Ein kriminelles Weihnachtsfest – Sein letzter Vorhang - Hans-Jürgen Raben - E-Book

Ein kriminelles Weihnachtsfest – Sein letzter Vorhang E-Book

Raben Hans-Jürgen

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Beschreibung

Weihnachten, für den Großteil der Menschen das Fest der Liebe, der Besinnung, der Freude und der Gemeinschaftlichkeit; doch es gibt auch einige, für die ist es ein »Fest« des Hasses, des Neides und der Kaltblütigkeit. Und diese Menschen nehmen Weihnachten zum Anlass, sich an ihren Mitmenschen zu rächen, sie zu hintergehen, sie zu betrügen oder manchmal auch aus dem Weg zu räumen …
Zu »Sein letzter Vorhang«: Hauptkommissar Cornelius Brock, seines Zeichens Mordermittler bei der Hamburger Kriminalpolizei, mustert aus alter Gewohnheit seine Umgebung gründlich. Nur noch wenige Stühle sind leer.
Er hat es doch noch geschafft, den Wunsch seiner Freundin Julia Klein zu erfüllen, und mit ihr noch rechtzeitig vor diesem Feiertag eine Vorstellung in diesem Revuetheater an der Reeperbahn zu besuchen.
Es wird ein unvergessener Abend für alle Anwesenden – leider keiner, den man sich in seinen kühnsten Träumen wünschen würde, denn während der Vorstellung geschieht ein Mord. Brock beginnt sofort mit den Ermittlungen und macht eine grausige Entdeckung …


In diesem Band sind folgende Weihnachts-Krimis enthalten:
› Sein letzter Vorhang: Ein Fall für Brock – von Hans-Jürgen Raben
› Mord im Berghotel – von Rainer Keip
› Hüttenwanderung – von Stefan Lochner
› Das Erbe des Patriarchen: Ein Fall für Brock – von Hans-Jürgen Raben
› Die Reise einer alten Dame – von Rainer Keip
› Kerzenjammer – von Stefan Lochner

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Hans-Jürgen Raben, Rainer Keip & Stefan Lochner 

 

 

 

Ein kriminelles Weihnachtsfest

- Sein letzter Vorhang -

 

 

 

 

6 Krimis zum Fest

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Sofia Steinbeck nach Motiven, 2023

Korrektorat: Katharina Schmidt, Kerstin Peschel, Sandra Vierbein

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Das Copyright auf den Text oder andere Medien und Illustrationen und Bilder erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren. Es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen , welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv.

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Sein letzter Vorhang 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

Mord im Berghotel 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

Hüttenwanderung 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

Das Erbe des Patriarchen 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

Die Reise einer alten Dame 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

Kerzenjammer 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

Folgende Weihnahtbände sind ebenfalls erhältlich: 

 

Das Buch

 

 

 

Weihnachten, für den Großteil der Menschen das Fest der Liebe, der Besinnung, der Freude und der Gemeinschaftlichkeit; doch es gibt auch einige, für die ist es ein »Fest« des Hasses, des Neides und der Kaltblütigkeit. Und diese Menschen nehmen Weihnachten zum Anlass, sich an ihren Mitmenschen zu rächen, sie zu hintergehen, sie zu betrügen oder manchmal auch aus dem Weg zu räumen …

Zu »Sein letzter Vorhang«: Hauptkommissar Cornelius Brock, seines Zeichens Mordermittler bei der Hamburger Kriminalpolizei, mustert aus alter Gewohnheit seine Umgebung gründlich. Nur noch wenige Stühle sind leer.

Er hat es doch noch geschafft, den Wunsch seiner Freundin Julia Klein zu erfüllen, und mit ihr noch rechtzeitig vor diesem Feiertag eine Vorstellung in diesem Revuetheater an der Reeperbahn zu besuchen.

Es wird ein unvergessener Abend für alle Anwesenden – leider keiner, den man sich in seinen kühnsten Träumen wünschen würde, denn während der Vorstellung geschieht ein Mord. Brock beginnt sofort mit den Ermittlungen und macht eine grausige Entdeckung …

 

In diesem Band sind folgende Weihnachts-Krimis enthalten:

› Sein letzter Vorhang: Ein Fall für Brock – von Hans-Jürgen Raben

› Mord im Berghotel – von Rainer Keip

› Hüttenwanderung – von Stefan Lochner

› Das Erbe des Patriarchen: Ein Fall für Brock – von Hans-Jürgen Raben

› Die Reise einer alten Dame – von Rainer Keip

› Kerzenjammer – von Stefan Lochner

 

 

***

 

 

Sein letzter Vorhang

 

Ein Fall für Brock

 

von Hans-Jürgen Raben

 

 

1. Kapitel

 

Der dunkelrote Vorhang war noch geschlossen.

Die kleine Bühne an der Längsseite des großen Raumes ragte halbkreisförmig in den Zuschauerbereich, in dem zahlreiche Stühle um kleine Tische herum gruppiert waren. Während der Vorstellung wurden Getränke serviert, und im Augenblick hatten die Kellner alle Hände voll zu tun, den Wünschen der Besucher nachzukommen.

