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DER KOPF DES VAMPIRS
Professor Hendrik Vermeeren sah in den sauber geöffneten Leib des Patienten - als die OP-Schwester einen erstickten Schrei ausstieß!
»Halten Sie den Mund!«, rief der dunkelhäutige Fremde, der unbemerkt den Operationssaal betreten hatte. »Und Sie, Vermeeren - schneiden Sie dem Patienten das Herz, die Leber, die Milz und die Blase heraus. Jetzt auf der Stelle!«
Die schallgedämpfte Waffe, die der Mann auf Vermeeren gerichtet hielt, ließ diesem keine Wahl. Der Operateur begann mit dem Herz. Die anderen Organe folgten. Fein und säuberlich legte Vermeeren sie neben dem Leichnam auf den Operationstisch.
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Seitenzahl: 130
Cover
Impressum
DER KOPF DES VAMPIRS
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
mystery-press
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Mark Freier
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8398-0
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Auf Schloss Lethian an der österreichisch-slowenischen Grenze gerät der Reporter Dorian Hunter in ein Abenteuer, das seinen Verstand übersteigt. Die acht Männer, die seine Frau Lilian und ihn begleiten, sind seine Brüder – gezeugt in einer einzigen Nacht, als die Gräfin von Lethian, selbst eine Hexe, sich mit dem Teufel Asmodi vereinigte! Dorians Brüder nehmen die Offenbarung euphorisch auf. Nur Dorian will sein Schicksal nicht akzeptieren. Er tötet seine Mutter und eröffnet die Jagd auf seine Brüder. Danach steckt er das Schloss in Brand und flieht mit seiner Frau. Aber Lilian hat bei der Begegnung mit den Dämonen den Verstand verloren. Übergangsweise bringt Dorian sie in einer Wiener Privatklinik unter, die auf die Behandlung psychischer Störungen spezialisiert ist – und begegnet kurz darauf der jungen Hexe Coco Zamis, die von ihrer Familie den Auftrag erhalten hat, Dorian zu töten. Doch Coco verliebt sich in den Dämonenkiller und wechselt die Seiten, wodurch sie nicht nur ihre magischen Fähigkeiten verliert, sondern darüber hinaus aus der Schwarzen Familie ausgestoßen wird.
Coco wie auch Dorian sind nun gleichzeitig Jäger und Gejagte, denn Dorian hat sich geschworen, seine Brüder, die das Feuer auf Schloss Lethian offenbar allesamt überlebt haben, zur Strecke zu bringen. In London tötet er Roberto Copello, nachdem dieser den Secret-Service-Agenten Donald Chapman auf Puppengröße geschrumpft hat. Mit Hilfe des Secret Service gründet Dorian die »Inquisitionsabteilung«, der nicht nur er selbst, sondern auch Coco und der Puppenmann Chapman fortan angehören. Ein weiteres »inoffizielles« Mitglied ist der geheimnisvolle Hermaphrodit Phillip, dessen Adoptiveltern von Dämonen getötet wurden. Zum Hauptquartier der Inquisitionsabteilung wird die Jugendstilvilla in der Baring Road, in der Phillip aufgewachsen ist, doch gleichzeitig stöbert Dorian Hunter weiter in der Bibliothek seines alten Reihenhauses in der Abraham Road nach Hinweisen auf dämonische Umtriebe – und stößt auf das Tagebuch des Barons Nicolas de Conde, der auf dem Eulenberg nahe Nancy im Jahr 1484 seine Seele dem Teufel verkaufte. De Conde bereute, wurde zum Hexenjäger und Mitautor des »Hexenhammers« und starb als angeblicher Ketzer. Der Fluch erfüllte sich. Seither wird de Condes Seele nach jedem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren – und tatsächlich gelingt es ihm als Dorian Hunter, Asmodi zu vernichten!
