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Dr. Aegidius Strauch (* 1632 - † 1682) war Historiker, Mathematiker, Astronom, Astrologe und Theologe. Der berühmte Professor veröffentlichte zahlreiche Bücher und wurde durch den Kurfürsten von Sachsen gefördert. Nach dem Synkretistischen Streit gab er seine Stelle an der Universität Wittenberg auf, um Pastor der Trinitatiskirche und Rektor des akademischen Gymnasiums in Danzig zu werden. Für die einfachen Bürger wurde er zum Hoffnungsträger. Die Patrizier im Stadtrat fürchteten den Verlust ihrer Privilegien und setzte ihn von seinen Ämtern ab. Nach massiven Unruhen musste der Stadtrat seine Entscheidung rückgängig machen. Als er nach Rufmord und Verrat nach Hamburg gehen wollte, wurde sein Schiff von Soldaten des Kurfürsten von Brandenburg gekapert und er selbst aufgrund falscher Verdächtigungen in der Festung Küsterin inhaftiert. Ohne Beweise sollte er "als königlich schwedischer Diener" "unbarmherzig zu Tode gemartert werden". Der König von Polen, der König von Schweden, der Kurfürst von Sachsen, seine Verwandten und viele weitere Anhänger setzten sich für seine Freilassung ein. Erst eine Delegation aus Danzig erreichte das scheinbar Unmögliche. In Danzig empfangen ihn Zehntausende Anhänger. Alle evangelischen Kirchen hielten zu seiner Befreiung Gottesdienste ab und ließen die Glocken läuten. Als er 1682 starb, begann eine beispiellose Folge von Diffamierungen, die durch Friedrich Wilhelm von Brandenburg ausgelöst wurde. Er ließ alle noch verfügbaren Leichenschriften vom Rat einsammeln, doch sie hatten sich schon längst unter seinen Anhängern verteilt. So schrieben Historiker die Geschichte kurzerhand um. Bis heute ist das Bild von Dr. Aegidius Strauch von diesen Fälschungen geprägt. Die umfangreiche Biografie zeichnet ein lebhaftes Bild von einem der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit und illustriert dabei das Leben von Herrschern, Patriziern und einfachen Handwerkern.
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Seitenzahl: 447
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Über den Autor:
Wolfgang Armin Strauch wurde 1953 in Bad Freienwalde geboren. Nach dem Jurastudiums interessierte er sich für Hard- und Software. Als Organisationsberater entwickelte er eigene Programme, die bundesweit zum Einsatz kamen.
Bei der Mitarbeit an einem Buch über Herkunft seiner Familie, stieß er auf die Geschichte von Dr. Ägidius Strauch. Recherchen in deutschen, polnischen, britischen und schwedischen Archiven und im Internet erbrachten ein umfangreiches Quellenmaterial. Verwunderlich war, dass bisher keine Biografie existierte und die vorhandenen Aussagen in vielen Fällen den authentischen Quellen widersprachen. Die Erkenntnisse seiner Forschungen führte er in der vorliegenden Biografie zusammen.
Gegenwärtig arbeitet er an Romanen und einer weiteren Biografie.
Wolfgang Armin Strauch ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und zwei Enkel. Er wohnt in der Nähe von Frankfurt (Oder).
Wolfgang Armin Strauch
Gefangener des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg
© 2018 Wolfgang Armin Strauch
Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7469-3406-8
Hardcover:
978-3-7469-3407-5
e-Book:
978-3-7469-3408-2
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Am 27. September 2017 versteigerte das Auktionshaus Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG eine Goldmedaille zu zwei Dukaten aus dem Jahr 1678 für 8.000 €.1 Diese seltene Medaille ist der materialisierte Beweis einer der außergewöhnlichsten Geschichten des 17. Jahrhunderts und gleichzeitig Zeuge für eine schamlose Verzerrung der Ereignisse bis in die Gegenwart.
Warschau im Juli 1678. Der König von Polen war verärgert. Alles hatte er erwartet, nur das nicht: Der Kurfürst von Brandenburg ließ nach dem Besuch einer Delegation von Bürgern aus Danzig Aegidius Strauch frei. Seine vorherigen Bitten auf Freilassung hatte der Kurfürst ignoriert. Der Pöbel erreichte, was ihm versagt blieb. War das Wort eines polnischen Königs etwa weniger wert als das von Schustern und Metzgern?
Und noch etwas wurmte ihn. Die Stadt Danzig hatte ihm 100.000 Gulden2 versprochen, wenn auf sein Geheiß Strauch entlassen wird. Schon vorher hatten der König von Schweden, der Kurfürst von Sachsen und die Stadt Hamburg wegen der Freilassung des Delinquenten in Berlin vorgesprochen. Sogar der Kaiser soll sich in die Angelegenheit eingeschaltet haben. Doch alle diese Bemühungen blieben erfolglos. Bis jetzt.
Kurze Zeit später kam Aegidius Strauch in Danzig an. Tausende seiner Anhänger kamen ihm zu Fuß und bewaffnet auf Pferden entgegen. Viele befürchteten, dass es immer noch zu Zwischenfällen kommen könnte oder der Kurfürst sein Versprechen nicht einlösen würde. Am Haus angekommen, stieg Strauch er aus der Kutsche, kniete nieder und küsste den Boden der Stadt, die sein Schicksal war. Auf Drängen der Begleiter zog er ein frisches Hemd an. Das alte Hemd, das er während der 3-jährigen Haft getragen hatte und völlig verschlissen war, wurde von den Anwesenden in kleine Fetzen zerrissen. Jeder wollte Zipfelchen davon haben, als seien es die Reliquien eines Heiligen.
Die Geschichte scheint aus der Feder eines fantasiereichen Schriftstellers zu stammen. Aber sie ist wahr und historisch belegt. Und doch gab es über Jahrhunderte hinweg Versuche, die Ereignisse zu verschleiern, umzudeuten oder totzuschweigen. In mancher Hinsicht ist es gelungen. Das Schicksal des Aegidius Strauch blieb für die meisten Menschen in den Archiven verborgen. Glücklicherweise wurden nicht alle Spuren von seinen Feinden beseitigt. Nicht zuletzt durch das Internet ist es heute möglich, die Ereignisse zu rekonstruieren.
Originaldokumente von Strauch und dessen Widersachern finden sich in den Bibliotheken der Welt. Ein Lied von ihm wurde in Norddeutschland bis ins 19. Jahrhundert in den Kirchen gesungen und fand Eingang in ein kirchliches Liederbuch. Bilder und Münzen überdauerten die Zeit. Sogar seine Ruhestätte ist bis heute in der Trinitatiskirche zu finden. Auf der Grabplatte erkennt man links sein Familienwappen mit fünf Rosen und vier Tulpen, die aus drei Hügeln wachsen. Rechts prangt das Wappen mit der geflügelten Schlange, das der Kurfürst von Sachsen einst seinem Maler Lucas Cranach verliehen hatte.
Wer war dieser Mann?
„Für das Reich Gottes hat St. wenig Frucht geschafft; zum Theologen fehlte es ihm nicht an Gelehrsamkeit, wol aber an Milde und Liebe; er hätte bleiben sollen, was er war, Historiker, Mathematiker, Astronom.“3
Die „Allgemeine Deutsche Biographie“ von Adolf Schimmelpfennig aus dem Jahr 1893 fast sein Leben in dürren Worten zusammen. Viele heutige Beiträge schließen sich dieser Wertung an, obwohl schon aus den wenigen Zeilen des Nachschlagewerkes offensichtliche Widersprüche ins Auge springen. Wie kann er unwichtig sein, wenn sich Könige, Fürsten und die Stadt Danzig bemühten, ihn aus der Haft zu befreien?
Warum inhaftiert ein Kurfürst einen Pastor, der nach Hamburg reisen wollte und alle erforderlichen Pässe besaß? Und wie kann es sein, dass jemand, dem „Milde und Liebe“ fehlte, auf Medaillen aus Gold und Silber abgebildet ist? Viele Widersprüche stellen die Aussagen des Artikels in Frage.
Stellt man Dokumente und Meinungen von ihm selbst und seinen Zeitgenossen den Darstellungen späterer Historiker gegenüber, zeigen sich Diskrepanzen zwischen belegbaren Ereignissen und unbelegten Behauptungen.
Strauchs Bedeutung im 17. und 18. Jahrhundert zeigt die Zahl der Publikationen auf unterschiedlichsten Wissenschaftsgebieten. Über 300 Schriften findet man noch heute in den Bibliotheken der Welt. Das Geschichtsbuch „Breviarium Chronologicum“ fand Leser weit über die Landesgrenzen hinaus und prägte das Geschichtsbild in Europa fast 100 Jahre.
Berichte über jene Ereignisse von Danzig, die als „Strauch‘scher Händel“ Eingang in die Geschichtsbücher fanden, erscheinen schnell fragwürdig, wenn man feststellt, dass ihn die Bürger nach seiner Absetzung und der Haft in Küstrin (früher Cüstrin) befreiten, um die Unruhen in der Stadt beizulegen.
