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Edvard wird bald 15 und ist blöderweise noch kein bisschen der coole Typ, der er gern wäre: Er hat keine Haare auf der Brust, seine Stimme ist viel zu hoch, und Constanze interessiert sich kein bisschen für ihn. Um an sie ranzukommen, erstellt Edvard ein Fakeprofil als Jason aus Chicago. Was erstmal wie ein genialer Plan klingt, nimmt immer mehr Fahrt auf – mit ungeahnten Folgen …
In seinem privaten Blog schreibt Edvard über alles, was ihn bewegt: Seine mega toleranten – und mega peinlichen – Eltern. Den Nachbarsköter, in dessen Tretminen er immer mit absoluter Treffsicherheit reinlatscht. Und Henk natürlich – Edvards Erzfeind. Als dann Karla neu in seine Klasse kommt und »Jason« ein bizarres Eigenleben entwickelt, droht Edvards Leben ins totale Chaos abzustürzen.
Empfohlen ab 12 Jahren
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Seitenzahl: 158
Zoë Beck
Edvard
Mein Leben, meine Geheimnisse
Insel
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Der vorliegende Text ist eine von der Autorin überarbeitete Version des 2012 beim Baumhaus Verlag, Köln erschienenen gleichnamigen Titels.
eBook Insel Verlag Berlin 2023
Der vorliegende Text folgt der Revidierten Neuausgabe, 2023.
© Insel Verlag Anton Kippenberg GmbH & Co. KG, Berlin, 2023
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Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Umschlagabbildungen: FinePic®, München
eISBN 978-3-458-77805-9
www.suhrkamp.de
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Titel
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Inhalt
Informationen zum Buch
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Die Geschichte von Ex-Professor Daniel Tannenbaum
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Informationen zum Buch
Edvard
Wenn ich Glück habe, sterbe ich, bevor die Schule wieder losgeht. Ich bin Henk über den Weg gelaufen, als ich einkaufen war. Henk ist mit mir in einer Klasse, und er kann mich nicht leiden. Er war allein, und ich denke noch so: Hoffentlich hält er die Klappe, wenn er ohne seine Kumpels unterwegs ist. Dann hat er kein Publikum.
Ich reiche ihm offenbar als Publikum.
Er kommt zu mir und sagt: »Hey, Dumpfbacke, bist du gewachsen oder haben dich Aliens gegen deinen großen Bruder ausgetauscht, von dem nicht mal deine Eltern was wussten?«
Ich bin zehn Zentimeter gewachsen. Einfach so. Das muss über Nacht passiert sein.
»Hau ab«, sage ich.
Henk kreischt vor Lachen. »Ey, weißt du eigentlich, wie scheiße das ist? Du bist jetzt größer als ich und sprichst wie ein Mädchen!«
»Verpiss dich«, sage ich.
»Ich hab nen neuen Namen für dich. Ab heute nenn ich dich nicht mehr Dumpfbacke.«
»Fall tot um«, sage ich.
»Ab heute heißt du ›Mädchen‹! Scheiße, ich mach mir in die Hose vor Lachen!«
»Du bist ein stinkender Penner«, sage ich und biege schnell in den Biosupermarkt ab.
Ich schnappe mir einen Einkaufskorb und renne durch die Gänge. Gerade schaue ich über die Schulter, um sicherzugehen, dass Henk mir nicht gefolgt ist, da knalle ich frontal in einen Einkaufswagen, der vor den Nudeln parkt. Der Einkaufswagen gehört zu Constanze und ihrer Mutter.
»Ist das nicht der Sohn von den de Vignys?«, sagt ihre Mutter total laut.
»Oh, hi Edvard«, sagt Constanze.
Ich merke, dass ich rot werde. Ich will auch Hallo sagen, aber dann fällt mir ein, dass ich wie ein Mädchen klinge, also sage ich nichts und renne einfach weiter zu den Putzmitteln. Ich höre noch, wie Constanzes Mutter hinter mir herruft: »Grüß deinen Vater schön!«, bevor ich den Sonderaufsteller mit dem Kaffee umschmeiße.
Ich muss auswandern.