Aber schon droht neue Gefahr – durch die sogenannten Dämonen-Drillinge, deren Geburt Dorian in seinem zweiten Leben als Juan Garcia de Tabera beiwohnte. Angeblich gibt es nur ein Mittel, die Drillinge zu vernichten: den goldenen Drudenfuß. Doch der Weg zum Drudenfuß führt über den unheimlichen Professor Johan Zaander, der in Amsterdam seinen Experimenten nachgeht – und über den Kopf des Vampirs …
DER KOPF DES VAMPIRS
von Earl Warren
Professor Hendrik Vermeeren sah in den sauber geöffneten Leib des Patienten. Der Magen lag für den Eingriff frei. Jetzt kam die entscheidende Phase der Operation. Durch Serosa und Muscularis musste Vermeeren ins Mageninnere zur Schleimhaut vordringen. Dann erst konnte er mit Bestimmtheit sagen, ob Pieter van der Terk, ein hoher Ministerialbeamter des holländischen Königshofes, Magenkrebs hatte oder ob es nur Geschwüre waren.
Die OP-Schwester tupfte dem Professor den Schweiß von der hohen Stirn. Er hielt, ohne den Kopf zu wenden, die geöffnete Hand nach hinten, wo Dr. Kierkemann, einer der beiden ihm bei dieser Magenoperation assistierenden Ärzte, an dem fahrbaren Tischchen mit den chirurgischen Bestecken stand.
»Skalpell!«, sagte der Professor unter dem grünen Mundschutz. »Halten Sie gleich die Bestecke für die Extension bereit und leisten Sie mir dabei Hilfestellung!«
1. Kapitel
Fettschichten und Muskelgewebe der Bauchdecke, die Vermeeren geöffnet hatte, wurden mit blitzenden Bestecken von Dr. Salten, der auf der anderen Seite des Operationstisches stand, auseinandergehalten. Die Umgebung der Operationswunde war mit sterilen Tüchern abgedeckt. Grelle Lampen strahlten von den Stativen auf die offene Operationswunde herab.
Der Narkosearzt im Hintergrund kontrollierte die Anzeigen für Atmung, Herz und Kreislauf des Patienten und sorgte dafür, dass er die angemessene und richtige Dosis Evipan in die Vene bekam.
»Wo bleibt das Skalpell?«, fragte Vermeeren scharf. Trödelei und Unaufmerksamkeit seiner Assistenten während der Operation hasste er. »Schlafen Sie, Kierkemann?«
Ein harter Gegenstand stieß gegen die Wirbelsäule des Professors, und eine Stimme, die er für die Dr. Kierkemanns hielt, sagte drohend: »Keine Bewegung, Vermeeren! Sie und alle anderen hier tun genau das, was ich sage. Sonst könnt ihr euch selber auf den OP-Tisch legen, um euch die Kugeln rausoperieren zu lassen. Klar?«
»Was soll das, Kierkemann? Sind Sie wahnsinnig geworden? Wenn das ein Scherz sein soll, habe ich keinerlei Verständnis dafür. Ich operiere, Sie Narr!«
Höhnisches Gelächter. Kierkemann schritt an der erstarrten OP-Schwester vorbei und ging um das Fußende des OP-Tisches herum auf die andere Seite. Dr. Salten starrte den Kollegen mit aufgerissenen Augen an. Auch Professor Vermeerens Augen weiteten sich vor Schreck. Dr. Kierkemann hielt eine großkalibrige Schalldämpferpistole in der Hand. Er riss sich den Mundschutz ab, warf die grüne Operationsmütze in die Ecke und grinste verzerrt.
Professor Vermeeren blinzelte. Etwas stimmte nicht mit Kierkemann. Seine Gestalt – was war damit los? Die Konturen schienen zu verschwimmen, zu zerfließen und wieder zu erstarren. Vermeeren schloss für eine halbe Sekunde die nach seiner Meinung vom grellen Licht des Operationssaals überreizten Augen. Als er sie wieder öffnete, stand ihm auf der anderen Seite des OP-Tischs nicht mehr der schlanke, grazile Dr. Kierkemann gegenüber, sondern ein herkulisch gebauter Farbiger von zwei Metern Größe.
Die Operationsschwester stieß einen halberstickten Schrei aus. Der Narkosearzt schüttelte mehrmals den Kopf, als wollte er damit das unglaubliche Bild zum Verschwinden bringen, doch seine Augen betrogen ihn nicht.
