

„Mutter!“, rief Gem panisch.

Adrina lag auf dem Boden, ein langer Eissplitter ragte aus ihrer Seite. Ein dunkler Blutfleck breitete um die Wunde herum aus und färbte den hellgrünen Stoff ihres Gewandes tiefrot. Gem kniete sich neben ihre Mutter und strich ihr über die Wange.

„Ruger, du musst – wir müssen – den Zauber der Ältesten sprechen. Das ist die einzige Chance, unser Königreich zu retten“, flüsterte Adrina.

Ruger hielt die Hand seiner Frau und nickte. „Gem, du musst die anderen Königreiche um Hilfe bitten. Wenn sie die Kreatur in Magna vernichten können, sind sie vielleicht in der Lage, hier dasselbe zu tun. Wenn nicht, dann warne sie vor dem, was auf sie zukommen wird“, befahl ihr Vater.

Stirnrunzelnd wandte Gem den Blick von dem blassen Gesicht ihrer Mutter ab und sah ihren Vater an. „Ich werde dich nicht allein lassen! Samuel …“, begann sie.

Ihr Vater fasste sie am Arm. „Du bist jetzt unsere einzige Hoffnung, Gem. Ich werde entlang des Weges Fallen aufstellen, um die Kreatur aufzuhalten, falls sie ausbrechen sollte, aber du darfst nicht zulassen, dass sie dich berührt. Geh!“, befahl ihr Vater mit strenger Stimme.

Gem wollte protestieren, doch ihr Vater war bereits dabei, den Zauber zu sprechen. Sie richtete sich auf, als sie sah, wie Nebelschwaden um ihn herum aufstiegen. Das Wesen – und Wayman – streckte einen Tentakel nach ihren Eltern aus. Instinktiv hob Gem ihre Hände und schloss das Labyrinth vor ihnen. Als sie sich zurückzog, sah sie, wie ihr Vater ihrer Mutter auf die Beine half. Die Stimme ihrer Mutter vermischte sich mit der ihres Vaters, als sie gemeinsam den Zauberspruch aufsagten.

Furcht und Trauer überkamen sie. Die schwarzen Ranken durchbrachen die Hecken, rissen sie aus dem Boden und warfen sie beiseite, während sie sich hungrig nach weiteren Wirten ausstreckten. Waymans Gesichtszüge wandelten sich von Holz zu Stein und wieder zurück zu Fleisch.

Sie entfernte sich immer weiter von ihren Eltern und Wayman und lief rückwärts, da sie befürchtete, dass die Kreatur sie angreifen könnte, wenn sie sich umdrehte. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Die Stimmen ihrer Eltern verstummten, als der Nebel sie einhüllte und ihre Körper sich auflösten. Das Verstummen ihrer Stimmen hielt den Zauber, den sie entfesselt hatten, jedoch nicht auf. Die Nebelschwaden wurden immer dichter und begannen sich auszudehnen.

„Komm zu mir, Gem, und akzeptiere dein Schicksal“, rief Wayman.

Gem schüttelte den Kopf, bekam vor Angst jedoch kein Wort heraus. Sie drehte sich auf dem Absatz um und rannte davon, während sich der dunkelgraue Nebel des Ältestenzaubers weiter ausbreitete und in einer dicken Welle über den Boden rollte. Hinter sich hörte sie Waymans Wutgeheul, und wusste, dass die Kreatur gegen den Zauber ankämpfte, der sich langsam über die Insel ausbreitete.

Angst stieg in Gem auf, als sie den Pfad entlanglief, der zu den hoch aufragenden Klippen der Insel der Elementargeister führte. Ihre Warnrufe blieben größtenteils ungehört. Was auch immer für einen Zauber ihre Eltern ausgesprochen hatten, er näherte sich der Insel von drei Seiten.

Die Schreie der Kreatur wurden immer lauter und aufgebrachter, doch Gem drehte sich nicht um, um zu sehen, was vor sich ging. Mit der Kraft des Windes schuf sie einen Tunnel vor sich und ließ sich von ihm mitreißen, kurz bevor sich der Nebel über der Stelle, an der sie eben noch gestanden hatte, zusammenzog.

