Dom der Zeit: Science Fiction Fantasy Großband 3 Romane 6/2022 - Jo Zybell - E-Book

Dom der Zeit: Science Fiction Fantasy Großband 3 Romane 6/2022 E-Book

Jo Zybell

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: Time-Travellers: Mit Trans-Net Inc durch die Zeit (Margret Schwekendiek) Lennox und der Kampf um die Domstadt (Jo Zybell) Lennox und das Schlangen-Ei (Jo Zybell) Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen, und das dunkle Zeitalter hat begonnen. In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf … Zwischen den Coelleni und den Dysdoorern entbrennt ein Krieg, der von einem Unbekannten angeheizt wird. Dieser Fremde ist in der Lage, die alten Flugzeuge zu fliegen und Sprengstoffe herzustellen. Das könnte ein Hinweis auf eine unterirdische Kolonie von Überlebenden sein. Eine solche Kolonie soll Fanlur mit seinem Lupa Wulf suchen, vermutet wird eine solche in den alten Bunkeranlagen in der Nähe von Coellen. Fanlur macht sich auf den gefährlichen Weg.

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Jo Zybell, Margret Schwekendiek

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Inhaltsverzeichnis

Dom der Zeit: Science Fiction Fantasy Großband 3 Romane 6/2022

Copyright

Time-Travellers: Mit Trans-Time-Net Inc durch die Zeit

Lennox und der Kampf um die Domstadt

Lennox und das Schlangen-Ei

Dom der Zeit: Science Fiction Fantasy Großband 3 Romane 6/2022

Jo Zybell, Margret Schwekendiek

Dieser Band enthält folgende Romane:

Time-Travellers: Mit Trans-Net Inc durch die Zeit (Margret Schwekendiek)

Lennox und der Kampf um die Domstadt (Jo Zybell)

Lennox und das Schlangen-Ei (Jo Zybell)

Eine kosmische Katastrophe hat die Erde heimgesucht. Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Die Überlebenden müssen um ihre Existenz kämpfen, bizarre Geschöpfe sind durch die Launen der Evolution entstanden oder von den Sternen gekommen, und das dunkle Zeitalter hat begonnen.

In dieser finsteren Zukunft bricht Timothy Lennox zu einer Odyssee auf …

Zwischen den Coelleni und den Dysdoorern entbrennt ein Krieg, der von einem Unbekannten angeheizt wird. Dieser Fremde ist in der Lage, die alten Flugzeuge zu fliegen und Sprengstoffe herzustellen. Das könnte ein Hinweis auf eine unterirdische Kolonie von Überlebenden sein. Eine solche Kolonie soll Fanlur mit seinem Lupa Wulf suchen, vermutet wird eine solche in den alten Bunkeranlagen in der Nähe von Coellen. Fanlur macht sich auf den gefährlichen Weg.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER LUDGER OTTEN

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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Alles rund um Belletristik!

Time-Travellers: Mit Trans-Time-Net Inc durch die Zeit

von Margret Schwekendiek

Der Umfang dieses Buchs entspricht 246 Taschenbuchseiten.

Dieses Buch enthält den Roman 'Time-Travellers: Mit Trans-Time-Net Inc durch die Zeit' und die Kurzgeschichte 'Tödliches Kunstwerk' von Margret Schwekendiek.

Die TTN bietet für Gutbetuchte via Zeitnetz Erlebnisreisen an, spezielle Reisebegleiter sorgen dafür, dass keine Paradoxa entstehen. Leider klappt das nicht immer, und es stellt sich im Laufe der Zeit heraus, dass fast alle großen Katastrophen der Menschheitsgeschichte auf den Einfluss der Zeitreisenden zurückzuführen sind – sei es durch einen Unfall, Absicht oder auch Bösartigkeit.

Cate Nichols, 32 Jahre alt, attraktive Individualistin mit einem Hang zu interessanten Männern für ein Abenteuer, arbeitet seit einiger Zeit für die TTN und hat eine umfassende Schulung hinter sich. Beim staatlichen Sicherheitsdienst wurde sie suspendiert wegen zu großer Härte im Einsatz, nach einer Persönlichkeitserneuerung stellt die TTN sie an, weil sie Leute braucht, die manchmal über die moralischen Grenzen hinweggehen können.

Der Sicherheitschef und zugleich Vorgesetzter von Cate Nichols ist Cashmere Ogilvie, von seinen Freunden liebevoll Cashogi genannt. Er koordiniert nicht nur den aufwendigen Sicherheitsapparat der TTN, er schult auch die Reiseleiter, die von niemand anderem Befehle annehmen.

Die Zeitreise in das Jahr 1963 entpuppt sich als Fiasko, als einer der Reisenden das Netz verlässt, Cate muss ihn wieder aufspüren...

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Prolog

Wir schreiben das Jahr 2736 nach Christus, auch wenn nicht mehr viele Leute wissen, wer das überhaupt gewesen ist. Die Christen von heute sind eine kleine verlorene Gruppe, die mit unwahrscheinlicher Intensität an ihrem Glauben hängen. Eine Splittergruppe von ihnen bezieht sich auf die alten Gebote und versucht die Gesellschaft und vor allem, die Regierung zu verändern. Nuntiatoren, Botschafter zwischen den Welten, nennen sie sich, aber man sollte sie nicht allzu ernst nehmen. Im Übrigen muss jeder selbst wissen, woran er glauben möchte. Ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus. Ich wollte Ihnen berichten, wie wir heute leben, denn es ist wichtig zum besseren Verständnis.

Nachdem in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts die Klimaerwärmung für eine weltweite Katastrophe gesorgt hatte, bei der innerhalb weniger Jahre mehr als 10 Millionen Menschen durch Überschwemmungen, Erdbeben und andere klimabedingte Umstände den Tod fanden, setzte endlich ein Umdenken ein. Nicht nur ein paar verdrehte Ökofreaks, auch renommierte Wissenschaftler hatten immer wieder gewarnt, bis die Politiker aufgrund der katastrophalen Vorgänge endlich begriffen – und reagierten. Mit vereinten Anstrengungen wurden die technischen Möglichkeiten geschaffen, um das Klima zu kontrollieren, Energie ohne Kollateralschäden zu erzeugen, und die Umweltverschmutzung einzudämmen – sanft und verantwortungsvoll, obwohl man dieses Wort im Zusammenhang mit Politik nur sehr sorgsam benutzen sollte. Die rund um die Erde stationierten Satelliten werden von einer geostationären Zentrale gesteuert und können nicht von außen manipuliert werden. Diese Station besitzt eigene Verteidigungsmaßnahmen und kann nur durch ein Raumschiff erreicht werden. Bisher funktioniert das recht gut, ich hoffe, in den nächsten Jahrhunderten auch noch.

Nachdem dieses Problem mehr oder weniger gelöst war, dachten einige Menschen, sie könnten zum Alltagstrott zurückkehren, der darin bestand, sich selbst und anderen das Leben schwer zu machen. Mittlerweile hatte tatsächlich globales Denken eingesetzt, jedenfalls bei einigen Leuten. Die schafften es, den anderen einigermaßen Vernunft einzuimpfen. Das ging nicht ohne Schwierigkeiten. Das Parlament wurde schon lange nicht mehr gefragt, dort saßen nur noch Marionetten, die alles abnickten, was ein paar windige Lobbyisten vorschlugen. Es bedurfte einiger Rechenexempel und einer handfesten Prügelei in aller Öffentlichkeit, bis ein Umdenken einsetzte. Vor allem die immensen Rüstungsausgaben wurden angeprangert, sie wurden drastisch gestrichen.

Diese Pläne fanden natürlich nicht gerade die Zustimmung der Waffenlobby und ihrer Zulieferbetriebe. Sie setzten alles daran, ihre eigene Wichtigkeit in den Vordergrund zu stellen, und es gelang ihnen tatsächlich, einen letzten großen verheerenden Krieg anzuzetteln, bei dem letzten Endes jeder gegen jeden kämpfte. Dieser Irrsinn dauerte rund fünfzig Jahre und forderte nochmals eine Milliarde Opfer. Um auch die letzten Kriegstreiber zum Schweigen zu bringen, griffen einige beherzt zum allerletzten Mittel.

Das Kommando „Pax Solaris“ bestand aus rund dreihundert ausgewählten Männern und Frauen, die zu allem bereit waren. Sie kannten keine Rücksichtnahme, sie beseitigten alle Hindernisse auf dem Weg zum Frieden – und diese Hindernisse waren nun einmal menschlich, die Toten dieser Kommandosache hat niemand gezählt.

Keiner von „Pax Solaris“ kehrte zurück, doch innerhalb von zwei Jahren wurde jede globale Streitigkeit beigelegt, die Rüstungskonzerne brachen auseinander, und die Menschheit musste den Frieden erlernen.

Wer nun glaubt, dass jedermann zufrieden war, der irrt. Wir Menschen sind eine seltsame Spezies. Offenbar brauchen wir die Herausforderung, um Höchstleistungen abzurufen. Da kam die Eroberung des Weltraums als Ziel gerade recht. Macht euch die Erde untertan, stand in irgendeinem verstaubten Buch, das niemand mehr kannte. Genau dieses Vorhaben wurde mit dem Terraforming in Angriff genommen. Was wir Menschen anpacken, dann machen wir meist gründlich. Große Raumschiffe beförderten Siedler auf unsere Nachbarplaneten, ungeachtet der langen Reisezeit. Seit dem Jahre 2559 gibt es auf dem Mars die Stadt Avalon, die völlig autark ist und auch keine Sauerstoffkuppeln mehr braucht. Unsere Wissenschaftler begannen geistige Höhenflüge, die nicht alle sinnvoll waren manchmal skurrile Ergebnisse zeigten, aber es ging stetig voran.

Verstehen Sie mich recht, ich habe nicht vor, die Menschheit zu idealisieren, das wäre zu hoch gegriffen. Natürlich hat sich der Charakter des Einzelnen nicht geändert. Noch immer ist sich jeder selbst der Nächste. Machtrausch, Habgier, Geiz, jede Art von Gemeinheit, Armut und Reichtum, Dummheit und Superintelligenz – all das und viel mehr ist auch heute noch an der Tagesordnung. Nun, warum auch nicht, eine fortgeschrittene Zivilisation bedeutet nicht eine individuelle Persönlichkeit ohne Fehler.

Die großen Konzerne wurden in ihrer Machtfülle begrenzt – was jedoch nicht heißt, dass sie die Menschen nicht doch irgendwie manipulieren. Aber auch das ist meistens legitim, man muss sie nur gelegentlich in ihre Schranken weisen.

Nun habe ich weit ausgeholt und bin auf Umwegen doch wieder zum Knackpunkt gekommen.

Die Konzerne!