Unruhen wegen eines einzigen Menschen? Ein Feind Polens, für den sich der polnische König einsetzt, um ihn aus der brandenburgischen Haft zu holen? Ein religiöser Eiferer, der mit führenden polnischen Katholiken Einvernehmen herstellt? Ein „gefährlicher Mann“, der zur Beruhigung der Lage nach Danzig geholt wird?
Hat ein Theologe wenig geschaffen, wenn dessen Predigten in hohen Auflagen gedruckt wurden? Würde der schwedische König und der sächsische Kurfürst Schutzbriefe gegen unberechtigten Nachdruck eines Werkes geben, wenn dieses unbedeutend wäre?
Es ist das ewige Dilemma der Historiker. Fakten sammeln, aneinanderreihen, Zusammenhänge feststellen und anschließend bewerten. In der Geschichtsschreibung wurde schon immer gelogen. Ramses verliert eine Schlacht, lässt sich aber als Sieger feiern. Kaiser Konstantin wählt nur ihm genehme Schriften für die Bibel aus. Sieger schreiben die Geschichte.
Mühevoll versuchen Forscher nachfolgender Generationen, die tatsächlichen Ereignisse zu rekonstruieren. Wo aber bleibt die Verantwortung für die Nachwelt, wenn genügend Informationen vorliegen, diese aber wegen religiöser Vorbehalte, konservativen Denkens oder Opportunismus von Historikern sinnentstellend interpretiert werden?
Geschichtsschreibung ist nie völlig wertfrei. Fehler entstehen, wenn Quellen widersprüchlich sind. Fehlinterpretationen sollten aber nicht vorkommen, wenn die Faktenlage eindeutig ist.
Obwohl genügend Beweise existieren, wurde die Biografie von Dr. Aegidius Strauch in den letzten 300 Jahren insbesondere von preußischen Historikern verfälscht. Bis heute gaben sich nur wenige Mühe, Licht ins Dunkel zu bringen. Offensichtlich steckt mehr hinter seiner Geschichte. Der Verdacht ist naheliegend, dass dies kein Zufall ist. Was nach Verschwörungstheorie klingt, ist nachweisbar. Nach Strauchs Tod im Jahr 1682 veranlasste der Kurfürst von Brandenburg die Einsammlung der gedruckten Leichenschrift, da sie für ihn unangenehme Wahrheiten enthielt. Doch zu viele Exemplare hatten schon ihren Weg zu seinen Anhängern gefunden.
Lügen und Halbwahrheiten werden nicht richtiger, wenn man sie ständig wiederholt oder man sich auf berühmte Persönlichkeiten bezieht. Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass bezeichnete ihn als „religiösen Eiferer, der mit den Schweden konspirierte“4. Das bedeutet nicht, dass die Behauptung stimmt. Schwärmerische Aussagen seiner Anhänger, die ihn fast in eine Reihe mit Luther stellen, sind genauso unangebracht. 5 Und doch muss es etwas geben, dass sich Könige, Kurfürsten, Gelehrte und einfache Bürger mit ihm beschäftigten.
Die vorliegende Biografie schildert den Lebensweg von Aegidius Strauch mit dem Schwerpunkt seiner Zeit in Danzig. Darüber hinaus werden die Versuche, ihn selbst und die Ereignisse zu diffamieren, an Hand von Zitaten dokumentiert. Da Könige, Kurfürsten, Patrizier, Gelehrte und Angehörige der Gewerke in die Ereignisse verstrickt sind, spiegelt sich in seltener Deutlichkeit die politische und soziale Situation im 17. Jahrhundert wider.
Strauch als Universalgelehrten, Pastor und Gymnasiallehrer zu bezeichnen, würde ihn nur ungenügend charakterisieren. War er ein Politiker? In gewisser Weise war er das sicher. Auf alle Fälle war er ein Mensch, der den Auftrag, für seine Gemeinde einzustehen, persönlich nahm und sich nicht korrumpieren ließ.
Normalerweise beginnen Biografien mit der Geburt des Protagonisten und enden mit dessen Tod. Das Leben von Dr. Aegidius Strauch erklärt sich erst, wenn man seine Herkunft beleuchtet. Daher umfasst die Biografie einen Zeitraum von fast 200 Jahren.
Dr. Aegidius Strauch (im folgendem auch Aegidius Strauch II. bezeichnet) gehört zu den wenigen Menschen, die zu ihren Lebzeiten den eigenen Nachruf geschrieben haben. Dafür gab es naheliegende Motive. Zu oft gab es Diffamierungen, gegen die sich Strauch wehren musste. Persönliche Angriffe, Unterstellungen und falsche Verdächtigungen füllen ganze Bücher. Zumindest nach dem Tod wollte er die Sicht auf sein Leben nicht dem Zufall überlassen. Trotz aller Anfeindungen stimmen die Worte eher versöhnlich. Neben den üblichen theologischen Aussagen hat er einen ausführlichen Lebenslauf hinterlassen.
Seine Lebensbeschreibung beginnt nicht mit der Kindheit, sondern mit Verweisen auf den Vater und vor allem dem Großvater:
„Mein Groß-Vater/Väterlicher Linie / ist gewesen der Edle und Ehrenveste Herr Egidius Strauch aus Braband/ welcher wegen der schweren Verfolgung in Niederland / zun Zeiten des Duc de Alba / aus und Hoff/ nebenst seinem meisten Gut umb des Evangelii willen verlassende/ sich gen Wittenberg begeben / und Kauffmanschaft daselbst getrieben hat.“ 6
Sein Urgroßvater, Johann Strauch, war ein Patrizier und um 1500 in Löwen (Leuven, damals Holland, heute Belgien) geboren. Löwen galt zu dieser Zeit als eine Hauptstadt des Humanismus. An seiner Universität lehrten u. a. Erasmus von Rotterdam und der spätere Papst Hadrian VI.
In den Niederlanden nutzte Johann Strauch den Namen „Strudigk“, eine Übersetzung seines Nachnamens, und den Namen Johann Strauch zu Löwen. Als wohlhabender deutscher Handelsherr heiratete er standesgemäß ungefähr 1525 Susanna von Waterlett (geboren in Antwerpen), die Tochter des Patriziers Gilles von Waterlett, der in Antwerpen und Löwen wirkte. Aus dieser Ehe ging der Großvater von Aegidius Strauch II., Egidius Strauch (* 1530 in Brabant, † 30. Dezember 1597 in Wittenberg) hervor. Er bekam mit Egidius die deutsche Form vom Vornamen seines Großvaters „Gilles“.7 Die unterschiedlichen Schreibweisen (Egidius, Aegidius) resultieren aus der Nutzung der lateinischen Sprache im privaten, wissenschaftlichen oder geschäftlichen Umfeld.
Im Alter von 10 Jahren verlor Egidius Strauch seinen Vater. 1567 flüchtete er von Zwijndrecht bei Antwerpen vor der Verfolgung durch den Herzog Alba nach Wittenberg. Es ist nicht bekannt, welche Geschäfte er betrieb. In seiner neuen Heimat wurde er als Handelsmann bezeichnet. Der relativ frühe Zeitpunkt der Flucht, unmittelbar nach dem Eintreffen von Alba, und der daraus resultierende Verlust von Hab und Gut deuten auf massive Gründe hin, die den Argwohn des Herzogs erregt haben müssen. Interessant ist der Umstand, dass er offensichtlich in den Niederlanden zu den Lutheranern gehörte, da er Brabant „des Evangelii Willen“ verlassen hatte. Die lutherische Gemeinde war relativ klein. Die meisten Lutheraner stammten von Personen ab, die deutscher oder skandinavischer Abstammung waren oder Verbindung zu ihnen unterhielten. Dieser Umstand stützt die später erläuterte These, dass die Familie aus der Gegend um Nürnberg oder Würzburg kam.
Von 1567 bis 1573 übernahm Herzog Alba die Aufgabe als Statthalter der spanischen Niederlande. Er trat die Nachfolge der Halbschwester des Königs, Margarethe von Parma, an. Um die immer stärker werdende religiöse und politische Rebellion zu unterdrücken, führte er ein Schreckensregime ein, das ihm die Bezeichnung „Henker der Niederlande“ einbrachte. Als Teil seiner Repressionen versuchte er, Kontrolle über die Buchdruckereien und Verlage zu erlangen. Missliebige Drucker und Verleger wurden enteignet, verbannt oder exekutiert. Bücher gelangten auf den päpstlichen Zensurindex. Alba ließ Bücher der Universität Löwen, die sich für den Freiheitswillen der Niederlande aussprachen oder sich gegen die katholische Kirche richteten, öffentlich verbrennen.