»Starrt mich nicht so an!«, sagte der dunkelhäutige Mann. Er hatte einen ausgebildeten Bassbariton. »Ein einfacher magischer Trick, mehr nicht. Der echte Dr. Kierkemann liegt betäubt und gefesselt im Kofferraum seines Autos.«
»Was soll das?«, fragte Vermeeren hart. »Was bezwecken Sie damit? Ist Ihnen überhaupt klar, dass Sie das Leben des Mannes auf dem Operationstisch gefährden?«
»Halten Sie den Mund und tun Sie, was ich Ihnen sage, Vermeeren! Schneiden Sie dem Patienten das Herz, die Leber, die Milz und die Blase heraus. Jetzt auf der Stelle! Ich spreche in vollem Ernst. Wenn Sie nicht gehorchen, schieße ich!«
»Sie – Sie sind ja wahnsinnig, Mann! Sie gehören in eine geschlossene Anstalt. Was erlauben Sie sich? Scheren Sie sich aus meinem Operationssaal! Hinaus! Hinaus!«
Die Augen des Professors funkelten vor Zorn; seine Schläfenadern traten hervor. Seine Stimme war immer lauter geworden, zuletzt brüllte er. Er vergaß völlig die Gefahr, in der er sich befand. Er war der Chefarzt der exklusiven Privatklinik, das war sein Operationssaal. Widersprüche waren rar gesät im Leben einer Kapazität wie Hendrik Vermeeren, der wie ein Halbgott in Weiß autoritär, souverän und unangefochten in seiner Klinik zu bestimmen pflegte. Und da kam solch ein hergelaufener Schwarzer mit dieser wahnsinnigen Forderung zu ihm, platzte mitten in eine wichtige Operation hinein! Das war ein Skandal. Das hatte es noch nie gegeben.
Doch hier stand kein Assistenzarzt vor ihm, den er scheuchen konnte. Der Mann hob die Schalldämpferpistole und drückte ab. Es machte Plopp, und Professor Hendrik Vermeeren, Facharzt für innere Krankheiten und Chirurgie, hatte ein kleines rotes Loch dreieinhalb Zentimeter unter dem Rand der grünen Operationsmütze.
Der Professor hatte zornbebend den Arm ausgestreckt und auf die Tür gezeigt. In dieser Haltung, ein Sinnbild erzürnter, arroganter Autorität, starb er. Schwer fiel er zu Boden und stürzte gegen den Operationswagen, der ein Stück wegrollte.
Die OP-Schwester wollte schreien, aber als die dunkle Mündung des Schalldämpfers abrupt zu ihr herumruckte, schlug sie nur die Hände vor den Mund und begann zu schluchzen.
»Sie!«, sagte der Fremde zum Narkosearzt. »Schneiden Sie dem Patienten die Organe heraus! Oder legen Sie Wert darauf, neben Vermeeren zu liegen?«
»Glauben Sie, dass Sie damit durchkommen?«
»Warum nicht? Niemand wird den Operationssaal betreten, während draußen die Warnlampe leuchtet. Wenn ich habe, was ich will, verschwinde ich. Niemand wird daran denken, mich aufzuhalten. Herz, Leber, Milz und Blase van der Terks werde ich auf jeden Fall bekommen, und wenn ich euch alle erschießen und sie mir selber herausschneiden muss. Genug geredet jetzt. Fangen Sie an, oder ich erschieße Sie!«
Der Narkosearzt machte noch einen letzten Versuch. »Was wollen Sie mit den Organen? Das ist doch blanker Wahnsinn!«
»Mein Meister braucht sie für seine Experimente. Ich muss ihm gehorchen. Sein Wille muss erfüllt werden. Fangen Sie nun an oder nicht? Ich zähle bis drei. Eins …«
Der Narkosearzt ächzte, kehrte in einer verzweifelten Geste die Handflächen nach oben und ließ die Arme dann herunterfallen.
»Zwei!«
Es schien, als würde der Narkosearzt ein Stück kleiner. Seine Schultern sanken nach vorn. Schleppenden Schrittes trat er an den Operationstisch, um den schlimmsten Eingriff seines Lebens zu beginnen.
Die drohende Pistolenmündung hielt alle in Schach. Dr. Salten dankte seinem Schöpfer dafür, dass nicht er gezwungen war, das Furchtbare zu tun. Von dem Schwarzen angetrieben, schnitt der Narkosearzt zuerst das Herz heraus. Er wollte, dass der Patient gleich tot war. Die Milz, die Leber und die Blase folgten. Fein und säuberlich legte der Narkosearzt die warmen, noch konvulsivisch zuckenden Organe neben den Leichnam des Ministerialbeamten auf den Operationstisch.