Neben den Multiriesen, die fast jede Sparte im Programm haben, gibt es ja auch die spezialisierten Giganten für Computertechnik, Nahrung und so weiter. Und es gibt einen neuen Großkonzern, der erst seit rund vierzig Jahren auf dem Markt agiert und einen immensen Zulauf besitzt – die Trans-Time-Net Inc., kurz TTN genannt.

Vor etwa zweiundvierzig Jahren gelang es zwei wagemutigen Wissenschaftlern zum ersten Mal, einen Zeitsprung vorzunehmen und unbeschadet zurückzukehren. Ein Heer von Forschern folgte ihnen, weil jeder etwas beitragen wollte – zu einem Thema, über das noch niemand wirklich etwas weiß. Heute sind Zeitreisen schon fast normal, falls man sie sich leisten kann.

Ich bin Cate Nichols, Ihre Begleiterin durch die Historie. Bei TTN Inc. bekommen Sie für fast jede Preisklasse Ihre persönliche Zeitreise. Möchten Sie bei Ihrer eigenen Zeugung zusehen? Möchten Sie wissen, ob Ihr Ururururgroßvater tatsächlich ein Kriegsheld gewesen ist? Kein Problem. Schon für rund zehntausend Credits können Sie für eine Stunde in die Vergangenheit reisen. Wer mehr Geld ausgeben kann und will, wird früher oder später bei mir landen, denn ich leite die großen Reisen in die Geschichte. Ich beantworte Fragen, erkläre Hintergründe – und passe auf Sie auf. Genau das ist meine vornehmste Aufgabe. Es wäre fatal, würde es zu einem Paradoxon kommen, weil einer meiner Schützlinge auf eigene Faust Exkursionen unternimmt. Es kommt zum Glück nur selten vor, doch es ist schon passiert, dass einer meiner Kunden ausgerissen ist. Dann verwandle ich mich von der freundlich-kompetenten Reiseleiterin in das, was ich früher einmal gewesen bin – die Spezialagentin Nichols, die wegen zu harten körperlichen Einsatzes als nicht tragbar aus dem Außendienst der staatlichen Sicherheitsorgane suspendiert wurde. Nach einem Personality-Forming konnte ich diese Arbeit annehmen, wo meine alten Talente nur selten gebraucht werden. Beten Sie aber trotzdem darum, dass nicht ausgerechnet Sie der Grund sind, meine schlummernden Kräfte aufzuwecken.

So, genug der Vorstellung. Ich werde Ihnen ein bisschen aus meinem Alltag und Beruf erzählen, während das Leben seinen Lauf nimmt. Vielleicht können Sie dann selbst beurteilen, ob diese Zeit interessant genug ist, um in hundert Jahren selbst eine Zeitreise hierher zu unternehmen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und werde mich bemühen, Ihnen nicht nur die Geschichte, sondern auch meine Kunden etwas näher zu bringen. Nicht alle Reichen sind schlimm – einige sind schlimmer.

1. Kapitel

Vorgeschichte Sommer 2736 – 4. September 2736

Berlin-Central

Vorbereitungen

Trans-Time-Net Inc. steht in blauen Lettern auf silbernem Grund über dem beeindruckenden Portal des schlanken Hochhauses mitten in Berlin-Central, nicht weit von der Spree entfernt, deren Grundstücke in Ufernähe als die teuersten Plätze der Stadt gelten. Wer das TTN-Gebäude zum ersten Mal sieht, bekommt rasch einen Schwindelanfall, denn es erstreckt sich unendlich hoch und erreicht tatsächlich die Wolken. An klaren Tagen kann man jedoch das ungewöhnliche Logo erkennen, das auf der Spitze des Turmes prangt: Eine Art Spinnennetz, in dessen Zentrum eine Spirale ins Unendliche zeigt. Wer auch immer dieses Zeichen entworfen hat, besitzt ein Gefühl für Symbolik. Denn die TTN sitzt tatsächlich wie eine Spinne in ihrem Netz, sie zieht alle Fäden, die auch nur im Entferntesten mit dem Thema Zeitreisen zu haben – und sie allein besitzt das Monopol auf diese Veranstaltungen.

Das oberste Gebot, welches man gleich am Eingang eingehämmert bekommt, ist Verschwiegenheit. Selbst über alltägliche Vorgänge wird der Mantel des Geheimnisses gebreitet, um für den Besucher oder Touristen so undurchschaubar wie möglich zu werden. Das hat letztendlich dazu geführt, dass die Sicherheitsabteilung der TTN fast größer ist als diejenige für Entwicklung und Forschung.

Als ich mich bei der TTN beworben habe, hatte ich eigentlich im Sinn, bei der Security anzufangen. Aufgrund meiner Ausbildung hielt ich mich für die beste Wahl. Meine Überraschung war groß, als mich Cashmere Ogilvie für die Reiseleitung auswählte. Schnell begriff ich aber auch, wie er auf diesen Gedanken kam.

„Sehen Sie, Miss Nichols, unsere Zeitreisen sind ausgesprochen exklusive Veranstaltungen. Nur eine Minderheit der Menschheit kann sich diese Art Luxus leisten. Leider ist es aber auch so, dass gerade diese Bevölkerungsgruppe glaubt, aufgrund von Reichtum oder Herkunft besonders privilegiert zu sein. Anweisungen zu befolgen gehört nicht zu dem, was diesen Leuten in irgendeiner Form zusagt. Da es jedoch von immenser Wichtigkeit ist, dass alle Reisenden innerhalb des Zeitnetzes bleiben, wird es unter anderem Ihre Aufgabe sein, Ausbrüche zu verhindern und im schlimmsten Fall die Ausreißer zurückzuholen. Es handelt sich um eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, als Trip-Commander sind Sie Kindermädchen, Betschwester und Psychologin in einer Person. Sie werden eine Menge Autorität benötigen – und Ihre unbestreitbaren Talente, die Sie als Agentin für den staatlichen Sicherheitsdienst ausgezeichnet haben. Gleichzeitig werden Sie eine Menge Diplomatie aufbringen müssen, um diese Leute bei Laune zu halten und jedem Einzelnen das Gefühl zu geben, dass allein er die wichtigste Person der Gruppe ist. Sie haben jetzt die Rahmenbedingungen gehört. Trauen Sie sich diese Aufgabe zu? In einer Stunde will ich Ihre Antwort, Miss Nichols. Denken Sie gut darüber nach. Diese Antwort könnte Ihr Leben verändern.“

Ich wäre eine Närrin gewesen, Nein zu sagen, wer sonst würde mir bei meiner Vorgeschichte noch einen Job geben? Doch ich dachte in dieser Stunde darüber nach. Wer zur TTN geht, verkauft in gewisser Weise seine Seele, aber das wusste ich damals noch nicht. Jetzt ist es auf jeden Fall zu spät, um einen Rückzieher zu machen, und im Grunde will ich das auch nicht. Meine Arbeit ist interessant und entspricht genau meinen Neigungen – auch wenn der Charakter einiger Vorgesetzter und besonders einiger Zeittouristen sehr zu wünschen übrig lässt. Nun gut, daran werde ich kaum etwas ändern können.

Doch ich habe mittlerweile festgestellt, wie faszinierend es ist, die Geschichte der Menschheit aus nächster Nähe zu erleben, darauf möchte ich nicht gern verzichten. Wenn da nur nicht ständig die Besserwisser und gelegentlichen Ausreißer wären.

Ich kann mich noch genau an meine erste Zeitreise erinnern. Gewissermaßen zum Einstand sollte ich ein Ehepaar betreuen, zwei ältere Leutchen, die noch einmal zu ihrem allerersten Treffen zurückgehen wollten. Ein einfacher Auftrag, eine kurze problemlose Reise – so dachte ich. So dachten alle, auch Cashogi, wie Cashmere Ogilvie von uns allen genannt wird. Doch gerade er hätte es besser wissen müssen, er kannte die beiden recht gut.

Bernhard und Grace Driscoll waren seit fast zwanzig Jahren verheiratet, und im Laufe der Zeit hatten offenbar die Erinnerungen der beiden gelitten. Jedenfalls stritten sie vehement darüber, wie das erste Treffen vor einundzwanzig Jahren abgelaufen war. Nun, eine Zeitreise war sicherlich die beste Möglichkeit, der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Die obligatorische medizinische Untersuchung brachte zutage, dass Bernhard an einem Herzfehler litt, der zuerst behandelt werden musste. Bei der heutigen Medizintechnik kein Problem. Drei Tage später konnte es schon losgehen.

Die beiden Driscolls und ich benutzten das TTN-eigene Shuttle zum Knotenpunkt in der Raumstation, von wo aus wir starten wollten. Die Gesellschaft hat viel Geld und Beziehungen gebraucht, um die eigene Station, die für Zeitreisen benutzt wird, ins All zu bringen. Normalerweise kontrolliert die Regierung jeden noch so kleinen Satelliten, selbst die für das private Navigations- und Teleportsystem. Aber diese Station, die permanent von drei Personen besetzt ist, wird nicht einmal staatlich überwacht. Nun gut, der Aufsichtsratsvorsitzende Hagen von Bolldorf besitzt in der Tat viel Macht, und wahrscheinlich weiß er auch, was er tut.

Wir drei wurden im Hangar von Dr. Lefebvre in Empfang genommen und gleich zum Knotenpunkt geschickt, der für jede Reise und die entsprechende Personenzahl immer neu erstellt werden kann. Ein kreisrunder Raum mit einigen Schalensesseln erwartete uns. Die Wände dort sind glatt und schmucklos. Ich kannte die Theorie. Auch in der Vergangenheit würden wir in einem solchen Raum herauskommen, vielleicht handelte es sich sogar um denselben Raum, der mit uns versetzt wurde, zu der Zeit interessierte mich das noch nicht. Er befand sich in einer Zeitblase, einem zeitlichen Kontinuum, und konnte von den Menschen der Vergangenheit nicht entdeckt werden. Neben dem Knotenpunkt als Aufenthaltsraum gab es auch zwei Schlafräume für je zwei Personen, eine Vibrationsdusche und einen Nahrungsautomaten. Zeittouristen müssen autark sein, nur in Ausnahmefällen und nach vorheriger Absprache durfte das Kontinuum verlassen werden, um zum Beispiel Nahrung der entsprechenden Epoche zu kaufen. Ein solcher Ausflug kostete allerdings erheblich mehr Geld, denn es galt, jede Möglichkeit eines Paradoxons schon im Vorfeld zu berechnen und damit zu verhindern. Selbstverständlich besaß ich für die jeweilige Zeit die entsprechende Währung.

Auf dieser Reise war nicht mit ungewöhnlichen Vorfällen zu rechnen, unser Trip sollte nur etwa vier Stunden dauern.