Jetzt hörte sie nur noch den Wind, der ihr um die Ohren peitschte, und ihr Haar wirbelte so wild um ihren Kopf, dass sie kaum noch etwas sehen konnte. Die Magie verlangte ihr viel Energie ab. Sie würde den Tunnel nicht lange aufrechterhalten können.

Der Tunnel war so schmal, dass sie kaum hindurchpasste, doch er erzeugte einen Strudel, der ein Portal öffnete und sie von einer Seite der Insel zur anderen schickte. Als sie mit ihrem Ellbogen den Nebel streifte, kribbelte ihr Arm und begann sich aufzulösen. Sie presste ihre Arme seitlich an den Körper und achtete darauf, den Nebel nicht zu berühren.

Einer nach dem anderen verschwanden die Menschen um sie herum, als hätten sie nie existiert. Der schwarze Schatten versuchte, die Bewohner einzufangen, doch seine langen Tentakeln fuhren durch leere Luft. Die rollende Wolke des uralten Zaubers löschte jeden aus, den sie je gekannt und geliebt und an dessen Seite sie gekämpft hatte, aber Gem hatte keine Angst vor dem Zauber, der über ihr Zuhause hinwegfegte. Ihr Vater wusste, was er tat – und welche Folgen dieser mächtige Zauber auch immer nach sich ziehen würde, sie waren auf jeden Fall besser als die Alternative.

Ein Teil des Wesens glitt in den Strudel. Gem konnte es spüren, eine gierige dunkle Kraft, die sich in einem schwarzen Tentakel konzentrierte. Sie rannte schneller und versuchte, sich nicht von ihrer Angst überwältigen zu lassen. Sie musste klug vorgehen, wenn sie ihr Volk retten wollte. Ihre Muskeln sträubten sich, und ihre Lungen brannten. Sie würde nicht ewig davonlaufen können.

Vor dem Nebel ließ sie die Kraft des Windes los und atmete erleichtert auf, als der Zauber ihr keine Energie mehr entzog. Ein massiver umgestürzter Baum versperrte ihr den Weg, und sie hob einen zitternden Arm, die Handfläche nach außen gerichtet, und konzentrierte sich.

Der Baum löste sich in Millionen von Teilchen auf. Gem rannte durch die schimmernden Partikel. Sobald sie die Stelle passiert hatte, schloss sie die Faust und die Partikel formten sich neu.

Schwer atmend warf sie einen Blick über die Schulter, als sie das Geräusch von zersplitterndem Holz hörte. Die Kreatur hatte den toten Baum mit ihren dunklen Krallen entzweigerissen. Gem drehte sich um und lief weiter.

Vor sich konnte sie eine Lücke zwischen den Bäumen und die unverwechselbare Form eines Steins mit Gravur erkennen. Hoffnung keimte in ihr auf – nur noch ein paar Meter und sie könnte entkommen. Das Geräusch ihres Keuchens hallte in ihren Ohren wider, und sie konnte ihren Atem in der Luft sehen, die plötzlich deutlich kälter geworden war. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der Zaubernebel sich näherte. Die Zeit wurde immer knapper.

Sobald sie den Rand der Klippen erreicht hatte, würde sie sich verwandeln. Im Moment war es noch zu gefährlich. Wenn die uralte Magie sie erwischte, würde sie sich vielleicht nie wieder zurückverwandeln können.

„Du gehörst mir. Komm her“, forderte die eisige Gestalt hinter ihr.

Gem ignorierte den Befehl und zwang sich, noch schneller zu laufen – so schnell sie konnte. Die Bäume um sie herum bogen sich zur Seite, um ihr den Weg freizugeben, bevor sie sich wieder aufrichteten, um die bösartige Kreatur, die sie verfolgte, aufzuhalten. Die schwarzen Tentakeln streckten sich gierig nach ihr aus, doch sie war ihnen ein paar Schritte voraus.

Sie sah den steinernen Pavillon, der ein paar Meter vor ihr wie ein stummer Wächter auf den Klippen stand. Die Steine der Ältesten würden ihr etwas Schutz vor der Kreatur bieten. Sie stieß einen Schrei der Erleichterung aus, als ihr Fuß den ersten kunstvoll gehauenen Trittstein berührte.