Sondergerichte, wie der sogenannte Blutrat von Brüssel, verurteilten Albas Gegner. Mehr als 6000 Befürworter der Unabhängigkeit der Niederlande richtete man hin. Im November 1567 griffen Albas Truppen Antwerpen an und plünderten die Stadt drei Tage lang. Dieses Ereignis ging als „Spanische Raserei“ in die Geschichtsbücher ein. Bei den Gemetzeln in Mechelen, einem Nachbarort von Löwen, und Antwerpen ließ Alba über 18 000 Menschen hinrichten.
Warum der Großvater von Aegidius Strauch II. ausgerechnet nach Wittenberg floh, ist nicht überliefert. Die Religion allein ist als Grund eher unwahrscheinlich, da auf dem Weg bis nach Sachsen genügend andere Orte lagen, in denen Lutheraner nicht verfolgt wurden. Im Vergleich zu Antwerpen war Wittenberg für eine Tätigkeit als Handelsmann denkbar ungeeignet, da die Stadt nicht an den großen Handelswegen lag. Es gibt einige Umstände, die die Entscheidung nachvollziehbar erscheinen lassen.
So gab es enge Kontakte zwischen der Universität Löwen und der Universität Wittenberg. Darüber hinaus konnten im Umfeld von Martin Luther (Abbildung: Bild von Lucas Cranach d. Ä.) mehrere Personen mit dem Namen Strauch ermittelt werden, die einen familiären Grund begründen könnten. Ein Johannes Strauch, der Verbindung nach Würzburg hatte und 1516 an der Universität in Erfurt und 1517 in Leipzig immatrikuliert war, wird als Freund Martin Luthers bezeichnet.8 Es ist unklar, ob es sich hier um den Vater von Egidius Strauch, Johann Strauch, aus Löwen gehandelt hat. Johann und Johannes wird in historischen Unterlagen oft gleichbedeutend genannt. Ferner gibt es einen Brief Martin Luthers, in dem er am 15. Januar 1531 den damaligen Bürgermeister von Nürnberg, Lazero Spengler, um ein Stipendium für den Studenten Laurentius Strauch aus Nürnberg bat.9
Laurentius Strauch erhielt offensichtlich diese Unterstützung. Luther, der mit tausenden Personen Kontakt hatte, musste schon einen wichtigen Grund für sein Verhalten gehabt haben. Naheliegend ist, dass seine Ehefrau ihn dazu veranlasst hatte. Laurentius Strauch wollte die Schwester des Stadtschreibers Philipp Reichenbach heiraten. Bei ihm hatte Luthers Ehefrau, Katharina von Bora, nach ihrer Flucht aus dem Kloster gelebt. Ende 1534 oder Januar 1535 erfolgte die Eheschließung Strauchs. Zu dem Zeitpunkt war Strauch Syndikus von Guben.10 Lucas Cranach war 1525 Trauzeuge bei Luthers Heirat mit Katharina von Bora. Die zweite Ehefrau seines Sohnes Lucas, Magdalena Schurff, war wiederum eine Nichte von Philipp Melanchthons. Diese Umstände könnten die Verbindungen zur Familie Cranach erklären, die Egidius Strauch nach seiner Ankunft in Wittenberg unterhielt.
Laurentius Strauch studierte seit 1528 an der Universität in Wittenberg und verließ sie im gleichen Jahr wie Hieronymus Schurff (* 12. April 1481 in St. Gallen; † 6. Juni 1554 in Frankfurt (Oder)). Dessen Bruder Augustin Schurff (* 6. Januar 1495 in St. Gallen; † 9. Mai 1548 in Wittenberg) war der Schwiegervater von Lucas Cranach dem Jüngeren und Leibarzt des Sächsischen Kurfürsten.
Die Familie Schurff hatte enge Beziehungen zu Luther. Hieronymus Schurff (Abbildung) begleitete ihn 1521 auf dem Weg zum Wormser Reichstag und unterstützte ihn als Rechtsberater. Als der Kurfürst von Sachsen die Schlacht bei Mühlberg verloren hatte, floh Schurff nach Frankfurt (Oder) und nahm dabei einige seiner Studenten und Anhänger mit. Unter ihnen befand sich Laurentius Strauch, der später die Protektionen Schurffs für seine Karriere als Jurist nutzen konnte. Rasch stieg er die Karriereleiter nach oben.
1545 war er unter dem Namen Dr. Laurentius von Strauch bei Niemitzsch, Biebersteinscher Kanzler zu Sorau, Syndikus des Markgraftums Niederlausitz11 und ab 1556 am Königlich-Kaiserlichen Appellationsgericht in Prag als Rat tätig.12
Wappen von links nach rechts: Aegidius Strauch II., Augustin Strauch, Laurentius und Lorenz Strauch
Der Sohn des nach Wittenberg geflohenen Egidius Strauch, Johann Strauch, studierte in Prag und wohnte dort bei Verwandten. Das ist ein weiteres Indiz für eine Verwandtschaft mit Laurentius Strauch. Die hohen Funktionen von zahlreichen Verwandten am sächsischen und kaiserlichen Hof stützen ebenfalls diese Vermutung, da hierfür in der Regel einflussreiche Fürsprecher erforderlich waren. Laurentius Strauch gehörte mit Sicherheit dazu. Laurentius Strauch wurde 1541 vom Kaiser Karl V. (* 24. Februar 1500 im Prinzenhof, Gent, Burgundische Niederlande; † 21. September 1558 im Kloster San Jerónimo de Yuste, Extremadura) in den Adelsstand erhoben.13
Weitere Indizien einer Verwandtschaft finden sich in den Familienwappen von Laurentius Strauch und Vertretern der Wittenberger Familie Strauch. Das Wappen des Aegidius Strauch II. zeigt auf drei Bergen neun aufgeblätterte Stängel, die abwechselnd Rosen und Tulpen tragen.14 Das Grundmotiv der Rosen mit den drei Bergen zeigt auch das Wappen seines Cousins Augustin von Strauch (* 25. Oktober 1612 in Delitzsch; † 18. Mai 1674 in Regensburg). Hier sind es allerdings vier Rosen. Es wurde wegen seiner Erhebung in den Adelsstand mit Adler und Krone ergänzt.15
Das Wappen des Malers Lorenz Strauch (Kupferstecher und Maler; * 1554 in Nürnberg; † 1630 in Breslau), zeigt drei Rosen ohne Berge. Zusätzlich hat es zwei Büffelhörner und einen Helm, der auf eine Ritterschaft verweist. 16 Das identische Wappen wurde im Adelsbrief vom 18. Dezember 1541 für Laurentius Strauch beschrieben.17 Es ist naheliegend, dass zwischen dem Maler Lorenz Strauch und dem kaiserlichen Rat Laurentius (Lorenz) Strauch, der auch aus Nürnberg kam, familiäre Verbindungen bestehen. Kontakte zwischen den Malern Albrecht Dürer aus Nürnberg und Lucas Cranach sind belegt. Mehrere Maler aus Nürnberg, die den Namen Strauch trugen, profilierten sich mit Reformationsthemen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Dürer und Cranach diese Familien kannten, da sie bekannte Schriftenmaler, Maler, Drucker und Verleger waren und somit in gleiche Gewerken gehörten.18
- Hans Strauch (* 1509; - 1580) der Ältere, Briefmaler, Weinwirt und Visierer (Wein-Visierer beeidigter obrigkeitlicher Bedienter)
- Lorenz Strauch (* 1554; † 1630), (Sohn des Hans Strauch), Maler und Kupferstecher, 1606 und 1625 Vorgeher der Malerzunft, 1624 Genannter des Großen Rates (Er hat über 500 Bilder von prominenten Bürgern Nürnbergs gemalt.)
- Wolfgang Strauch (* 1554 ; †1572 der Ältere, Maler und Illustrator Verleger, Herausgeber von Werken des Dramatikers der Reformation Hans Sachs (* 5. November 1494 in Nürnberg; † 19. Januar 1576 in Nürnberg)19
Als Egidius Strauch 1567 in Wittenberg eintraf, war Lucas Cranach der Jüngere (* 4. Oktober 1515 in Wittenberg; † 25. Januar 1586 in Wittenberg) Bürgermeister der Stadt und sehr wohlhabend. 1573 wurde Cranachs Grundbesitz in Wittenberg auf 3200 Gulden geschätzt. Zwischen den Familien Cranach und Strauch bestanden ab dem Eintreffen in Wittenberg Kontakte.
Egidius Strauch heiratete nach seiner Ankunft in Wittenberg drei Mal. Durch seine erste Ehe mit Sybilla Strauch (* 1568, Witwe von Dietrich Staffens) hatte er einen Kramladen in bester Lage am Wittenberger Markt erworben, die zunächst die materielle Grundlage der Familie wurde. Damit wohnte er nur wenige Schritte vom Bürgermeister Caspar Pfreund (* 1517 in Saalfeld, † 16. Juni 1574 in Wittenberg) entfernt, der das Haus vom Maler Lucas Cranach dem Jüngeren erhalten hatte und dort seine Apotheke führte.