Dr. Lefebvre implantierte die Neuraltransmitter in den Handgelenken der beiden, sie konnten später problemlos wieder entfernt werden. Ich selbst trug ein permanentes Gerät, das man mir eingesetzt hatte. Neurochips wurden den beiden in den Oberarm injiziert, sie wanderten zum Gehirn und lösen sich nach einiger Zeit wieder auf. Mit ihnen konnte jedoch bei einem Unfall oder einem Ausreißer die ungefähre Position festgestellt werden. Niemand sollte in der Zeit verloren gehen – gewollt oder ungewollt. Schon gar nicht Leute wie die Driscolls, die über beste Verbindungen in die Konzernzentrale verfügen.

Nun gut, wir wurden endlich fertig, wobei mir bereits auffiel, dass die beiden grundsätzlich gegenteiliger Meinung zu sein schienen, selbst bei Nebensächlichkeiten.

Der Durchgang war kaum zu spüren, und als ich meine Reisenden aufforderte mir zu folgen, konnten sie kaum glauben, dass wir bereits angekommen waren.

Das Jahr 2715 unterschied sich nicht besonders von unserer aktuellen Zeit, und im Schutz unserer Zeitblasen verließen wir den Knotenpunkt und befanden uns nach kurzem Spaziergang schon in dem riesigen Vergnügungsviertel in München-Plus.

Die Stadt war auf den Überresten des alten München aufgebaut, und man hatte aus Nostalgie einige der ehemaligen Gebäude erhalten, die sich mitten im Zentrum befanden. Heute bildeten sie den Mittelpunkt des Vergnügungsviertels. Das Hofbräuhaus war aus einer speziellen Zementmischung neu aufgebaut und haltbar gemacht worden, und ich schüttelte nicht zum ersten Mal den Kopf über die primitive Weise sich mit Unmengen an Bier und Blasmusik zu vergnügen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Alkohol, aber wenn die Auswirkungen nicht beherrscht werden können, ist es relativ sinnlos, die Menschen unter dem Vorwand, sich besser zu amüsieren, damit zu konfrontieren. Heute genügt nach dem Genuss von Alkohol eine kleine Tablette, und innerhalb von Minuten ist der Normalzustand wieder hergestellt. Unfälle im Rauschzustand sind sowieso ausgeschlossen, unsere Verkehrsmittel fahren zum größten Teil vollautomatisch.

Aber gerade in solchen Amüsiervierteln gibt es auch immer wieder Möglichkeiten, an illegale Drogen heranzukommen, deren Wirkung nicht zu unterschätzen ist.

Zum Glück hatte ich auch aus dieser Richtung keinen Ärger zu befürchten, die beiden Driscolls waren meiner Meinung nach viel zu ängstlich, um etwas so eindeutig Illegales zu tun. Ob sich diese Zurückhaltung auch geschäftlich auswirkte, wusste ich nicht, und es interessierte mich auch nicht. Das Einzige, was mich irritierte, war die Tatsache, dass die beiden in ihrer Jugend hier gewesen sein sollten, wo das Publikum förmlich abgedreht war. Abgesehen von den Streitereien untereinander hielt ich sie für absolut harmlos und erzkonservativ.

„Wo hat denn Ihr erstes Treffen stattgefunden?“, wollte ich wissen.

„Im Konzertsaal, bei denen Rising Eagles“, kam es von Grace.

„In der Retro-Disco“, sagte zur gleichen Zeit Bernhard.

Die schlanke Frau mit perfekten weißen Zähnen und blauen Haaren über einem faltenlosen Gesicht, blickte ihren Mann an. „Musst du eigentlich immer eine andere Meinung haben als ich?“, fauchte sie.

„Wenn dein Gedächtnis dir Streiche spielt, ist das wohl unvermeidbar“, kam die trockene Antwort.

„Entschuldigung, streiten Sie bitte zu einem anderen Zeitpunkt weiter, sonst wird die Zeit knapp“, unterbrach ich die erneut aufkommende Diskussion. „Wir haben nur vier Stunden, und daher sollten wir nichts davon verschwenden. Gehen wir zuerst ins Konzert, und danach in die Disco, falls es noch nötig ist.“ Dieser Kompromiss wurde angenommen.

Die Konzerthalle war nach alten Vorlagen dem ehemaligen Hauptbahnhof nachgebaut. Statt der Schienen war jedoch eine moderne Bühne installiert, es gab Sitzplätze und Schwebtribünen, und selbst ohne Konzert herrschte hier eine Menge Publikumsverkehr.

„Nun, wo haben Sie denn gesessen oder gestanden?“, erkundigte ich mich und versuchte die zahllosen Besucher, die zu ihren Plätzen strömten, im Auge zu behalten, ob ich die beiden Driscolls als jüngere Version irgendwo entdecken konnte. Natürlich hatte ich Bilder der beiden gesehen, ich würde sie daher erkennen. Aber nun war es Grace, die einigermaßen ratlos wirkte.

„Hier stimmt etwas nicht, die Umgebung war ganz anders, und hier treten auch gerade nicht die Rising Eagles auf. Es sieht fast so aus ...“

„... als hättest du dich getäuscht“, erklärte Bernhard schadenfroh. „Also los, auf in die Disco.“

„Warten Sie noch fünf Minuten, nur um sicher zu sein, dass sich Ihre Frau wirklich getäuscht hat. Bis dahin dürften die meisten Besucher ihre Plätze aufgesucht haben, und ich werde mit dem automatischen Gesichterscan einen Versuch machen.“

„Meinetwegen tun Sie, was Sie nicht lassen können“, gab er süffisant zurück.

Aber wie ich schon vermutet hatte, gab es die beiden hier nicht, also gingen wir weiter zur Retro-Disco. Ein Höllenlärm empfing uns, und ich glaubte für einen Moment meinen Augen nicht zu trauen. Ich war zum ersten Mal in dieser Art Diskothek und hatte kaum eine Vorstellung, was sich dort abspielte. Hierher kamen Menschen, die sich benahmen wie halb oder völlig Verrückte in einer vergangenen Zeit. Auf verschiedenen Tanzflächen hopsten und stampften sie in seltsamen Kostümen herum, die Stilrichtungen waren völlig unterschiedlich, ebenso wie die Musik, wie ich schon am Rhythmus der Tänze erkennen konnte. Die Musik selbst wurde über Schallisolatoren auf die jeweilige Tanzfläche begrenzt. Der unglaubliche Lärm hier drinnen kam von den Leuten, die sich außerhalb der schallbegrenzten Flächen befanden. Wie konnte man es hier länger als nur zwei Minuten aushalten?

Das Entsetzen spiegelte sich vermutlich in meinem Gesicht, denn Bernhard blickte mich spöttisch an. „Das ist offenbar kein Freizeitvergnügen für Sie?“

„Nein, ich ziehe etwas anderes vor.“

Wir mussten uns anschreien, um uns verständlich zu machen.

„In welcher Epoche sind Sie gewesen?“, fragte ich und machte eine hilflose Handbewegung in die riesige Halle hinein.

„Die siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts“, kam es von ihm spontan, und ich versuchte mich zu orientieren.

Aber seine Frau hatte den Weg schon längst gefunden, sie ging zielstrebig auf eine der Bühnen zu und wiegte sich dabei in den Hüften. Diese beiden erstaunten mich immer wieder. Konzentriert glitt mein Blick über das Publikum, doch auch hier musste ich einen Scan durchführen, das Gewimmel ließ es nicht zu, einzelne Personen zu erkennen.

„Nein, Sie sind beide nicht hier“, erklärte ich wenig später.

„Dein Gedächtnis lässt also auch nach“, erklärte Grace genüsslich.

„Hüte deine Zunge“, fuhr er sie an. Bevor erneut ein Streit ausbrechen konnte, zog ich die zwei aus der Disco hinaus, um endlich dem infernalischen Krach zu entfliehen. Schließlich standen wir wieder in der großen Verteilerhalle. Blinkende Hologramme priesen alle Vergnügungen an, die man sich nur vorstellen konnte, zahllose Menschen schlenderten suchend oder gelangweilt umher, andere hasteten zielstrebig auf bestimmte Etablissements zu. Wir standen mitten in der Menge, und doch konnte niemand uns sehen. Wir befanden uns im Schutz des Zeitnetzes, und es kam sogar vor, dass jemand durch uns hindurchging, ohne etwas davon zu bemerken.

„Was nun?“, fragte ich das Ehepaar. „Offenbar hat die Erinnerung Sie beide getäuscht. Es tut mir leid, dass Sie Ihr Geld scheinbar umsonst ausgegeben haben. Wir haben noch etwas über eine Stunde Zeit, möchten Sie vielleicht etwas anderes sehen? Oder fällt Ihnen vielleicht doch noch ein, wo Ihr erstes Treffen stattgefunden hat?“

In diesem Augenblick erwachte so etwas wie mein siebter Sinn. Ich sah eine Gestalt in einen Club hineingehen. Während Grace und Bernhard weiterhin in scharfen Worten ihre Uneinigkeit demonstrierten, konzentrierte ich mich auf den Club.

„Kommen Sie mit“, forderte ich, und die beiden folgten mir verblüfft. Ein Single-Club, in dem einsame Menschen versuchten einen Partner zu finden – für ein paar Stunden, eine Nacht, oder sogar einige Tage. Nur selten entstanden daraus dauerhafte Beziehungen.

„Da sind Sie“, sagte ich und deutete auf eine Frau, die gerade schüchtern suchend durch den Saal schritt. Ich gestehe, ich musste mir das Lachen verbeißen.

Grace wirkte scheu und harmlos, bis sie einen Mann gesehen hatte, der offenbar ihrem Beuteschema entsprach. In dem Augenblick veränderte sie sich völlig. Der Körper wurde straff, sie hielt den Kopf aufrecht, und ihre Augen funkelten. Verführerisch leckte sie sich über die Lippen und ging mit einem ausdrucksvollen Hüftschwung auf den Mann zu, der allein an einem Tisch saß und die anwesenden Frauen musterte. Nicht Bernhard, wie ich sehen konnte.

Grace sprach mit ihm und setzte sich unaufgefordert. Wir waren nicht nahe genug heran, um etwas zu verstehen, doch es war unschwer zu erkennen, dass ihre Anmache bei ihm nicht wirkte. Er schüttelte unwillig den Kopf, und als Grace noch näher rückte, stand er abrupt auf.

Bernhard neben mir mühte sich, ein lautes Gelächter zu unterdrücken, während seine Frau wütend zischte.

Die junge Grace stampfte derweil zornig mit dem Fuß auf, als sich der Mann davonmachte. In diesem Augenblick entdeckte ich Bernhard, der gerade ebenfalls einen Korb von einer Frau erhalten hatte. Reiner Zufall führte die beiden zusammen, als Grace über die eigenen Füße stolperte und direkt in seinen Armen landete. Er zog sie ohne zu zögern auf die kleine Tanzfläche, auf der sich wenige Paare im Takt leiser Musik bewegten. Doch es hielt die beiden nicht lange dort. Hand in Hand verließen sie den Club und unterhielten sich angeregt.

