Drei nach Mexiko - Friedrich Wolf - E-Book

Drei nach Mexiko E-Book

Wolf Friedrich

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Beschreibung

Die drei in Mexiko erzählt die abenteuerliche Reise des Kettenhundes Lux, des übermütigen Osterhasen Purzel Weißfell und des stolzen Kanarienvogels Azurzenka. In einer magischen Vollmondnacht beschließen die drei ungleichen Gefährten, ihre Freiheit zu erlangen und machen sich auf den Weg in die weiten Steppen Mexikos. Doch der Weg zur Freiheit ist voller Gefahren, Missverständnisse und unerwarteter Freundschaften. Gemeinsam erleben sie, was es bedeutet, für Freiheit und Selbstbestimmung zu kämpfen – und dass jeder auf seine eigene Weise mutig sein kann.

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Seitenzahl: 39

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Impressum

Friedrich Wolf

Die drei in Mexiko

ISBN 978-3-68912-343-7 (E–Book)

Die Erzählung für Kinder ab 6 Jahren wurde dem Buch „Märchen für große und kleine Kinder“ von 1946 entnommen.

Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.

© 2024 EDITION digital®

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.edition-digital.de

Die drei in Mexiko

Nichts fällt so schwer, als das Glück und die Schönheit einmal gesehen zu haben und dann von ihnen gerissen zu sein. Und nichts ist so mächtig wie der Drang, das Leben und die Freiheit wiederzuerlangen.

Lux, der Kettenhund des Großbauern Schluckebier, liegt wieder an seiner dicken Eisenkette. Es ist genauso eine Vollmondnacht wie damals, als das Häschen Purzel Weißfell auf den Hof geschlichen kam, um die Ostereier wegzunehmen. Damals hatte Lux bekanntlich furchtbar geknurrt, und Purzel hatte zugleich aus Angst und unverbesserlichem Übermut seine schönsten, kühnsten Purzelbäume geschlagen und seine zierlichsten Tänze ihm vorgetanzt, so dass der Kettenhund Lux sein böses Knurren ganz vergaß; und als Purzel ihm dann sogar seine Osterhasenweisheit zuflüsterte und ihn mit seinen weichen Pfötchen hinter den behaarten, großen Ohren kraulte, da war er – der Wächter des Hofes – eingeschlafen und hatte von dem tanzenden „silbernen Tröpfchen Mondspucke“ gar angenehm geträumt.

Von da ab war aber das ganze Unglück gekommen: der Raub der Ostereier, die vergebliche Jagd auf Purzel durch den Bach und die blumenbunten Felder – und die schrecklichen Hiebe, die er, Lux, von dem wütenden Großbauern Schluckebier bezogen hatte, weil er das Häschen nicht fangen konnte. Auch dass er jetzt Tag und Nacht ununterbrochen an der Kette lag, ohne ein einziges Mal frei umherspringen zu können, all das war die Folge jener Vollmondnacht und der Zauberkünste des Häschens Purzel Weißfell.

Ja, genauso wie damals steht heute die riesige, honiggelbe Scheibe des Vollmonds am Himmel. Und plötzlich setzt Lux sich hoch, stemmt seine starken Vorderpfoten gegen den Boden, reckt seinen mit dichtem, struppigem Grauhaar bedeckten Hals gen Himmel und beginnt den Mond anzuheulen, dass es einen Stein erweichen kann. Er heult so schauerlich-schön, so voller lang gezogener Seufzer am Schluss jedes Weherufs, wie seine Urahnen es in der weiten fernen Steppe taten. Aber auch hier im Lande klingt dieses wilde, sehnsüchtige, ingrimmige, schmerzerfüllte Heulen meilenweit durch die Stille der Nacht.

Plötzlich öffnet sich droben im Haus ein Fenster, und ein ganzer Kübel kaltes Wasser ergießt sich über Lux.

Der Großbauer Schluckebier aber, der im Nachthemd, die Zipfelmütze auf dem Kopf, im Fensterrahmen erscheint, schreit von oben: „Noch einen Ton, du Mistvieh, du miserable Kreatur, und ich komme hinunter und schlage dir alle Knochen im Leibe entzwei!“

Traurig legt Lux seinen nassen Kopf auf seine Pfoten und seufzt ganz leise zwei-, dreimal auf. Schlafen kann er nicht. Der Vollmond ist gar zu hell. Auch scheint ihm die eiserne Kette heute viel schwerer als sonst. Das ganze Leben ist ihm wie diese Kette. Immer wieder stößt er im Halbschlaf leise, dumpfheulende Töne von sich, gleichsam als Teil seines Atems – denn dies Heulen ist der tiefste Ausdruck der Gefühle eines Kettenhundes. Immer wieder aber zuckt er zusammen, und schließlich richtet er sich steil hoch, stemmt die Vorderpfoten gegen die Erde, lauscht, ob der Großbauer sich nicht vernehmen lasse, und starrt lautlos in den mächtigen, vollen, gelben Mond.

In diesem Augenblick hört er vom Hause her ein leises Trillern und Flöten.

Es ist der Kanarienvogel Azurzenka, von deren Käfig der Nachtwind die Decke weggeweht hat und die in dem lichten Mondschein auch nicht schlafen kann.

„Was heulst du da, du kleine Mondsüchtige?“, knurrt Lux, der Kettenhund.

„Ich heule nicht, ich singe!“, erwidert Azurzenka stolz.

„Singe – Hauhauhauhau! Das ist ja, wie wenn eine Türangel quietscht!“, meint Lux. „Wenn der Herr erwacht, wird er glauben, ich sei es, und er wird mich wieder prügeln!“

„Er wird nicht erwachen!“, flötet Azurzenka. „Mein Gesang ist so sanft und süß, dass er die Menschen bezaubert und in den Schlaf wiegt. Aber das kann ein Kettenhund nicht verstehen.“ Ja, Lux kann das nicht verstehen, soweit es sich auf das Trillern und Flöten des goldgelben Kanarienvogels bezieht. Und doch ist er einmal durch süße Laute in den Schlaf gewiegt worden. Das war damals, als das Häschen Purzel Weißfell im Mondschein so seltsam vor ihm getanzt und ihm seine Osterhasenweisheit ins Ohr geflüstert hatte; ja, damals …

„Oh, er kann viel verstehen, wenn er nur Ruhe und Lust hat, hinzuhören!“, ertönt da eine leise Stimme neben ihm.

Lux springt herum, als habe er eine Geisterstimme vernommen. Er traut seinen Augen kaum.

Da sitzt ein blendendhelles Etwas neben ihm im Mondschein – das Häschen Purzel Weißfell.

„Bist du es?“, knurrt Lux recht unwirsch.

„Still! Nicht so laut!“, mahnt Purzel. „Du siehst mich ja; und wenn du es nicht glaubst, pass auf!“ Und das Häschen vollführt zwei seiner niedlichsten Purzelbäume, wie sonst keiner sie konnte, zwei echte „Purzel“-Purzelbäume.

Sosehr diese ganze honiggelbe Mondnacht ein einziger Traum zu sein scheint, hier gibt es keinen Zweifel. Purzel ist kein Traum.