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Eine friedvolle Weihnachts- und Vorweihnachtszeit ist nur Illusion, denn Mörder und Verbrecher nehmen auf Feiertage keine Rücksicht und auf das Weihnachtsfest, dem Fest der Liebe und Freude, schon gar nicht, auch machen sie zu dieser Zeit keinen Urlaub. Hier in diesen 24 kurzen Krimis gibt es keine schöne Bescherung, werden tödliche Kekse verteilt und tote Lebkuchenbäcker entdeckt. Selbst Christbaumkugeln bringen zeitweilig den Tod. Hier ist der Heiligabend ein Mörderabend, manchmal jedenfalls …
In diesem Band sind folgende 24 kurze Krimis enthalten:
1. Dezember: Verbrechen zur Weihnachtszeit – von von Ursula Gerber
2. Dezember: Der Madras-Diamant– von Hans-Jürgen Raben
3. Dezember: Der Weihnachts-Coup – von Stefan Lochner
4. Dezember: Das Labor – von Carola Kickers
5. Dezember: Falsche Fünfziger – von Roland Heller
6. Dezember: Die Begegnung am Straßenrand – von Benyamen Cepe
7. Dezember: Der Christbaumkugelmörder – von Alea Raboi
8. Dezember: Genug ist genug – von Anita Schmitz
9. Dezember: Gregors Traum vom großen Geld – von Bernd Teuber
10. Dezember: Der Mann im Tresor – von Hans-Jürgen Raben
11. Dezember: Sherlock Holmes und die mysteriöse Weihnachtsgans – J. H. Watson & Meinhard Wilhelm Schulz
12. Dezember: Bankraub mit Lametta – von Antje Ippensen
13. Dezember: Gutsle des Todes – von Stefan Lochner
14. Dezember: Fuchs, du hast mein Geschenk gestohlen – von Sofia Speel
15. Dezember: Der tote Lebkuchenmann – von Alea Raboi
16. Dezember: Die Schneekugel – von Jay Monika Walther
17. Dezember: Die Logik der Bestie – von Carola Kickers
18. Dezember: Hochmut kommt vor dem Fall – von Benyamen Cepe
19. Dezember: Das trügerische Weihnachtswunder – von Amanda Partz
20. Dezember: Der schuldlose Mörder – von Rolf Stolz
21. Dezember: Ein fürchterlicher Tag – von Wolf G. Rahn
22. Dezember: Nicolaus & Co. KG – von Stefan Lochner
23. Dezember: Frau über Bord – von Hans-Jürgen Raben
24. Dezember: Kinder in Not – von Rainer Keip
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Ein krimineller
Adventskalender
Der tote Lebkuchenmann
24 kurze Krimis zum Fest
Herausgegeben von Kerstin Peschel
Copyright © by Author/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Claudia Westphal nach Motiven, 2023
Korrektorat: Sandra Vierbein, Katharina Schönfeld und Frank Schmidt
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
In diesem Band sind folgende 24 kurze Krimis enthalten:
Ein Krimineller Adventskalender
– Der tote Lebkuchenmann –
1. Dezember – Verbrechen zur Weihnachtszeit
2. Dezember – Der Madras-Diamant
3. Dezember – Der Weihnachts-Coup
4. Dezember – Das Labor
5. Dezember – Falsche Fünfziger
6. Dezember – Die Begegnung am Straßenrand
7. Dezember – Der Christbaumkugelmörder
8. Dezember – Genug ist genug
9. Dezember – Gregors Traum vom großen Geld
10. Dezember – Der Mann im Tresor
11. Dezember – Sherlock Holmes und die mysteriöse Weihnachtsgans
12. Dezember – Bankraub mit Lametta
13. Dezember – Gutsle des Todes
14. Dezember – Fuchs, du hast mein Geschenk gestohlen
15. Dezember – Der tote Lebkuchenmann
16. Dezember – Die Schneekugel
17. Dezember – Die Logik der Bestie
18. Dezember – Hochmut kommt vor dem Fall
19. Dezember – Das trügerische Weihnachtswunder
20. Dezember – Der schuldlose Mörder
21. Dezember – Ein fürchterlicher Tag
22. Dezember – Nicolaus & Co. KG
23. Dezember – Frau über Bord
24. Dezember – Kinder in Not
Folgende Weihnahtbände sind ebenfalls erhältlich:
Eine friedvolle Weihnachts- und Vorweihnachtszeit ist nur Illusion, denn Mörder und Verbrecher nehmen auf Feiertage keine Rücksicht und auf das Weihnachtsfest, dem Fest der Liebe und Freude, schon gar nicht, auch machen sie zu dieser Zeit keinen Urlaub. Hier in diesen 24 kurzen Krimis gibt es keine schöne Bescherung, werden tödliche Kekse verteilt und tote Lebkuchenbäcker entdeckt. Selbst Christbaumkugeln bringen zeitweilig den Tod. Hier ist der Heiligabend ein Mörderabend, manchmal jedenfalls …
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1. Dezember: Verbrechen zur Weihnachtszeit – von von Ursula Gerber
2. Dezember: Der Madras-Diamant– von Hans-Jürgen Raben
3. Dezember: Der Weihnachts-Coup – von Stefan Lochner
4. Dezember: Das Labor – von Carola Kickers
5. Dezember: Falsche Fünfziger – von Roland Heller
6. Dezember: Die Begegnung am Straßenrand – von Benyamen Cepe
7. Dezember: Der Christbaumkugelmörder – von Alea Raboi
8. Dezember: Genug ist genug – von Anita Schmitz
9. Dezember: Gregors Traum vom großen Geld – von Bernd Teuber
10. Dezember: Der Mann im Tresor – von Hans-Jürgen Raben
11. Dezember: Sherlock Holmes und die mysteriöse Weihnachtsgans – J. H. Watson & Meinhard Wilhelm Schulz
12. Dezember: Bankraub mit Lametta – von Antje Ippensen
13. Dezember: Gutsle des Todes – von Stefan Lochner
14. Dezember: Fuchs, du hast mein Geschenk gestohlen – von Sofia Speel
15. Dezember: Der tote Lebkuchenmann – von Alea Raboi
16. Dezember: Die Schneekugel – von Jay Monika Walther
17. Dezember: Die Logik der Bestie – von Carola Kickers
18. Dezember: Hochmut kommt vor dem Fall – von Benyamen Cepe
19. Dezember: Das trügerische Weihnachtswunder – von Amanda Partz
20. Dezember: Der schuldlose Mörder – von Rolf Stolz
21. Dezember: Ein fürchterlicher Tag – von Wolf G. Rahn
22. Dezember: Nicolaus & Co. KG – von Stefan Lochner
23. Dezember: Frau über Bord – von Hans-Jürgen Raben
24. Dezember: Kinder in Not – von Rainer Keip
***
von Ursula Gerber
Wie versprochen, stand das Fenster einen Spalt breit offen.
Als Weihnachtsmann verkleidet, hockte Hardy Klüver wie eine dicke, rote Kugel auf dem Fenstersims des Hotelzimmers.
Sicherheitshalber klammerte er sich am Kunststoffrahmen fest, weil er befürchtete, er könnte im letzten Moment doch noch abstürzen. Eine unbedachte Bewegung, und es wäre aus mit ihm!
Nicht gerade, dass es seinen Tod bedeutet hätte, aber zumindest wäre sein Leben als unbescholtener Bürger mit Schallgeschwindigkeit zu Ende gewesen. Dabei war er im Grund der Dinge eine ehrliche Haut.
Wütend knirschte Hardy mit den Zähnen. Dies war die Nacht der Nächte, in der er sein erstes Verbrechen beging, weil ihn der Scheißkerl erpresste!
Allein seinetwegen war er waghalsig über die schneeglatten Balkone geklettert und hatte sich am Ablaufrohr der Dachrinne an der Fassade hochgehangelt. Die Angst, entdeckt zu werden oder auf den Brüstungen auszurutschen und hinunterzufallen, war zu seinem ständigen Begleiter geworden.
Endlich oben angelangt, war er völlig außer Puste. Vor Kälte gefror ihm der Atem vor dem Mund, dennoch standen Schweißperlen auf seiner Stirn. Keuchend vor Anstrengung musste er einen Moment innehalten und darauf warten, bis sich sein Puls wieder einigermaßen normalisierte. Beim Blick in die Tiefe wurde ihm schwindlig.