In diesem Gebäude hatte vorher Lucas Cranach der Ältere (* vermutlich um den 4. Oktober 1472 in Kronach; † 16. Oktober 1553 in Weimar) gewohnt und hier seine Malerwerkstatt eingerichtet. Später ließ er hier die Druckerei einrichten, in der Martin Luthers „Neues Testament“ gedruckt wurde. Der Apotheker, Botaniker und Bürgermeister Caspar Pfreund hatte seine Tochter, Anna Ursula Cranach (* 1527 in Wittenberg, † 30. Juni 1577 in Wittenberg) geheiratet.20
Lucas Cranach der Jüngere und Benedikt Carpzov (* 27. Mai 1595 in Wittenberg; † 30. August 1666 in Leipzig), der Begründer des deutschen Strafrechts, wurden im Haus Am Markt 4 geboren. Die Familie Cranach des Jüngeren wohnte in der Schlossstraße 1, die vom Markt abgeht.
Als das erste Kind von Egidius Strauch, Sibilla Strauch (* 1568, † 10. Oktober. 1573) geboren wurde, gehörte Caspar Pfreund zu den Taufpaten: "Egidius Strauch, ein Kramer, seine Tochter Sibilla ist den 20. Augusti gedaufft worden. Danach seindt Ihr Paten gewesen Caspar Pfreundt der Apotheker, Maria Hanns von Chemnitze des Hauptmanns eheliche Haußfrau, die andern weiß man nicht eigentlich". ,21
Sibilla heiratete am 26. November 1588 Hieronymus Nymmann (* 1554 in Torgau; † 5. Dezember 1594 in Wittenberg), Doktor der Medizin, ordentlicher Professor für Anatomie und Botanik und Dekan der philosophischen Fakultät der Universität Wittenberg.22 Aus dieser Ehe gingen die Kinder Hieronymus Nymmann der Jüngere, Theologe und Superintendent von Bischofswerda, und Georg Nymmann, Professor der Medizin an der Universität Wittenberg, hervor. Als er am 6. Dezember 1594 verstarb, heiratete sie am 19. Oktober 1600 in zweiter Ehe den Professor der Medizin und Mathematiker Tobias Tandler. (* 24. Juli 1571 in Torgau oder Dresden; † 3. August 1617 in Wittenberg).23
Aus der Ehe ist die Tochter Barbara Tandler (* 3. August 1601 in Wittenberg; † 12. März 1618 in Wittenberg) bekannt.
Das zweite Kind von Egidius Strauch, Elisabeth Strauch (* 20.10.1571 in Wittenberg; † 1616 in Bitterfeld) heiratete am 19. Februar 1593 Zacharias Crusius (* 9. Mai 1596 in Bitterfeld, † 1. April 1665 in Bitterfeld), Oberpfarrer und Superintendent in Zahna sowie Diakon in Bitterfeld.
Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Egidius Strauch am 3. Februar 1577 Sybilla Bastian, die im gleichen Jahr verstarb. Am 8. Mai 1581 heiratete er Gertraud Blatteisen (* 3. April 1556 in Wittenberg, † 10. Januar 1617). Sie war die Tochter des Wittenberger Buchbinders und Gemeindekastenschreibers, Arnold Blatteisen († 13. Dezember 1597) und dessen Ehefrau Anna Blatteisen gebn. Huhn († 21. September 1570). Ihr Großvater, Ambrosius Huhn (auch Huhns oder Hunnius) war Pfarrer in Beyern in der Inspektion Herzberg und wurde von Luther zum Predigeramt ordiniert.
Mit seiner dritten Frau hatte Egidius Strauch drei Kinder:
- Aegidius Strauch I. (* 22. Juni 1583 in Wittenberg; † 22. Januar 1657 in Dresden)
- Johann Strauch I. (* 26. Juni 1588 in Wittenberg; † 19. September 1639 in Wittenberg).
- Anna Maria Strauch (* 23. August 1591 in Wittenberg; † 23: Dezember 1619 in Wittenberg). Über Anna Maria Strauch ist nur bekannt, dass sie mit Dr. med. Stephanus Marcellus (unbekannt, † 7. April 1617) verheiratet war.
Für Aegidius Strauch war die Ausbildung der beiden Söhne wichtig. Er sorgte dafür, dass sie Privatunterricht erhielten und anschließend an der Universität in Wittenberg studierten.
Aegidius Strauch I. bekam 1601 ein kurfürstliches Stipendium und konnte an der Universität Wittenberg ein Studium aufnehmen. Ein Jahr später erhielt er den akademischen Grad eines Magisters und hielt Vorlesungen und Disputationen ab. 1606 wurde er Adjunkt in der philosophischen Fakultät und verfolgte theologische Studien. Am 7. November 1606 wurde er zur Probepredigt nach Oschatz eingeladen und am 9. Dezember 1606 als Superintendent berufen.
1610 ging er wieder nach Wittenberg. Dort erwarb er (15. Februar 1610) das Lizenziat der Theologie. Bereits am 20. Februar 1610 wurde er als Superintendent in Dresden eingeführt. Am 9. November 1610 promovierte Strauch in Wittenberg zum Doktor der Theologie. Es folgte eine Superintendentur in Delitzsch, der er auf ausdrücklichen Befehl des Kurfürsten am 28. Februar 1611 nachkam. Am 26. Juni 1611 wurde er investiert.
Nach drei Jahren (10. Mai 1614) ließ ihn der Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen als Superintendent von Merseburg berufen. 1616 berief ihn der Rat von Dresden, wo er zugleich Pfarrer, Kirchenrat, Oberkonsistorialrat und Assessor im Oberkonsistorium war sowie Superintendent der Inspektion Dresden (Abbildung).
Spätestens ab 1623 besaß Aegidius Strauch I. einen Weinberg in der Lößnitz und ließ ein Winzerhaus, das heutige „Haus Möbius“, in Radebeul errichten. 24 Oft hatte er gesundheitliche Probleme. Regelmäßig litt er an Erkältungen und Koliken. Der frühe Tod zwei seiner Kinder traf ihn schwer. 1646 wurde er von einem Eiszapfen getroffen, woraufhin er immer das linke Bein nachzog. Am 21. September 1646 bekam er einen Herzschlag, der ihn linksseitig lähmte.
(Abbildung: Universität Wittenberg im 17. Jahrhundert)
Es ist überliefert, dass der Tod seines Kurfürsten ihn so bewegt hatte, dass er die Nahrung verweigerte und nicht schlafen konnte. Am 22. Januar 1657 verstarb er in Dresden und am 12. Februar 1657 wurde er beigesetzt.
Aegidius Strauch I. hatte am 20. Januar 1607 in Wittenberg Euphrosya Cranach (* 6. November 1590 in Wittenberg; † 25. März 1665 in Dresden) geheiratet, die Tochter des Malers Augustin Cranach (* 1554 in Wittenberg; † 26. Juli 1595 ebenda), der ein Sohn von Lucas Cranach dem Jüngeren war. Aus der Ehe gingen sechs Söhne und ebenso viele Töchter hervor. Nahezu alle Kinder sind zu bedeutsamen Persönlichkeiten geworden oder ehelichten wichtige Personen des geistigen und gesellschaftlichen Lebens. Enge familiäre Beziehungen bestanden zu akademischen Kreisen in Wittenberg und Leipzig sowie zum sächsischen Hof in Dresden.
-Ägidius Strauch (* 1611; † 20. April 1643 in Dresden) Dr. med., verheiratet mit Catharina Dorothea Findelkeller, der Tochter des Johann Findelkeller in Dresden.
-Augustin Strauch (* 25. Oktober 1612 in Delitzsch; † 17. Mai 1674 in Regensburg) studierte an der Universität Wittenberg Jura, wo er promovierte und eine Professur hatte. 1643 und 1659 war er Rektor der Universität Wittenberg. Als kaiserlicher Rat und sächsischer Kanzler wurde er vom Kurfürsten Johann Georg II. von Sachsen als Geheimrat für Gesandtschaften außerhalb Sachsens eingesetzt. Am Wahltag war er in Frankfurt am Main 1652 anwesend und wurde auf Reichstagen eingesetzt. Später wurde er kaiserlicher Rat und kurfürstlicher Kanzler. Augustin Strauch wurde in den Adelsstand erhoben. 1643 heiratete er Dorothea Sophia Lentz, die Tochter des quedlinburgschen Stiftrates Friedrich Lentz. Seine zweite Frau war Anna Alberti, eine Nichte von Jakob Thomasius und Johann Thomasius.
-Johann Strauch (* um 1620 in Dresden; † 23. Juli 1689 in Wittenberg) studierte an der Universität Wittenberg Medizin. Als Arzt war er dann in Dresden und Leipzig tätig. 1664 übernahm er die Professur für Medizin sowie der Anatomie und Botanik an der Universität Wittenberg. Er war 1665, 1671, 1674 und 1677 Rektor. Am 18. September 1655 ehelichte er Catarina Elisabeth, die Tochter des Wilhelm Leyser I.