Nur noch eine Woche Ferien und immer noch keine Haare auf der Brust. Ich habe auch keine Muskeln bekommen, obwohl ich gelesen habe, dass man in meinem Alter wie von selbst Muskeln kriegt, ganz egal, ob man viel Sport macht oder nicht. (Ich mache gar keinen Sport.) Und ich bin noch nicht im Stimmbruch. Ich passe nicht mehr in meine Klamotten. Zum Glück ist es so heiß, dass ich keine langen Hosen tragen muss. Die gehen mir nämlich nur noch bis zum Knie. (Also, nicht ganz, aber so ungefähr.) Neue Schuhe brauche ich auch, aber nicht nur, weil meine Füße jetzt so riesig groß sind (auch irgendwie über Nacht). Vorhin, als ich schnell zum Bäcker gerannt bin und Brötchen geholt hab, weil mir meine Eltern mal wieder nur Vollkornbrot dagelassen hatten, bin ich natürlich voll in einer Monstertretmine gelandet, die der hässliche Pudel von dem Alten im Haus neben uns hinterlassen hat. Der Alte macht natürlich nie die Kacke von seinem Drecksköter weg. Jeder in der Straße hasst ihn, und jeder weiß auch, dass sein Hund der einzige ist, der mitten auf die Bürgersteige scheißt, aber keiner traut sich, dem Alten mal so richtig die Meinung zu sagen. Irgendwie redet keiner mit ihm, und er redet mit keinem. Seltsamer Typ. Jedenfalls, meine Schuhe kann ich jetzt wegschmeißen, die werden doch nie wieder richtig sauber. Das war jetzt schon das siebte Mal dieses Jahr, dass ich in eine Tretmine gelatscht bin. Ich hasse den Alten. Den Dreckspudel noch mehr. Muss Mama schreiben, damit sie mir neue Schuhe mitbringt. Größe 49, mindestens.
Ich habe nachgedacht. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist dieses Gerede über die Pubertät eine einzige riesige Medienkampagne, die erfunden wurde, um Jungs wie mich in den Selbstmord zu treiben, oder meine Eltern haben mein Geburtsdatum gefälscht, ich bin in echt viel jünger, und der Stimmbruch und das alles kommt noch.
Ich tendiere zu Möglichkeit zwei. Meinen Eltern traue ich alles zu.
(Ich habe ja noch eine Theorie: Sie kennen mein Geburtsdatum gar nicht so genau, weil sie mich irgendwo gefunden haben, nachdem mich meine echten Eltern ausgesetzt hatten. Das würde alles erklären. Alles.)
Das mit den Haaren ärgert mich am meisten, weil ich große Hoffnungen darauf gesetzt hatte. Ich war schon immer der Dünnste in der Klasse. Jetzt bin ich noch dünner als die anderen, überrage sie aber um ein paar Meter und habe eine Piepsstimme. Das wäre noch okay gewesen, wenn ich wenigstens Haare auf der Brust bekommen hätte. Henk zum Beispiel rasiert sich morgens nicht nur im Gesicht, sondern auch unter den Armen und auf der Brust. (Und Arthur hat mal gesagt: »Du willst nicht wissen, wo er sich noch rasiert.« Ich will nicht wissen, wo er sich noch rasiert.) ((Vielleicht haben Henks Eltern ja auch sein Geburtsdatum gefälscht, und er ist in Wirklichkeit zwei Jahre älter, als er glaubt.)) (((Um das klarzustellen: Ich habe schon Haare. Aber eben nicht auf der Brust.))) ((((Ich meine jetzt nicht die Haare auf dem Kopf.))))
In den letzten Wochen habe ich alles probiert, damit mir Brusthaare wachsen und ich sie wegrasieren kann. Sogar Papas Koffeinshampoo hab ich jeden Morgen zum Duschen benutzt und extralang auf der Brust einwirken lassen, weil draufsteht, dass es Haarwachstum nachweislich fördert. Keine Ahnung, wie ich in Zukunft in der Umkleidekabine überleben soll. Gestern habe ich Mama und Papa angebettelt, mich einfach in eine andere Schule zu stecken, aber Mama hat nur gesagt: »Edvard, das ist jetzt die vierte Schule seit deiner Einschulung. Wir haben alles versucht: Waldorf, Montessori und die private Ganztagsschule. Und innerhalb der Ganztagsschule hast du sogar noch vom sprachlich-künstlerischen Zweig zum mathematisch-naturwissenschaftlichen gewechselt. Jetzt gehst du auf ein stinknormales staatliches Gymnasium, und da wirst du auch die nächsten fünf Jahre bleiben.«
»Vier«, rief Papa. »Sie haben an der Schule nur zwölf Jahre bis zum Abi.«
»Vier«, sagte Mama streng.
»Dann lasst mich wenigstens die achte Klasse wiederholen«, jammerte ich. »Ich hab eh ein sauschlechtes Zeugnis!«
»Ja, aber das hast du nicht, weil du zu dumm bist, sondern nur, weil du zu umständlich bist«, sagte Papa.
»Ich bin nicht zu umständlich. Ich wollte einfach nur sitzenbleiben!« Was leider nicht geklappt hat.
»Vergiss es«, sagten Mama und Papa gleichzeitig.
Es hilft nichts. In zehn Tagen muss ich antreten. Ohne Brusthaare, ohne Muskeln und mit viel zu langen Armen und Beinen.