Allerdings verursachte ihm sein Vorhaben noch weit mehr Herzklopfen, obwohl ihm gesagt worden war, dass die Suite über die Weihnachtstage leer stand. Ich habe nichts zu befürchten, redete sich Hardy zur Beruhigung unaufhörlich zu. Rein und wieder raus, es würde ein Spaziergang werden. Und sein Weihnachtsmannkostüm würde ihn dabei decken, hatte ihm der Kerl versprochen.
Trotzdem fühlte sich Hardy nicht wohl in seiner Haut. Auch weil er es eigentlich für einen Affront hielt, die Kluft des heiligen Nikolaus für so etwas zu missbrauchen.
Aber der Erpresser hatte ihm keine Wahl gelassen.
Er stieß den Fensterflügel auf und starrte ins Innere hinein.
Die Nacht war kalt und klar, sodass er keine Taschenlampe benötigte. Der Schnee und der Vollmond spendeten genügend Licht, um das Ziel hinter dem Gemälde erkennen und lautlos erreichen zu können. Rechts daneben, in der hinteren Mitte des riesigen Wohnraums stand ein schöner, prächtig geschmückter Christbaum. Die gläsernen Kristallkugeln, das Lametta und der filigrane Stern auf seiner Spitze funkelten im nächtlichen Licht.
Es war alles vorbereitet, um Gäste zum Weihnachtsfest zu empfangen.
Hardy wunderte sich. Die Suite sah nicht so aus, als ob sie unbewohnt bleiben würde! Aber vielleicht kamen die Eigentümer ja erst auf den Stefanstag, am 26.?
Hardy seufzte. Für ihn hatte Weihnachten in den letzten Tagen seinen Reiz verloren. An Heilig Abend einen Einbruch zu begehen, kam ihm mehr als schändlich vor. Zum Glück war es im ganzen Hotel ruhig. Auch die Belegschaft schlief. Er hatte absolut nichts zu befürchten.
Die Gardine flatterte im leichten Luftzug, als Hardy Klüver vom Fenstersims hinunter ins Zimmer glitt.
Die Inneneinrichtung bestand aus stilvollen, dunklen Möbeln. Dicke Läufer dämpften seine Sohlen beim Auftreten zur Unhörbarkeit, als er sich vom Vorhang löste und seinem Ziel zustrebte. Im selben Moment hörte er Schritte vom Korridor her herankommen.
Hardy blieb beinah das Herz stehen. Zutiefst erschrocken hielt er inne und machte sofort kehrt. Mit wenigen Sätzen hechtete er in die finstere Ecke neben dem Fenster zurück, wo er sich hinter dem dicken Vorhang verbarg, der als Zierde von der Wand herabhing.
Keine Sekunde zu früh.
Kaum war die Türe entriegelt, wurde die Klinke hinuntergedrückt und ein Fleischberg von einem Mann walzte asthmatisch schnaufend ins Zimmer. Er durchquerte es, ohne Licht zu machen, genauso, wie Hardy es vorgehabt hatte, und ohne nach rechts oder links zu blicken. Er war einzig auf sein Ziel fixiert. Den Nikolaus hinter den Falten des Vorhangs bemerkte er nicht.
Missmutig beobachtete Hardy, dass der Fettwanst wohl genau dasselbe Ziel ansteuerte wie er! Vor Frustration schlug ihm das Herz bis zum Hals. Am liebsten hätte er ihm zugeschrien, dass er die Finger davon lassen sollte, aber natürlich durfte er nicht auf sich aufmerksam machen. Mit angehaltenem Atem drückte er sich an die Wand und hoffte, dass ihn der Schmerbauch auch beim Hinausgehen nicht sah. Zum Glück verschmolz seine schlanke Gestalt vollkommen mit den Schatten der Umgebung.
Durch den offen gelassenen Türspalt fiel Licht vom Korridor her ins Appartement herein.
Der ungebetene Gast hängte das Portrait ab. Spätestens als er mit einem Stethoskop horchte, um die Zahlenkombination festzustellen und den Safe zu öffnen, wusste Hardy, dass er es mit einem Kollegen zu tun hatte.
Er ärgerte sich grün und blau. Wütend biss er sich auf die Lippen, während er zusehen musste, wie der Lump sein Verbrechen beging.
Vor Aufregung bemerkte er die Gestalt zunächst gar nicht, die draußen auf dem Korridor den Lichtstreifen verdunkelte. Erst als die Türe geöffnet wurde und die Helligkeit ins Zimmer flutete, wurden Hardy und der Dieb auf den großgewachsenen Mann aufmerksam, der in dem Moment eintrat.
Mit entsetztem Gesicht sprang der Fettwanst einen Schritt zurück, so überrascht war er. Die Wampe an seinem Bauch schwabbelte hin und her.
Der Ankömmling, dessen Gesicht im Schatten lag, ging ihm durch den Salon entgegen, als wollte er ihn begrüßen. Aber dann, nur ein paar Meter von dem Dicken entfernt, sah Hardy etwas Metallisches aufblitzen. Ein schwaches Blubb erklang und mit einem fast lautlosen Schrei sank der Fleischberg in sich zusammen. Polternd schlug er danach am Boden auf, sodass Hardy die Dielen unter den Füssen erzittern fühlte.
Verschreckt zuckte er zusammen, wagte vor lauter Panik nicht mehr zu atmen. Seine Gedanken jagten sich. Er war soeben Zeuge eines Mordes geworden!
Er glaubte zu fühlen, wie die Farbe in seinem Gesicht wechselte. Glühende Hitze überfiel ihn. Gleichzeitig brach ihm der kalte Angstschweiß aus allen Poren. Denn ihm war sofort klar: Wenn der Mann ihn hier entdeckte, würde er der Nächste sein!
Vergeblich hoffte er, dass der Kerl bald verschwinden würde, aber der schien trotz des verursachten Lärms keine Eile zu haben.
Stattdessen stieg er über den toten Koloss hinweg und wandte sich der Wand zu. Mit der behandschuhten freien Rechten griff er in den Safe. Als er den Arm zurückzog, hielt er eine längliche Schatulle und wie Briefumschläge aussehende Dokumente in der Hand. Eine schimmernde Perlenkette baumelte an seinen Fingern herunter. Hastig verstaute er die Beute in der Innentasche seines Jacketts.
Hardy war im Begriff zu hyperventilieren, weil er so kurz und schnell atmete, in der Hoffnung, dass er dadurch nicht gehört wurde. Als sich der Mann umdrehte und er einen kurzen Blick ins Gesicht des Mörders erhaschte, krampfte sich sein Magen vor Übelkeit zusammen. Das war sicher kein Typ, der mit sich verhandeln ließ!
Er hatte eine hagere, mit engstehenden Augen bösartig aussehende Visage. Mit der scharf gebogenen Hakennase sah er aus wie ein Geier. Im Mondlicht konnte Hardy deutlich die verzerrten Züge erkennen. Ganz besonders fiel ihm die lange Narbe auf, die die linke Wange in zwei Hälften spaltete. Sie begann unterhalb des Jochbogens und endete dicht oberhalb der Kinnspitze. Wahrscheinlich war ihm das Gesicht von einem Messer aufgeschlitzt worden.
Hardy wünschte sich, er hätte den Mann nie gesehen. Noch lieber wäre ihm gewesen, er wäre überhaupt nie hergekommen! Hätte er sich nur besser im Zaum gehalten!
Verzweifelt versuchte er erneut die Luft anzuhalten und sich hinter dem Vorhang so klein wie möglich zu machen, damit ihn der Killer nicht doch noch bemerkte.
Dieser sah sich kurz um und verschwand dann endlich draußen auf dem Korridor. Bis auf einen Spaltbreit fiel die Türe hinter ihm zu.
Hardy fühlte sich halb ohnmächtig vor Angst und fehlendem Sauerstoff. Erst nachdem der unheimliche Besucher verschwunden und die Türe halbwegs zugeklappt war, wagte er tief Luft zu holen. Aber die Erleichterung dauerte keinen Atemzug.
Von den unteren Zimmern wurden Stimmen laut. Womöglich waren es Bedienstete oder Hotelgäste, die durch das Poltern aus dem Schlaf aufgeschreckt waren, als der Fettkloß auf dem Boden aufgeschlagen war.
Hardy hörte Türschlösser schnappen. Siedend heiß schoss es ihm durch den Sinn, dass gleich jemand hier hereinstürzen und ihn mit dem Toten finden würde!