-Samuel Strauch (* 8. Juni 1621 in Dresden; † 29. Juli 1680 in Dresden) studierte ab 1640 an der Universität Wittenberg und schloss sein Studium als Magister ab. Zunächst übernahm er 1646 eine Stelle als Pastor in Prettin, um 1650 die Stelle seines Vaters als Pastor in St. Anna in Dresden wahrzunehmen. Samuel Strauch heiratete am 26. Februar 1645 Anna Magdalena Dauth (* 25. Nov 1623 in Magdeburt; † 9. Februar 1674 in Dresden), die Tochter des Bürgermeisters von Magdeburg, Johann Dauth.
-David Strauch war beim Tode des Vaters Magister
-Christian Strauch (* 1625 in Dresden; † 1648)
-Euphrosyna Strauch (* 24. Oktober 1608 in Wittenberg; † 23. August 1648 in Merseburg)
-Sophia Strauch war mit Johann Alemann (* 1618; † 1688), einem Juristen und Bergrat in Dresden, verheiratet. Seine Familie wanderte nach Südamerika aus.
-Euphrosina Elisabeth (* 1617; † 14. September 1643 in Leipzig) ehelichte David Faber, kurfürstlich sächsischer Leibarzt. Am 20. November 1642 heiratete sie Daniel Heinrici (* 5. April 1615 in Chemnitz; † 15. März 1666 in Leipzig), Dr. theol. und Prof. pub. aus Leipzig.
-Maria Magdalena Strauch, war mit Dr. jur. Friedrich Tünzel, Oberkonsistorialrat in Dresden, verheiratet.
-Maria Gertraud Strauch war mit dem Münzmeister Constantin Roth verheiratet.
-Anna Barbara Strauch ehelichte 1646 Prof. med. Konrad Viktor Schneider († 10. August 1680 in Wittenberg).
Auch Johann Strauch I., der Vater von Aegidius Strauch II., absolvierte eine akademischen Laufbahn. Nachdem er am 3. Oktober 1597 an der Universität Wittenberg seine philosophischen Studien aufgenommen hatte, begab er sich nach Prag, wo er bei einem Verwandten unterkam und seine Studien fortsetzte. Dort verbrachte er einige Jahre und kehrte dann nach Wittenberg zurück, wo er im Jahr 1618 das Lizenziat der Rechte erwarb, 1619 zum Doktor der Rechtswissenschaften promovierte und im Anschluss als kurfürstlicher Hof- und Regierungsrat am Wittenberger Hofgericht tätig wurde. Am 23. April 1622 ging er als Hofrat nach Dresden. Hier war er als Berater der sächsischen Regierung tätig. Nach dem Tod von Bartolomäus Reusner (* 1565 in Breslau; † 16. November 1629 in Wittenberg) wurde er 1630 Professor und Ordinarius der juristischen Fakultät an der Universität Wittenberg. 1631 und 1639 war er Rektor. Als er starb, hatte er dafür gesorgt, dass seine Frau und seine Kinder abgesichert waren.
Am 29. Mai 1621 heiratete er Katharina Blume (*7. März 1601 in Wittenberg; † 17. September 1671 in Wittenberg), die Tochter des Wittenberger Ratsherrn Michael Blume (* 27. Januar 1553 in Freiberg; † 18. Januar 1613 in Wittenberg). Aus der Ehe sind sieben Kinder hervorgegangen, eine Tochter und fünf Söhne überlebten den Vater:
-Johann Strauch II. (* Dresden; † 10. März 1641 in Wittenberg)
-Magaretha Strauch (* 1630 in Wittenberg)
-Aegidius Strauch II. (* 22. Februar 1632 in Wittenberg; † 13. Dezember 1682 in Danzig)
-Michael Strauch I. (* 13. Januar 1634 in Wittenberg; † 28. Mai 1634 in Wittenberg)
-Michael Strauch II. (* 27. August 1635 in Wittenberg; † 6. Januar 1709 in Wittenberg)
-Christian Strauch (* 5. Juni 1637 in Wittenberg; † 14. August 1659 in Wittenberg) war Student.
-Gottfried Strauch (* 12. August 1639 in Wittenberg; † 10. Januar 1643 in Wittenberg).
Die Enkel des Flüchtlings aus Braband gehörten zu den einflussreichsten Familien Sachsens. Die Söhne studierten, um anschließend wichtige Funktionen in der Stadt und an der Universität Wittenberg, in der Kirche und am Hof des sächsischen Kurfürsten, in anderen Fürstentümern und beim Kaiser zu übernehmen. Die Töchter heiraten Akademiker, Handelsmänner oder höher gestellte Beamte.
Wittenberg im 17. Jahrhundert
Wenn man das Leben von Aegidius Strauch II. verstehen will, muss man die persönlichen und politischen Bedingungen berücksichtigen, unter denen er aufwuchs und beruflich tätig wurde. Er erlebte den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648), in der gesamten Zeit seiner Kindheit und frühen Jugend. Auch die folgenden Jahre waren alles andere als friedlich. Im Westfälischen Frieden wurde eine Ordnung vereinbart. Doch das Leid hatte bei den Menschen tiefe Narben hinterlassen. Das Land war verarmt und entlassene Söldner machten es unsicher.
Die Schuldfrage wurde unterschiedlich beantwortet. In Sachsen und besonders in Wittenberg waren die Übeltäter bei der katholischen Kirche und dem Papst klar verortet. Dementsprechend richteten sich die Menschen auf die Lehre Luthers aus.
Da der Stammvater vom katholischen Herzog Alba aus seiner Heimat vertrieben wurde und er als nahezu mittelloser Flüchtling in Wittenberg gut aufgenommen wurde, war die lutherische Ausrichtung vorgeprägt.
Aegidius Strauch II. wurde am 21. Februar 1632 gegen 12.00 Uhr geboren. Er war das dritte Kind einer gut situierten Familie. Sein Vater war ein angesehener Jurist. Als Professor an der Universität in Wittenberg und als Hofrat hatte er ausgezeichnete Kontakte zum sächsischen Hof. Hinzu kam, dass auch sein Onkel Aegidius Strauch I. enge Beziehungen zum Kurfürsten unterhielt.
Zum familiären Umfeld gehörte die Malerfamilie Cranach, da sein Onkel mit einer Cranach verheiratet war. Damit „erbte“ er faktisch das Netzwerk der Cranachs, das weit über den künstlerischen Aspekt reichte. Die Kinder und Enkel der Cranachs waren mit bedeutenden Persönlichkeiten verheiratet und besaßen Häuser und Ländereien in und um Wittenberg, Dresden und in der Nähe von Potsdam.
Als sein Vater verstarb, war Aegidius Strauch II. sieben Jahre alt. Der Vater hatte genügend Geld zurückgelegt. Seine Witwe war materiell versorgt. Die Söhne bekamen Privatunterricht. Weil Aegidius Strauch II. überdurchschnittlich begabt war, durfte er schon mit 14 Jahren öffentliche Vorlesungen an der Universität in Wittenberg besuchen. In seinem Studium konzentrierte sich auf Geschichte, Mathematik und orientalische Sprachen. 25 Ein Stipendium des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen (* 5. März 1585 in Dresden; † 8. Oktober 1656 in Dresden) sorgte für optimale Studienbedingungen.
In seiner Leichenschrift lobte Aegidius Strauch seine Professoren, den „weltberühmten Herrn Buchneri/ Hn. D. Scharffs/Hn. Frankenbergers/ Hn. Sperlings/ Hn. Nothnagels/ Herrn Pompeji“. Er sei „in so jungen Jahren alle Partes Philosophie durchgegangen“ und hatte es so weit gebracht, dass er „Disputando mit anderen zu exerciren angefangen“ hatte.26
Am 17. April 1649 begab er sich nach Leipzig, wo er seine Sprachstudien fortsetzte und sich dem Studium der Theologie widmete. Er wohnte bei Dr. Martinus Geier (*24. April in Leipzig, † 12. September 1680 in Freiberg), der mit seiner Tante verheiratet war und dessen Studierstube er nutzen durfte. Er erlernte orientalische Sprachen. Zu seinen Förderern gehörte sein Pate, der Theologe Johann(es) Hülsemann (* 4. Dezember 1602 in Esens; † 13. Juni 1661 in Leipzig), der ihn aktiv unterstützte und ihm den Zugang zu seinen Büchern gewährte. Eng war die Beziehung zum Theologen Johann Benedikt Carpzov I. (* 22. Juni 1607 in Rochlitz; † 22. Oktober 1657 in Leipzig), der ein entfernter Verwandter aus der Familie Cranach war und ihn als einen „Domesticus“ gehalten hatte. Bei seinem Theologiestudium unterstützte ihn Dr. Hieronymus Kromayer (* 18.01.16.10 in Zeitz, † 03.06.1670 in Leipzig).
„Weil die Zeiten elend waren“, kehrte er Ende 1650 auf Wunsch seiner Mutter nach Wittenberg zurück, um ihr beizustehen. Sein großer Bruder war gestorben, seine ältere Schwester nicht verheiratet und seine jüngeren Brüder noch klein. Als ältester lebender Sohn übernahm er die Vaterrolle.