Nur die Leute auf der Galerie genossen diesen Service nicht. Dort gab es keine Tische, sondern nur Bankreihen, die aus der Zeit stammten, als dieses Theater noch ein Kino gewesen war. Dennoch waren auch dort fast alle Plätze besetzt.

Hauptkommissar Cornelius Brock, seines Zeichens Mordermittler bei der Hamburger Kriminalpolizei, musterte aus alter Gewohnheit seine Umgebung gründlich. Nur noch wenige Stühle waren leer. Ein Geräuschpegel aus Stühlerücken, Gläserklirren und Gesprächsfetzen erfüllte den Raum, überlagert von einem spürbaren Gefühl der Erwartung auf einen angenehmen Abend.

Brock wusste, dass dieses Revuetheater an der Reeperbahn zu den großen Attraktionen des Hamburger Vergnügungsviertels zählte.

Genau aus diesem Grund war er hier.

Es war zwei Tage vor Weihnachten, und er hatte seiner Freundin Julia Klein versprochen, dass er ihren Wunsch erfüllen und sie noch rechtzeitig vor diesem Feiertag eine Vorstellung in diesem Theater erleben würden.

Er hatte Glück gehabt, denn es waren fast die letzten Karten, die er bekommen hatte. Es war die teuerste Kategorie, aber immerhin saßen sie dicht vor der Bühne, und eine Flasche Sekt gehörte auch dazu.

Brock musterte Julia, die interessiert das Faltblatt mit dem Programm studierte. Sie waren nun schon eine ganze Zeit zusammen, obwohl sie noch getrennte Wohnungen besaßen. Julia Klein war Zollinspektorin im Hamburger Hafen und hatte, ebenso wie Brock, oft Dienstzeiten außerhalb des normalen Büroalltags. Diese Tatsache hatte den Vorteil, dass sie Verständnis für seine Terminverschiebungen oder kurzfristige Absagen hatte.

Cornelius Brock musste sich eingestehen, dass er sich immer stärker zu ihr hingezogen fühlte. Julia war mit Mitte dreißig ein paar Jahre jünger als er und zog mit ihrem Aussehen so manchen männlichen Blick auf sich.

Sie hatte ein elegantes schwarzes Etui-Kleid gewählt, in dem ihre schlanke und sportliche Figur gut zur Geltung kam. Er selbst hatte statt seines normalen Outfits mit Jeans und Lederjacke einen seiner beiden Anzüge ausgesucht, die er nur selten zur Geltung brachte. Und er fand, dass sie ein gutes Paar abgaben.

Den Heiligen Abend würden sie nicht zusammen verbringen. Der gehörte Julias Familie. Brock war dazu herzlich eingeladen, fühlte sich aber immer noch als Fremdkörper, da es in der Familie sehr traditionell zuging. Da wurde die Weihnachtsgeschichte verlesen, Lieder wurden gemeinsam gesungen, und alle saßen voller Andacht um den buntgeschmückten Christbaum. Julia hatte Verständnis für sein Fernbleiben.

Brock hoffte, dass er demnächst auch das Weihnachtsfest zusammen mit seiner Freundin verbringen könnte. Ein gutes Essen, eine gute Flasche Wein und danach noch ein paar andere gemeinsame Dinge – das entsprach eher seiner Vorstellung von einem solchen Fest.

»Transvestiten treten auch auf«, sagte Julia. »Du wirst es kaum glauben können, aber ich war noch nie in einem solchen Theater.«

Brock lächelte. »Ich auch nicht, hatte in dem einen oder anderen Fall jedoch mit solchen Menschen schon zu tun. Leider sind sie häufiger das Ziel von Aggressionen als andere.«

»Ja, das ist leider so.«

»Auf einen tollen Abend!« Brock hob sein Glas. Julia tat es ihm nach, und sie tranken. Ihre mandelförmigen Augen funkelten, und Brock spürte ein angenehmes Gefühl der Vorfreude auf die Dinge, die noch kommen würden.

Der große Raum war inzwischen gut gefüllt, und das Stimmengewirr hatte eine gewisse Lautstärke erreicht. An der Rückwand beherrschte ein riesiger Weihnachtsbaum den hinteren Teil des Raumes. Er war mit zahlreichen Lämpchen und vielen bunten Kugeln verschiedener Größen bestückt. Auch sonst hatte man an der Weihnachtsdekoration nicht gespart. Die Kellner trugen rote Mützen und eilten zwischen der langen Theke an der Schmalseite des Raumes und den Tischen hin und her. Bevor die Vorstellung begann, sollten schließlich volle Gläser vor den Gästen stehen.

Nur wenige Meter entfernt hatte man einige der kleinen Tische zu einem größeren Tisch zusammengeschoben. Dort saß in der Mitte ein älterer Mann mit grau meliertem Haar, gekleidet in einen teuer aussehenden Maßanzug. Er war der offensichtliche Mittelpunkt der Personengruppe aus einigen jüngeren Männern mit breiten Schultern und kurz geschorenen Haaren sowie drei jungen Frauen in zu kurzen Kleidern mit zu viel Make-up auf dem Gesicht. Brock konnte sich erinnern, den älteren Mann schon mal gesehen zu haben, zumindest ein Bild von ihm.