Seine Gedanken jagten sich. Ihm war sofort klar, dass man dieses Verbrechen ihm anhängen würde. Also was tun? Wieder durchs Fenster und die Fassade hinab, wo er womöglich den Sicherheitskräften gleich in die Arme laufen würde? Oder wohin? Besser ebenfalls zur Türe hinaus! Das war die einzige Möglichkeit, vielleicht seine Haut zu retten. – Oder dem Geiermann direkt in die Arme zu laufen!
Hardy war sich der Gefahr vollkommen bewusst. Aber unter diesen Umständen wollte er lieber erschossen statt als Mörder verurteilt werden.
Mit einem Ruck hetzte er durch den Wohnraum zur Türe, ohne zu wissen, was ihn dahinter erwartete. Sein Puls raste. Auf dem Korridor sah er den Killer gerade noch nach links um die nächste Ecke verschwinden.
Zum Glück hatte der Eigentümer das gesamte Stockwerk für seine morgigen Weihnachtsgäste freigehalten, sodass Hardy auf der Etage noch niemandem begegnete. Aber vom unteren Treppenhaus hörte er vereinzelte Rufe und hastende Schritte sowie das Keuchen mehrerer Leute, die die Stiegen heraufgerannt kamen.
Er schaffte es gerade rechtzeitig, sich in denselben Quergang zu retten, wo der Narbige entlanggelaufen war, und sah ihn auf die Treppe nach oben einbiegen.
Das Hotel war so verwinkelt, dass es in jedem Gebäudeflügel irgendwo aufwärts und runter ging.
*
Im nächsten Moment übertönte ein entsetzter Schrei das Geschnatter der aufgeregten Hotelgäste und er konnte davon ausgehen, dass die Leiche des Fettsacks entdeckt worden war. Jemand verlangte lautstark nach der Polizei.
Fieberhaft überlegte sich Hardy einen Ausweg aus seiner misslichen Situation. Sollte er sich seines Kostüms entledigen und unter die aufgeregten Gäste mischen, von denen immer mehr die Etage stürmten? Andererseits war er Zeuge eines kaltblütigen Mordes geworden, weil er sich an einem Ort befand, an den er nicht hingehörte! Er hatte als Einziger den Täter gesehen! Hätte ihn beschreiben und identifizieren können! Dank ihm wäre das Verbrechen sofort lösbar gewesen – wenn er nicht selbst Dreck am Stecken gehabt hätte!
Gleichwohl blieb ihm keine andere Wahl. Wenn er jetzt davonlief und herauskam, dass er in der Wohnung gewesen war, würde man ihn dafür einlochen! Es kam ihm gar nicht in den Sinn, an etwas anderes als an die Notwendigkeit zu denken, die scheußliche Tat aufzuklären. Egal mit welchen Konsequenzen.
Hardy hämmerte das Herz schmerzhaft gegen die Rippen, während er dem Geiermann wie ein Schatten folgte. Trotz seinem Weihnachtsmannmantel schwitzte und fror er vor Angst, dass sich der Mörder umdrehen und ihn bemerken könnte. Glücklicherweise waren die Gänge und Treppen des Hotels mit Teppichen ausgelegt, sodass er in seinen Winterschuhen kaum ein Geräusch verursachte.
Als er den Aufgang erreichte, hangelte sich der Narbige die letzten Tritte am Geländer in die Höhe.
Es war ein dunkelhaariger Mann, der als Erster in die Suite gestürmt war und die Leiche des fetten Mannes vor dem Weihnachtsbaum entdeckt und nach der Polizei geschrien hatte.
Hinter ihm strömten weitere Gäste und Hotelpersonal herein, die ebenso wie er wie vom Blitz getroffen stehenblieben, als sie den reglos am Boden liegenden Fleischberg erblickten.
„Was ist passiert?“
„Wer ist der Tote?“
„Hat jemand den Mörder gesehen?“, riefen sie aufgeregt durcheinander.
Mit wachsbleichen Gesichtern standen sie da. Einige befanden sich noch im Korridor, andere hatten sich bereits durch den Türrahmen in die Wohnung gedrängt, während sich durch den steigenden Lärm immer mehr neugierige Gaffer ansammelten.
Hoteldirektor Peter Glöckner traf nur unwesentlich früher als Ernst Steiger bei der Menschenmenge ein.
Der Eigner war ein kleiner, unscheinbarer, wenngleich leicht korpulenter Mann mit Geheimratsecken und graumeliertem Haar.
Zutiefst erschrocken prallte er zurück und wurde leichenblass, als er von dem Toten in seiner Wohnung erfuhr. Wie ein Dieb drückte er sich an die Wand und versuchte zu begreifen, was da eben geschehen war.
Glöckner, ein paar Reihen vor ihm, hatte sein Eintreffen nicht bemerkt, und wenn, dann hätte er ohnehin nicht gewusst, wer er war.
Seit seiner Anstellung vor zwei Jahren war dies Steigers erster Besuch und er hatte wohlweislich darauf verzichtet, sich allen vorzustellen. Er wollte sich jeweils gern inkognito einen ersten Eindruck über die Professionalität seiner Angestellten verschaffen.
Der große Mann drängte sich durch den Pöbel vorwärts, während er mit befehlsgewohnter Stimme lauthals schrie: „Alles raus hier!“ Glöckners barsche Stimme durchdrang den Raum mit bissiger Schärfe, und mit seiner harschen Geste, mit der er zur Tür wies, versuchte er die Gaffer zu verscheuchen. „Fasst nichts an! Niemand verlässt das Hotel, bis die Polizei kommt! Das Unglück wird sich sicher bald aufklären! Geht zurück in eure Zimmer!“, rief er den Gaffern mit fast wütender Miene zu.
Aber natürlich war dies angesichts des morbiden Interesses der Leute ein kaum realisierbares Ansinnen.
*
Der zu große Nikolausmantel behinderte Hardy in seiner Beweglichkeit, Mütze und Bart verminderten ihm die Sicht und seine Hörfähigkeit. Dafür hinterließ er mit seinen weißen Handschuhen keine Fingerabdrücke am Geländer, an dem er sich im Treppenhaus in die Höhe hievte. Aber eigentlich war es egal, weil er ja ohnehin plante, sich zu stellen. Doch zunächst einmal wollte er wissen, was der Kerl noch vorhatte und wohin er ging.
Nicht ganz zu unrecht sah Hardy die einzige Chance, sich selbst zu helfen darin, den richtigen Täter zu entlarven. Sicher würde man ihn ebenfalls einlochen, aber dann wenigstens nur als kleinen Ganoven und nicht als Mörder!
Wie sein Schatten folgte er dem Geiermann mit dem unheimlichen Gesicht über den teppichbelegten Flur, bog nach ihm rechts ab und stieg nochmals ein paar Stufen ins nächsthöhere Obergeschoss hinauf. Hätte man ihm eine Rute in die Hand gedrückt, hätte er ausgesehen wie der echte Nikolaus, der hinter einem ungezogenen Bengel her war, der auf seiner Schwarzen Liste stand, um ihn zu bestrafen.
Hardy nutzte Türfüllungen, üppig wachsende Topfpflanzen und Mauernischen als Deckung, obwohl sie ihm zumeist im Ernstfall wegen seiner weiten Kluft nur wenig genützt hätten. Vorsichtig huschte er ihm bis hinauf in die oberste Etage des Hotels hinterher. Von dort weiter über den langen Gang, dann links um die Ecke und diesen Gang entlang, bis der Mörder endlich vor einem Zimmer stehenblieb.
Hastig riss sich Hardy die rote Zipfelmütze vom Kopf, um nicht gesehen zu werden, drückte sich flach an die Wand und äugte hinter der Mauerecke hervor. Er beobachtete, wie der Narbige in einem bestimmten Rhythmus klopfte, worauf die Türe aufging. Zu seinem Bedauern verschwand er danach aus seinem Blickfeld, ohne dass er den Zimmerherrn zu Gesicht bekam. Hardy war enttäuscht darüber. Er hätte gern gewusst, in wessen Auftrag der Geiermann den Fettwanst umgebracht hatte.
Sicherheitshalber sah er sich nach allen Seiten um, ob jemand kam, ehe er sich aus seiner Deckung wagte. Neugierig presste das Ohr an die Zimmertüre, in der Hoffnung, etwas von drinnen mitzubekommen. Dabei klopfte ihm das Herz bis zum Hals, weil er wusste, welch gefährliches Unterfangen das war. Wenn der Narbige gleich wieder herauskam und ihn hier horchend fand, dann …!
