Dorian Hunter 20 - Horror-Serie - Earl Warren - E-Book

Dorian Hunter 20 - Horror-Serie E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

DER FLUCH DES HAUSES KANE

Der alte Mann sah zum bleichen Mond empor, der hin und wieder zwischen jagenden Wolkenfetzen auftauchte.
Da hörte er einen leisen Singsang.
Langsam schritt er zu der Hecke, die das Grundstück umgab. Ein rostendes Eisentor schloss die Einfahrt ab. Davor stand ein junger Mann, dessen Gesicht bleich, feingeschnitten und von einer fast mädchenhaften Zartheit war. Das lange, blonde Haar hing in nassen Strähnen auf die mageren Schultern herab.
»Phillip?« Der Alte konnte es kaum glauben. »Ist es wirklich wahr? Du kommst zu uns ...?«

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Seitenzahl: 133

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Inhalt

Cover

Impressum

DER FLUCH DES HAUSES KANE

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

mystery-press

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mark Freier

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8183-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Auf Schloss Lethian an der österreichisch-slowenischen Grenze gerät der Reporter Dorian Hunter in ein Abenteuer, das seinen Verstand übersteigt. Die acht Männer, die seine Frau Lilian und ihn begleiten, sind seine Brüder – gezeugt in einer einzigen Nacht, als die Gräfin von Lethian, selbst eine Hexe, sich mit dem Teufel Asmodi vereinigte! Dorians Brüder nehmen die Offenbarung euphorisch auf. Nur Dorian will sein Schicksal nicht akzeptieren. Er tötet seine Mutter und eröffnet die Jagd auf seine Brüder. Danach steckt er das Schloss in Brand und flieht mit seiner Frau. Aber Lilian hat bei der Begegnung mit den Dämonen den Verstand verloren. Übergangsweise bringt Dorian sie in einer Wiener Privat­klinik unter, die auf die Behandlung psychischer Störungen spezialisiert ist – und begegnet kurz darauf der jungen Hexe Coco Zamis, die von ihrer Familie den Auftrag erhalten hat, Dorian zu töten. Doch Coco verliebt sich in den Dämonenkiller und wechselt die Seiten, wodurch sie nicht nur ihre magischen Fähigkeiten verliert, sondern da­rüber hinaus aus der Schwarzen Familie ausgestoßen wird.

Coco wie auch Dorian sind nun gleichzeitig Jäger und Gejagte, denn Dorian hat sich geschworen, seine Brüder, die das Feuer auf Schloss Lethian offenbar allesamt überlebt haben, zur Strecke zu bringen. In London tötet er Roberto Copello, nachdem dieser den Secret-Service-Agenten Donald Chapman auf Puppengröße geschrumpft hat. Mit Hilfe des Secret Service gründet Dorian die »Inquisitionsabteilung«, der nicht nur er selbst, sondern auch Coco und der Puppenmann Chapman fortan angehören. Ein weiteres »inoffizielles« Mitglied ist der geheimnisvolle Hermaphrodit Phillip, dessen Adoptiv­eltern von Dämonen getötet wurden. Zum Hauptquartier der Inquisi­tions­abtei­lung wird die Jugendstilvilla in der Baring Road, in der Phillip aufgewachsen ist, doch gleichzeitig stöbert Dorian Hunter weiter in der Bibliothek seines alten Reihenhauses in der Abraham Road nach Hinweisen auf dämonische Umtriebe – und stößt auf das Tagebuch des Barons Nicolas de Conde, der auf dem Eulenberg nahe Nancy im Jahr 1484 seine Seele dem Teufel verkaufte. De Conde bereute, wurde zum Hexenjäger und Mit­autor des »Hexenhammers« und starb als angeblicher Ketzer. Der Fluch erfüllte sich. Seither wird de Condes Seele nach jedem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren – und tatsächlich gelingt es ihm als Dorian Hunter, Asmodi zu vernichten!