Die füllige Figur, das feiste Gesicht und die tiefliegenden Augen – vielleicht hatte es sich sogar um ein Polizeibild gehandelt. Nun, heute war er aus privaten Gründen ihr, und Brock verdrängte den Gedanken wieder.

In diesem Augenblick betrat ein Mann in einem grellkarierten, roten Anzug die Bühne, in der Hand ein drahtloses Mikrofon. Er stellte sich als Geschäftsführer vor, begrüßte die Gäste und kündigte die erste Nummer an.

Lautlos glitt der Vorhang zur Seite.

Das Bühnenbild war nur bedingt weihnachtlich. Es entsprach eher einer Revue der Zwanzigerjahre. Hinter einem Mikrofon stand eine Frau mit langen schwarzen Haaren und einer großen Brille. Sie trug ein weißes Kleid, das bis auf den Boden reichte. Musik setzt ein.

»Toll getroffen«, sagte Julia leise.

Brock sah sie fragend an, während die Frau auf der Bühne irgendetwas von weißen Rosen aus Athen sang.

Julia legte ihm die Hand auf den Arm. »Kennst du diese griechische Sängerin nicht? Ich komme nicht auf den Namen, aber das Lied war mal sehr bekannt.«

Im Stillen musste er lächeln, denn Julia schien nicht gemerkt zu haben, dass die Sängerin auf der Bühne in Wirklichkeit ein Mann war.

Doch Brock nickte nur verständnisvoll, und dann genossen sie die verschiedenen Nummern der Revue, bis der Vorhang zur Pause fiel.

 

 

2. Kapitel

 

Cornelius Brock und seine Freundin Julia hatten ihre Flasche Sekt bereits fast geleert, als der zweite Teil der Vorstellung begann. Brock trank lieber Wein, doch dieser Sekt schmeckte ihm. Er war ganz anders als das billige Zeug, das bevorzugt bei Geburtstagen von Kollegen angeboten wurde.

Während der Pause war es im Zuschauerraum wieder laut geworden. Viele strömten an den Bartresen, um sich noch rasch einen Drink zu gönnen, andere rauchten draußen vor der Tür ihre Zigarette. Brock nahm um sich herum kaum etwas wahr, denn sein Interesse war völlig auf Julia konzentriert.

Der Typ im roten Anzug erklomm erneut die Bühne. Er wartete einen Moment, bis es im Zuschauerraum ruhiger wurde.

»Liebe Gäste, wir beginnen den zweiten Teil der Show mit der unvergleichlichen Marlene als fesche Lola. Ich wünsche Ihnen weiterhin eine gute Unterhaltung. Begrüßen Sie unsere Marlene mit Beifall.«

Er verbeugte sich, stieg die zwei Stufen von der Bühne herunter und drehte sich um, während der rote Vorhang erneut zur Seite glitt.

Die Bühne blieb einen Moment dunkel, ehe sich ein einzelner Spot auf einen Bereich in der Mitte richtete. Auf einem Stuhl saß eine Person mit Strapsen, die an einem Mieder befestigt waren, auf dem Kopf eine wallende blonde Perücke. Ihr Kopf war nach vorne gesunken, die Arme hingen bewegungslos an den Seiten herunter. Sie rührte sich nicht.

Musik setzte ein, immer noch keine Bewegung.

Brock spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung.

Auch der Moderator schien zu begreifen, dass etwas nicht stimmte.

»Marlene?« Er flüsterte nur, doch Brock konnte ihn gut verstehen.

»Was ist denn mit ihr?«, fragte Julia leise.

Brock konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf die sitzende Person. Dann bemerkte er eine Einzelheit, die ihm bisher entgangen war. Auf der linken Seite des Kopfes ragte zwischen den blonden Strähnen irgendetwas dünnes heraus, an dessen Ende sich eine kleine schwarze Kugel befand. Auf den Haaren der Perücke hatte sich ein roter Fleck ausgebreitet.

Brock ergriff Julias Hand. »Ruf´ bitte sofort meine Dienststelle an. Du bist ja dort bestens bekannt, und sie erkennen deine Stimme. Ich brauche sofort ein paar Polizisten von der Davidwache, die ist ja nur zwei Minuten entfernt. Außerdem brauche ich meine Assistentin Vanessa Behr. Egal, wo sie ist, sie soll sofort herkommen. Sie hatte schließlich ein Jahr Dienst auf der Davidwache, und sie kennt sich hier bestens aus.«

Die letzten Worte verstand Julia kaum, denn Brock war bereits auf den Beinen und eilte auf die kleine Treppe zu, die auf die Bühne führte. Dort stand immer noch der Geschäftsführer und wusste offenbar nicht, was er tun sollte.

»Kommen Sie!«, rief Brock. »Und schließen Sie den verdammten Vorhang.«

Der Geschäftsführer stolperte ihm hinterher und gab einem anderen Mann, der aus der Kulisse lugte, ein Handzeichen. Sekunden später begann sich der Vorhang zu schließen.