Hardy schluckte beim Gedanken daran, dass er des Lebens nicht sicher war, aber er verscheuchte ihn sofort wieder. Erleichtert atmete er auf, als drinnen tatsächlich ein Gespräch stattfand. Deutlich konnte er zwei Männerstimmen unterscheiden.
*
Der Narbige war eingetreten ohne zu grüßen.
Schweigend ging er an seinem Auftraggeber vorbei durch den Korridor ins Zimmer hinein bis zu der kleinen Sitzgruppe, wo er sich ungefragt in einen Sessel setzte. Aus der Innentasche seines Jacketts förderte er seine Beute zutage und deponierte sie auf dem kleinen Tisch.
Das hässliche Narbengesicht war zu einer Fratze verzerrt, als er mit einem selbstgefälligen Grinsen zu seinem Auftraggeber hochblickte und ihm – und ohne es zu wissen, dem heimlichen Mithörer – erklärte: „Es war ein Kinderspiel, Herr Billroth. Der Mann wird Ihnen keine Schwierigkeiten mehr machen, er ist tot. Es hat leider etwas Lärm gegeben, als er auf dem Boden aufschlug, aber es hat mich niemand gesehen.“
Wirklich niemand? Bist du sicher? Hardys Mundwinkel zuckten nach oben. Er verstand jedes Wort und hätte beinahe laut heraus gelacht. Er merkte sich den Namen des Auftraggebers.
Walter Billroth war ein mächtig gebauter Mann mittleren Alters mit fuchsrotem Haar und einer blässlichen Gesichtsfarbe, die nur dank millionenfacher Sommersprossen nicht kränklich aussah. „Gut“, nickte er.
Einen Augenblick lang blieb es still und Hardy befürchtete schon, der Killer würde gleich die Türe aufreißen und wieder herauskommen, weil er nichts mehr hörte. Mit einem Fuß machte er sich auf einen schnellen Rückzug gefasst. Zu seiner Erleichterung fuhr Billroth aber mit dem Gespräch fort.
„Darauf sollten wir einen trinken. Sie bevorzugen Bourbon, habe ich gehört, Mister Price?“ Derweil er redete, schenkte er auf dem Wandregal zwei Schnapsgläser ein.
„Nur Bares ist Wahres“, knurrte der Narbige. Er nahm das Glas trotzdem entgegen, stellte es aber abwartend auf den Tisch.
Billroth nickte. Er wandte sich dem Wandregal und danach wieder dem Auftragskiller zu. „Da haben Sie recht. – Hier, Ihr Entgelt, wie vereinbart. Sie können nachzählen, wenn Sie wollen.“
Ein unscheinbarer Umschlag wechselte den Besitzer.
Das Narbengesicht bedachte ihn mit einem unterkühlten Blick, während er seinen Lohn einsteckte. „Ich habe grundsätzlich Vertrauen in meine Arbeitgeber, Herr Billroth. – Und sonst weiß ich ja, wo ich Sie finde …“, fuhr er nach einer vielsagenden Pause fort.
Billroth schenkte ihm ein fadenscheiniges Lächeln, um sein Unwohlsein zu überspielen. Er umschiffte die Drohung mit einer Frage: „Wann gehen Sie zurück nach Argentinien, Mister Price?“
„Morgen früh, mit der ersten Maschine. Zu Hause erwartet mich schon ein neuer Auftrag“, lautete die knappe Antwort.
*
Hardy war aufgefallen, dass der Fremde mit Akzent sprach. Er hatte genug gehört, sich beide Namen gemerkt und zog sich vorsichtig zurück, um sich aus der Schusslinie zu bringen. So lautlos, aber so eilig wie möglich hastete er über den Gang zurück. Erst nachdem er rechts um die Ecke gebogen war, fühlte er sich wieder halbwegs sicher.
Etwas langsamer ging er erschöpft, die behandschuhte Hand auf dem goldenen Geländer, mit schweren Schritten die Treppe hinunter. Von draußen vernahm er schwach das Heulen der Polizeisirenen und von unten gedämpfte Stimmen.
Im knirschenden Schnee kamen die Einsatzfahrzeuge vor dem Hotel zum Stehen. Durch die Fenster im Treppenhaus konnte Hardy sehen, wie sich die Blaulichter auf den Wagendächern weiterdrehten und die uniformierten Polizeibeamten mit angeschlagenen Gewehren und Pistolen in den Fäusten über den Platz gegen das Portal hasteten, bevor sie wie Lemminge in die Lobby des Hotels wuselten.
Hardy benutzte den Aufzug, um schneller unten in der Halle zu sein. Im Lift erklang der Song „Santa Clause is coming to town“ aus einem Lautsprecher. Zu dieser Jahreszeit wurden überall Weihnachtslieder gespielt, um die Gäste auf das bevorstehende Weihnachtsfest einzustimmen.
Ein Pling! erklang, als er in der Lobby ankam und sich die Lifttüre öffnete.
Hardy befand sich in einer weiten, hohen Halle, die beidseits von zwei geschwungenen Treppen eingefasst war. In deren Mitte stand ein überdimensionaler, seiner Meinung nach sicher über vier Meter hoher, wunderschön geschmückter Weihnachtsbaum mit echten Kerzen, gläsernen Kristallkugeln und schimmerndem Engelshaar. Auch hier erklang das Lied. Vermutlich ließ der Direktor die Musik weiterlaufen, damit die Weihnachtsstimmung der Gäste möglichst wenig durch den schrecklichen Vorfall getrübt wurde.
*
Kriminalkommissar Horst Diethelm ließ seine Beamten ausschwärmen, während er vor dem Empfangstresen auf den Hotelmanager zutrat und ihm seine Dienstmarke zeigte. „Diethelm. Was ist passiert?“, erkundigte sich der ältere Herr mit den grauen Schläfen und Schnauzer dienstlich.
Frank Wendelin, ein Mann mittlerer Statur und braunem Haar, war vor noch immer halb außer Atem, als er dem Polizeichef berichtete: „Oben im dritten Stock! Gäste haben ein lautes Poltern gehört, und als sie oben waren, um nachzusehen …“ Er stockte. Die Angelegenheit war fast zu schlimm für ihn. „Einer unserer Gäste! Tot, ermordet! Es ist unglaublich! Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll!“ Er war vor lauter Aufregung über das Ungeheuerliche völlig durch den Wind.
Diethelm deutete zum Aufzug. „Zeigen Sie mir wo.“
Vor dem Lift vertrat ihnen Hardy in seiner Weihnachtsmannmontur den Weg. Er nahm all seinen Mut zusammen, um seine Nachricht loszuwerden: „Entschuldigen Sie, meine Herren, wenn ich mich einmische. Wie ich mitbekam, sind Sie der Chefinspektor?“, sprach er Diethelm an.
„Kriminalkommissar. Machen Sie’s kurz, wir haben einen Mord aufzuklären.“
Hardy nickte. „Deshalb bin ich hier. Ich möchte etwas Licht ins Dunkle bringen.“
„Sprechen Sie nicht in Rätseln! Was wollen Sie?“, herrschte ihn Wendelin genervt über die Störung an, der annahm, der Mann wolle sich bloß wichtig machen.
Hardy lächelte verlegen. „Na, na, na, seien Sie nicht so unhöflich zum Weihnachtsmann!“, beschwerte er sich.
„Wenn Sie etwas wissen, dann reden Sie, Mann!“, forderte ihn nun auch der Kommissar ungeduldig auf.
Hardy klopfte das Herz bis zum Hals, als er so ruhig wie möglich antwortete: „Fragen Sie mich jetzt nicht warum, aber … Ich habe den Mörder gesehen, ich kann ihn beschreiben und ich kenne seinen Auftraggeber. – Was sagen Sie dazu?“, sprudelte es plötzlich aus ihm heraus.
Dem Manager stand der Mund vor Verblüffung offen und auch dem Inspektor blieb die Spucke weg. Den umstehenden Beamten und Gaffern sackten die Unterkiefer herab. Mit offenem Mund starrten sie Hardy an, der langsam nervös wurde.