Aegidius Strauch II. führte sein Studium an der Universität Wittenberg fort. Er hörte Vorlesungen bei Professor Johann Sperling (* 12. Juli 1603 in Zeuchfeld; † 12. August 1658 in Wittenberg) und Magister Michael Mey. Mit seinen hervorragenden Kenntnissen unterstützte er viele Studenten, denen er Nachhilfestunden gab. Am 29. April 1651 erlangte er den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie. Im Ergebnis seiner häufig disputierten Privatkollegien wurde er 18. Oktober 1653 Adjunkt der philosophischen Fakultät.
„Er las fast täglich 6, und öfters auch 8 Stunden privatum logische, metaphonische und mathematische Vollegia, und disputierte noch dazu alle Wochen 1 mal öffentlich als Vorsitzer. Daher kam er kaum 2 Jahr hernach Adjunerus der Philosophischen Fakultät worden, auch ganze 16 Jahr ihr Beysitzer gewesen. Zur selben Zeit hat er die periodo Juliana und andere chronologiche Materialien, gehalten, welche er hernach zusammen herausgegeben.“27
„Die theologische Facultät, welcher alles daran liegen mußte, den ebenso tüchtigen als fleißigen Docenten für sich nutzbar zu machen, hatte ihn 1655 unter die Candidaten der Theologie aufgenommen und ihm die Erlaubniß ertheilt, theologische Collegien öffentlich anzuschlagen.“ 28
Die Verbindung zum Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen (* 5. März 1585 in Dresden; † 8. Oktober 1656 ebenda) schien außergewöhnlich gut gewesen zu sein. Sicher spielten dabei die Verwandten am Hof eine Rolle. Sein rasanter beruflicher Aufstieg rief aber auch Neid und Missgunst unter den Universitätskollegen hervor.
Am 14. Juli 1656 berief ihn der Kurfürst mit gerade 24 Jahren zum außerordentlichen Professor für Geschichte. Diese Berufung ist bemerkenswert, da er damit einer der ersten Geschichtsprofessoren in Deutschland überhaupt wurde.29
Nach dem Tod des Kurfürsten wurde Aegidius Strauch durch dessen Sohn, Johann Georg II. von Sachsen (* 10. Juni 1613; † 22. August 1680) weiter gefördert (Abbildung: Wikipedia).
1657 veröffentlichte er sein Werk „Breviarium Chronologium“, das ihn in der akademischen Welt bekannt machte. Die Chronologie der Geschichte reichte von Anni Mindi 100.000 (Mundi et Adami) bis in das Entstehungsjahr des Buches. Hierin listete Strauch die wichtigsten Persönlichkeiten, Perioden und Epochen der Geschichte auf. Obwohl Aegidius Strauch erst 25 Jahre alt war, verfasste er damit ein wegweisendes Standardwerk, das ein Jahrhundert lang die Geschichtsschreibung maßgeblich beeinflusste. Das 454 Seiten umfassende Buch umfangreich wurde durch mehrere Verlage in Deutschland nachgedruckt.
Das Echo war so groß, dass es auch in anderen europäischen Ländern vertrieben wurde. Besonders in Frankreich und England hatte sein Buch viele Leser.30 Die sechste Auflage des Werkes, das nach seinem Tod im Jahr 1719 in Leipzig veröffentlicht wurde, hatte durch Ergänzungen weiterer Autoren einen Umfang von fast 1.000 Seiten (Abbildung: Breviarium Chronologium, lateinische Fassung, 1657).
1699 übersetzte Richard Sault das lateinische Werk in Englische. Das Buch wurde zu einem großen Erfolg. Unter dem Titel “Breviarium Chronologium: Or, a Treatise Describing the Terms and Most Celebrated Characters, Periods, and Epocha's Used in Chronology” wurde zu einem Bestseller. Der Verlag J. and P. Knapton druckte 1745 vermutlich die letzte Auflage in englischer Sprache.
(Abbildung: Breviarium Chronologium, engliche Fassung, 1704)
Auf dem Titelblatt (Abblildung) schrieb Richard Sault: "The most useful Book I have seen in that part of Learning is a Treatise of Strauchius out of which may be selected all that is necessary to be taught a Young Gentleman concerning Chronology." ("Das nützlichste Buch, das ich in diesem Teil des Lernens gesehen habe, ist eine Abhandlung von Strauchius, aus der alles ausgewählt werden kann, was nötig ist, um einen jungen Gentleman in Chronologie zu unterrichten.")
Nach umfangreichen Studien der Theologie und zahlreichen Arbeiten dazu, befahl 1657 der Kurfürst der theologischen Fakultät, Strauch das Licentiam asfumendi Gradum Doctroris Teologiä zu erteilen. Am 9. November des Jahres erhielt er es.
Das Jahr 1658 wurde im persönlichen Umfeld von Aegidius Strauch ein ereignisreiches Jahr. Schon am 9. Februar 1658 hatte er Martha Magarethe Sibylle Cranach (* 29. Sept 1636 in Wachsdorf, † 1708 in Danzig) geheiratet. Sie war die Tochter des Malers Lucas Cranach III. (* 6. März 1586 in Wittenberg; † 5. Sept 1645 in Wittenberg), einem Sohn vom Maler Augustin Cranach (* 1554 in Wittenberg; † 26. Juli 1595 Wittenberg) und Enkel von Lucas Cranach dem Jüngeren (* 4. Oktober 1515 in Wittenberg; † 25. Januar 1586).
Zum Zeitpunkt der Eheschließung war ihre Mutter, Sybilla Richter (* 1612, † 19. Sept 1673 in Danzig) bereits das zweite Mal verwitwet. Ihr zweiter Mann, Marcus Banzer (* 28. Dezember 1592 in Augsburg; † 4. Mai 1664 in Wittenberg) war ein bedeutender Mediziner gewesen, der vom sächsischen Kurfürsten an die Universität Wittenberg berufen worden war. Er beschäftigte sich intensiv mit der Ohrenheilkunde und wurde 1659 Rektor der Akademie. Banzer hatte die spätere Ehefrau Strauchs adoptiert. Es deutet viel darauf hin, dass ihre Mutter nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes im Haushalt der Familie Strauch lebte, da sie später gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn nach Danzig zog.
Am 10. März 1658 heiratete seine Schwester Margareta Strauch den Mathematikprofessor und Theologen Sigismund Hosemann (* 1630 in Hirschberg im Riesengebirge, † 8. Juli 1701 in Gifhorn). Dieser hatte in Wittenberg studiert. Nach einer Mathematikprofessur in Helmstedt berief man ihn als Superintendenten nach Gifhorn. Aegidius Strauch hatte mit ihm eine lebenslange Freundschaft. Zu Strauchs Beisetzung nahm er den weiten Weg nach Danzig auf sich, um gemeinsam mit seiner Frau an der Feierlichkeit teilzunehmen.
1658 wurde Aegidius Strauch zum Stellvertreter des Professors der Mathematik Reinhold Frankenberger erklärt. Als dieser starb, wurde Strauch am 25. November 1659 sein Nachfolger. Jetzt musste er die Professuren für Geschichte und für Mathematik absichern. Auch als Mathematiker brachte er bedeutsame Bücher heraus, die mehrfache Auflagen erlebten.
Er beschäftigte sich mit astronomischen Berechnungen von Planetenbahnen und der Darstellung von Sternbildern und des Mondes. 1659 veröffentlichte Strauch das bemerkenswerte Werk „Witteb. Astrognosia : Synoptice Et Methodice In Usum Academicum Adornata. Addita Sunt Asterismorum Et Planetarum Schemata Aereis Laminis Expressa.“
(Abbildung: Aegidius Strauch: Astrognosia, synoptice et methodice, Wittenberg: Tobias Mevius & Elerdi Schumacher, 1659, Abb. XXXIV.)
Neben Darstellungen von Planeten und Sternbildern zeigten Grafiken die Mondoberfläche. Es war ein astronomisches Lehrbuch mit astrologischen Einflüssen. In ihm nutzte er die Beobachtungen von Johannes Hevelius (* 28. Januar 1611 in Danzig; † 28. Januar 1687 in Danzig), der den Mond kartografiert hatte und mit dem er in regelmäßigem brieflichem Kontakt stand. Sein Bruder Michael Strauch hielt sich zu dieser Zeit bei Hevelius auf. Die Bedeutsamkeit des Werkes zeigt sich u.a. darin, dass 1694, 12 Jahre nach Strauchs Tod, eine fünfte Auflage des Buches herausgegeben wurde.