»Jetzt gehen Sie wieder nach draußen und sagen dem Publikum, dass es eine kleine Panne gibt und alle auf ihren Plätzen bleiben sollen.«

Der Moderator nickte und verschwand. Brock hörte ihn draußen sprechen, konzentrierte sich jedoch auf die reglose Person in der Mitte der Bühne. Er trat näher und legte seine Finger auf die Halsschlagader.

Da war nichts.

Er probierte es auf der anderen Seite des Halses. Kein Puls.

Brock hatte es als Ermittler der Mordkommission häufiger mit Toten zu tun gehabt, als ihm lieb war.

Für ihn bestand kein Zweifel. Diese Person war tot. Und sie war eindeutig keines natürlichen Todes gestorben. Denn das Ding, das aus ihrem Kopf ragte, gehörte ganz sicher nicht zu ihrem Kostüm.

Weitere Leute waren aus der Kulisse getreten. Manche in Arbeitskleidung, andere in glitzernden Kostümen. Alle starrten bestürzt auf die Person in der Bühnenmitte.

»Was ist mit Manuela?«, hörte er jemanden fragen.

Brock zeigte seinen Ausweis und schwenkte ihn im Kreis herum. »Ich bin von der Kriminalpolizei. Halten Sie bitte Abstand und fassen Sie nichts an.«

»Ist sie … ist sie … tot?«, fragte ein anderer.

Brock reagierte nicht, sondern beugte sich zu dem kleinen Gegenstand, der zwischen der Perücke herausragte.

»Hat jemand Handschuhe für mich?«

Eine kostümierte Frau – oder war es ein Mann? – trat auf ihn zu. »Hier, Sie können meine haben.«

Ein Paar bestickter roter Handschuhe, die bis zum Ellenbogen reichten, wurden ihm entgegengestreckt. Erstaunlicherweise passten sie sogar.

Brock schob das Haar zu Seite und sah, dass der unbekannte Gegenstand eine Art Nadel war, die aus dem linken Ohr ragte. Ein dünner Blutfaden war weitgehend von der Perücke aufgesogen worden.

Er hob den Kopf. »Weiß jemand, was das ist?«

Allgemeines Nicken in der Runde. Brock sah den am nächsten stehenden kostümierten Mann fragend an.

Der wischte sich Tränen aus den Augen. »Das ist eine Hutnadel. Sie ist mindestens zwanzig Zentimeter lang. Ich kann es nicht glauben.«

Brock schätzte die Länge des sichtbaren Teils der Nadel, und ihm war klar, dass sie weit in das Gehirn hineingestoßen worden war. Eine solche Verletzung musste absolut tödlich sein.

Brock griff zu seinem Mobiltelefon und betätigte eine Kurzwahltaste. Er brauchte die Rechtsmedizin, die Spurensicherung, eben das gesamte Programm. So hatte er sich einen angenehmen Abend mit Julia nicht vorgestellt.

Einer der Umstehenden schluchzte laut. »Die arme Marlene …«

»Das ist doch nicht ihr richtiger Name, oder?«

Der Angesprochene trat vor. Ein eher zierlicher Mann in einem ähnlich knappen Kostüm wie der Tote auf dem Stuhl. Außerdem trug er darüber eine riesige Federboa. »Das ist Rolf Wegener. Er tritt bei uns nur gelegentlich auf. Eigentlich ist er Steuerberater. Sein Büro ist ganz in der Nähe.«

»Er gehörte also nicht zum festen Ensemble?«, fragte Brock.

Der Mann mit der Federboa schüttelte den Kopf. »Nein, aber er hatte viel Spaß an seinen Auftritten. Und seine Nummer als Marlene Dietrich war köstlich, das Publikum mochte seine Darbietung. Er brachte es immer auf drei oder vier Vorhänge.«

Brock sah den Sprecher fragend an.

»Im Theater wird der Erfolg beim Publikum oft durch die Zahl der Vorhänge bestimmt. Sie wissen schon, der Vorhang schließt sich, und das Publikum klatscht weiter. Also geht der Vorhang wieder auf, und je häufiger das geschieht, umso besser ist der Erfolg.«

»Dann hatte er heute seinen letzten Vorhang«, sagte einer der Umstehenden bekümmert.

»Besser als ich war Rolf auch nicht«, mischte sich eine weitere Stimme mit einem wütenden Unterton ein.

Sofort entstand eine lautstarke Auseinandersetzung, und alle Beteiligten hatten den Toten offenbar vergessen. Brock hatte den Eindruck, dass er einen Streit unter Teenagern erlebte.

»Bitte, meine Damen und Herren, denken Sie daran, wo Sie sich befinden.«

Alle schwiegen sofort beschämt.

Brock wollte gerade eine weitere Frage stellen, als sich der Vorhang bewegte. Ein uniformierter Polizist drängte sich hindurch und warf einen raschen Blick in die Runde. Cornelius Brock war von ihm in seinem dunklen Anzug inmitten der bunt gekleideten Truppe sofort zu erkennen.