„Hören Sie, Inspektor“, sagte er mit drängender Stimme, „wenn Sie sich nicht beeilen, haben Sie den Mörder gesehen! Es sieht nicht so aus, als ob er lange hierzubleiben gedenkt! Als ich wegging, traf sich Mister Price mit Herrn Billroth in Zimmer 517 im obersten Stock! Der Mörder hat eine lange Narbe auf der Wange! Er ist ein Auftragskiller!“
Der Hotelmanager wechselte die Farbe wie ein Chamäleon, bevor er den Kopf schüttelte und protestierte: „Herr Billroth? Unmöglich! Er ist ein sehr netter, guter Kunde!“
Hardy nickte heftig und beteuerte: „Das ist er vielleicht für Sie, aber nicht für den Herrn, der tot oben im Zimmer liegt, oder?“
Der Kommissar hörte ihnen gar nicht mehr zu. Rasch erteilte er den Kriminalbeamten seine Befehle, worauf sie sich trennten und in alle Richtungen ausschwärmten. Vier Mann rannten wieder nach draußen, um mit den dort wartenden Kollegen das Hotel besser zu umstellen, damit der Mörder nicht über die Balkone entkommen oder an den Ablaufrohren der Dachrinne hinunterklettern konnte. Zwei benutzten mit Diethelm, Wendelin und Hardy den Aufzug. Die anderen rannten über die verschiedenen Gänge und Treppen hoch, um dem Mörder sämtliche Fluchtwege abzuschneiden.
Mit schlechtem Gewissen suchte Hardy etwas Halt, indem er sich an die Innenwand des Lifts anlehnte, und erwartete jeden Moment die alles entscheidende Frage.
„Haben Sie einen Gast, der Price heißt?“, wandte sich Diethelm an den Manager.
Wendelin schüttelte den Kopf. „Der Name ist mir unbekannt. Vielleicht ist er ein Tagestourist.“
„Was ist mit Ihnen, Weihnachtsmann?“
„Klüver, Hardy Klüver“, beeilte der sich vorzustellen. „Nein, ich kenne ihn nicht und es wäre mir lieber, wenn ich ihn nie gesehen hätte! Diese Visage werde ich im Leben nie vergessen!“
Der Lift blieb stehen und öffnete sich.
„Wo ist er?“
Die Frage erübrigte sich allerdings, als Diethelm die Menschentraube vor der Suite sah, in der die Tat verübt worden war. Direktor Glöckner hatte alle Hände voll damit zu tun, die neugierigen Gaffer davon abzuhalten, hineinzugelangen.
Hardy schluckte vor Überraschung, als er ihn erkannte, obwohl er jetzt viel eleganter gekleidet war, als er ihn kennengelernt hatte. Unauffällig zog er sich in den Aufzug zurück und ließ sich von der nächsten Person, die in der Lobby den Knopf drückte, um hinaufzufahren, wieder hinunter chauffieren.
Der Kommissar walzte mit seinen Leuten und dem Hotelmanager im Schlepptau zwischen den Leuten hindurch in die Wohnung.
„Aber das ist ja Hein Lieferts!“, entfuhr es Wendelin entsetzt.
Unter voller Beleuchtung sah der tote Fleischberg monströs aus, wie er da bäuchlings in einer Blutlache am Boden lag. Das Gemälde, das durchaus auch seinen Wert gehabt hätte, stand an der Wand angelehnt, der Safe war offen und leer.
Diethelm wandte sich nach Hardy um. Überrascht stellte er fest, dass der Weihnachtsmann fort war, aber das kümmerte ihn wenig, seine Leute sorgten dafür, dass keiner aus dem Hotel hinauskam. „Sie kennen den Mann?“, erkundigte er sich mit hochgezogener Augenbraue.
Wendelin nickte. „Er war ein Gast. Ich kann es mir einfach nicht erklären!“
„Pfister, rufen Sie die Spurensicherung. Und sorgen Sie dafür, dass die Leute hier verschwinden! – Marconi, Kaspar, Sie beide kommen mit mir!“, ordnete der Polizeichef mit befehlsgewohnter Stimme an und eilte ihnen voran zurück auf den Korridor.
Sie nahmen den Aufzug, um in den obersten Stock zu gelangen.
Auf dem Gang standen die Scharfschützen mit angelegten Gewehren schon bereit.
Die zwei Polizisten neben sich, die ihre Hände an den Pistolen hielten, klopfte Diethelm bei Zimmer 517 an die Tür.
Es dauerte eine Weile, bis sie schlurfende Schritte hörten und eine Stimme, die aus dem Schlaf gerissen schien: „Wer ist da? Was ist los? Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?“
Als Billroth in Schlappen und Bademantel die Türe öffnete und die waffenstarren Polizisten davor stehen sah, wurde er kreidebleich. Und er war so überrumpelt, dass er gar nicht erst an Flucht oder Gegenwehr dachte.
Diethelm lächelte ihn freundlich an und nickte. „Gewiss, Herr Billroth, ich weiß, wie spät es ist. Ich muss Sie leider bitten, mit uns zu kommen.“
Vincent Price, den die Beamten noch nicht sehen konnten, weil er sich um die Ecke hinter der Wand befand, fuhr wie von der Tarantel gestochen aus seinem Sessel in die Höhe, dass er beinahe sein Schnapsglas verschüttete.
„Aber wieso denn? Was ist los?“, stammelte Billroth lauter als nötig gewesen wäre, um ihn zu warnen. Das ohnehin schon fade Gesicht des Mannes wirkte vor Entsetzen totenblass. Sein Atem ging gepresst. Man merkte ihm an, dass er Angst hatte.
Der Kommissar lächelte ihn mit einem zufriedenen Ausdruck an. „Ich verhafte Sie wegen des dringenden Verdachts des Mordkomplotts gegen Hein Lieferts!“
Er nickte dem Kaspar genannten Beamten zu, worauf der die Handschellen um Billroths Handgelenke zuschnappen ließ.
Diesem schoss das Blut ins Gesicht, während er heftig kopfschüttelnd protestierte: „Hein Lieferts? Ich kenne keinen Lieferts! Sie machen einen schweren Fehler!“
Diethelm nickte gelassen. „Das wird sich sicher auf dem Posten klären. Führen Sie ihn ab, Kaspar!“
Billroth wurde von dem Polizeibeamten untergehakt und durch die Tür auf den Korridor begleitet.
Als Diethelm mit Marconi neben sich um die Ecke ins Wohnzimmer einbog, stand der Narbige bereits beim Fenster.
„Guten Abend, Mr. Price“, lächelte der Kommissar gutgelaunt. „Nehmen Sie die Hände hoch!“
Die angelegte Waffe des Polizisten beeindruckte den Killer nicht im Geringsten, er wusste zu gut, was ihn erwartete, wenn sie ihn erwischten. Statt seine Pistole zu benutzen, riss er schützend die Arme vors Gesicht, währenddem er durchs geschlossene Fenster auf den Balkon hechtete. Die Scheibe zersprang in tausend Scherben, die sich klirrend auf den vereisten Bodenplatten sammelten.
Die überrumpelten Polizeibeamten fassten sich schnell. Während Marconi dem Flüchtenden folgte, verständigte Diethelm seine Leute unten über Funk: „Price ist über den Balkon! Holt ihn euch, Leute! Aber bitte gern lebend, wenn’s irgendwie möglich ist!“
Der Killer floh über die Feuerleiter. Er ballerte auf alles, was sich bewegte, um sich einen Weg aus der Falle zu schießen.
Marconi folgte ihm so schnell und so vorsichtig wie’s eben ging.
Zwei Meter über dem Boden ließ sich Price ins Gestrüpp fallen, das der Hauswand entlangwucherte, fing sich auf und rannte durch den Schnee in die Dunkelheit davon.
„Halt, bleiben Sie stehen!“, rief ihm ein entgegentretender Polizist mit vorgehaltener Pistole warnend zu.
Seine Antwort war eine ungefähr abgefeuerte Kugel, die glücklicherweise nicht traf.
Der Beamte sah den Mündungsblitz und handelte in Notwehr, als er selbst abdrückte.
Mit einem einzigen Schuss setzte er Price außer Gefecht. Die Wucht der Kugel riss diesem die Beine unter dem Leib weg. Der Narbige stolperte und fiel, und noch ehe er sich wieder aufrappeln konnte, waren der Schütze und zwei weitere Beamte über ihm und nahmen ihn in Gewahrsam.
„Wir haben ihn, Chef“, meldeten sie dem Kommissar danach über Funk.