Aber Hunters Hoffnung, die Schwarze Familie entscheidend geschwächt zu haben, erfüllt sich nicht. Im Gegenteil, ausgerechnet Olivaro – ein Dämon, der Dorian bisher in seinem Kampf unterstützt hat – versucht Asmodis Nachfolge anzutreten. Auch in London treten weiterhin schwarzmagische Phänomene auf, und der Hermaphrodit Phillip verspürt plötzlich den seltsamen Drang, die Jugendstilvilla in der Baring Road zu verlassen …

DER FLUCH DES HAUSES KANE

von Earl Warren

Der alte Mann sah zum bleichen Mond empor, der hin und wieder zwischen jagenden Wolkenfetzen auftauchte. Die Mondscheibe hatte sich fast gerundet. Der Alte blickte mit einem Ausdruck des Entsetzens zu ihr hinauf, als sähe er statt des vertrauten Gefährten der Nacht einen drohenden Totenkopf dort am Himmel.

Windböen brachten kalte Regenschauer, aber der Alte ging nicht hinein in das verwitterte Haus mit der grauen Fassade, das abseits von den anderen am Rand des unbebauten Feldes stand. Er ballte die dürre, knochige Hand und schüttelte sie in dumpfer Verzweiflung. Ein Schluchzen entrang sich seiner Kehle.

Da hörte er einen leisen Singsang. Er zuckte zusammen. Langsam schritt er zu der Hecke, die das Grundstück umgab. Die Hecke war mit Stacheldraht durchzogen; ein rostendes Eisentor schloss die Einfahrt ab. Vor dem Eisentor stand eine seltsame Gestalt, die leise sang.

1. Kapitel

Der Alte schlurfte näher, betrachtete den Fremden eine Weile und öffnete dann das eiserne Tor. Es quietschte in den Scharnieren, jämmerlich und misstönend.

»Phillip?«, fragte er mit brüchiger Stimme. »Ist es wirklich wahr? Du kommst zu uns?«

Es war schon spät, fast dreiundzwanzig Uhr. Einige Querstraßen entfernt fuhren auf der Fulham Road trotz des schlechten Wetters viele Autos vorbei.

Der Alte führte den späten Besucher ins Haus. Der Besucher trug nur eine dünne Jacke, ein Seidenhemd und eine dunkle Hose. Sein Gesicht war sehr bleich, feingeschnitten und von mädchenhafter Zartheit und Schönheit. Das lange, blonde Haar hing jetzt in nassen Strähnen auf die mageren Schultern herab.

Als der alte Mann in einer muffigen Stube im Erdgeschoss Licht machte, sah man, dass Phillips Augen golden schimmerten. Der Alte schob ihn ins Zimmer. Unter der dünnen, regennassen Jacke des Besuchers rundeten sich zarte Brüste. Eine Aura des Unwirklichen, Übernatürlichen umgab seine Erscheinung. Man spürte sofort, dass sein Geist nicht nur in dieser Welt wohnte. Phillip war ein Zwitterwesen, halb Mann, halb Frau, zwischen dieser Welt und den Sphären, die dem Wahnsinn und dunklen, dämonischen Mächten vorbehalten sind, hin und her pendelnd.

»Phillip ist zu uns gekommen, Liza«, sagte der alte Mann.

Nichts regte sich im Zimmer. Auf der Lehne des hohen Sessels am Fenster lag eine runzelige, knöcherne Greisenhand.

Auf dem Tisch lagen mehrere Utensilien, die in diesem altertümlich eingerichteten Raum fremdartig wirkten: ein silbernes Kreuz, eine Kette aus Knoblauchzehen und ein langer, an einem Ende zugespitzter Pflock. Daneben stand in einem silbernen Rahmen ein Bild, das zwei fröhliche Kinder – ein Mädchen und einen kleinen Jungen – zeigte.

Aus dem Sessel erhob sich jetzt eine uralte Frau. Sie war sicher noch zehn Jahre älter als der Mann, der mindestens achtzig Jahre zählte. Die Frau war klein, gebeugt und zerbrechlich, ihr Gesicht eine Landschaft aus Runzeln.

»Phillip«, murmelte sie. »Erkennst du mich denn?«

Ein Lächeln umspielte die vollen, feingeschwungenen Lippen des Hermaphroditen. Seine grazile Hand strich über den schlohweißen Scheitel der Greisin.