Der Polizist legte die Hand an die Mütze. »Sie müssen Hauptkommissar Brock sein. Ich bin Hauptmeister Schäfer von der Davidwache. Was können wir tun?«

»Sie haben hoffentlich ein paar Kollegen mitgebracht?«

Schäfer nickte, wobei er neugierig auf den Toten starrte. »Ja, vier Leute warten im Zuschauerraum.«

»Sehr gut. Ich bitte Sie, alle Ausgänge zu sichern. Der Geschäftsführer draußen wird Ihnen sagen können, wo Sie Ihre Leute postieren müssen. Bitten Sie die Besucher, sich noch etwas zu gedulden. Wir müssen auf jeden Fall ihre Personalien festhalten. Das geht am schnellsten, wenn Sie ihre Ausweise fotografieren.«

Schäfer salutierte erneut. »Wird gemacht.«

Der Vorhang bewegte sich leicht, und Julia steckt ihren Kopf durch den entstandenen Spalt. »Kann ich irgendwie helfen?«

Brock ging zu ihr hinüber. Sie wirkte sehr ruhig, und er wusste, dass sie in ihrem Job schon Schlimmeres gesehen hatte.

»Ja, das könntest du. Im Zuschauerraum befinden sich bestimmt mehr als zweihundert Personen. Ich weiß, dass du eine hervorragende Beobachtungsgabe besitzt. Du könntest helfen, diejenigen Personen zu identifizieren, die während der Pause den Raum nicht verlassen haben. Da sie als Täter nicht infrage kommen, können Sie als Erste gehen.«

Julia nickte Hauptmeister Schäfer zu. »Na, dann los!«

Brock wollt ihr noch nachrufen, wie leid es ihm täte, dass ihr gemeinsamer Abend kurz vor Weihnachten so enden würde, doch sie war schon wieder verschwunden.

Das Stimmengewirr vor dem Vorhang wurde lauter, und Brock hörte, wie der Geschäftsführer mit seinem Mikrofon versuchte, alles unter Kontrolle zu halten.

 

 

3. Kapitel

 

»Eine Hutnadel …«, sagte Doktor Bernd Fischer verwundert. »Das habe ich auch noch nie gesehen.«

Der Rechtsmediziner war mit seinem Team vor zwei Minuten erschienen. Er streifte sich Handschuhe über und ging einmal um den Toten herum.

Sie waren jetzt allein auf der Bühne. Nur der Geschäftsführer in seinem rotkarierten Anzug stand an der Seite und machte ein besorgtes Gesicht. Brock hatte ihn gebeten, für Fragen zur Verfügung zu stehen. Die Darsteller und die Techniker hatte er in die Garderobe beziehungsweise in die kleine Kantine des Theaters verbannt, wo sie bis zu ihrer Vernehmung warten sollten.

Brock kannte Doktor Fischer gut. Er musste oft genug zu ihm in die Rechtsmedizin, die auf dem Gelände des Universitätsklinikums Eppendorf lag, wenn es um die Teilnahme an einer Autopsie ging. Diesen Teil seiner Arbeit mochte er am wenigsten. Seine Scheu vor dem Tod hatte er nie überwinden können.

Fischer musterte die tödliche Wunde, die man Rolf Wegener beigebracht hatte, aus nächster Nähe.

»Da wusste jemand, was er tat«, murmelte er. »Keine Abwehrverletzungen, als ob der Tote einfach dagesessen und den tödlichen Stich erwartet hätte.«

»Das bedeutet, dass er den Täter gut kannte und ihn dicht an sich herangelassen hat. Vielleicht hat der Mörder so getan, als ob er ihm mit der Hutnadel helfen wollte, die Perücke zu befestigen. Das Mordopfer hat offenbar überhaupt nicht damit gerechnet, dass die Hutnadel als Waffe verwendet werden könnte.«

Hauptkommissar Brock winkte den Geschäftsführer heran. »Ich habe Sie noch gar nicht nach Ihrem Namen gefragt.«

»Mein Name ist Thorsten Janssen. Ich habe hier vor zehn Jahren als Bühnenarbeiter angefangen, und seit vier Jahren bin ich Geschäftsführer. Ich bin praktisch für alles verantwortlich, was in diesem Theater passiert.«

»Aber Sie sind nicht der Eigentümer, oder?«

Janssen schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Das Theater gehört Herrn Hellmann. Er besitzt noch einige andere Betriebe auf dem Kiez. Er saß heute Abend mit einigen Freunden sogar im Zuschauerraum.«

»Gut zu wissen«, entgegnete Brock. »Wir werden uns sicher noch mit ihm unterhalten. Aber zunächst erzählen Sie mir bitte noch etwas über das Opfer, Herrn Wegener – oder Marlene, wenn es Ihnen lieber ist.«

»Rolf wurde von allen im Theater sehr gemocht. Wie Sie schon gehört haben, gehörte er nicht zur Stammbesetzung. Doch es war ihm sehr wichtig, mindestens einmal in der Woche einen Auftritt zu haben. Seine Interpretation von Marlene Dietrich war einfach hinreißend. Das Publikum liebte ihn. Rolf hatte einen Beruf, der ihm keinen Spielraum für seine Neigungen ließ. Deshalb genoss er diese Auftritte bei uns – und natürlich auch den Beifall.«

»Hat seine Rolle ein anderer übernommen, wenn er nicht hier war?«

Janssen zögerte ein wenig, bevor er antwortete.