Diethelm nickte, der mit Kaspar und Billroth in die Lobby hinunterfuhr, wo Hardy auf ihn wartete.
„Kommen Sie mit, Klüver!“, wies er diesen an.
Sie traten gerade aus dem Hotel ins Freie, als die Leute von der Spurensicherung mit ihrem Einsatzwagen eintrafen und Price von den Kollegen zwischen den abgestellten Fahrzeugen hindurch ins Licht des Eingangsbereichs geführt wurde.
Er hinkte, die Kugel hatte ihn an der Hüfte verletzt, aber ansonsten war er quietsch lebendig. Mit griesgrämiger Miene starrte er den Polizisten entgegen und spuckte vor ihnen aus, als sie mit Hardy vorbeigingen und diesen in ein anderes Polizeiauto verfrachteten.
„Ist das der Mann?“, erkundigte sich Diethelm auf dem Weg zum Polizeirevier.
Hardy, der auf der Rückbank saß, nickte. „Das ist er. Diese Visage vergesse ich mein Lebtag nie wieder!“
Der Kommissar nickte zufrieden. „Gut. Dann sind wir mal gespannt, was uns die beiden für eine Geschichte auftischen werden. Bis dahin können Sie uns ja mal erzählen, wie Sie in die Sache verwickelt sind.“
Das war die Frage, vor der sich Hardy am meisten gefürchtet hatte. Aber er kam nicht darum herum zu erklären, wo er sich zum Zeitpunkt des Mordes aufgehalten hatte und warum: „Ich wollte einen Diebstahl begehen“, erklärte er nach anfänglichem Zögern ungemütlich.
„Aha!“
Das klang in seinen Ohren gar nicht gut.
„Was haben Sie genau gesehen?“
„Wie der Dieb, der scheinbar ein Gast war, das Zimmer betrat, das Portrait abhängte und den Safe öffnete. Dann kam der Mörder ins Zimmer. Er brachte den armen Mann um, nahm die Beute an sich und floh.“
Diethelm drehte sich mit verdutzter Miene nach ihm um. „Sie waren in der Wohnung, als es passierte?“
Hardy nickte und schluckte schwer. „Ja, hinter dem Vorhang. Ich bin vor Angst fast gestorben, aber ich konnte ihn doch nicht einfach so gehen lassen! Ich meine, ein solches Verbrechen muss bestraft werden!“, beteuerte er im Versuch, dem Kommissar glaubhaft zu machen, dass es ihm wirklich ein Anliegen gewesen war, sich zu stellen, um den Killer zu schnappen, damit dieser nicht noch mehr Menschen umbringen konnte. „Ich bin ihm dann in den obersten Stock bis zu Billroths Zimmer gefolgt. Dort habe ich an der Türe gelauscht und dadurch ihre Namen erfahren. Den Rest der Geschichte kennen Sie ja.“
Diethelm warf dem Fahrer einen beredten Blick zu. Was der junge Mann da erzählte, war wirklich übel. „Sind Sie vorbestraft?“, fragte er, kurz bevor sie auf dem Revier eintrafen.
Hardy schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe so etwas noch nie gemacht. Und ich werde es auch nie wieder tun! Glauben Sie mir, Kommissar, ich habe meine Lektion gelernt! Es war eine blödsinnige Idee. Aber ich hätte dringend ziemlich viel Geld gebraucht.“
„Und das suchten Sie ausgerechnet in dieser Suite?“ Der Beamte musterte ihn über die Schulter mit stechendem Blick.
Hardy zuckte ungemütlich die Achseln. „Ich wusste ja nicht, dass jemand da wohnt.“ Mir wurde gesagt, die Wohnung sei leer!, erinnerte er sich finster. „Ich suchte einfach Geld, das ist alles. Dass sich der Gast selbst als Dieb betätigen und dieser dann noch ermordet werden würde, konnte ja niemand ahnen!“
Sie führten ihn durch kahle, nur von Neonröhren ausgeleuchtete Gänge bis in den Verhörraum.
„Ich muss Sie leider bitten, hierzubleiben, bis die Angelegenheit geklärt ist.“
Hardy nickte seufzend. Er wusste, dass es sein musste und er nichts dagegen tun konnte.
Im Nebenraum wurden zuerst Billroth, dann Price verhört. Es dauerte nicht lange, bis die Polizei bis ins Detail über alles Bescheid wusste. Und vom Hotelbesitzer Ernst Steiger, mit dem Diethelm anschließend telefonierte, erfuhr er noch etwas anderes.
„Sie wussten also nicht, in wessen Wohnung Sie eingedrungen sind?“, erkundigte er sich, nachdem er wieder zu Hardy in den Raum zurückgekehrt war.
Dieser hatte die Unterarme auf dem Tisch aufgelegt und schüttelte düster den Kopf, als hätte er sich aufgegeben. „Nein. Woher sollte ich auch?“
Als der Kommissar schwieg, sah er nervös auf.
Dessen Miene war ernst. „Zufällig ist das die Wohnung von Ernst Steiger, dem Hotelbesitzer. Er hatte mit dem Ermordeten das Zimmer getauscht, weil er nicht so auffällig wohnen wollte. Inkognito, verstehen Sie? – Deshalb hatte der Mann einen Schlüssel. – Aber der Anschlag galt ihm. Und wir wissen sogar noch mehr. Price hat schon ein paar Morde auf dem Gewissen und zwitschert in der Hoffnung auf mildernde Umstände wie eine Lerche. Stellen Sie sich vor, wer alles geerbt hätte, wenn Steiger jetzt tot wäre …“ Er machte eine bedeutsame Pause und sah Hardy aufmunternd an.
Dieser schüttelte einmal mehr den Kopf und zuckte ratlos die Schultern. „Keine Ahnung.“
„Dieser Billroth“, fuhr Diethelm mit einem genüsslichen Grinsen fort. „Das ist nämlich der saubere Schwiegersohn von Steiger. – Was sagen Sie dazu?“
„Dann war der Mord also geplant!“
Der Kommissar nickte. „Ja. Er hatte nur einen kleinen Schönheitsfehler. – Nämlich Sie! – Das bringt mich zu der Frage: Woher hat der Mann gewusst, dass sich dort ein Safe befindet und daraufhin den Besitzer bestehlen wollen?“
Hardy seufzte. „Das ist mir bisher selbst noch immer schleierhaft.“
„Vielleicht auf dieselbe Weise wie Sie?“
Diesmal rieselte es ihm kalt den Rücken hinab. Er öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen.
„Es ist besser, wenn Sie uns alles erzählen. Reden Sie, Klüver! Woher hatten Sie Ihre Informationen? – Allem Anschein nach gab es gleich mehrere Personen, die sich an Steiger bereichern oder sich an ihm für irgendetwas rächen wollten. – Also, woher wussten Sie, dass Steiger seinen Safe in dieser Wohnung hinter diesem Bild versteckt hatte?“
Hardy blickte ihn ungemütlich an, aber er schwieg verstockt.
„Soll ich die Frage anders formulieren? Wer hat es Ihnen gesagt?“
„Glöckner, der Hoteldirektor! Er hat mir den Tipp verkauft.“
Diethelm lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und Lieferts wahrscheinlich ebenfalls“, rekapitulierte er. „Und hat auch er Sie als Weihnachtsmann angeheuert?“
Hardy runzelte nickend die Stirn. „Grundgütiger, jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr! Weshalb sollte er uns beide beauftragen, dasselbe zu stehlen? Das ergibt doch keinen Sinn! – Ich sollte nämlich den Bruch erst morgen Abend machen, wenn alle an Weihnachten beschäftigt sind, aber da wollte ich mit Priscilla feiern.“
Der Kommissar schenkte ihm ein schwaches Lächeln. Er hatte inzwischen einen ziemlich konkreten Verdacht. „Womöglich wären Sie uns direkt in die Arme gelaufen.“
„Weshalb?“ Hardy verstand die Welt nicht mehr, und Diethelm machte ihn noch richtig konfus.
Dieser beugte sich wieder zu ihm vor, sah ihm eindringlich in die Augen. „Sind Sie sicher, dass der Typ nicht sonst noch etwas gegen Sie hat?“
Hardy zuckte ratlos mit den Schultern. Er wusste keine Antwort auf die vielen Fragen, die in seinem Kopf herumschwirrten. „Ich kenne ihn ja nicht einmal.“
„Vielleicht brauchte er ein Opfer.“
„Für den Mord?“, fragte Hardy zweifelnd.