Tränen füllten ihre Augen. »Er weiß alles, wenn er sich auch nicht ausdrücken und reden kann«, sagte die alte Liza. »Weshalb er uns wohl besuchen kommt, Jimmy?«

Der Blick des Alten huschte zu dem Pflock, dem Kreuz und der Knoblauchkette auf dem Tisch. »Es ist bald wieder Vollmond«, sagte er. »Es wird wieder geschehen. Oh, wie hasse ich die bleiche, grinsende Scheibe des Mondes, die mir höhnisch verkündet, dass der Fluch bald wieder über dieses Haus kommen wird – der Fluch des Hauses Kane.«

Septemberregen trommelte gegen die Fensterscheiben der Jugendstilvilla in der Baring Road. Die herbstlich gelb und braun gefärbten Bäume und Büsche im großen, parkähnlichen Garten, der die Villa umgab, hingen schlaff herunter; es war ein trostloser düsterer Nachmittag.

Dorian Hunter saß am Schreibtisch und starrte aus dem Fenster. Er konnte sich nicht auf die Papiere konzentrieren, die vor ihm lagen. Auch er wurde von der Melancholie ergriffen, die mit dem Absterben der Natur im Herbst verbunden ist, mit dem Fallen der Blätter, den immer kürzer werdenden, kalten und regnerischen Tagen, dem Nebel und dem Sturm.

An sich hätte er zufrieden sein können. Olivaro hatte im Moment genug mit den übrigen Mitgliedern der Schwarzen Familie zu tun, weshalb die Inquisitionsabteilung zurzeit ohne große Arbeit war – wenn es auch nur eine Atempause im Kampf gegen die Mächte der Finsternis sein konnte.

Am meisten bedrückte Dorian jedoch Cocos Abwesenheit. Er kannte ihren Aufenthaltsort nicht, hatte nichts von ihr gehört und fühlte sich allein und verlassen. Er war mürrisch, unwirsch und gereizt, und wer keinen Streit bekommen wollte, sprach am besten nicht mit ihm. Im Zimmer hingen dicke Rauchschwaden, trotzdem steckte Dorian sich eine neue Zigarette an. Sein Hals kratzte. Eine Erkältung hatte ihm gerade noch gefehlt.

Es klopfte, und auf Dorians mürrisches »Herein!« trat Miss Pickford ein, die Haushälterin der Jugendstilvilla, in der sich das Hauptquartier der Inquisitionsabteilung befand.

Miss Pickford war eine resolute Person um die Sechzig mit einem glatten Gesicht, grauem Haar und einer spitzen Zunge: Zwischen ihr und Dorian bestand eine Art Hassliebe. Sofort nach ihrem Eintritt riss sie die Fenster auf.

Dorian hustete. »Ich bin erkältet, wollen Sie mich umbringen?«

»Hier kann ja kein Ochse mehr atmen!«

Er grinste. »Ich habe Ihren Besuch nicht erwartet, verehrte Miss Pickford, und im Übrigen eine Menge zu tun. Ich muss Berichte schreiben, Akten abzeichnen, Spesenabrechnungen machen. O verdammt, lieber würde ich mich mit ein paar Vampiren herumschlagen als mit diesem verfluchten Papierkram.«

»Manche Menschen fühlen sich eben nur in der Unordnung wohl«, bemerkte Miss Pickford spitz. »Ich habe mit Ihnen zu reden, Mr. Hunter. Es geht um Phillip. Er macht mir Sorgen. Sein Benehmen ist so … so eigenartig. Ich fürchte, da braut sich etwas zusammen.«

Dorians Interesse war geweckt. In der letzten Zeit hatte er wenig Gelegenheit gehabt, sich um den Hermaphroditen zu kümmern. Phillip verfügte über einige übernatürliche Fähigkeiten und war ein lebendes Orakel. »Erzählen Sie, Miss Pickford!« Er streckte seine langen Beine von sich.

»Phillip ist ein paarmal aufgestanden und aufgeregt umhergelaufen, wenn im Radio, im Fernsehen oder im Gespräch der Vorort Fulham erwähnt wurde. Im letzten Monat hat Phillip bei Vollmond heimlich das Haus verlassen. Er kam erst im Morgengrauen zurück. Ob er davor schon mal weg war, weiß ich nicht. Aber gestern Nacht war er wieder unterwegs.«

»Wir haben doch noch gar nicht Vollmond.«

»Noch nicht. Aber Phillip wird immer unruhiger und nervöser. Einen alten Kupferstich, der Fulham zeigt, wie es vor hundert Jahren einmal ausgesehen hat, riss er von der Wand und trampelte darauf herum. Aus seinem Gestammel kann man nicht klug werden. Ich verstand nur Worte und Satzfetzen wie Arme Kinder, Blut und Schrecken und Nimmt kein Ende – wieder und wieder.«