Und sie werden mich »Mädchen« nennen, weil Henk das so will.
Constanze wird mich verachten.
Mein Leben ist vorbei.
(Edit: Ich bin mit meinen neuen Schuhen Größe 49 wieder in Pudelscheiße getreten. Mama meinte: »Diesmal werden sie nicht weggeworfen.«
Ich so: »Aber ich bin in Pudelscheiße getreten!«
Mama so: »Mit neuen Schuhen. Du machst sie sauber.«
Ich so: »Aber ich habe keine Ahnung, wie ich stinkende Pudelkacke aus der Sohle rauskriegen soll.«
Mama so: »Tja, dann lernst du’s eben. So was gehört zum Erwachsenwerden dazu.«
Ich so: »Können wir dem Alten nicht einfach sagen, dass er mir neue Schuhe kaufen muss? Es war ja immerhin sein Köter, und er hat den Bürgersteig nicht sauber gemacht.«
Und Mama so: »Dann geh rüber und red mit ihm.«
Haha. Als ob.)
Wir machen seit heute Urlaub auf einem Bauernhof.
»Der Junge soll in der letzten Ferienwoche noch mal was richtig Schönes erleben«, hat Papa zu Mama gesagt, als er das eingefädelt hat. »Außerdem lernt er dort etwas fürs Leben, und er wird verstehen, wie wichtig es ist, nachhaltig zu leben.«
(Er wusste nicht, dass ich ihn hören konnte.)
Mama war natürlich sofort begeistert. Deshalb bin ich jetzt an der Ostsee auf einem Biobauernhof.
Wir haben das Auto im nächstgrößeren Ort stehen gelassen und sind mit geliehenen Fahrrädern zum Bauernhof gegurkt. Papa hat ein Lastenrad bekommen, deshalb muss er das Gepäck transportieren. Er schwankt ein bisschen, sogar beim Geradeausfahren, und sein Gesicht ist ganz rot. Ich habe keine Ahnung, warum wir nicht mit dem Auto weitergefahren sind. Erst denke ich, Papa hat in dieser Einöde Angst um seine Stoßdämpfer.
Aber die Zufahrtsstraße sieht einwandfrei aus.
Von Weitem sieht der Bauernhof richtig wie ne Postkarte aus: rote Backsteingebäude mit Reetdächern, weißen Sprossenfenstern und grün gestrichenen Türen. Als wir angekommen sind, ist es vorbei mit der Postkarte. Es stinkt abartig, überall laufen Tiere herum (ich werde sogar von einem Huhn angegriffen!), hinter einem der Gebäude erkenne ich einen riesigen Misthaufen, und der Biobauer und seine Frau sehen aus, als kämen sie gerade aus dem Stall.
Leider muss ich den beiden die Hand geben.
»Wir kommen gerade aus dem Stall«, sagt der Bauer.
»Ach wie toll«, sagt Mama begeistert.
»Na, junger Mann, das ist für Sie bestimmt der letzte Urlaub mit den Eltern, was?«, sagt die Bäuerin augenzwinkernd. »Bevor der Ernst des Lebens losgeht? Wann geht das Studium denn los? Oder machen Sie eine Ausbildung?«
Ich mache große Augen, weil ich keine Ahnung habe, was hier schiefläuft und ob sie mich verarschen will. »Ich komme in die neunte Klasse«, sage ich, und jetzt macht die Bäuerin große Augen.
»Oh, entschuldige, ich dachte … Aber das hört man ja, wenn du … Du bist halt schon so …«, stammelt sie und verzieht sich.
Ihr Mann zeigt uns die Zimmer. Meins ist ganz weit von Mama und Papa entfernt, was mich freut. Aber bevor wir richtig da sind, sagt mir der Bauer, dass ich durch das halbe Gebäude rennen muss, wenn ich aufs Klo will, und das finde ich nicht mehr so toll.
»Bis vor ein paar Jahren hatten wir das Klo noch draußen auf dem Hof«, sagt der Bauer.
»Haha, guter Scherz«, sage ich.
»Er glaubt dir nicht«, sagt die Bäuerin, die gerade mit einem Stapel frischer Handtücher aus dem Nichts aufgetaucht ist.
»Im Winter, wenn es so richtig kalt war, konnte man die eigene Pisse dampfen sehen«, sagt der Bauer.
»Quatsch«, sage ich.