Diethelm schüttelte den Kopf. „Nein. Aber für etwas anderes. Vielleicht hatte er vor, Sie ans Messer zu liefern und Ihnen etwas unterzuschieben.“
„Oh mein Gott! Warum?“, hauchte Hardy entsetzt.
Diethelm zog neugierig die Brauen in die Höhe, runzelte dabei die Stirn. „Was glauben Sie?“
„Er hat mich erpresst. Seinetwegen sollte ich den Einbruch machen, aber …“
„Er hat Sie erpresst?“
Hardy nickte. „Weil ich mich von einer Dame zu einem One-Night-Stand einladen ließ.“ Er hörte den Kommissar heftig atmen, der eins und eins zusammenzählte und seine Schlüsse daraus zog.
„Waren Sie schon zu Hause und haben nachgesehen, ob er da war und etwas zurückgelassen hat?“
Hardy wurde blass. „Was sagen Sie da?“
„Ich vermute, dass er Ihnen vielleicht außer dem Diebstahl noch etwas anderes unterjubeln wollte!“
„Weshalb sollte er?“, fragte Hardy verständnislos. Er war so perplex, dass er gar nicht mehr klar denken konnte. Doch kaum war die Frage heraus, war ihm die Antwort plötzlich klar. „Ah, ich verstehe. Sie denken, er hat mir etwas untergeschoben, das mich belastet?“
Diethelm nickte.
„Was könnte das sein?“
„Sagen Sie es mir, Klüver.“
„Ich habe keinen blassen Schimmer.“
„Wir werden das überprüfen.“
Der Kommissar nickte ihm zu und machte Anstalten, sich zu entfernen, als Hardy seinen Wohnungsschlüssel aus der Manteltasche zog. „Hier haben Sie meinen Schlüssel. Sie brauchen keinen Durchsuchungsbeschluss.“
Diethelm sah überrascht auf ihn hinab und griff danach. Allem Anschein nach war er überzeugt von seiner Unschuld. „Okay, gut. Es könnte eine Weile dauern.“
Hardy nickte. „Lassen Sie sich ruhig Zeit, ich bin ja hier gut aufgehoben. Aber wenn ich bitte meine Freundin anrufen dürfte. Sie wird sich inzwischen sicher Sorgen machen.“
Diethelm nickte. „Kaspar wird Ihnen Ihr Handy bringen.“
Es dauerte Stunden, bis der Kommissar zurückkehrte. Draußen begann es bereits zu tagen.
Hardy war vor Erschöpfung am Tisch eingeschlafen und schreckte hoch, als die Türe aufging.
„Die Leute von der Spurensicherung waren gründlich“, erklärte Diethelm, als er übernächtigt in den Untersuchungsraum trat. Er warf eine schwarze Tasche mit Schulterhenkel auf den Tisch.
Hardy seufzte. Er erwartete das Schlimmste und das schien Diethelm schon mitgebracht zu haben! Fragend blickte er ihn an. „Was ist das?“
„50.000 Euro von dem Überfall auf die Ersparniskasse von letzter Woche, bei dem es einen Toten gegeben hat! Haben wir in Ihrem Schrank gefunden.“
Hardy klappte der Mund auf. „Die Tasche gehört mir nicht! Ich habe nichts verbrochen!“, versuchte er sich jäh zu rechtfertigen.
Diethelm nickte. „Und wenn, dann waren Sie schlau genug. Es gibt keine Fingerabdrücke von Ihnen darauf.“
„Was haben Sie sonst noch für tolle Nachrichten für mich?“, fragte Hardy frustriert.
Diethelm lächelte. „Angesichts der Tatsache, dass ich nicht glaube, dass Sie sich selbst mit all dem belasten würden, wenn Sie am Überfall beteiligt gewesen wären, haben unsere Forensiker gewaltsames Eindringen mittels eines Dietrichs und Abdrücke von Handschuhen an Ihrer Wohnungstüre festgestellt. Der wichtigste Fakt aber sind die Fußabdrücke, die der Täter beim Eindringen auf Ihren Fliesen hinterlassen hat!“
Genau, draußen lag Schnee und die Sohlen mussten feucht gewesen sein!
„Die Profilspuren passen auch in der Größe zu keinem von Ihren Schuhen.“
„Gott sei Dank!“ Erleichtert lehnte sich Hardy in seinem Stuhl zurück und erlaubte sich aufzuatmen.
„Ihre Freundin und Nachbarn haben zudem bestätigt, Sie am Tag des Überfalls gesehen zu haben oder bei Ihnen gewesen zu sein.“
„Ja, das stimmt.“
„Der Plan war wirklich schlau eingefädelt. Sie wären das Opfer und für uns der Täter gewesen!“
„Aber ich war’s nicht!“, beteuerte Hardy geschockt.
Diethelm nickte. „Sie haben Glück, es scheint Ihr Weihnachtsgeschenk zu sein. Ihre Statur und auch ihre Stimme passen nicht ins Schema, das die Kameras aufgezeichnet haben. – Tja, Herr Klüver, ich schätze, dass Sie uns geholfen haben und sich selbst auffliegen ließen, wird der Richter in seiner Urteilsbegründung berücksichtigen. In diesem Fall kann Ihnen lediglich Hausfriedensbruch und versuchter Diebstahl zur Last gelegt werden. Viel werden Sie dafür vermutlich nicht kassieren. Und wenn Steiger großherzig genug ist, auf eine Anzeige zu verzichten, könnten Sie mit einem blauen Auge davonkommen.“
„Und was ist mit Glöckner?“
Diethelm lächelte vergnügt. „Der Gute wird uns gleich selbst Rede und Antwort stehen müssen. In seiner Wohnung haben wir die Dokumente gefunden, mit denen er Sie und noch weitere Personen erpresst hat. Außerdem einen geheimen Raum hinter dem Spiegel, von dem aus er Sie gefilmt hat. Die Sache dürfte noch interessant werden und ich bin gespannt, wie groß sein Netzwerk ist und wer alles mit dazu gehört. Aber ich will Sie nicht länger langweilen. Draußen steht Ihre Freundin und Ernst Steiger möchte Ihnen zuerst auch noch etwas sagen, glaube ich.“ Der Polizeichef erhob sich.
Hardy fand kaum genug Zeit, um sich zu bedanken, aber er blieb im Raum. Mit einem Grinsen öffnete er die Tür zum Korridor und ein elegant gekleideter, sympathischer, älterer Herr mit ergrauten Schläfen trat ein.
„Klüver!“ Er streckte ihm fast überschwänglich die Hände entgegen, um seine zu ergreifen.
Hardy senkte unter dem strengen Blick den Kopf und studierte seine Stiefelspitzen. Er kam sich in seiner Tracht inzwischen ziemlich lächerlich vor. „Ich … es tut mir leid. Und es tut mir leid für Ihren Schwiegersohn“, murmelte er ungemütlich.
Er war ganz erstaunt, dass Steigers Stimme ziemlich gelassen, sogar fast fröhlich klang: „Na ja, unser Verhältnis war nie richtig gut. Aber ich hätte nicht gedacht, dass er so weit gehen würde.“
Als Hardy den Kopf hob, zuckte er gleichgültig mit den Schultern. „Wie ich hörte, sind Sie von der Polizei ja für die andere Sache entlastet worden.“
Hardy nickte unruhig. Es gefiel ihm nicht, dass der Mann so fies lächelte. Wenn Steiger Anzeige erstattete, landete er trotz allem im Loch!
Dessen Stimme hörte sich streng an, als er erklärte: „Ich habe einen Auftrag für Sie. Ablehnen ist nicht möglich!“
„Ja?“ Das klang gar nicht gut. Nervös blickte Hardy zu ihm hoch.
„Wir möchten Sie gern morgen Abend an unserem Weihnachtsfest dabeihaben“, sagte Steiger und strahlte dabei über beide Backen wie ein Honigkuchenpferd.
Hardy fühlte, wie ihm die Knie weich wurden, weil die Anspannung plötzlich so abrupt nachließ, und er war froh, dass er saß. Erleichtert stieß er einen abgrundtiefen Seufzer aus.
„Als Nikolaus, versteht sich!“, lächelte Steiger verschmitzt.