Die Tücher, mit denen der Körper van der Terks abgedeckt gewesen war, lagen achtlos hingeworfen auf dem Boden. Der Operationstisch schwamm in Blut, das eine Lache auf dem Boden bildete. Der Mund des Toten stand halb offen.
Der Farbige zog nun unter dem grünen Operationskittel, den er noch immer trug, ein Gummisäckchen hervor, dessen Inneres von einer gelatineartigen, farblosen Schicht bedeckt war. Er steckte die blutigen Organe des Ministerialbeamten hinein. Dann zog er den OP-Kittel aus und warf ihn in das Blut auf dem Boden. Unter dem Kittel trug er eine großkarierte Jacke und eine schwarze Stoffhose. Er hatte Turnschuhe an, die sicher die Größe 48 hatten. Rückwärts ging er zur Tür, die Parabellum mit dem Schalldämpfer in der Rechten, das Gummisäckchen mit den Organen in der Linken. Der Narkosearzt und Dr. Salten standen mit hängenden Armen da und sahen ihn fassungslos an. Der Narkosearzt war ebenso bleich wie der tote Patient auf dem Operationstisch.
»Rühren Sie sich nicht von der Stelle!«, sagte der Fremde an der Tür. »Und machen Sie keinen Lärm! Ich bleibe eine Weile draußen stehen. Wenn Sie nur mucksen, erschieße ich Sie alle!«
Die schwere, schallgedämpfte Tür des OP-Saals schloss sich hinter ihm.
Die beiden Ärzte und die Operationsschwester standen fast zwei Minuten wie Salzsäulen auf der Stelle. Dann hielten sie die Anspannung nicht mehr aus. Als sei der Bann auch von ihnen abgefallen, rannten die beiden Ärzte zur Tür und rissen sie auf. Im Vorraum war niemand, und auch der lange Korridor dahinter war leer. Ratlos und entsetzt sahen sich die beiden Ärzte an.
»Polizei!«, schrie der Narkosearzt unvermittelt. »Alarm! Alarm! Ein Wahnsinniger! Lasst ihn nicht entkommen!«
Ndoyo ging eilig, aber ohne zu rennen, durch die Klinikgänge. Die Pistole mit dem Schalldämpfer hatte er unter der Jacke im Hosenbund verborgen. Das Gummisäckchen hielt er in der Hand. Er begegnete ein paar Krankenschwestern und einigen Rekonvaleszenten; sie grüßten ihn freundlich.
»Guten Tag, Dr. Kierkemann!«
»Guten Tag!«
Er wusste, dass sie – durch magischen Zauber verblendet – den jungen Arzt Dr. Kierkemann an seiner Stelle durch die Klinikgänge gehen sahen. Er hatte gleich nach dem Verlassen des OP-Saals die Beschwörungsformel gesprochen, die ihn sein Meister gelehrt hatte, und damit für jeden Beobachter das Trugbild des jungen Klinikarztes erzeugt.
Niemand hielt ihn auf, als er das Hauptgebäude der Klinik verließ, zum Parkplatz ging und mit einem schwarzen Citroën davonraste. Als der Alarm ausgelöst wurde, war er schon weg.
Die Klinik gehörte zum Amsterdamer Stadtteil Amstelveen und befand sich im Wäldchen am Nieuwe Meer. In einem Waldweg wechselte Ndoyo den Wagen. Mit einem alten Opel fuhr er über die Autobahn in die Stadt, wo er eine alte halbzerfallene Villa aufsuchte, deren Grundstück von einer hohen Mauer umgeben war.
Ndoyo betrat das düstere Gebäude mit der grauen Stuckfassade. Im Erdgeschoss war niemand, und oben im ersten Stock fand er nur eine schwarze Katze. Es war keine normale Katze; sie hatte einen zweiten Kopf, der hinter dem ersten saß und nach hinten schaute.
Als Ndoyo ins Zimmer sah, wandte sich ihm zuerst der erste und dann der zweite Kopf zu. Der Farbige ging hinab in den Keller. Im Wald hatte er die magische Formel geflüstert, die ihn wieder in seiner wirklichen Gestalt erscheinen ließ.