Die Steine glühten unter ihren Füßen. Sie hatte es fast geschafft. Keuchend hielt sich an der Steinsäule fest und trat in den sicheren Bereich des Pavillons. Ihr Herz klopfte in ihrer Brust, als sie sich umdrehte und einige Schritte vor den schwarzen Tentakeln zurückwich, die sich um die Außenseite des Pavillons schlangen.

„Hier kannst du mir nichts anhaben, Kreatur! Keine Macht kann dem Bann der Ältesten etwas anhaben“, erklärte Gem und hoffte, dass das, was sie sagte, wahr war.

„Eure Magie kann uns nicht aufhalten. Sie wird uns nur noch mächtiger machen. Mit der Macht deiner Art und der Zauberkraft der Meerhexe können wir viele Welten erobern“, grollte das Wesen gebieterisch.

Gem drehte sich um, als die schwarze Gestalt den Pavillon umkreiste und ihr den einzigen Fluchtweg abschnitt. Eine Welle intensiver Traurigkeit überkam sie. Niemand konnte ihr helfen. Ihr Vater hatte die Insel der Elementargeister schon vor langer Zeit vor der Welt verborgen, um die anderen Königreiche zu schützen, doch das hatte auch sie isoliert. Wenn sie nicht von dieser Insel wegkam, konnte auch niemand kommen, um sie zu retten.

„Mich wirst du niemals benutzen“, verkündete Gem mit wachsender Entschlossenheit.

Die Kreatur fuhr fort, den Pavillon zu umkreisen, bevor sie sich zu einer Gestalt formte, die ihr herzzerreißend vertraut war: ihre Mutter. Überwältigende Trauer erfüllte sie, ebenso wie ein anderes Gefühl – Wut. Sie zog das Kurzschwert, das in einer Scheide an ihrer Hüfte steckte, hervor und machte einen Schritt nach vorne.

„So viel Macht. Du kannst das, was die anderen getan haben, rückgängig machen. Ich kann die Macht in dir spüren. Eine Macht, von der du nicht einmal weißt, dass du sie besitzt“, flüsterte das Wesen, das ihrer Mutter so ähnlichsah.

„Eine Macht, die du niemals kontrollieren wirst“, schwor Gem voller Inbrunst.

„Und ob ich das tun werde“, erwiderte das Wesen.

Mit wachsendem Entsetzen beobachtete Gem, wie sich die Kreatur langsam näherte. Die Steine unter den Füßen des Wesens begannen zu glühen. Bunte Ströme stiegen aus dem Boden empor und wanden sich um seinen Körper. Die Haut der Kreatur blubberte und brutzelte, als ob sie gekocht würde, bis sich eine dünne Kruste bildete. Die Kruste verwandelte sich in Asche und fiel ab, doch die Kreatur schien davon nicht sonderlich beeindruckt zu sein, denn sie bewegte sich immer weiter auf Gem zu. Gem hob das Kurzschwert und durchtrennte einen Tentakel, der nach ihr griff. Die Kreatur kreischte empört auf, wich jedoch nicht von ihr zurück.

Ein Tentakel nach dem anderen schoss gierig nach vorne und versuchte, sie in seinen grausamen Griff zu ziehen. Gem konnte sehen, dass der magische Nebel, den ihre Eltern heraufbeschworen hatten, hinter der Kreatur immer weiter auf sie zurollte. Sie stolperte rückwärts, als der Zauber den Pavillon erreichte.

Gem wusste, dass es zu spät war, um ihre Insel zu verlassen. Sie und ihr Volk waren dem Untergang geweiht. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass der Kampf gegen die Meerhexe erfolgreich sein würde. In diesem Fall bestand die Chance, dass Drago, Orion und die anderen wussten, wie man das Wesen besiegen konnte, das Nali in ihrem Spiegel gesehen hatte.

Bitte, Göttin, wenn du mein Flehen hörst, schicke jemanden, der mein Volk und die Sieben Königreiche rettet, flehte sie leise, und wie durch ein Wunder antwortete eine Stimme.

„Du kannst nicht verschwinden, Elementargeist, du wirst gebraucht“, erklärte die Meerhexe.