»Nun, ja, das war Holger. Er war vorhin mit den anderen auch auf der Bühne. Vielleicht haben Sie ihn bemerkt. Ein großer kräftiger Mann. Er spielt schon seit vielen Jahren in unserem Theater. Sein Bühnenname ist Manuela, und auch er ist beim Publikum mit seinen Imitationen von bekannten Sängern sehr beliebt. Sein vollständiger Name ist Holger Bach.«

Cornelius Brock sah kurz zu Doktor Fischer hinüber, der gerade dabei war, die tödliche Nadel herauszuziehen. Rasch wandte er den Blick wieder ab.

»Ich habe vorhin herausgehört, dass es in der Truppe durchaus gewisse Eifersüchteleien gibt.«

Janssen hob die Schultern. »Sie können sich denken, dass unsere Künstler nicht so ganz einfache Charaktere sind. Da kann es schon mal zum Zickenkrieg kommen. Normalerweise kann ich die Gemüter immer beruhigen. Doch wenn Sie damit andeuten wollen, dass jemand einen Mord begeht, weil ein anderer gelegentlich seine Rolle spielt, dann liegen Sie sicher falsch. Unsere Künstler sind herzensgute Menschen.«

Brock lächelte. »Sie glauben nicht, wie oft ich so etwas schon gehört habe. Leider war es nicht immer die Wahrheit.«

»Könnten Sie mir kurz helfen?« Doktor Fischer sah Brock fragend an. »Ich will den Mann auf den Boden legen, um zu sehen, ob es noch weitere Verletzungen gibt.«

Der Rechtsmediziner stopfte gerade die kleine Mordwaffe in einen Beweismittelbeutel. Brock ging zu ihm hinüber.

Er streckte die Hand aus. »Darf ich mal sehen?«

Fischer drückte ihm den Plastikbeutel in die Hand. Die tödliche Waffe sah aus wie eine dünne Stricknadel, nicht besonders spitz, mit einer kleinen Kugel am Ende.

Fischer deutete auf die Kugel. »Das dürfte Elfenbein sein. Ich schätze, die Nadel ist ziemlich alt. Mit solchen Dingern befestigte man früher die großen Haarknoten oder auch Hüte auf der Frisur. Solche Nadeln sind schon lange aus der Mode gekommen.«

»Ich glaube, die Nadel gehörte Rolf Wegener.« Janssen war nähergetreten. »Ja, das ist seine. Er hat damit seine Perücke befestigt. Er war sehr stolz auf das antike Stück.«

Inzwischen waren die weiß gekleideten Kollegen der Spurensicherung eingetroffen. Brock gab einem von ihnen den Beutel, der sofort beschriftet wurde.

»Heben wir ihn vom Stuhl«, sagte Fischer, und Brock packte den Toten auf der anderen Seite. Dabei glitt die Perücke nach hinten, und ein kleiner Gegenstand, der darunter verborgen gewesen war, fiel auf den Boden.

Alle Blicke richteten sich darauf.

»Ein USB-Stick«, sagte Brock verwundert.

 

 

4. Kapitel

 

»Was kann ich tun?«

Vanessa Behr stand mitten auf der Bühne und musterte die auch für sie ungewohnte Umgebung.

Hauptkommissar Brock blickte mit einiger Bewunderung auf seine Assistentin. So hatte er sie noch nie gesehen. Sie trug ein kurzes dunkelrotes Kleid und auffällige große Ohrringe. Über ihre Schulter hing eine kleine schwarze Handtasche.

Sie bemerkte seinen Blick und hob entschuldigend die Hand. »Tut mir leid, aber ich war auf einer vorweihnachtlichen Party und bin sofort hierhergekommen, als mich der Anruf aus dem Präsidium erreichte. Es hätte zu lange gedauert, wenn ich erst nach Hause gefahren wäre.«

Brock grinste. »Ihr Outfit gefällt mir, aber für die tägliche Arbeit wäre es wohl ein wenig hinderlich.«

In der Mitte der Bühne stand nur noch der Stuhl, auf dem das Mordopfer gesessen hatte. Die Leiche war inzwischen abtransportiert worden. Doktor Fischer hatte versprochen, die Obduktion, wenn irgend möglich, noch vor Weihnachten zu erledigen.

»Die Party war nicht besonders aufregend.« Die junge Kriminalbeamtin zupfte an ihrem Kleid.

»Ich habe sie hergebeten, weil Sie ein Jahr auf der Davidwache Dienst getan haben, und ich dachte mir, dass Sie sich in dieser Szene besser auskennen als ich. Und ich habe bemerkt, dass sie Herrn Janssen bereits kennen.«

Der Geschäftsführer trat näher. »Ja, ich kenne Frau Behr. Ich kann mich gut an sie erinnern, als sie eines Abends beherzt eingegriffen hat, bevor es zu einer größeren Schlägerei nach der Vorstellung kam.«

Brock hielt viel von seiner Assistentin, und dies war eine erneute Bestätigung, dass sie eine Bereicherung für sein Team war. Sie würde in Kürze offiziell als Kommissaranwärterin ihre Karriere bei der Kriminalpolizei beginnen.