»Das war ein Plumpsklo, und ganz früher haben meine Eltern noch Zeitungspapier benutzt, wenn sie sich mal kein Klopapier leisten konnten.«
»Glaub ich nicht.«
»Na, das ist ja alles vorbei. Jetzt haben wir diese tollen Komposttoiletten im Haus.«
»Sie verarschen mich doch!«
»Nein, soll ich’s dir zeigen?« Er geht fast den ganzen Weg zurück und reißt stolz die Tür zum Klo auf. Es ist in einem winzigen Raum. Das Klo sieht nicht aus wie sonst die Klos, es ist viel klobiger. Er macht den Deckel auf, und ich starre ins Dunkle. »Ich seh nichts. Da ist alles schwarz.«
Er lacht laut.
Ich starre weiter in das schwarze Loch. Aber außer tiefstem Schwarz ist nichts zu erkennen. »Wo ist denn der Spülkasten?«, frage ich.
»Gibt’s keinen. Es ist eine Kom-post-toi-let-te.« Er buchstabiert das Wort fast.
Da kann ich unmöglich drauf gehen. »Haben Sie noch ein anderes Klo?«, frage ich.
Der Bauer lacht wieder. »Komm, ich zeig dir dein Zimmer.«
Er führt mich durch die Gänge. Dann schiebt er mich in eine düstere Kammer. Die Kammer ist ungefähr so groß wie ein Schuhkarton. Sie haben einen beängstigend riesigen Kleiderschrank aus dunklem Holz reingequetscht.
Erst denke ich, ich muss im Schrank schlafen, weil unmöglich noch etwas anderes in das Zimmer passen kann, aber dann sehe ich hinter dem Schrank im Dämmerlicht ein Bett aus genauso dunklem Holz. Kurz unter der Decke ist ein schmales Fenster, das wie ein Kellerfenster aussieht.
Es ist gekippt. Im Zimmer riecht es gar nicht gut.
»Unter dir ist der Schweinestall«, sagt der Bauer. »Vielleicht machst du doch lieber das Fenster zu. Und wenn es draußen dunkel ist und du hier drin Licht hast, lässt du es auch besser zu, sonst kommen die Stechmücken rein.«
Die Bäuerin quetscht sich an uns vorbei und beerdigt das Bett unter riesigen weißen Decken und Kissen. »Dann hast du’s schön bequem«, sagt sie zu mir.
»Draußen sind dreißig Grad«, sage ich. »Ich ersticke darunter.«
»Hier sind die Nächte kühler als in der Stadt, Junge«, sagt sie und tätschelt mir den Kopf. Dazu muss sie sich auf die Zehenspitzen stellen.
Meine Eltern haben ein riesiges Zimmer, es ist so riesig, dass man mit einer zehnköpfigen Familie drin wohnen könnte, ohne sich zu begegnen. Außerdem kommt Tageslicht durch die Fenster. Und es stinkt nicht so. Irgendwie ist das nicht fair. Ich frage sie, ob sie das Klo schon gesehen haben. Mama fängt sofort an, von den Vorzügen der Komposttoilette zu schwärmen.
»Und wo soll ich aufs Klo gehen?«, sage ich.
»Wenn man muss, kann man überall«, sagt Papa.
»Ich nicht«, sage ich.
»Abwarten«, sagt er.
Ach so: Von der Ostsee kann ich nichts sehen, weil die noch anderthalb Kilometer weit weg ist. Ich kann da nicht einfach mal so hinlaufen. (Papa meinte: »Prima, da kann man ja auch einfach mal so hinlaufen!«)
Morgen darf ich beim Melken zusehen. Ich habe gesagt, dass mich das nicht so dringend interessiert. Ich meine, da sind echte, lebende, muhende, dreckige Kühe, und man weiß ja, zu was die fähig sind! Aber Mama sagt: »Interesse hat man nicht immer sofort. Manchmal muss es erst geweckt werden.«
»Vor allem muss ich geweckt werden, wenn ich morgens um fünf zum Melken gehen soll«, sage ich. »Das ist sehr ungesund für meinen Biorhythmus. Ich bin keine Lerche, sondern eine Eule.«
»Eine Eule?«
»Es gibt zwei Arten Menschen«, erkläre ich geduldig. »Die einen sind Frühaufsteher, also Lerchen, die anderen sind Nachtmenschen, also Eulen. Ich bin eindeutig eine Eule.«
»Eine Eule?!«
»Ja.«
»Wie kommst du darauf, dass du eine Eule bist?«
Ich zucke die Schultern. Manchmal frage ich mich wirklich, wie meine Eltern die Schule geschafft haben. Angeblich sogar das Abitur.
»Ich bin morgens eben immer sehr müde und abends sehr munter.«
Mama starrt mich eine Weile an und atmet ganz komisch. Dann sagt sie: »Die Landluft wird dir guttun, und die Nähe zu Natur und Tier ebenfalls.«
»Es stinkt hier«, sage ich und kann sehen, wie der Bauer, der gerade an uns vorbeigeht, mit den Augen rollt.