„Dann wäre diese Sache doch endlich geklärt“, sagte ich zufrieden.

Doch die beiden begannen schon wieder mit ihrem Streit. „Das war voll und ganz geplant“, behauptete er. „Es gab nicht den geringsten Grund in meine Arme zu stolpern.“

„Du hast dich förmlich dorthin geworfen, wo ich gerade stand, nur um mich aufzufangen“, fauchte sie zurück.

„Da haben wir es gerade gesehen, dass du auf reiche Beute aus gewesen ist“, fuhr er fort.

„Ganz im Gegenteil, du hattest nichts Besseres zu tun, als dich mir an den Hals zu werfen. Das sagt man doch sonst nur Frauen nach“, behauptete sie.

„Ich hatte einfach Mitleid ...“

„Entschuldigen Sie“, mischte ich mich ein und erntete empörte Blicke. „Wir sollten uns nun in aller Ruhe auf den Rückweg machen, Mr und Mrs Driscoll. Ich kann allerdings nicht einsehen, worüber Sie jetzt noch etwas zu streiten haben.“

„Wir streiten nicht“, behauptete Grace stur.

„Das hört sich aber so an. Wenn Sie sich nicht vertragen können, ist mir absolut unklar, warum Sie überhaupt zusammenbleiben. Ihre persönlichen Differenzen scheinen so groß zu sein, dass Sie sich vielleicht scheiden lassen sollten.“

Für einen Augenblick herrschte lähmende Stille, und ich fühlte die Blicke der beiden wie körperliche Berührungen. Aber dann gingen sie förmlich auf mich los, beschimpften mich und machten Anstalten mich anzugreifen. Nun gut, diese beiden würde ich mit links und verbundenen Augen noch besiegen können. Aber das war nicht Sinn und Zweck dieser Reise.

Ich lernte in diesem Augenblick einen sehr wichtigen Grundsatz. Halte deine eigene Meinung zurück, solange nicht jemand danach fragt. Ich hatte mir zwei Feinde gemacht, und dabei war ich der Ansicht gewesen, dass die beiden so nicht länger zusammenleben sollten. Aber offenbar benötigten sie die Streitereien in ihrem Leben wie Luft zum Atmen.

Es gelang mir nur mühsam, die beiden soweit zu beruhigen, dass wir die Rückreise vornehmen konnten, und ich rechnete mit einem heftigen Donnerwetter von Cashogi.

Entnervt und angespannt setzte ich mich in meinem bequemen Sessel auf, während Grace und Bernhard noch benommen liegen blieben. Dr. Lefebvre nickte mir zu, alles in Ordnung. Ich verließ den Raum und begab mich zum Shuttle, mit dem ich allein in die Zentrale nach Berlin zurückkehren wollte, das Ehepaar würde direkt mit einem Privatflugzeug in die Heimatstadt gebracht werden.

Noch immer fand ich den Anblick des TTN-Hauptquartiers beeindruckend, aber nach dieser ersten Reise war es durchaus möglich, dass ich im hohen Bogen aus der Crew der Trip-Commander geworfen wurde. Wie hatte ich nur so dumm sein können?

Cashmere Ogilvie saß in seinem Büro, das kühl und sachlich wirkte. Nicht einmal ein Foto war irgendwo zu sehen. Es gab nichts Persönliches aus der Welt von Cashogi, er hätte ebenso gut eine Maschine sein können.

Ich wollte es schnell hinter mich bringen. Was ich danach machen würde, war mir noch nicht klar. Für Menschen mit meiner Ausbildung und Vorgeschichte waren Arbeitsplätze dünn gesät.

„Hatten Sie einen anregenden Ausflug, Cate?“, erkundigte sich Ogilvie.

Ich schob trotzig das Kinn nach vorne. „Sie wissen recht gut, dass diese Reise für mich ein Fiasko gewesen ist“, gab ich zurück. „Wie lang ist die Liste der Beschwerden, die Mr und Mrs Driscoll über mich abgegeben haben?“

„Erstaunlich kurz“, sagte er knapp. „Sie haben die Aufgabe besser gemeistert als andere Kollegen vorher in einer ähnlichen Situation. Haben Sie wenigstens etwas daraus gelernt?“

„O ja“, fauchte ich. „Sollte ich tatsächlich noch einmal in eine solche Situation geraten, werde ich Ohrenstöpsel mitnehmen und mich sicher nicht noch einmal einmischen. Aber die Gefahr besteht für mich wohl kaum. Haben Sie vor, mich fristlos zu feuern, oder bekomme ich zwei Tage Galgenfrist?“

„Fristlos feuern?“ Völliges Unverständnis war aus seinen Worten zu hören, aber dann lächelte er verschmitzt. „Cate, sind Sie so dumm, oder tun Sie nur so? Diese Reise war natürlich ein letzter Test, um festzustellen, wie Sie unter Stress Ihre Aufgabe meistern. Die beiden Driscolls sind von Natur aus schwierig, und sie hatten tatsächlich den Auftrag Sie zusätzlich zu reizen, was ihnen offensichtlich gut gelungen ist. Und Sie, Cate, haben sich fabelhaft verhalten. Sie haben sogar mehr getan, als Sie hätten tun müssen, denn es ist Ihnen gelungen, den wahren Sachverhalt aufzuklären. Ich würde sagen, alles in allem ist es gut gelaufen.“

In diesem Augenblick hätte ich ihm ins Gesicht schlagen können. Wie hatte er mich derart ins offene Messer laufen lassen können? Ein Test, ob ich unter Stress richtig reagiere? Welche Erkenntnis konnte er daraus ziehen, die nicht bereits durch zahlreiche Psychogramme und Simulationen als unumstößliche Tatsachen auf dem Tisch lagen?

„Dann sind Sie jetzt wohl bedeutend klüger als vorher?“, fragte ich scharf.

Ogilvie zuckte die Schultern. „Es war nicht meine Idee, ich war meiner Sache schon vorher sicher. Das wurde von oben entschieden, und ich bin froh, dass jetzt jeder Zweifel ausgeräumt ist. Sie dürfen nun nach Hause fahren. Voraussichtlich haben Sie zwei Tage frei, bevor Sie regulär eingeteilt werden. Ich danke Ihnen.“

„Das war alles?“, schnauzte ich ihn an. „Sie gehen einfach über meine Befürchtungen und Ängste weg? Halten Sie mich für eine Maschine, von der man Gebrauch machen und dann einfach wieder abschalten kann?“

„Was erwarten Sie, Cate Nichols?“, fragte er kalt. „Eine Belobigung dafür, dass Sie Ihre Pflicht ausgeführt haben? Das wäre ein bisschen viel verlangt, oder? Ich sage Ihnen etwas. Sie werden alle Tage so von mir behandelt werden, solange Sie Ihren Job gut erfüllen. Sollten Sie Probleme haben, können Sie jederzeit zu mir kommen, und wenn es sein muss, werde ich für Sie kämpfen – solange Sie im Recht sind. Aber machen Sie Fehler, werde ich Sie genüsslich in der Luft zerreißen. Haben wir uns verstanden, Miss Nichols? Falls ja, werden wir gut miteinander auskommen. Falls nein, dann ist dort die Tür. Aber Sie werden nie eine zweite Chance bekommen, ist das klar?“

So deutlich hatte ich es nun auch wieder nicht wissen wollen.

„Ich habe verstanden, Sir. Danke für die Aufklärung“, sagte ich rasch.

„Gut! Sie dürfen das Shuttle benutzen, falls Sie die freien Tage außerhalb der Stadt verbringen möchten.“

„Nein, danke, ich bleibe in Berlin.“

*

So begann meine Arbeit für die TTN, und Cashmere Ogilvie hat mir damals die Wahrheit gesagt. Er behandelt jeden relativ unpersönlich, aber er steht hinter seinen Leuten. Wir Trip-Commander sind eine kleine Gruppe, die ungeheuer viel Verantwortung trägt. Wenn wir nicht aufpassen, können gravierende Veränderungen im Zeit-Gefüge entstehen und selbst Kleinigkeiten zu Katastrophen auswachsen. In jeder Schulung wird uns das eingehämmert, und natürlich bekommt das auch jeder Reisende gesagt. Nur, ob die Leute das auch verstehen, daran wage ich so manches Mal zu zweifeln. Immer wieder kommt es zu Versuchen, eine Kleinigkeit aus der Vergangenheit mitzunehmen oder etwas dazulassen. So gehört es auch zu unseren Aufgaben, alle Kleinigkeiten zu beachten, die unsere Gäste wie Taschenspieler unternehmen.

Ich arbeite mit großer Hassliebe für die Zeitreisegesellschaft, denn es ist wirklich so, dass man seine Seele verkauft, sobald man hier arbeitet. Und doch macht es auch viel Spaß. Wo sonst hätte man die Gelegenheit, die Geschichte der Menschheit aus erster Hand mitzuerleben? Sie sehen also, es ist ein interessantes Leben, wenn auch nicht gerade ein gewöhnliches. Aber nun wollen wir einsteigen in eine der verrückten Geschichten, die unglaubliche Ereignisse nach sich ziehen.

Alles begann damit, dass Cashogi mir einen ungewöhnlichen Auftrag gab. Ich sollte eine Gruppe höchst unterschiedlicher Leute in die Vergangenheit begleiten, von denen offenbar jeder persönliche Gründe hatte, ausgerechnet im Jahr 1963 aufzutauchen, um das Attentat auf Präsident John F. Kennedy mitzuerleben.

2. Kapitel

5./6. September 2736

Berlin-Central

Eine ungewöhnliche Reisegruppe

Der Armbandempfänger meldete sich. Auf einen Blick wusste ich, dass meine Freizeit ein jähes Ende gefunden hatte. Gerade hatte ich ziemlich viel Geld für neue Garderobe ausgegeben, nun kehrte ich in mein kleines Apartment zurück, nicht ohne dem attraktiven Mann an der Kaffeebar einen heißen Blick zuzuwerfen. Hätte ich noch etwas Zeit gehabt, wäre es nett gewesen zu erforschen, welche sexuellen Erfahrungen er vorzuweisen hatte. Aber die Arbeit ging vor. Ich gab die Bestätigung, warf zuhause meine Einkäufe auf das Bett und machte mich auf dem Weg zum Hauptquartier.