»Das ist in der Tat höchst rätselhaft. Phillip will auf etwas aufmerksam machen. Aber worauf?« Dorian runzelte die Stirn. »Ich werde ihm folgen, wenn er wieder die Villa verlässt, und sehen, wohin er geht.«

»Tun Sie das, Mr. Hunter! Es wird Zeit, dass Sie allmählich wieder etwas arbeiten. Ihre Laune wird von Tag zu Tag mieser. Seit Coco Zamis weg ist, sind Sie ganz verdreht.« Miss Pickfords Augen funkelten boshaft. »Im Vertrauen gesagt, Mr. Hunter, mich wundert, wie Coco es überhaupt so lange mit Ihnen ausgehalten hat.«

»Wundern Sie sich bitte woanders, Miss Pickford. Warum gehen Sie nicht auf Ihr Zimmer und trinken ein schönes Glas Essig? Das möbelt die Galle auf, macht einen schönen Teint und gibt Ihrer Stimme das richtige Timbre.«

Miss Pickford rauschte beleidigt ab.

Dorian trat ans Fenster und starrte in den strömenden Regen hinaus. Nach einer Weile kehrte er an den Schreibtisch zurück.

Zwei Nächte passierte nichts. In der dritten Nacht betrat Steve Powell, der rothaarige Exekutor Inquisitor, der zurzeit ebenfalls in der Jugendstilvilla wohnte, das Zimmer des Dämonenkillers.

»Phillip verlässt gerade das Haus«, sagte er zu Dorian, der sich bei seinem Eintreten aufgesetzt hatte. »Er steuerte auf den hinteren Teil des Parks zu, und es sieht ganz so aus, als wolle er über die Mauer steigen.«

Dorian war sofort hellwach. Er hatte angezogen auf der Couch gelegen und war eingeschlafen; es war bereits kurz nach dreiundzwanzig Uhr.

Der Dämonenkiller verließ das Haus. Das bleiche Mondlicht überflutete das Häusermeer von London. Die Schatten der Bäume und Büsche im Park waren so schwarz wie Tinte. Dorian schauderte leicht. Der Vollmond hatte eine mystische Bedeutung. Es gab allerlei Kreaturen der Nacht, die angesichts seines bleichen Lichtes zu einem dämonischen Leben erwachten.

Es regnete nicht mehr, aber alles war noch feucht. Die Luft roch herb und frisch. Dorian sah für Augenblicke eine schmale, blondhaarige Gestalt auf der Mauerkrone. Phillip, der Hermaphrodit. Der Dämonenkiller trat in den Schatten einer alten Ulme. Er wartete, bis Phillip einen nicht zu großen Vorsprung hatte, überstieg dann die Mauer und folgte ihm.

Phillip ging rasch und ohne sich umzudrehen die Baring Road entlang. Dorian folgte ihm in einigem Abstand. Er trug einen hellen Regenmantel, den er in der Diele an sich genommen hatte. Den Hut hatte er tief ins Gesicht gezogen. Nach einer Weile nutzte er nicht mehr jede Deckung aus, sondern ging offen auf dem Gehsteig.

Phillip überquerte eine Straße und lief fast in eine Straßenbahn. Der Straßenbahnfahrer klingelte wütend und tippte sich an die Stirn, ehe er weiterfuhr. Dorian sah die bleichen Gesichter der Fahrgäste durch die Scheiben der erleuchteten Wagen.

Als die Straßenbahn an Phillip vorbeigefahren war, schien der Hermaphrodit urplötzlich verschwunden. Dorian hetzte über die Straße. Er sah sich nach links und nach rechts um, konnte Phillip aber nirgends entdecken. Sein Blick glitt über die erleuchteten Schaufenster der Geschäftshäuser, erfasste ein Kino und ein Stück weiter unten ein Pub und Treppen, die zur U-Bahn-Station hinunterführten.

Dorian lief zunächst zu dem Pub. Als er die Tür öffnete, schlug ihm eine Qualm- und Dunstwolke entgegen. Dorian drängte sich zu der überfüllten Theke vor.