Gems Augen weiteten sich vor Schreck, als sie Magnas ätherische Gestalt erblickte, die hinter dem schwarzen Schatten aufgetaucht war. Dann sah sie entsetzt zu, wie die Meerhexe ihre Hand öffnete und ihre Zauberkraft auf Gem richtete. Über das donnernde Hämmern in ihrem Kopf hinweg hörte Gem das wütende Geheul des Aliens, als Magnas Zauber sich schnell in ihrem Körper ausbreitete und ihr Fleisch zu Stein werden ließ.

Wir sind verloren, dachte sie verzweifelt, bevor die Welt um sie herum verschwand.

1

Vor der Küste von Yachats, Oregon:

Heute

Ross Galloway steuerte seinen Trawler aus dem Jachthafen und durch die enge Bucht. Sobald er die Schutzzone hinter sich gelassen hatte, drückte er den Gashebel nach vorne. Selbst bei voller Fahrt würde er eine Stunde oder länger brauchen, um zu einem Gebiet zu gelangen, in dem man gut fischen konnte.

Als er zum Ufer blickte, bemerkte er eine Frau, die am Strand saß. Sie hob ihre Hand. Er wusste nicht, ob sie winkte oder nur ihre Augen vor der grellen Sonne abschirmte. Er erkannte, dass es Mike Hallbrooks Schwester Ruth war. Seit sechs Monaten pflasterte sie die Stadt mit Vermisstenanzeigen zu, um ihren Bruder zu finden.

Fast hätte Mikes Verschwinden Ross’ Schicksal als mutmaßlicher Serienmörder besiegelt. Nur Mikes bizarres Wiederauftauchen, einige Fotos und seine Behauptung, Ross sei kein Mörder, hatten Ross vor der Todeszelle bewahrt. Nur weil er in der Vergangenheit mit den Behörden in Konflikt geraten war und die vermissten Personen gekannt hatte, hieß das nicht, dass er ein Axtmörder war. Doch wenn ein Gerücht erst einmal die Runde machte, war es schwer, etwas dagegen zu unternehmen.

„Wahrscheinlich denkt sie, ich bin gerade unterwegs, um eine weitere Leiche entsorgen“, murmelte er, als er sich umdrehte und durch die salzverkrustete Windschutzscheibe auf das Meer hinausstarrte.

Er brauchte Zeit zum Nachdenken. Ross gab es nur ungern zu, aber in letzter Zeit hatte er sich einfach verloren gefühlt. Und dieses Gefühl behagte ihm nicht, zumal er das Leben normalerweise nicht sonderlich ernst nahm.

Er tastete in seiner Tasche nach Zigaretten, bevor er leise fluchte. Er hatte sich einen verdammt guten Zeitpunkt ausgesucht, um mit dem Rauchen aufzuhören. Wäre er nicht allein auf seinem alten Fischtrawler gewesen, hätte er sich vielleicht ein paar Flaschen Bier gegönnt, doch dieser Luxus würde warten müssen, bis er wieder an Land war.

Und es würden wirklich nur ein paar Bier sein – er hatte zu viel Angst, wie sein alter Herr zu enden, um mehr als zwei zu trinken. Alkohol hatte einen seltsamen Einfluss auf manche Menschen. Einige konnten trinken, ohne etwas zu spüren und andere lagen nach einem Bier bereits unter dem Tisch. Und dann gab es noch diejenigen, die extrem anhänglich wurden, wenn sie betrunken waren. Mit solchen Leuten konnte Ross umgehen, aber wehe er würde noch einmal in seinem Leben an einen gemeinen Säufer wie seinen Vater geraten. Er schüttelte den Kopf und verdrängte den Gedanken an seinen alten Herrn aus seinem Kopf. Wenn es nach ihm ging, war der Mistkerl nicht früh genug gestorben. Sollte sich der Teufel doch mit ihm herumschlagen.