Kaum hatte ich das Büro von Ogilvie erreicht, drückte er mir auch schon eine Lesefolie in die Hand. „Ihr Auftrag, Cate. Ich fürchte, es wird nicht einfach werden. Sie werden Ihre ganze Diplomatie brauchen. Trotzdem ist dieser Auftrag wie geschaffen für Sie.“

„Warum schicken Sie denn nicht jemand anderen? Sie wissen, dass Diplomatie nicht gerade meine starke Seite ist.“

„Muss ich meine Entscheidungen vor Ihnen rechtfertigen, Trip-Commander Nichols?“

„Nein, Sir.“

„Abreise morgen früh. Machen Sie sich mit den Dossiers der Leute vertraut, das ist in diesem Fall besonders wichtig.“

„Gibt es etwas, worauf ich besonders achten soll, Sir?“

„Bei diesem Auftrag müssen Sie auf alle und alles achten. Aber der junge Holcroft wird vermutlich die meisten Schwierigkeiten machen. Rüsten Sie sich für alle Fälle mit Betäubungspfeilen aus. Dann ist da noch Mike Brown, der überall erzählt, dass er diese Reise von seiner Firma geschenkt bekommen hat. Aber ich traue dieser Aussage nicht, dafür wiederholt er sie zu häufig. Er ist Ingenieur und wird vielleicht versuchen ...“.

„... etwas mitzunehmen oder Markierungen zu hinterlassen. Er hat die Reise sicherlich geschenkt bekommen, aber zu bestimmten Zwecken, da gehe ich jede Wette ein“, ergänzte ich.

„Dann wissen Sie schon das Wichtigste.“

„Was ist mit Wladimir Gratschow?“

„Ein interessanter Mann“, kam es vorsichtig.

„In der Tat. Aber wenn ich alles glaube, was ich über den Parlamentsabgeordneten Wladimir Gratschow höre, wird er mich wie einen Fußabtreter behandeln.“

„Sind Sie denn mehr?“

Ich verzog das Gesicht. „Ich habe mich doch tatsächlich für ein menschliches Wesen mit eigenen Rechten gehalten. So kann man sich täuschen.“

Zum ersten Mal hörte ich Cashogi leise lachen. „Sie haben meine Erlaubnis, sollte sich Wladimir Gratschow völlig daneben benehmen, ihn niederzuschlagen. Bis dahin werden Sie ihm die Füße küssen.“

„Bekomme ich diese Erlaubnis schriftlich?“

„Nein.“

„Also gut, dann haben wir noch Mary Ann Blight und ihre – ihre was? Gesellschaftsdame? Joan Cooper? Unglaublich, in welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Ach ja, das Kindermädchen von Dennis Holcroft wäre da auch noch, Psychiater Yuan Chi.“

„Hüten Sie sich vor Yuan Chi, er ist ein gewiefter Psychologe und kann angeblich einem Marsianer Sand verkaufen“, riet Ogilvie.

„So was hat mir gerade noch gefehlt. Vermutlich ist dieser Trip auf seinem Mist gewachsen, um dem armen, reichen, verwöhnten Söhnchen des Multimillionärs und Vorstandsmitglieds der TTN zu zeigen, dass die Menschen es früher schwerer hatten als heute?“

„Höre ich da Zynismus aus Ihrer Stimme? Cate, schämen Sie sich.“

„Jawohl, Sir.“

„Miss Blight und ihre Gesellschaftsdame sollten kein Problem darstellen, sie sind Weltenbummler mit zuviel Geld vom verstorbenen Vater, Mr Andrew Blight, und einem Hang zur Langeweile.“

„Das möchte ich doch auch mal sagen können. Langeweile, pah. Also gut, ich werde die Dossiers lesen und bin morgen früh zum Aufbruch bereit. Ich treffe die Gruppe im Knotenpunkt?“

„Ja, richtig. Von da an tragen Sie die Verantwortung. Cate, ich verlasse mich auf Sie.“ Er hatte einen seltsamen Ausdruck in den Augen. Ich betrachtete Ogilvie genauer.

Hochgewachsen, fast hager, mit dichten buschigen Augenbrauen über intensiven blauen Augen. Seine kurzen blonden Haare wirkten fast farblos. Sein Körper schien nur aus Knochen, Muskeln und Sehnen zu bestehen, seine Hände waren groß und kräftig. Er legte nicht viel Wert auf ausgesuchte Kleidung, doch eine gewisse Qualität war für ihn einfach persönlicher Standard. Heute trug er einen silbergrauen Anzug und darunter einen weißen Rollkragenpulli.

Cashogi war kein Mann, den ich für mich persönlich interessant fand, nicht einmal für eine Nacht, doch er war mir ein guter Freund geworden. Diesen Blick aber hatte ich schon in vielen Männeraugen gesehen, wollte er etwas von mir? Eigentlich fand ich das unwahrscheinlich. Vielleicht war es aber auch nur Mitleid, weil mir nun kein leichter Auftrag bevorstand.

*

Ich verbrachte die halbe Nacht damit, die Unterlagen fast auswendig zu lernen und auch zwischen den Zeilen zu lesen. Im Grunde musste ich voraussehen, wozu jeder von meiner Schützlinge in der Lage war, sodass ich schon im Vorfeld darauf achten konnte, Eigenmächtigkeiten zu unterbinden. Ogilvie hatte Recht, Dennis Holcroft würde sicherlich ein schwieriger Brocken. Er war einundzwanzig Jahre alt, hatte noch nie in seinem Leben auch nur einen Tag gearbeitet, hielt aber die ganze Welt für seinen Spielplatz. Er benahm sich, als würden für ihn die Gesetze nicht gelten, und obwohl er bereits häufig mit der Polizei in Berührung gekommen war, fühlte er sich völlig im Recht. Sein Vater, William Holcroft, ein angesehener Bankier, der seine Geschäfte bereits in fünfter Generation führte, hatte seinen Sohn nach der Scheidung von der Mutter durch Kindermädchen aufziehen lassen, aber niemand vom Personal war lange geblieben. Dennis hatte keine Bezugspersonen gehabt, und es hatte ihm noch nie jemand Grenzen aufgezeigt. Bevor aufgrund der vielfältigen Anklagen eine Umerziehung oder eine Persönlichkeitserneuerung von den Behörden angeordnet werden musste, hatte William Holcroft den Psychologen Yuan Chi engagiert, und der war tatsächlich der Meinung, er könne noch etwas erreichen.

Dennis galt als aufbrausend und aggressiv, überheblich und leichtsinnig. Außerdem war keine halbwegs attraktive Frau vor ihm sicher. Nun, ich war elf Jahre älter und sollte daher wohl eher nicht in sein Beuteschema passen. Ich würde mich jedenfalls nicht mit einem so verzogenen Kind abgeben.

Pünktlich betrat ich den Aufenthaltsraum im Knotenpunkt, von dem aus unsere Reise beginnen würde. Während zwei Ärzte die Reisenden vorbereiteten, hielt ich meine übliche Ansprache in solchen Fällen.

„Meine Damen und Herren, die TTN freut sich, Sie als Zeitreisende begrüßen zu dürfen. Ich bin Ihre Reiseleiterin, Trip-Commander Cate Nichols und dafür verantwortlich, dass Sie nicht im Zeitnetz verloren gehen. Sie alle haben bereits bei der Buchung die Verhaltensregeln ausgehändigt bekommen und auch unterschrieben. Das heißt, Sie erkennen meine uneingeschränkte Autorität an und verhalten sich genauso, wie ich es von Ihnen verlange. Wenn ich sage springen Sie, dann fragen Sie höchstens, wie hoch. Es ist streng verboten eigenmächtig das Netz zu verlassen, Gegenstände mitzunehmen oder zurückzulassen. Sie halten sich an die vorher ausgearbeitete Reiseroute und bleiben permanent in meiner Nähe, es sei denn, ich ordne etwas anderes an. Wenn Sie sich an diese Anweisungen halten, steht einem interessanten Besuch in der Vergangenheit nichts im Wege, und ich wünsche Ihnen viel Spaß.“

„Miss Nichols.“ Wladimir Gratschow, natürlich. „Ich habe ausdrücklich darum gebeten, das Attentat auf Präsident Kennedy aus der Sicht des Attentäters mitzuerleben. Im Reiseplan finde ich diesen Punkt aber nicht, was hat das zu bedeuten?“

„Das bedeutet, dass wir den von Ihnen gewünschten Ort nicht erreichen können. Bis heute ist niemals eindeutig festgestellt worden, wer nun wirklich die tödlichen Schüsse abgegeben hat. Das dürfte auch Ihnen bekannt sein.“ Hatte er vorgehabt das Attentat zu verhindern, oder wollte er sich Anregungen holen? Nein, so etwas sollte ich nicht denken. Ich sollte ihm nicht gleich üble Absichten unterstellen.

„Wird es die Möglichkeit geben etwas einzukaufen? Ein Souvenir vielleicht?“ Joan Cooper, vorgeschickt von Mary Ann Blight.

„Nein, auf keinen Fall. Dann hätten Sie eine andere Reise buchen müssen, bei der vorher berechnet wird, welche Auswirkungen das Entfernen von Gegenständen auf die Zukunft hat.“

„Können wir jetzt endlich loslegen?“, knurrte Holcroft. „Ihre Reden können Sie sich sparen, da stand doch alles schon in den Verträgen.“

„Hat sonst noch jemand Fragen?“, erkundigte ich mich trotzdem, aber alles schien jetzt klar zu sein. Die Ärzte gaben das OK, alle Reisenden trugen Neurochips und Neuraltransmitter, es konnte losgehen.

18. November 1963

Dallas

Nach dem Übergang kamen wir in der Zeitblase des Knotenpunktes zu uns, jeder in seinem Schalensessel, und alle zusammen in einem übergeordneten Kontinuum. Unser augenblicklicher Standort war in der Innenstadt von Dallas, Texas, innerhalb eines großen Hauses mit Büros, von denen einige leer standen. Durch die Raum-Zeit-Blase konnten wir einen Abstellraum erkennen. Selbst wenn jemand hier hereinkommen sollte, waren wir für ihn unsichtbar.

Neugierig umringten mich die anderen, und Dennis stellte sich provozierend dicht neben mich.

„Wie sieht der Tagesplan aus?“, erkundigte sich Cooper.

„Haben Sie Ihr Exemplar zuhause gelassen? Wir beginnen heute mit einer kleinen Erkundung der Örtlichkeiten und kehren am Abend hierher zurück. Unsere Techniker haben hier am Knotenpunkt für Proviant und Unterhaltung gesorgt, außerdem steht eine Vibrationsdusche zur Verfügung“, erklärte ich ruhig.

„Das ist alles?“, fragte Dennis unwirsch. „Für diesen Schwachsinn ziehen Sie den Leuten das Geld aus der Tasche? Mein Vater wird sicherlich begeistert darüber sein, welch aufregendes Programm Sie anbieten. - Du könntest mir dann wenigstens die Nacht unterhaltsam gestalten“, erklärte er mit einem provozierenden Blick.

„Dennis, so geht das nicht“, mahnte Yuan Chi, ohne Gehör zu finden.