Hardy nickte hastig und erlaubte sich aufzuatmen. „Wenn das alles ist, dann mit Vergnügen, Herr Steiger. Sofern mich der Kommissar überhaupt rauslässt.“
„Das überlassen Sie mal schön mir, mein Junge. Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite. Sie haben mir nicht nur das Leben, sondern auch mein Vermögen gerettet. Und wenn Sie an Weihnachten von Ihren Taten geläutert worden sind, kann Kommissar Diethelm auch nichts gegen einen Neuanfang einzuwenden haben, nicht wahr, alter Freund?“
Dieser nickte. „Sie kriegen eine zweite Chance, Klüver. Weil Weihnachten ist. Nutzen Sie sie mit Bedacht und weise.“
Hardy nickte ernst. „Das werde ich, meine Herren, dessen können Sie versichert sein.“
„Na dann auf Nimmerwiedersehen, Klüver.“
Diethelm öffnete ihm die Türe, und er fiel Priscilla weinend in die Arme.
Pünktlich trafen die beiden fürs Galadinner im Hotel ein, und als es Zeit war, tauchte Hardy als Nikolaus in seiner roten Kluft unter den Gästen auf.
Die Kerzen des Weihnachtsbaums und sein erhitztes Gesicht leuchteten um die Wette, während er sich die Ferse der Kinder anhörte und ihnen dann kleine Geschenke verteilte.
Von den Schulden und dem Erpresser befreit und seine Freundin Priscilla im Arm, war diese Weihnachtsfeier eine der schönsten, die Hardy bisher erlebt hatte. Und der Gesang der Gäste, von Klavier und Querflöte begleitet, klang in seinen Ohren wie ein Engelschor.
ENDE
von Hans-Jürgen Raben
1. Kapitel
»Hast du inzwischen darüber nachgedacht, was wir tun können, um aus dieser misslichen Situation herauszukommen?«
Alexandra Gräfin von Salassi war immer noch eine sehr attraktive Frau. Allerdings war der Zeitaufwand beträchtlich, mit dem sie versuchte, den Prozess der Alterung aufzuhalten. Jede neue Idee, die sie in einer der einschlägigen Zeitschriften las, griff sie begierig auf. Sie hatte schon alles versucht, einschließlich eines persönlichen Trainers, musste sich jedoch allmählich eingestehen, dass letztlich nichts das Alter besiegen konnte.
Immerhin blieb ihre Figur seit Jahren unverändert, dank einer der zahlreichen Diäten, an die sie sich jeweils streng hielt.
Alexandra schlug die Beine übereinander und griff nach der Teetasse aus dünnem Porzellan, die auf einem kleinen Beistelltisch stand. Dass dabei der seidene Morgenmantel, den sie trug, ein wenig auseinanderklaffte und den Blick auf ihren Oberschenkel freigab, schien sie nicht im Geringsten zu stören, obwohl auf der Couch gegenüber ein Mann saß, der sie musterte.
Das war Yannick, ihr jüngerer Bruder. Er war fast zehn Jahre jünger und ihr Berater in allen Lebenslagen. Außerdem war er der einzige Mensch, dem sie wirklich vertraute. Eigentlich war er nur ihr Halbbruder, denn sie besaßen verschiedene Väter.
Ihre Mutter war nie verheiratet gewesen, stammte aus ziemlich zerrütteten Verhältnissen und war schon früh in die Drogenszene abgerutscht. Der Alkohol tat sein Übriges, und sie war gestorben, als ihr Sohn Yannick noch keine drei Jahre alt war. Die Kinder hatten das Glück, in eine Münchener Pflegefamilie zu kommen, die gute Verbindungen in die sogenannten besseren Kreise besaß.
Alexandra erkannte ihre Chancen. Schon früh hatte sie begriffen, dass ihr Aussehen sowie die guten Manieren, die sie von den Pflegeeltern gelernt hatte, ihr bestes Kapital waren. Ihre Bildung war begrenzt, wurde jedoch durch eine rasche Auffassungsgabe und ihre natürliche Intelligenz wettgemacht. So dauerte es nicht lange, bis sie das Interesse der Männerwelt weckte.
Was dann geschah, übertraf jedoch ihre kühnsten Erwartungen. Als sie gerade einundzwanzig Jahre alt geworden war, nahmen ihre Eltern sie zu einem der großen Bälle mit, die in München so beliebt waren. Sie trug ein elegantes Ballkleid und fühlte sich wie eine Prinzessin. Sie war aufgeregt wie noch nie in ihrem Leben, und als sie den Bekannten und Freunden der Familie vorgestellt wurde, kannte ihr Glück keine Grenzen.
Als schließlich ein leibhaftiger Graf an ihren Tisch trat und sie um einen Tanz bat, wurde sie fast ohnmächtig. Nur der auffordernde Blick ihrer Mutter ermunterte sie, dem sehr viel älteren Mann auf das Parkett zu folgen. Dieser eine Tanz blieb nicht ohne Konsequenzen. Es folgten Einladungen in feine Restaurants, zu Vernissagen oder zu privaten Festen. Alexandra war der Altersunterschied von fast dreißig Jahren wohl bewusst, doch sie hatte nicht die Absicht, sich diese einmalige Chance entgehen zu lassen.
Also geschah, was sich ihre Mutter noch mehr als sie selbst gewünscht hatte: Graf Harro von Salassi machte ihr einen Antrag. Ihre Bedenkzeit betrug weniger als zwanzig Sekunden.
Die Hochzeit war damals selbst für die an manche Übertreibungen gewohnte Münchener Gesellschaft ein besonderes Ereignis. Niemand wollte sich diese pompöse Show entgehen lassen. Hätte es Eintrittskarten dafür gegeben, wären sie sicher auf dem Schwarzmarkt zu horrenden Preisen verkauft worden. So aber mussten die Neugierigen auf eine Einladung warten.
Man munkelte, dass einige der Nichteingeladenen überstürzt eine Reise antraten, um eine Ausrede zu haben, falls jemand fragte, ob sie womöglich keine Einladung erhalten hätten. Diese Blöße wäre ja furchtbar gewesen. Dennoch wurde reichlich getuschelt, denn diese Hochzeit legte für längere Zeit die Rangordnung der Münchener Gesellschaft fest. Das lag vor allem an der vorgegebenen Sitzordnung während der Trauung in der Kirche.
Alexandra lächelte. Es war auf jeden Fall eine schöne Erinnerung.
»Warum grinst du so?«, unterbrach Yannick ihre Gedanken.
Alexandra vergaß die Gedanken an die Vergangenheit und konzentrierte sich wieder auf das aktuelle Problem. »Das Testament hat mich überrascht«, gab sie zu.
»Überrascht?«, rief ihr Bruder zornig. »Dein feiner Graf hat dir ein Almosen hinterlassen. Wie hast du dich auf so etwas nur einlassen können?«
Alexandra wirkte zerknirscht. »Was sollte ich denn tun? Er hat damals auf einem Ehevertrag bestanden. Das sei in seiner Familie üblich. Der Besitz müsse zusammengehalten werden. Im Übrigen sollte ich mir keine Sorgen machen. Er würde ausreichende Vorkehrungen treffen, um mich standesgemäß abzusichern.«
Yannick stand auf und blickte auf die Leopoldstraße hinunter. »Hast du dich nie gefragt, was diese Aussage bedeuten könnte?«
Alexandra hob die Schultern. »Ich war jung, und ich hatte keine Ahnung. Ich wusste alles über Mode oder Kosmetik, aber nichts über Geschäfte oder gar über Geldanlage. Ich war einfach nur glücklich, eine solch gute Partie gemacht zu haben.«
Yannick drehte sich zu seiner Schwester um. »Ein gutes Leben hattest du, das muss ich zugeben. Doch wie sieht es jetzt mit deinem Leben als Witwe aus?«
Er setzte sich wieder.
»Mich hast du auch nicht gerade verwöhnt«, fügte er nach einer Pause giftig hinzu. »Aber jetzt brauchst du meinen Rat.«
»Du warst doch immer schon mein Berater. In meiner Ehe blieben mir keine großen Möglichkeiten, dir zu helfen. Sicher, der Graf war großzügig, doch andererseits hat er sehr darauf geachtet, wofür sein Geld ausgegeben wurde.«
»Es ist kurz vor Weihnachten. In den letzten Jahren konnte ich mich immer auf ein schönes Geschenk freuen«, sinnierte Yannick. »Damit ist es leider auch vorbei.