Etwas über eine Stunde später machte er sich vorsichtig auf den Weg zum Heck seines Fischtrawlers. Auf der Steuerbordseite war der zerklüftete Umriss der felsigen Küste zu sehen, und auf der Backbordseite befand sich der wunderschöne Pazifik. Er machte sich nicht die Mühe, einen Anker auszuwerfen, da er vorhatte, mit dem Treibnetz zu fischen. Zunächst musste er jedoch die Netze überprüfen, um sicherzustellen, dass sie sich nicht verheddert hatten. Er warf einen Blick auf die Takelage und beschloss, dass es nicht schaden konnte, hinaufzuklettern, um auch die oberen Leinen zu überprüfen.

Von unten hatte es ausgesehen, als wäre eine der Leinen verdreht. Er wollte auf keinen Fall riskieren, dass sich das Seil verhedderte, wenn er die Netze wieder einholte. Das könnte Probleme bedeuten, vor allem, wenn die See rau wurde, wie es meist in den unpassendsten Momenten der Fall war.

Nachdem er eine halbe Stunde später endlich herausgefunden hatte, wo das Problem lag, reparierte er die Rolle und löste die Leine. Er hielt sich fest und blickte auf das glitzernde Wasser hinaus. Es würde nicht mehr lange so klar und sonnig bleiben. Am Nachmittag würde die kalte, feuchte Luft vom Meer auf die wärmere Landoberfläche treffen, und dichter Nebel würde aufziehen, sodass man kaum die Hand vor Augen sehen können würde.

Er holte tief Luft und hielt sie einige Sekunden lang an, bevor er wieder ausatmete. Es war kein Wunder, dass er in Anbetracht der jüngsten Ereignisse nervös war. In den letzten Jahren waren mehrere Menschen verschwunden, und die meisten glaubten, dass er dafür verantwortlich war. Die Leute nahmen an, er sei wie sein alter Herr – oder sogar noch schlimmer.

Ross hatte Mike Hallbrook gekannt. Der Detective aus Yachats war vor gut sechs Monaten verschwunden. Sie hatten ab und zu Billard gespielt und gelegentlich in der örtlichen Kneipe ein paar Bier getrunken. Außer Fischen und Wandern konnte man in dieser Gegend nicht viel tun.

Verdammt, er hatte auch Carly Tate und Jenny Ackerly gekannt. Es war schwer, nicht jeden zu kennen, wenn man sein ganzes Leben in einer Kleinstadt wie Yachats verbrachte. Er war sogar ein paar Mal mit Carly ausgegangen.

Das war ein Riesenfehler gewesen, dachte er kopfschüttelnd.

Carly musste die wohl tollpatschigste Frau auf Erden sein. Sie hätte beinahe sein Boot abgefackelt und ihn entmannt – alles am selben Tag. Jeder Mann, der sich mit ihr einließ, tat ihm leid. Sie war nett – und hübsch –, aber sie könnte eine Versicherung gegen Tod und Verstümmelung brauchen.

Ross schnaubte. Komisch, dass der Vorwurf, drei Menschen ermordet zu haben, im Vergleich zu allem anderen, was so los war, beinahe unterging. Seine Mutter war vor einem Monat gestorben. Nach ihrem Tod hatte er sich gefühlt, als würde er sich in einem Vakuum befinden, während er versucht hatte, seine Trauer, den ganzen Papierkram und die Details, die mit ihrem Nachlass verbunden waren, zu bewältigen. Die Begleichung sämtlicher Rechnungen, die Termine beim Anwalt und die Vorbereitungen für ihre Beisetzung hatten ihm nur wenig Zeit für andere Dinge gelassen, selbst das Fischen war zu kurz gekommen.

Und wenn der Tod seiner letzten lebenden Verwandten nicht gereicht hätte, um ihn an seinem Leben zweifeln zu lassen, dann definitiv die Begegnung mit einer echten Meerjungfrau. Für einen Moment ließ er seine Gedanken zu jenem seltsamen Tag vor ein paar Monaten schweifen und schmunzelte angesichts der Ironie des Ganzen. Als Kind hatte er nie an Märchen geglaubt, und jetzt mit dreißig Jahren, war er einem Fabelwesen aus einer anderen Welt begegnet. Verdammt, es war wie in einer alten Folge von Twilight-Zone gewesen, nur dass sie nicht wie ein halber Fisch aussah. Magna die Meerjungfrau war eine exotische Frau – mit Kiemen.