In dem geräumigen Keller mit den Weinfässern, dem vielen alten Plunder und den unzähligen Spinnweben trat Ndoyo an eine Mauernische heran, an der auch bei genauerer Betrachtung nichts ungewöhnlich zu sein schien. Er drückte gegen einen Stein in halber Höhe der Nische, und die mit Spinnweben verhangene Mauer öffnete sich lautlos wie eine schwere Tür auf gut funktionierenden Scharnieren.
Ndoyo betrat einen kahlen, von Neonröhren erhellten Gang, von dem mehrere Türen abzweigten. Das Mauerwerk hier unten war sehr alt, viel älter als die Villa, die aus dem letzten oder vorletzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts stammte.
Hinter den dicken Türen hörte er Jammern und Klagen. Er wollte gerade einen der unterirdischen Räume betreten, da öffnete sich eine Tür, und ein älterer, fetter Mann von widerlichem Aussehen trat heraus. Er trug einen schmuddeligen Anzug, dessen Krawatte die Sauce- und Speiseflecke von Wochen aufwies, und er schnaufte asthmatisch, denn er wog bei mittlerer Größe sicherlich zweihundertfünfzig Pfund.
Sein breites Mondgesicht mit dem dreifachen Kinn zerfloss förmlich. Links hatte der Mann – er mochte Mitte fünfzig oder auch schon sechzig sein – ein Glasauge. Die Gesichtshälfte mit dem Glasauge nahm an der lebhaften Mimik der anderen Gesichtshälfte nicht Anteil; sie blieb starr und zu einer dämonischen Grimasse verzogen. Der abstoßende Mann war kahl bis auf einen ungepflegten Kranz grauer Haare, die ihm über die Ohren und bis in den Nacken fielen.
Als er Ndoyo sah, grinste er mit seiner rechten Gesichtshälfte und sagte mit einer einschmeichelnden, jovialen Stimme: »Meine Kinderchen sind unruhig geworden und haben dein Kommen angemeldet, mein guter Ndoyo. Hat alles geklappt, oder gab es Schwierigkeiten?«
Ndoyo gab eine kurze Schilderung der Ereignisse. Er fürchtete den abstoßenden fetten Mann, das war ihm deutlich anzumerken. Er redete ihn unterwürfig und betont respektvoll mit Mijnheer oder mit Professor Zaander an.
Johan Zaander nickte zufrieden, als Ndoyo seine knappe Erzählung beendet hatte. Er nahm ihm den Gummisack aus der Hand und öffnete ihn. Die blutfrischen Organe waren von der durchsichtigen Gelatinemasse umhüllt worden; sie zuckten und pulsierten, als hätten sie ein eigenes Leben.
Professor Zaander war hochzufrieden. »Sehr gut, Ndoyo. Das hast du fein gemacht. Jetzt habe ich einen weiteren Auftrag für dich, mein Guter. Ich habe schlechte Nachrichten erhalten. Es gibt Schwierigkeiten. Ein gewisser Dorian Hunter, der sich hochtrabend als Dämonenkiller bezeichnet, ist auf dem Weg hierher. Der Kopf Thören Rosqvanas, dieses Narren, schickt ihn zu mir.«
Zaander schien daran viel Lustiges zu finden, denn er schlug sich vor Vergnügen auf die unförmigen Schenkel.
»Andere verlieren den Kopf, Ndoyo, aber dieser eingebildete Vampir, den ich nie habe ausstehen können, war damit nicht zufrieden: Er verlor gleich seinen Körper. Doch da er ein Vampir ist und nur durch Pfählen sterben kann, lebt sein Kopf weiter. Rosqvana – oder vielmehr sein Kopf – hat eine höllische Angst vor diesem Hunter, in dessen Gewalt er sich befindet. Und natürlich will er auch einen neuen Körper für seinen Kopf haben. Deshalb kommt er zu mir, zum altem Johan Zaander, mit dem er jahrhundertelang spinnefeind gewesen ist. Er hat mir auf magische Weise eine Traumbotschaft geschickt. Angefleht hat er mich, ihm zu helfen und ihn aus der Gewalt Dorian Hunters zu befreien.«