Betont ruhig trat ich einen Schritt zurück. „Hör zu, Kleiner, ich respektiere die Meinung anderer Menschen, erwarte aber, dass sie das ebenfalls tun. Wenn du ein Mädchen brauchst, wirst du dich gedulden müssen, bis wir zurückkehren. Davon abgesehen sollten wir uns auf eine höfliche Distanz beschränken - Mr Holcroft.“ Die beiden letzten Worte sagte ich mit deutlicher Betonung, aber das ging trotzdem nicht in seinen Schädel hinein, dessen war ich sicher.

Aber ich beachtete ihn vorerst nicht weiter. Denn nun machten wir uns auf den Weg, das Dallas von 1963 zu erforschen.

*

6.September 2736

Berlin-Central

Cashmere Ogilvie teilte weitere Reiseleiter ein, führte zwei Bewerbungsgespräche und plante eine neue Instruktionsrunde für die Trip-Commander. Sein Posten war eine Art Puffer. Er bekam seine Anweisungen direkt vom Aufsichtsrat und vom Vorstand und gelegentlich auch den Druck, der von den Aktionären ausgeübt wurde, um die Dividenden hoch zu halten.

Die TTN war eine Wirtschaftsmacht, und die hohen Investitionen, die geleistet worden waren, mussten sich bezahlt machen. Die Geschäfte liefen gut, aber die Kapazitäten waren begrenzt, es gab mittlerweile lange Wartelisten.

Energie wurde in unglaublichen Mengen gebraucht, um die Zeitblasen aufrechtzuerhalten. Die Raumstation verschlang ebenfalls Unsummen, auch wenn sie mittlerweile von der Regierung als Dockstation für geostationäre Satelliten, ebenso wie für Reparaturen und Kontrollaufgaben, mit genutzt wurde.

Aber Ogilvie befehligte in erster Linie die gesamte Abteilung der Reiseorganisation. Cate Nichols war eine Frau, die er nicht nur schätzte und respektierte, sondern auch ausgesprochen attraktiv fand. Einem Abenteuer wäre er aber abgeneigt, Cate war seiner Meinung nach keine Frau für nur eine Nacht.

Er richtete seine Gedanken jetzt von der schönen Frau ab und der Nachricht zu, die gerade auf einem Monitor hereinkam. Er begann zu lesen und fluchte dann leise vor sich hin. Welcher hirnverbrannte Idiot war auf eine solch absurde Idee gekommen?

Der Aufsichtsrat hatte beschlossen, alle zwölf Trip-Commander einer weiteren zusätzlichen Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, außerdem würde die gesamte Abteilung noch einmal neu überprüft, um jedes Sicherheitsrisiko auszuschließen.

So ein Unsinn! Über alle Reiseleiter war alles bekannt und dokumentiert, was sicherheitsrelevant erschien. Sollten die Leute jetzt auch noch Auskunft über ihre Gedanken geben? Das ging entschieden zu weit.

Ogilvie wollte eine Verbindung zu Hagen von Bolldorf aufbauen, um diese Anweisung zu hinterfragen. Er las die Meldung weiter und verstand schließlich. Die Regierung wollte die TTN unter Kontrolle haben, doch bisher bestanden feste Verträge, die eine absolute Unabhängigkeit der Gesellschaft garantierten. Regierungschef Gordon Matambo hegte jedoch die Befürchtung, dass durch einen Fehler in den komplizierten Berechnungen der Netzgänger die Realität verändert werden könnte. Der Präsident und eine Reihe von Ministern wollten die Zeitreisen beschränken auf Personen, die politisch korrekt eingestellt waren und kein Sicherheitsrisiko darstellten. Außerdem wollte die Regierung von den beachtlichen Einnahmen profitieren, obwohl die TTN mit Abstand die höchsten Steuerzahlungen aller Unternehmen auf der Erde leistete. Wahrscheinlich gab es noch eine Reihe von weiteren Gründen, die ebenfalls eine Rolle spielten, aber die wollte Ogilvie nicht wissen.

Natürlich versuchte die Regierung auch schon seit längerer Zeit, ihre Spione im Unternehmen unterzubringen und so zumindest an Firmeninterna heranzukommen. Da Cashmere Ogilvie durch die Leitung der Abteilung auch für Sicherheitsfragen zuständig war, hatte er jeden Mitarbeiter zu überprüfen.

Es hatte nicht lange gedauert, bis die Verbindung der Spione zu Regierungskreisen offensichtlich wurde. Die Leute, die für die Agenten eine Legende aufbauen sollten, verstanden ihr Handwerk nicht wirklich, sie arbeiteten schlampig. Und solche Amateure wollten in einem Hochsicherheitsbereich wie der TTN arbeiten und die Sicherheit koordinieren? Das war doch einfach nur lächerlich.

Ogilvie hatte nicht gezählt, wie viele potentielle Spione er im Laufe der Zeit ausgesiebt hatte, darüber führte er kein Buch. Doch er hatte den Vorstand informiert und vorgeschlagen, wenigstens einen Spion an seiner Stelle zu belassen, er war eine erkannte Gefahr, die man isolieren und sogar für eigene Zwecke nutzen konnte. Der Vorstand war diesem Vorschlag gefolgt.

Als etwa zwei Monate später eine weitere Frau als Spionin enttarnt wurde, hielt die TTN dieses Vorgehen auch bei ihr für angemessen. Die beiden saßen nur scheinbar an wichtigen Stellen, wurden von Zeit zu Zeit mit irrelevanten Daten gefüttert, die von der TTN-Zentrale als gezielte Desinformationen zu gewolltem Verrat führten und waren zu nichts sonst nutze.

Ogilvie hatte seine Arbeit gut gemacht, aber er erwartete kein Lob. Das war seine Aufgabe, die er zu erfüllen hatte, sowie er bei seinen Trip-Commandern ebenfalls die Erfüllung ihrer Aufgaben forderte.

Die angekündigte zusätzliche Sicherheitsüberprüfung machte ihm aber aus einem weiteren Grund große Sorge, denn auch er selbst würde dabei erneut unter die Lupe genommen. Er war absolut loyal und ließ sich auch nichts zuschulden kommen, doch er hatte eine Schwester, die das alles ein wenig anders sah.

Sentia Ogilvie hatte schon während ihres Studiums zur Rechtsanwältin Kontakt zu einer Gruppe Oppositioneller aufgenommen, die daran interessiert war, die Regierung zu stürzen und eine Demokratie einzurichten, die diesen Namen auch verdiente. Die jetzige Art der Wahl und die selbstherrliche Herrschaft der sogenannten Volksvertreter riefen immer wieder Proteste in der Bevölkerung hervor, doch diese Proteste wurden schnell unterdrückt. Es handelte sich nicht direkt um eine Diktatur, aber der Wille der breiten Mehrheit wurde zeitweise missachtet zu Gunsten der großen Wirtschaftskonzerne, die glaubten, das Beste für das Volk zu kennen. Die meisten Menschen waren auch tatsächlich zufrieden. Sie hatten eine Arbeitsstelle, der Konsum wurde gefördert, und das soziale Versorgungssystem funktionierte reibungslos – für alle, die bereit waren, in diesem engen erstickenden Netz zu leben.

Die äußerst aktive Gruppe der Opposition, die Außenseiter oder Mediatoren, die sich selbst als Vermittler sahen, war zum Teil schon aus diesem Netz herausgefallen. Sie lebten ausgeschlossen irgendwo, ihre Unterstützer befanden sich jedoch noch unentdeckt inmitten der Gesellschaft und versuchten von dort eine Unterwanderung.

Sentia war eine von ihnen. Cashmere hatte mit seiner Schwester endlose Diskussionen über dieses Thema geführt, aber sie hatte sich nicht umstimmen lassen. Mit flammenden Worten hatte sie ihren Standpunkt verteidigt und den Finger auf die zahllosen Missstände und die vorherrschenden Wirtschaftsinteressen gelegt. Da nutzte es auch nichts, dass Cashmere darauf hinwies, wie gefährlich ihr Standpunkt war. Mit ihrer Intelligenz und Durchsetzungsfähigkeit hätte Sentia mühelos bis an die Spitze der Regierung kommen und von dort aus etwas bewirken können. Aber sie wollte nicht sich selbst und die eigenen Überzeugungen verraten. Bisher war sie den offiziellen Stellen noch nicht aufgefallen, oder aber man ließ sie gewähren, um noch weitere Mitglieder der Mediatoren ausfindig zu machen. Es bestand auf jeden Fall die Gefahr, dass man längst auf sie aufmerksam geworden war und ihre Spur schon über die Familienbande zu Cashmere führte.

Er musste versuchen, diese zusätzliche Sicherheitsüberprüfung abzuwenden. Das würde er in den nächsten Tagen verstärkt in Angriff nehmen, Sentia durfte nicht in Gefahr geraten, und er selbst auch nicht.

Dann gab es noch ein letztes Problem. Es war der Regierung gelungen, bei der TTN die Einstellung von zwei Mitarbeitern zu erzwingen, die offiziell im Stab rund um den Vorstand mitarbeiten würden. Es lag an Ogilvie, Arbeitsplätze zu finden, an denen diese beiden so platziert werden konnten, dass sie weder Schaden anrichten noch Firmengeheimnisse weitergeben konnten. Das würde für den Augenblick keine größere Schwierigkeit darstellen, auf Dauer jedoch war es ihnen vielleicht möglich, Einzelheiten zu erfahren, die besser nicht nach außen drangen. Er würde sich etwas einfallen lassen müssen.

Er blickte auf seinen Tagesplan, es gab nichts, was er nicht auch noch später erledigen konnte. Es brannte ihm unter den Nägeln, noch einmal ein Gespräch mit seiner Schwester zu führen. Er war sicher, sie würde sich auch weiterhin nicht von ihrem Weg abbringen lassen. Aber sie musste lernen, noch vorsichtiger zu sein. Jedermann wusste, dass allein schon ein Verdacht auf Konspiration ausreichte, um eine Verhaftung vornehmen zu lassen, und in den meisten Fällen war dann auch die Familie betroffen.

Sentia arbeitete seit Jahren in einer angesehenen Kanzlei und hatte tagtäglich mit den Auswirkungen der Gesetze und Bestimmungen zu tun. Die Kanzlei befand sich nicht weit entfernt in einem Hochhaus, Ogilvie meldete sich für ein paar Stunden im TTN-Hauptquartier ab und besuchte seine Schwester. Das war kein ungewöhnlicher Vorgang, er hatte abgesehen von ihren extremen politischen Ansichten einen guten Kontakt zu ihr.

Obwohl Cashmere bei der TTN an Luxus, gerade in den Chefetagen, gewöhnt war, erstaunte ihn die elegante und kostspielige Ausstattung bei Hastings, Sheridan und Partner immer wieder. Echtes Holz für die Möbel, wertvolle Gemälde an den Wänden, ein Springbrunnen aus Marmor und lebende Pflanzen, schon der Eingangsbereich ließ einen normalen Bürger vor Ehrfurcht versinken. Aber ein Normalbürger konnte sich die Dienste dieser Kanzlei nicht leisten.