(Foto: Buch- und Kunstantiquariat Tresor am Römer)
Sein Wirken als Professor führte dazu, dass er 1660 eine Anfrage zur Übernahme der Stelle des verstorbenen Dr. Johannes Micraelius (* 1. September 1597 in Köslin in Pommern; † 3. Dezember 1658 in Stettin) als Rektor des Gymnasiums von Stettin bekam. Dem Wechsel stimmte der Kurfürst von Sachsen nicht zu. Aegidius Strauch schrieb seine Werke als handliche und praxistaugliche Lehrbücher. Zu ihnen gehörte auch das Tafelwerk von 1662 „Tabulae Per Universam Mathesin Summopere Necessariae Diu Et Vehementer Desideratae Hactenus, Nunc In Forma Compendiaria, In Qua Nunquam Visae/Opera Et Studio“.
18 Jahre nach seinem Tod wurde es im Jahr 1700, überarbeitet und mit zusätzlichen Informationen versehen, in Amsterdam unter dem Titel „Tabellen, der Sinuum Tangentium Logarithmorum, und zu der Gantzen Mathesi“ als Tabellenbuch für Baumeister herausgegeben. Bis ins 20. Jahrhundert waren derartige Tafelwerke wichtige Rechenhilfen. 1662 erhielt Aegidius Strauch auf Befehl des Kurfürsten im Alter von 30 Jahren die Promotion zum Doktor der Theologie. Er betätigte sich neben seiner Professur als Dozent für Astrologie. Das Fachgebiet galt zu damaliger Zeit als Wissenschaft. Er führte dazu umfangreiche astrologische Forschungen und Berechnungen durch. 1664 veröffentlichte er das Lehrbuch der Astrologie „Aphorismi astrologici“.31
Das Buch erlebte von 1664 bis 1712 vier Auflagen, die alle in Wittenberg gedruckt wurden.32 Im Jahr 1924 wurde es ins Deutsche übersetzt und danach bis in die 1980er Jahre mehrfach nachgedruckt. Die Darstellung, dass er Grundlagen für die moderne Astrologie geschaffen habe – wie teilweise von heutigen Astrologen behauptet wird – ist allerdings falsch.
(Abbildung: Aphorismi astrologici)
In seinem Werk beziehen sich die Aphorismen 1 bis 27 ausschließlich auf die Technik zur Aufstellung eines Horoskops und wurden in den Übersetzungen ab 1927 nicht mehr abgedruckt. In den folgenden Seiten bediente er sich frei bei den Lehren von Ptolemäus, Carando und bei Cyprianos Leovitius‘ „Lehre von der Beurteilung der Navitäten“.
Obwohl in der Lehre von Leovintius der Zusammenhang großer historischer Ereignisse mit astronomischen Ereignissen postuliert wurde, beschränkte sich Strauch auf die mögliche Erkennung von Glück und Unglück. Ein Verweis auf die göttliche Naturordnung fehlt. Das Buch ist eine Einführung in die Lehre der Astrologie, deren Techniken und Prinzipien. Eine Verbindung zur Physik wurde nicht hergestellt. Seine durchaus kritische Sicht auf die Astrologie belegt das Zitat aus dem Buch: „Soviel die Astronomen durch Berechnungen feststellen, soviel lügen die Astrologen“.
Aegidius Strauch schrieb in seinem Lebenslauf keine Zeile über die Astrologie. Es bestanden kaum Berührungspunkte zu den damaligen Protagonisten auf diesem Gebiet. Mit dem Aufleben des Interesses an Esoterik Anfang des 20. Jahrhundert wurde der Eindruck erweckt, dass Strauch der Astrologie eng verbunden sei. Dabei versuchen bis heute Vertreter dieser Meinung mit dem Verweis auf die umfangreichen astronomischen Veröffentlichungen Strauchs und die hohen Auflagen des historischen Buches die Astrologie als Wissenschaft zu legitimieren. Der verschiedentlich geäußerten Behauptung, dass er als Professor in Wittenberg die Fahne der Astrologie hoch gehalten habe, kann nicht gefolgt werden. Die Beschäftigung mit der Astrologie war eher ein Teilgebiet seiner eigentlichen wissenschaftlichen Arbeiten.
Interessant ist die Beschäftigung Strauchs mit den Ansichten von Cypriano Leovitius (* 9. Juli 1524 in Böhmen, † 25. Mai 1574 in Lauingen), aber aus anderer Sicht, da diese umfangreiche mathematische und astronomische Kenntnisse voraussetzten. Ferner hatte Leovitius versucht, mit einer vergleichenden Geschichtsforschung Zusammenhänge mit besonderen Himmelskonstellationen zu entdecken.
Strauchs Vorlesungen erfreuten sich großer Beliebtheit. Unter den Professorenkollegen war er wegen seiner Fachkompetenz anerkannt. Der Mathematiker, Philosoph und Theologe Abraham Calov (* 16. April 1612 in Mohrungen, Ostpreußen; † 25. Februar 1686 in Wittenberg) und Johannes Deutschmann (* 10. August 1625 in Jüterbog, † 12. August 1706 in Wittenberg) bezogen ihn daher in theologische Auseinandersetzungen mit Georg Calixt (* 14. Dezember 1586 in Medelby, Schleswig; † 19. März 1656 in Helmstedt) ein.
(Abbildung: Abraham Calov, Kupferstich aus dem evangelischen Predigerseminar der Lutherstadt Wittenberg)
Dieser bemühte sich, nach den Gräueltaten des Dreißigjährigen Kriegs die christlichen Konfessionen zusammenzuführen. Sein Sohn Friedrich Ulrich Calixt (* 8. März 1622 in Helmstedt; † 13. Januar 1701 Helmstedt) führte sein Anliegen fort.
Die theologischen Ansätze zielten auf eine Annäherung der lutherischen, der reformierten und der römisch-katholischen Kirche. Diese Sicht wurde von der Universität Wittenberg grundsätzlich abgelehnt. Das Grundsatzpapier dazu war das ConsRep („Consensus Repetitus Fidei vere Lutheranae“, Erneuerte Übereinstimmung). Schon 1655 verabschiedete Kursachsen den ConsRep.
In wissenschaftlichen Untersuchungen wird heute generell Abraham Calov als Autor des ConsRep dargestellt, da er der Hauptgegner des lutherischen Synkretismus war. Neuere Forschungen belegen aber, dass Johann Hülsemann der Hauptverfasser war.33 Der ConsRep wurde auch nicht vor 1664 gedruckt herausgegeben.
Erst die zweite Druckausgabe wurde 1666 durch Abraham Calov in Wittenberg veranlasst. Aegidius Strauch II. engagierte sich mit theologischen und polemischen Schriften. Die Auseinandersetzungen wurden unter der Bezeichnung „Synkretistischer Streit“ bekannt und mit einer großen Heftigkeit von beiden Seiten betrieben. Die dritte Ausgabe und damit bis 1846 letzte Fassung mit textlichen Veränderungen brachte Aegidius Strauch 1668 in Wittenberg heraus.
(Abbildung: Friedrich Ulrich Calixt, Hans Haase: Die Universität Helmstedt 1576–1810. Bilder aus ihrer Geschichte)
Die Diskussionen wurden zunächst als einzelne Meinungsäußerungen zwischen den Vertretern unterschiedlicher theologischer Sichten verstanden. Verhärtungen auf beiden Seiten und das Beharren auf grundsätzlichen Standpunkten hoben die Auseinandersetzungen nach und nach auf eine höhere Ebene, so dass sich die jeweiligen Landesfürsten bemüßigt sahen, sich in den Streit einzuschalten.
1663 veranstaltete der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (* 16. Februar 1620 in Cölln; † 9. Mai 1688 in Potsdam) in Berlin ein reformiert-lutherisches Kolloquium, das jedoch kaum Ergebnisse brachte. Am 16.9.1664 erließ der Kurfürst ein Edikt, in dem er konfessionelle Polemik unter Androhung der Amtsentlassung verbot. Zahlreiche lutherische Pastoren wollten sich dem Edikt nicht beugen und wurden aus ihrem Amt entlassen. Der Kurfürst von Brandenburg gehörte der Reformierten Kirche an und setzte seine religiöse Präferenz mit zum Teil radikalen Mitteln durch. Er verbot seinen Landeskindern, in Wittenberg Theologie und Philosophie zu studieren. Das führte zu einem spürbaren Rückgang der Studentenzahlen und damit zu weniger Einnahmen der Universität.
Nachdem der Kurfürst von Sachsen eine „Waffenruhe“ angewiesen hatte, war es Calov nicht mehr möglich, seine Ansichten zu äußern. Er wurde zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Nach und nach zerstritt sich Calov mit seinen Weggefährten. Vermutlich weil sich Strauch, der durchaus der gleichen theologischen Meinung war, von ihm nicht instrumentalisieren lassen wollte, kühlte sich das Verhältnis zwischen beiden merklich ab.