Kopfschüttelnd griff er aus Gewohnheit in seine Tasche und suchte nach einem Bonbon, um sein Verlangen nach einer Zigarette zu zügeln. Er runzelte die Stirn, als er neben dem Kleingeld noch etwas anderes in seiner Tasche fühlte. Er umfasste den Gegenstand, zog ihn heraus und betrachtete ihn.

Er schmunzelte. Obwohl Ross bezweifelte, dass die Meerjungfrau ihn besonders mochte, hatte sie ihm neulich im Restaurant diese Muschel geschenkt. Sie hatte sie auf dem Tisch gefunden, aber der Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie sie ihm überreicht hatte …

„Viel Glück auf deiner Reise“, hatte sie gesagt. Ihre Stimme hatte gequält geklungen, so als hätte sie den Schmerz, die Prüfungen und das Leid von hundert Leben hinter sich. Ja, es war nur eine dumme Muschel, aber sie hatte sie ihm gegeben, und sie erinnerte ihn an sie und an die Geheimnisse, die sie umgaben. Er fragte sich, wie ihre Welt wohl aussah.

Kaum hatte sich der Gedanke in seinem Kopf geformt, veränderte sich plötzlich die Welt um ihn herum. Ross schüttelte den Kopf, um das Klingeln in seinen Ohren zu vertreiben. Das Seil, das er eben noch in der Hand gehalten hatte, war plötzlich verschwunden. Dann begann der Trawler heftig zu schwanken, als wäre er von einer starken Welle erfasst worden. Die Augen weit aufgerissenen, geriet Ross ins Taumeln und suchte verzweifelt nach etwas, an dem er sich festhalten konnte. Für einen kurzen Moment war sein Körper schwerelos, als er durch die Luft und über die Reling geschleudert wurde. Sein lauter Fluch verstummte, als er in das eiskalte Wasser eintauchte und in die Tiefe sank, als würde er seinen beschwerten Tauchgürtel tragen.

Das Gewicht seiner durchnässten Kleidung zog ihn noch weiter in die Tiefe. Er strampelte mit den Füßen, doch so sehr er sich auch anstrengte, es fühlte sich an, als wären sie einbetoniert. Über sich konnte er den Rumpf seines Bootes sehen. Er streckte den Arm aus und spreizte die Finger, in der Hoffnung, dass durch einen Zufall ein Tau über Bord gefallen war. Während er den Rumpf seines Bootes betrachtete, schoss ihm kurz der Gedanke durch den Kopf, dass es sauber gemacht und gestrichen werden musste. Dann wurde der unsinnige Gedanke von einer ernüchternden Erkenntnis abgelöst – er stand kurz davor, ebenfalls auf der Liste der vermissten Personen zu landen.

Nur, dass es niemanden interessieren wird, wenn ich nicht zurückkomme. Ach, verdammt, ich will nicht so sterben, dachte Ross, während er strampelnd in die schwarzen Tiefen sank.

2

Die Insel der Riesen: Die Sieben Königreiche

Heute

„Bist du sicher, dass du diese Reise allein antreten willst?“, fragte König Koorgan zum dritten Mal.

Sein Stellvertreter, Gant, sah von seiner Tasche auf und hob eine Augenbraue. „Kannst du nicht jemand anderem auf die Nerven gehen? Was ist mit Lady Ruth, vermisst sie dich nicht? Ihr seid doch erst seit einem Tag verheiratet. Solltest du nicht noch im Schlafzimmer sein und das Eheglück genießen?“, fragte er trocken.

„Ich habe ihm gesagt, dass du ein großer Junge bist und das auch ohne seine Hilfe schaffen wirst“, sagte Ruth, die an der Tür zu Koorgans Büro aufgetaucht war.

Grinsend richtete sich Gant auf. „Wenn man bedenkt, dass er normalerweise derjenige ist, der sich verirrt und gerettet werden muss, denke ich, dass du mit deiner Vermutung recht haben könntest“, kicherte er.

Koorgan blickte mit einem übertriebenen finsteren Blick zwischen Gant und Ruth hin und her. „Euch ist schon bewusst, dass ich euch hören kann, oder?“, erwiderte er trocken.