Ogilvie meldete sich ordnungsgemäß an, diesen Vorgang kannte er schon. Ein Sicherheitsbeauftragter brachte ihn bis in die 18. Etage, wo Sentia ihr Büro hatte. Cashmere hörte ihre dunkle zornige Stimme, die gerade mit harten Worten jemanden abkanzelte. Die Tür stand einen Spalt offen, sonst wäre kein Ton zu hören gewesen. Nun aber öffnete sich die Tür weiter, und Lana, die persönliche Assistentin von Sentia kam mit rotem Gesicht heraus.

„Ich will, dass Bertrand hierher in mein Büro kommt, heute noch. Dann werde ich ihm gerne persönlich beibringen, meine Aufträge wortwörtlich auszuführen.“

„Ja, Miss Ogilvie, ich werde ihn gleich ausfindig machen“, beeilte sich die Assistentin zu versichern. Erst jetzt bemerkte sie den Besucher und den noch immer wartenden Sicherheitsmann. „Mr Ogilvie, Sir, ich weiß nicht, ob Ihre Schwester ...“.

„Dann schlage ich vor, Sie fragen Sie einfach – oder ich gehe gleich hinein.“ Er ließ sich nicht beirren.

„Nein, nein.“ Sie huschte wieder durch die Tür und kam augenblicklich zurück. „Miss Ogilvie erwartet Sie, Sir.“

Cashmere nickte, er hatte es nicht anders erwartet, eine Abweisung wäre nur im äußersten Notfall vorgekommen.

Sentia Ogilvie war eine herbe Schönheit. Sie war ebenso hochgewachsen wie ihr Bruder und schlank, jedoch mit den richtigen Proportionen. Ihr Gesicht wirkte ebenmäßig, doch die schmalen Lippen und der strenge Ausdruck in den Augen ließen sie abweisend wirken. Das schulterlange braune Haare war zu einem Knoten im Nacken geschlungen, und statt der Korrekturlinsen für ihre Fehlsichtigkeit trug sie tatsächlich eine Brille. Aber es passte zu ihr und war zu einer Art Markenzeichen geworden. Sie trug ein eng geschnittenes Kostüm in dunklem Grün, dessen besonderer Pfiff in den Kleinigkeiten lag. Eine dünne Goldkette um den Hals und eine schlichte, aber wertvolle Brosche auf dem linken Revers vervollständigten den Eindruck einer erfolgreichen Powerfrau. Sie hatte sich längst wieder beruhigt und begrüßte ihren Bruder mit einer Umarmung.

„Hattest du Sehnsucht nach mir, oder hat die TTN nichts mehr zu tun, sodass du in Langeweile ausbrechen musst?“, erkundigte sie sich scherzhaft.

„Letzteres“, erwiderte er im gleichen Tonfall. „Meine Trip-Commander machen ihre Arbeit von allein, niemand braucht mich. Da habe ich mir gedacht, ich lade dich auf einen Kaffee ein, weil du doch sicher auch nichts zu tun hast.“

Der Code unter den Geschwistern besagte, dass Cashmere dringend mit ihr sprechen musste. Unschlüssig musterte sie ihren Schreibtisch und den Monitor, dann stemmte sie die Hände auf den Tisch.

„Du hast recht, Bruderherz, ich brauche eine Pause. Komm, lass uns gehen, ich gebe nur Lana Bescheid.“

Cashmere freute sich, dass sie auf seine Bitte einging.

„Lana, ich bin eine Stunde außer Haus. Sollte Bertrand in der Zeit hier auftauchen, fesseln Sie ihn dort an den Stuhl und lassen ihn nicht mehr gehen, verstanden?“

„Ja, natürlich, Miss Ogilvie.“

„Gut. Komm, Cashmere, ich brauche dringend frische Luft.“

In Begleitung einer Mitarbeiterin, die einen implantierten Neurochip trug, durfte sich Ogilvie auch ohne einen zusätzlichen Sicherheitsmann im Gebäude bewegen. Draußen schlug den beiden strahlender Sonnenschein entgegen, und Ogilvie schlug zielsicher den Weg zu einem Café direkt an der Spree ein. Hier draußen war die Gefahr gering, dass jemand sie abhören würde. Noch bestand dazu keine Veranlassung, hoffte er.

„Nun, Cashmere, was ist los, dass du so dringend mit mir reden wolltest?“, fragte sie geradeheraus, nachdem sie beide einen echten Kaffee bestellt hatten.

„Ich habe heute Morgen vom Aufsichtsrat die Meldung erhalten, dass für meine gesamte Abteilung eine verschärfte Sicherheitsüberprüfung bevorsteht. Ich weiß nicht, ob ich die noch abwehren kann, aber ich sehe durchaus die Gefahr, dass auch du dann genauer unter die Lupe genommen wirst.“

„Und du machst dir Sorgen, meine wenigen vorhandenen Verbindungen zu den Mediatoren könnten dir vielleicht schaden?“

„Nicht nur mir“, gab er ohne Ausflüchte zu. Das Schöne an Sentia war die Tatsache, dass man mit ihr wirklich über jedes Thema reden konnte, ohne Ausreden oder Beschönigungen suchen zu müssen.

„Was stellst du dir vor, könnte ich dagegen unternehmen?“, fragte sie sachlich und doch mit leichtem Spott.

„Du solltest diese ... diese Verbindungen endgültig aufgeben, Sentia. Du bist schon jetzt in einer einzigartigen Position, du kannst Mitglied der Regierung werden und von dort aus an der Änderung der bestehenden Verhältnisse arbeiten. Warum bestehst du darauf, mit der Gefahr zu spielen?“

„Aus dem gleichen Grund, aus dem du von den Zeitreisen so fasziniert bist. Die halte ich für viel gefährlicher als die Mediatoren. Ist dir eigentlich klar, was geschehen kann, wenn eine kleine Veränderung in der Vergangenheit vorgenommen wird?“

„Bist du jetzt Expertin für Zeitphänomene, Sentia? Im Übrigen versuchst du gerade abzulenken.“

„Ja, und du hast es gemerkt.“ Sie lächelte. „Aber ich lasse mir nicht in meine Angelegenheiten hineinreden, das weißt du. Die wenigen Kontakte, die ich wirklich pflege, sind so verschachtelt und geheim, dass bislang wirklich kein Verdacht bestehen kann. Du musst dir also keine Sorgen machen. Im Übrigen habe ich keine Ambitionen, in die Regierung zu gehen.“

„Hast du Angst, du könntest dich von den anderen mit Dekadenz und Korruption anstecken lassen?“, neckte er. Sie wollte aufbrausen, sah aber im letzten Moment das amüsierte Funkeln in seinen Augen.

„Nein, Cashmere, ich glaube, die Strukturen da oben sind so verhärtet und festgefahren, dass selbst drei oder vier Leute mit festem Willen sie nicht aufbrechen könnten. Der Umsturz, die Umwälzung, muss von außen kommen und tief greifend sein.“

„Du glaubst daran, nicht wahr? Du glaubst, die Mediatoren sind in der Lage, eine Revolution zu entfachen. Vielleicht sogar mithilfe der Nuntiatoren, die mit ihrem Glauben ebenfalls eine andere Auffassung vertreten als die Regierung. Und was soll danach kommen? Es wird immer, in jeder Gesellschaft, selbst in jeder kleinen Gruppe, Menschen geben, die persönliche Vorteile, Macht und Profit vor das Allgemeinwohl stellen. Ich bin sicher, auch bei den Mediatoren ist es nicht anders. Wie willst du verhindern, dass ausgerechnet diese Leute in die Schaltstellen der Macht gelangen? Denn dann hätten wir die gleiche Situation, nur unter einem anderen Namen.“

„Wo und wann hast du eigentlich gelernt, so zu argumentieren? Du erstaunst mich, mein lieber Bruder.“

„Und du weichst mir aus.“

„Mag sein. Niemand kann verhindern, dass genau solche Leute an die Macht kommen. Aber was man nicht versucht, kann auch keine Veränderungen hervorrufen. Ich weiß, dass ich scheitern kann, wenn ich weitermache. Aber wer gar nichts tut, ist schon gescheitert. Cashmere, wir führen diese Diskussion nicht zum ersten Mal, und wir sind bisher nie zu einer Einigung gekommen. Warum sollte das heute anders sein? Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, selbst eine noch so strenge Sicherheitsüberprüfung wird nichts Ungewöhnliches zu Tage bringen.“

„Ich werde trotzdem versuchen, die Überprüfung abzuwenden. Gibt es rechtliche Mittel dagegen? Du müsstest mir das doch sagen können.“

„Ich kenne die Arbeitsverträge in eurer Firma nicht, aber falls sie einen Passus enthalten, der für die TTN solche Überprüfungen ohne weitere gerichtliche Anordnungen erlaubt, wirst du mit einem Protest keinen Erfolg haben. Dann ist das alles legal.“

„Nun gut, damit musst du dich auch nicht weiter beschäftigen. Ich glaube, du hast bei deiner Arbeit schon selbst genug am Hals.“

„Das kannst du laut sagen.“ Sie seufzte. „Die neuen Bestimmungen über die Verzahnung von Wirtschaftsinteressen und Grundversorgung der Bevölkerung auf dem medizinischen Sektor machen einigen Leuten Probleme. Speziell die Leitungen der kleinen spezialisierten Kliniken weigern sich, die Notaufnahmen für die Allgemeinheit einzurichten. Aber ob es ihnen gefällt oder nicht, sie werden nachgeben müssen.“

„Ich bin sicher, du wirst das alles durchsetzen.“

„Es wundert mich, dass die Regierung überhaupt eine solche Lockerung beschlossen hat. Das ist eher ungewöhnlich.“

„Vielleicht steckt jemand dahinter, der ähnliche Ansichten hat wie du, nur dass er einen anderen Weg geht.“

„Du kannst es nicht lassen, Cashmere, nicht wahr?“, meinte sie kopfschüttelnd. „Aber meine Zeit ist knapp, und deine bestimmt auch. Doch es war schön, dich so überraschend zu sehen. Es ist schade, dass wir uns nur selten die Zeit dafür nehmen.“

„Du darfst mich auch gerne mal überraschen und besuchen“, schlug er vor. „Vielleicht passt es dann sogar, dass ich dich auf eine kleine Reise in die Vergangenheit mitnehme. Das würde deine Ansicht vielleicht ändern.“

„Ich würde mit Sicherheit eine Katastrophe verursachen“, prophezeite sie. „Wo immer ich hinkomme, verfolgt mich das Chaos. Es grenzt an ein Wunder, dass mein Büro noch steht“, erklärte sie ein wenig übertrieben. Er lachte leise auf, als er daran dachte, was Sentia im Laufe ihrer Jugend angerichtet hatte.