»Ist hier ein Junge reingekommen?«, fragte er. »Mit einem blassen Mädchengesicht und langem blondem Haar?«

Der rotgesichtige Mann hinter der Theke strich den Schaum von den Gläsern und hob die Schultern. »Hab’ keinen gesehen.« Er wandte sich an die Stammgäste, die die Theke stützten und die Gläser vor dem Verstauben bewahrten, wozu sie selbstlos so manche liebe, lange Stunde opferten. »Ihr etwa?«

»Jungen mit Mädchengesichtern verkehren hier nicht«, sagte ein Dicker. »Am Piccadilly Circus gibt’s ein paar Lokale, wenn Sie so was suchen.«

Die Runde lachte.

Eine füllige Rothaarige, die wacker, aber ohne Erfolg Make-up und Schminke auf ihre Falten geschmiert hatte, meinte: »Bleib lieber hier und gib einen aus, mein Junge! Bei dem Wetter müssen wir uns tüchtig die Nase begießen, sonst geht’s bergab.«

Ohne ein weiteres Wort verließ Dorian den verräucherten Pub. Er lief zurück zu dem Kino, in dem die Spätvorstellung lief. Auf dem Plakat zeigte ein bleichsüchtiger Vampir seine Kunststoffzähne. Dorian, der schon oft mit echten Vampiren zu tun gehabt hatte, konnte über die Horrormonster der Filmindustrie nur matt lächeln. Sie verhielten sich zur Wirklichkeit wie ein mildes Mailüftchen zu einem Orkan.

Am Eingang des Kinos stand eine ältere Frau mit einer Taschenlampe. Auf Dorians Frage antwortete sie, dass in den letzten zwanzig Minuten niemand mehr in die Vorstellung hineingegangen war.

Somit blieb nur noch die U-Bahn. Dorian lief die Stufen zur Untergrund-Passage hinunter. Es herrschte wenig Betrieb um diese Zeit. Drei kichernde Teenager standen vor einem Fahrkartenautomaten, und ein müder Vagabund saß vor dem hellerleuchteten Schaufenster eines Herrenausstattungsgeschäfts als krasser Gegensatz zu den elegant gekleideten Schaufensterpuppen.

Dorian kaufte eine Bahnsteigkarte und lief durch die Sperre. Tatsächlich stand auf einem der leeren Bahnsteige eine grazile Gestalt. In zehn Minuten ging eine U-Bahn zum Fulham Broadway.

Dorian hätte es nicht für möglich gehalten, dass Phillip ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen würde. Der Hermaphrodit steckte voller Überraschungen. Er wartete hinter einem Mauervorsprung. Als die U-Bahn kam und Philipp einstieg, hetzte Dorian los, den Hut tief ins Gesicht gezogen, den Mantelkragen aufgestellt. Er schaffte es gerade noch, in den hinteren Wagen einzusteigen.

Wenige Minuten später hielt die Bahn an der Station Fulham Broadway. Phillip stieg aus und ging den Bahnsteig entlang zur Untergrundpassage. Dorian folgte ihm in einigem Abstand. Eine Horde von Halbstarken kam grölend durch die Passage, fünf junge Kerle in schwarzen Lederjacken, Blue Jeans oder Lederhosen und in hochhackigen Stiefeln. Nebeneinander gehend beanspruchten sie den gesamten Durchgang. Phillip, mädchenhaft lächelnd, steuerte genau auf sie zu. Dorian suchte in dem Eingang eines Obstladens Deckung und beschränkte sich vorerst auf die Beobachterrolle. Was er befürchtet hatte, traf ein; die Kerle pöbelten Phillip an.

»Schau mal, was wir da haben! Sag mal, bist du ein Junge oder ein Mädchen?«

»Sieh doch mal nach, Frankie!«, sagte ein anderer. »Das ist ein Kerl!«

»Du spinnst wohl«, sagte ein dritter. »Das ist ein Mädchen. Die hat Brüste. Das siehst du doch.«

Phillip wurde am Arm gepackt. »He, du, kannst du nicht reden?«

Der Hermaphrodit lächelte. »Der volle Mond scheint«, sagte er mit wohlklingender Stimme. »Summende Maschinen bereiten den Weg.«

»Der spinnt«, sagte einer der Kerle. »Oder er hat Rauschgift genommen.« Er schüttelte Phillip derb.

Dorian ballte die Fäuste. Er wusste nicht, was er tun sollte. Zwar traute er sich zu, mit den Fünfen fertigzuwerden, aber dann wusste Phillip, dass er ihm folgte.