»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Damen – oder Herren – befragen, wo sie sich genau zur Tatzeit aufgehalten haben. Ist ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen? War jemand auf oder hinter der Bühne, der nicht zum Theater gehört? Sie wissen ja selber, was Sie fragen müssen. Sie finden die Betreffenden in der Garderobe.«

Vanessa nickte und verschwand zwischen den Kulissen. Sie schien genau zu wissen, welchen Weg sie nehmen musste.

Brock wandte sich an den Geschäftsführer in seinem roten Anzug. »Wir müssen uns darüber unterhalten, wer zur fraglichen Zeit Zugang zur Bühne hatte, und ich muss wissen, auf welchem Wege man die Bühne erreicht.«

»Vom Zuschauerraum aus ist die Bühne nur über die kleine Treppe direkt zu erreichen. Einen weiteren Zugang gibt es von dem Flur, der zum hinteren Notausgang führt. Er befindet sich rechts neben der Bühne. Die Tür neben dem Tresen führt in die Küche und das Lager. Von dort gibt es keinen Zugang zur Bühne. Von der Rückseite des Hauses gibt es außerdem noch einen Zugang, der zum hinteren Bereich der Bühne führt. Die Tür lässt sich aber nur mit einem vierstelligen Code öffnen, den man auf einem Tastenfeld eingeben muss.«

Brock nickte langsam. Er tastete nach dem USB-Stick in seiner Tasche, den die Spurensicherung bereits nach Fingerabdrücken abgesucht hatte. Auch die beiden Kollegen in ihren weißen Anzügen waren zunächst wieder verschwunden. Sie hatten nichts Verdächtiges finden können, würden aber in voller Besetzung am nächsten Tag wiederkommen, um nach Spuren zu suchen.

In seiner Tasche befand sich außerdem ein kleines Kästchen, und ihm fiel ein, dass er immer noch das Weihnachtsgeschenk für seine Freundin bei sich trug. Eine dünne goldene Halskette mit einem Gold-Anhänger in Herzform. Eigentlich wollte er das Geschenk nach der Vorstellung überreichen, doch jetzt war sicher nicht die richtige Gelegenheit dafür.

Brock ging zum Vorhang und schob ihn ein Stück zur Seite. Wo war Julia eigentlich?

Sie stand neben zwei uniformierten Polizisten am Ausgang und half offensichtlich dabei, die Ausweise der Gäste zu fotografieren, die das Theater verließen. Nur noch wenige Personen befanden sich im Zuschauerraum, darunter der ältere Typ in seinem Maßanzug, der ihm bereits aufgefallen war und der mit seiner Entourage immer noch an seinen Platz saß. Dass hier gerade ein Mord verübt worden war, schien die Truppe nicht zu stören. Die Stimmung wirkte ausgelassen, und alle schienen sich köstlich zu amüsieren.

Brock schloss die Lücke im Vorhang und wandte sich wieder an Thorsten Janssen, den Geschäftsführer des Revue-Theaters.

»Was können Sie mir noch über Rolf Wegener erzählen?«

»Da fragen Sie besser Herrn Bach. Sie wissen schon, Holger Bach. Er kannte ihn am besten. Sie waren vielleicht nicht unbedingt befreundet, aber sie haben oft miteinander gesprochen.«

»Gut, danke. Ich habe allerdings noch eine andere Frage. Im Zuschauerraum sitzt noch eine fröhliche Runde, einige Herren in der Gesellschaft sehr junger Damen. Haben Sie eine Ahnung, um wen es sich handelt?«

Janssen lächelte müde. »Ich weiß, wen Sie meinen. Das ist Herr Hellmann mit seiner Begleitung. Ihm gehört das Theater – und noch einiges andere auf dem Kiez. Er lädt gerne seine Freunde zu den Vorstellungen ein. Das kostet ihn nicht viel, und er weiß, dass alle vor ihm dienern.«

Brock beobachtete den Geschäftsführer scharf, und ihm war sofort klar, dass es mit der Freundschaft zwischen den beiden Männern nicht sehr weit her war. Hellmann war der Chef, und er ließ es offenbar alle anderen spüren.

»Kannte Hellmann das Opfer?«

»Ob er das Opfer kannte? Na, ich denke schon. Rolf Wegener war schließlich sein Steuerberater.«

 

 

5. Kapitel

 

In der Garderobe roch es nach Schweiß und einer Vielzahl von Duftwässern aller Art. Die vielen Lampen, die um die Spiegel herum angeordnet waren, erzeugten eine Menge Wärme. Alle Gespräche erstarben, als Hauptkommissar Brock die Garderobe betrat.

»Ich würde gern mit Herrn Bach sprechen.«

Gelächter. Dann eine helle Stimme: »Carmen, er möchte mit dir sprechen.«

Der Mann vor dem letzten Spiegel drehte sich um. Er hatte sein Gesicht bereits halb abgeschminkt und sah deshalb etwas seltsam aus. Er hatte eine recht stämmige Figur und nur wenige Haare auf dem Kopf. Seine langhaarige Perücke lag vor ihm auf dem Tisch.