Der Synkretistische Streit schien danach beruhigt zu sein. Doch ab 1675 bis 1686 flammte er nochmals auf, als Abraham Calov seine Schrift „E diaboli excrementa Calixtinas sordes exqirire“ („Ein teuflischer Auswurf Calixtinischen Schmutzes untersucht“) veröffentlichte. Die Veröffentlichung fiel vermutlich nicht zufällig mit der Inhaftierung von Aegidius Strauch durch den Kurfürsten von Brandenburg zusammen.34
Nachdem Aegidius Strauch einige Zeit Professor für Geschichte und Mathematik gewesen war, gab er seine Professur der niederen Mathematik ab, damit sein Bruder Michael Strauch 1665 die Stelle von ihm übernehmen konnte. Dieser hatte am 29. April 1658 den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie nach Studien in Leipzig und Wittenberg erhalten. Eine Bildungsreise führte ihn an die Universität Oxford zum Mathematiker John Wallis (* 3. Dezember 1616 in Ashford, Kent; † 8. November 1703 in Oxford).
Wallis war einer der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit. Vermutlich entstand der Kontakt zu ihm über Gottfried Wilhelm Leibniz (* 1. Juli 1646 in Leipzig; † 14. November 1716 in Hannover), der ein Freund von Wallis und ein Neffe von Johann Strauch II., (* 2. September 1612 in Colditz; † 2. Dezember 1679 in Gießen) war. Aegidius Strauch II. hatte Kontakt zu Leibnitz und Wallis, so dass es naheliegend ist, dass er selbst die Verbindung hergestellt hat.
Den Kontakt zum Astronom und Begründer der Kartografie des Mondes, Johannes Hevelius, stellte sein Bruder her, der Briefkontakt mit ihm pflegte. In dem Brief an den Astronom vom 31. Juli 1654 äußerte Aegidius Strauch seine Bewunderung gegenüber dessen Leistungen als Mathematiker. 35 In Strauchs Buch „Witteb. Astrognosia“ wertete er Daten von Hevelius aus und druckte Mondkarten, die auf dessen Beobachtungen fußten. Hevelius hatte wiederum intensiven Kontakt zu John Wallis.
Aegidius Strauch hatte mit der Weitergabe der Professur die berufliche Entwicklung seines Bruders abgesichert. Michael Strauch sorgte wiederum dafür, dass Aegidius‘ Bücher nach dem Tod weiter verlegt wurden und bürgte in Sachsen für finanzielle Auslagen. Ein Ergebnis gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit war das Buch „Doctrina Astrorum Mathematica“, das 1696 (nach dem Tod von Aegidius Strauch) in Wittenberg unter den Namen beider Brüder veröffentlicht wurde.
1666 wandten sich die evangelischen Stände im Königreich Ungarn in einem mit sieben Siegeln versehenen Brief an den sächsischen Kurfürsten und baten um die Entsendung von Aegidius Strauch, damit er die Stelle des Direktors des Gymnasiums und des ersten Professors einnehmen könne. Der Kurfürst lehnte das Ansehen ab, weil „die Sache am Churf. Sächsischen Hofe weitläufig und gefährlich angesehen ward“.36 Diese Entscheidung empfand Strauch später als großes Glück, da er dadurch der drohenden Verfolgung in Ungarn entging.
Am 20. September 1666 wurde er auf Befehl des Kurfürsten Assessor der theologischen Fakultät. Dem folgte die Auftragung der Desensio Consensus Repetitiv. Vermutlich diente die Übertragung der Aufgabe dazu, Strauch in Wittenberg zu halten. Offensichtlich gab es Widerstände gegen die Entscheidung des Kurfürsten. Sein Eifer ließ die Widersacher verstummen.
1667 wandte sich der Kanzler von Sternbach an Strauch und bot ihm die Stelle als Direktor des Gymnasiums von Stettin an, um das Niveau der Einrichtung zu heben. Das Angebot nahm Strauch mit Rücksicht auf den Kurfürsten nicht an. Offenbar lag dem Kurfürsten viel an seinem hochgelobten Gelehrten.
Zu dieser Zeit stand die Einführung des Gregorianischen Kalender im Reich an. Der Mathematiker, Astronom, Pädagoge, Philosoph und Erfinder Erhard Weigel (* 16. Dezember 1625 in Weiden in der Oberpfalz; † 21. März 1699 in Jena) wandte sich an seine sächsischen Kollegen Aegidius Strauch, Christoph Nothnagel (* 20. September 1607 in Hildburghausen; † 1. Mai 1666 in Wittenberg) und Johann Kühn (* 18. April 1619 in Schleusingen; † 23. März /(30. März) 1676 in Leipzig), um seine Reformvorschläge zu besprechen.
Strauch und Nothnagel hatten sich bereits mit den Problemen befasst und Disputationen abgehalten. Die Professoren unterbreiteten dem Kurfürsten Vorschläge, die dazu führten, dass die sächsischen Gesandten den Auftrag erhielten, die Kalenderreform zu unterstützen.37
Im gleichen Jahr rief Herzog Ernst I., der Fromme (* 25. Dezember 1601 in Altenburg; † 26. März 1675 in Gotha), Strauch für einige Wochen nach Gotha, damit er theologische Arbeiten für ihn anfertigte. Der Herzog war mit den Ergebnissen zufrieden und hätte ihn am liebsten auf Dauer in seinen Dienst genommen. Der Kurfürst schickte ihn aber für einige Aufgaben nach Frankfurt am Main.
Obwohl er vom Landesherrn, den Professoren, seinen Studenten und vielen Gelehrten aus dem In- und Ausland Anerkennung bekam, war Aegidius Strauch zunehmend unzufrieden. Er hätte sich zurücklehnen können. An der Universität verdiente er viel Geld und auch seine Bücher verkauften sich gut. Aegidius Strauch war aber auf der Suche nach neuen Anforderungen:
„Allein ich verlangte mehr/ wenn es Gottes gnädiger Wille wäre/ demselben mit Predigen in seiner Kirchen/als allein in der Studier=Stuben mit Bücher=Schreiben zu dienen.“ 38
Der Historiker Dr. Ferdinand Hirsch behauptet in seinem Artikel „Der Große Kurfürst und Dr. Aegidius Strauch“, dass „Neid und Eifersucht von anderen, Dünkel und Hochmut von seiner Seite“39 dahin führten, dass er mit Amtsgenossen zerstritten war. Bei Calov ist belegt, dass er Intrigen gegenüber Professoren spann, die ihm vorgezogen wurden. Ähnliche Probleme könnten auch bei anderen aufgetreten sein.
Strauch hatte alles erreicht, was in Wittenberg erreichbar war. Dass er vom Kurfürsten protegiert wurde und er durch seine eigene Familie und über die Eheschließung mit einer Cranach gesellschaftlich herausgehoben war, ist unbestritten. Dies sollte aber nicht überbewertet werden, da er in fachlicher Hinsicht und rhetorisch vielen Amtsgenossen nachweislich überlegen war. Seinen Erfolg hatte er sich hart erarbeitet. Ob bei ihm Dünkel und Hochmut eine Rolle spielten, ist zu bezweifeln. Schließlich war er sich später nicht zu fein, Menschen zu unterstützen, die nicht zu den Privilegierten gehörten. Die Art und Weise, wie er nach seiner Inhaftierung reagierte, spricht eine andere Sprache.
Von den Kollegen der theologischen Fakultät gab es offensichtlich von Anfang an Angriffe gegen ihn, die auf seinen schnellen Aufstieg in der Hierarchie zurückzuführen waren. In einem Memorial an den sächsischen Kurfürsten schreibt er 1674: „Denn was absonderlich die Theologische Fakultät schon damals/einen unverdienten Haß/wider mich spüren/als Ew. Churf. Durchl. Hochseliger Herr Vater vor 19 Jahren /mich zu einem Professor Historem Extraordinatium gnädig bestellte/da mir nicht vergönnet ward / mit einer Oratione Solenni, solches Ampts=Verwaltung anzufangen…“.
„Nachdem ich endlich der Theologischen Facultät adjungiret war / sahe ich solche Dinge / die ich werde mit mir sterben lassen; und wünschete dannerhero nicht mehr / als / nach GOTTES Willen / aus einem solchen Labyrinth zu gedeyen…“. „So vermeinte ich nun/weil ich den Herren Theologen in Wittenberg aus den Augen kann/ es würde auch/der bißhero versprührte Neid/verlieren;zumalen da sie bei meiner Ordination, und darauffolgenden Abschied / sich so gar freundlich erwiesen…“. 40
Wenn man den gesamten Text liest, wird deutlich, dass Aegidius Strauch durch den Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg II., und zuvor durch dessen Vater gezielt gefördert worden war. Diese unterbanden Angriffe gegen ihn. Man liest aber auch, dass er den Bericht nicht zur Anklage gegen konkrete Personen nutzte. Es möglich, dass einige Professoren die fachliche Überlegenheit als Dünkel und Hochmut empfanden. Dass dies ein Charakterzug von Strauch war, ist zu bezweifeln. Die vollen Hörsäle und Lobpreisungen seiner Tischgenossen bei der Verabschiedung aus Wittenberg sprechen eine andere Sprache.41 Nicht zuletzt belegt der gewünschte Wechsel nach Danzig genau das Gegenteil. Hier war er gezwungen, ohne die Unterstützung des Kurfürsten, der Familie und seiner Freunde auszukommen.