„Natürlich“, neckte Ruth und legte ihren Arm um Koorgans Taille.

„Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um deine Eltern zu finden, Koorgan“, versprach Gant.

Koorgan nickte ernst. „Ich weiß. Bei unserem letzten Versuch hat der Spiegel zwar nichts gezeigt, aber es würde vielleicht trotzdem nicht schaden, ihn wiederzubekommen“, schlug er vor.

Gant grinste. „Wenn sich mir die Chance bietet, werde ich es tun. Allein schon, um Ashure zu zeigen, dass Piraten nicht die einzigen sind, die stehlen können“, sagte er.

Ruth schüttelte den Kopf. „Sei vorsichtig, Gant. Koorgan hat mir erzählt, was mit LaBluff passiert ist“, erinnerte sie die beiden.

Koorgan blickte grimmig drein. „Er ist so nervig, dass man das leicht vergisst … aber vielleicht wäre es tatsächlich besser, Ashure erst mal in Ruhe zu lassen, mein Freund“, mahnte er.

„Ich verspreche, dass ich vorsichtig sein werde“, schwor Gant.

„Ich sollte dich begleiten“, sagte Koorgan.

„Nein, das solltest du nicht. Das Königreich braucht dich, und Ruth auch. Außerdem bin ich besserer im Spurenlesen als du – und viel charmanter, wenn es darum geht, Informationen zu beschaffen“, erwiderte Gant.

„Ach ja? Marina ist immer noch ganz entzückt darüber, dass du diese goldenen Halsbänder benutzt hast“, erinnerte Ruth Gant spöttisch.

Angesichts des nicht ganz so subtilen Sarkasmus wich Gant die Farbe aus dem Gesicht. „Ich habe getan, was ich tun musste, um dir wieder zu deiner normalen Größe zu verhelfen. Und ich würde es wieder tun, um dich, meine Königin, Koorgan und das Königreich zu schützen“, erklärte er stur.

„Und wir sind dir unglaublich dankbar für deine Hilfe, trotz deiner Methoden“, räumte sie ein.

Ruth ging auf ihn zu, legte ihre Hand an eine Wange und gab ihm einen schnellen Kuss auf die andere. Er schmunzelte, als er Koorgans missbilligendes Knurren hörte und grinste seinen König an.

„Du kannst mich auf die andere Wange küssen, wenn du dich dann besser fühlst“, scherzte Gant.

Koorgan gluckste und legte seinen Arm um Ruths Taille. „Raus mit dir. Sag mir sofort Bescheid, wenn du etwas entdeckst“, bat er.

„Das werde ich“, antwortete Gant und hob seine Tasche auf die Schulter.

Gant neigte den Kopf, bevor er zur Tür schritt. Die Gewissheit, dass König Samui und Königin Malay von der Rieseninsel noch da draußen waren, erfüllte ihn mit Hoffnung. Jetzt musste er nur noch die verborgene Insel der Elementargeister finden und in Erfahrung bringen, was dort vor sich ging.

Was auch immer es war, es ist sicherlich nicht schwieriger, als dafür zu sorgen, dass Koorgan sich nicht in Schwierigkeiten bringt, dachte er schmunzelnd.

Ross bemühte sich verzweifelt, sich aus dem Sog zu befreien, der ihn immer weiter in die Tiefe zog. Plötzlich kamen ihm die Warnschilder am Strand in den Sinn – gefährliche Strömungen. Experten empfahlen immer, nicht gegen die Strömung anzukämpfen, sondern mit ihr zu schwimmen, bis man herauskam.

Er versuchte, sich zu entspannen, und begann, parallel zur Strömung zu schwimmen, wobei er das Gewicht seiner Kleidung und Stiefel ignorierte. Er würde sie brauchen, um so viel Wärme wie möglich zu speichern. Das Letzte, was er wollte, war zu erfrieren, bevor er das Ufer erreichte. In seinem Unterbewusstsein kam es ihm jedoch seltsam vor, dass ihm die Kälte nicht so sehr zu schaffen machte, wie sie es hätte tun sollen. Ihm war sogar beinahe warm! Er konnte es sich nur so erklären, dass er bereits unterkühlt war und die Kälte deswegen nicht mehr wahrnahm.