„Ich erinnere mich, dass Tante Olivia dir einen Beinbruch verdankt. Aber du bist mittlerweile erwachsen, du wirst doch nicht weiterhin so einen Unsinn anstellen?“

„Nicht willentlich. Aber neulich habe ich bei einem offiziellen Abendessen die Perlenkette meiner Gastgeberin zerrissen.“

„Sentia, du bist ein liebenswertes Trampeltier, und ich habe dich wirklich gern.“ Cashogi stand auf und gab seiner Schwester einen herzhaften Kuss auf die Wange, dann ging er davon. Er erwähnte nicht, dass bei Zeitreisen tatsächlich Katastrophen geschehen konnten und sogar mussten. Das Beharrungsvermögen der Zeit war gewaltig, und einige mutige oder verrückte Wissenschaftler – je nach persönlicher Ansicht – hatten versucht, kleinere Unglücke der letzten Jahre ungeschehen zu machen, beziehungsweise zu verhindern. Es war nicht gelungen. Selbst wenn der auslösende Faktor eliminiert wurde, fand sich eine andere Möglichkeit, das Unglück, das als Zeitmarker benannt wurde, stattfinden zu lassen.

Ogilvies Gedanken konzentrierten sich jetzt wieder auf die anstehenden Aufgaben, und einmal mehr tauchte das Bild von Cate Nichols vor seinem inneren Auge auf. Er rief sich zur Ordnung. Die Frau war für ihn tabu, sie war eine seiner Untergebenen, und demnach durfte er schon aus beruflichen Gründen kein Verhältnis beginnen. Trotzdem, sie war eine verdammt attraktive Frau, besaß Geist, Witz und Verstand, und sie würde im Bett sicher keine Hemmungen besitzen.

Schluss jetzt! Er musste sich um die beiden neuen Arbeitsplätze kümmern, die Computer brauchten Zugang zu einem vorgeschobenen Server, der keine relevanten Daten freigeben würde. Außerdem mussten die unmittelbaren Kollegen informiert werden. Cashmere konnte sich auf seine Leute verlassen, jeder einzelne war sorgfältig ausgesucht. Doch es würde nun mal nicht einfach werden, während des gesamten täglichen Arbeitsablaufs auf jedes Wort zu achten, das gesprochen wurde. Aber vielleicht gelang es nach einiger Zeit, die beiden umzudrehen. Dann würde man ihnen zwar immer noch nicht trauen dürfen, aber es würde die Arbeit mit ihnen erleichtern.

Das war jedoch noch Zukunftsmusik. Ogilvie betrat sein Büro und sah auf den ersten Blick, dass eine Reihe von Meldungen während seiner Abwesenheit eingegangen war. Wahrscheinlich brauchte er an diesem Tag mehr als seine üblichen zwölf Stunden Arbeitszeit, die ohnehin schon Überstunden enthielten. Seufzend machte er sich daran, die Meldungen nacheinander abzuarbeiten.

3. Kapitel

19. November 1963

Dallas

Erkenntnisse und Ausflüge

„Aber das ist ja entsetzlich.“ Joan Cooper, die etwas unscheinbare, aber doch ansehnliche Schwarze, war zutiefst entsetzt.

Wir hatten unseren ersten Rundgang begonnen, indem ich die Gruppe durch die Straßen von Dallas und dann in ein übliches Restaurant der damaligen Zeit führte. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen. Das Personal bestand ausschließlich aus Schwarzen, die Gäste waren durchweg Weiße. Die Rassentrennung wurde hier strikt eingehalten und trieb seltsame Blüten. Die Behandlung der Farbigen war in den meisten Fällen neutral bis unpersönlich, doch dann hatte es einen Zwischenfall gegeben. Ein korpulenter Mann bekam sein Essen von einem jungen Angestellten vorgesetzt, roch einmal daran und schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Das Essen stinkt“, rief er mit hoher Fistelstimme. „Du kleiner Nigger hast den Teller mit deinen elenden schwarzen Fingern angefasst.“

Der Kellner, ein schmächtiger junger Mann, fast noch ein Kind, senkte den Kopf, doch ich sah, wie er einen hasserfüllten Blick auf den Gast warf.

„Verzeihung“, murmelte er undeutlich, „ich hole Ihnen selbstverständlich sofort etwas Neues.“

Ich war mir sicher, gesehen zu haben, dass der Junge den Teller nicht angefasst hatte, der Gast legte es also nur darauf an, seine Überlegenheit auszukosten. Wie stark musste jemand moralisch und seelisch verkommen sein, um sich über einen solch erbärmlichen Sieg zu erfreuen?

Auch in mir kochte die Wut, aber ändern konnte ich nichts, das alles war Vergangenheit. Cooper holte tief Luft und knetete die Hände. Der Gast warf den Teller zu Boden, das Essen verteilte sich zwischen den Scherben, unter Stühlen und Tischen und beschmutzte auch die Hose des Mannes.

„Schau nur, was du angerichtet hast“, kreischte er nun. „Heb das auf, aber schnell.“

Sofort ging der Junge auf die Knie und begann alles mit den Händen aufzusammeln, während der Gast verächtlich lachte.

Joan liefen die Tränen über die Wangen. „Welch ein Monster“, flüsterte sie.

„Kommen Sie, Herrschaften, wir sollten diese ungastliche Stätte verlassen.“

„Aber warum denn?“, wandte Dennis ein. „Ich bin begeistert, welche archaischen Moralvorstellungen hier offen gezeigt werden. Das möchte ich mir gern näher ansehen.“

„Brauchen Sie etwa noch Anschauungsunterricht? Ich dachte eigentlich, Ihre Manieren wären noch unter dem Niveau dieser Leute“, sagte ich scharf.

„Solche Bemerkungen sind im augenblicklichen Zustand meines Patienten kontraproduktiv“, behauptete Yuan Chi empört.

„Wenn Ihr Patient einen Zustand hat, dann ist er hier denkbar schlecht aufgehoben“, erklärte Gratschow kalt.

„Das können Sie doch gar nicht beurteilen“, rief der Chinese.

Dennis kicherte in sich hinein, was mich auf die Palme brachte, aber ich beherrschte mich, mit solchen Auseinandersetzungen hatte ich rechnen müssen.

„Miss Cooper, die Verhältnisse der damaligen Zeit waren nun einmal so, und wir sind nicht in der Lage, etwas daran zu ändern. Aber wir sollten daraus lernen, anderen Menschen, gleich welcher Religion, Hautfarbe oder politischen Meinung mit Respekt und Höflichkeit zu begegnen. Und damit meine ich, dass wir alle etwas daraus lernen sollten.“

Die Szene vor uns hatte sich noch weiter zugespitzt. Während der schwarze Junge auf dem Boden herumkroch, um das Essen und die Scherben aufzuheben, holte der fette Kerl genüsslich mit dem Fuß aus und trat den Jungen in das Hinterteil. Ich fühlte mich selbst bis ins Innerste getroffen und schämte mich maßlos. Selbst Mary Ann hatte die Augen niedergeschlagen, während Joan entsetzt die Hände vor den Mund schlug.

„Kommen Sie, das alles ist Vergangenheit“, mahnte ich und drängte meine Schützlinge hinaus, bevor sie auch noch sehen konnten, dass einige andere Gäste Beifall klatschten.

Dabei war hier in Dallas alles noch relativ harmlos. Ich hatte bereits eine Reise in die Zeit der Sklaverei begleitet, und was ich dabei erleben musste, hatte mich wirklich Demut gelehrt. Draußen auf der Straße ließ ich alle erst einmal wieder zur Ruhe kommen, und dabei bemerkte ich, dass unsere Weltenbummlerin trotz ihrer Erschütterung offenbar Interesse an einem Urlaubsflirt entwickelte. Sie warf Wladimir Gratschow immer wieder feurige Blicke zu und hielt sich betont in seiner Nähe auf. Er aber schien andere Interessen zu haben.

„Sie wollen doch jetzt nicht wirklich mit uns eine Stadtführung unternehmen?“, fragte er ungeduldig.

„Doch, das lag in meiner Absicht“, erklärte ich. Aber alle schienen etwas dagegen zu haben. Dennis zeigte mir unverhohlen einen Vogel, Yuan Chi starrte an einem Gebäude entlang, die beiden Frauen verdrehten den Blick zum Himmel, und Mike Brown musterte eine Leuchtreklame, als wäre sie die Offenbarung eines schrecklichen Geheimnisses.

„Sie alle kannten den Ablauf bereits“, gab ich zu bedenken. „Warum hat niemand von Ihnen vorher Einspruch erhoben? Wenn wir das Programm kurzfristig ändern, bedeutet das für unsere Techniker viel Aufwand, um neue Berechnungen zu starten. Überall, wo wir uns bewegen, muss das Zeitnetz durchlässig sein, sonst könnten wir unverhofft eine Kollision auslösen.“

„Ist das so?“, fragte Dennis Holcroft eifrig. „Es ist also gar nicht so schwer, das Netz zu verlassen?“

„Solange ich in Ihrer Nähe bin, wird es für Sie unmöglich werden, das Netz zu verlassen und Unheil anzurichten“, versprach ich grimmig.

„Lassen Sie doch den dummen Jungen“, unterbrach Gratschow.

„Was würden Sie also stattdessen lieber tun?“, fragte ich angespannt und erwartete eine heftige Diskussion.

„Ich denke, wir sollten einen Ort aufsuchen, der interessant ist und nicht die Gefahr von weiterem Sprengstoff in sich trägt, wie gerade eben.“ Gratschow schien genaue Vorstellungen zu haben.

„Und was wäre das, Ihrer Meinung nach?“, fragte Mike mäßig interessiert. „Wir alle sind in erster Linie hier, um das Attentat aus nächster Nähe mitzuerleben, bis dahin sollten wir die Zeit sinnvoll verbringen.“

„Bergbau werden Sie in dieser Stadt aber nicht finden“, meinte Mary Ann süffisant.

„Bergbau bezieht sich nicht nur auf tiefe Schächte in den Bergen. Hier in Texas wurden Unmengen an Erdöl gefördert, das ist mindestens ebenso interessant.“

„Ruhe“, donnerte der Russe. „Wovon wir alle etwas haben dürften, wäre ein Besuch im Rathaus oder bei der Polizei. Die Vorbereitungen für den Besuch des Präsidenten laufen schon auf Hochtouren. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, hinter die Kulissen dieser Maschinerie zu blicken?“

Ich überprüfte rasch den Radius unseres Netzmodus und nickte. „Eine gute und machbare Idee, wenn alle einverstanden sind“, stimmte ich zu. „Damit hätten wir auch keine Probleme für die Berechnungen.“ Ich schaute mich um, aber selbst Dennis schien dieser Vorschlag zu gefallen. „Also los, das Rathaus ist nicht weit entfernt, fangen wir dort an.“