Brock besaß keine Vorurteile, was sexuelle Orientierungen betraf. Er hatte es in seinem Job schon mit allen möglichen Richtungen zu tun gehabt und war der Ansicht, dass niemand deswegen benachteiligt werden sollte. Dennoch fand er es immer etwas amüsant, wenn Männer mit Strapsen herumliefen. Er ging auf den Mann zu.

»Hauptkommissar Brock«, stellte er sich vor. »Ich würde mich gern mit Ihnen über Herrn Wegener unterhalten.«

Er sah sich um. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, und in der Garderobe herrschte erwartungsvolles Schweigen.

Dann fiel ihm auf, dass eine Person fehlte.

»Hat jemand von Ihnen meine Kollegin gesehen? Sie sollte eigentlich hier sein.«

»Sie ist in der Damengarderobe«, sagte eine Stimme. »Das ist genau gegenüber auf der anderen Seite des Ganges.«

Brock grinste. »Ich dachte, das hier wäre die Damengarderobe.«

Der Witz kam nicht so gut an, wie er gehofft hatte. Er wandte sich wieder an Holger Bach.

»Können wir irgendwo reden, wo wir etwas ungestörter sind?«

Holger Bach nickte. »Ich brauche noch fünf Minuten, dann treffen wir uns in unserer kleinen Kantine. Gehen Sie dort durch die Tür und den Gang entlang.«

Er drehte sich zum Spiegel zurück und nahm einen Wattebausch in die Hand.

Die sogenannte Kantine war wirklich klein. An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine Anrichte mit einer Kaffeemaschine und einem Glaskasten, in dem mehrere Sandwiches lagen. Neben der Anrichte stand ein Kühlschrank. Einige runde Tische mit Stühlen ergänzten die Einrichtung. Zwei junge Männer in Overalls erhoben sich, als Brock hereinkam, und verließen rasch den Raum.

Brock setzte sich und musste nicht lange warten. Holger Bach hatte tatsächlich nur wenige Minuten gebraucht.

»Zunächst mein Beileid zum Verlust Ihres Kollegen«, eröffnete Brock das Gespräch.

In Bachs Augen erschien eine Träne, die er hastig wegwischte. »Ich werde ihn vermissen«, sagte er dumpf. »Wir kannten uns schon lange. Zufälligerweise wohnen wir in der gleichen Straße, nur ein paar Häuser entfernt. Rolf hat dort auch sein kleines Büro. Nun, ich muss wohl sagen, er hatte es.«

»Wie lief sein Geschäft? Hatte er viele Klienten? Ich frage mich, ob er es nötig hatte, in diesem Theater aufzutreten?«

Bach schwieg einen Moment, ehe er antwortete. »Seine finanziellen Verhältnisse kannte ich natürlich nicht, aber ich weiß, dass er eigentlich nur für einen einzigen Kunden arbeitete.«

»Herr Janssen sagte, dass er der Steuerberater des Besitzers sei.«

Bach nickte. »Sicher. Er arbeitete für Dieter Hellmann.«

»Den Hellmann, dem dieses Theater gehört?«

Bach lächelte etwas verkniffen. »Genau den meine ich. Im gehört ja nicht nur dieses Theater, sondern noch eine Menge anderer Läden auf dem Kiez. Dazu gehört auch ein Eros-Center gleich hinter dem Theater. Rolf behauptete ja immer, er sei Steuerberater. Aber in Wirklichkeit war er so eine Art Buchhalter. Er hat für Hellmann die Abrechnungen gemacht. Dafür wurde er wohl auch ganz gut bezahlt, sodass er die Auftritte im Theater nicht wegen des Geldes gemacht hat. Das hat er getan, um seine Neigungen auszuleben.«

Hauptkommissar Brock dachte unwillkürlich an den USB-Stick in seiner Tasche. Er musste unbedingt wissen, was darauf gespeichert war. Hatte er bisher an einen Mord aus Neid oder Eifersucht gedacht, so wiesen diese Informationen plötzlich in eine ganz andere Richtung.

Vanessa Behr erschien in der Tür zur Kantine. »Sie haben nach mir gesucht, Herr Hauptkommissar?«

Brock deutete auf einen leeren Stuhl. »Setzen Sie sich zu uns.«

»Ich war in der Damengarderobe«, begann Vanessa.

»Ja, ich weiß.« Er lächelte.

Vanessa sah ihren Chef irritiert an. »Woher …? Ach, so. Sie waren in der anderen Garderobe. Ich war nämlich bei den Damen, die ebenfalls in diesem Theater auftreten, ein paar Tänzerinnen und zwei weibliche Comedians. Alle haben behauptet, dass sie nichts Verdächtiges gesehen oder gehört hätten. Sie waren alle bis zum Ende der Pause in ihrer Garderobe und haben sich dann allmählich gewundert, warum niemand kam, um sie für ihre Auftritte im zweiten Teil des Abends abzuholen.«

Brock wandte sich wieder an Holger Bach. »Danke. Sie können dann wieder zurück in die Garderobe. Sagen Sie den anderen, dass sich alle noch etwas gedulden müssen, bis die Befragungen abgeschlossen sind. Die Beamten der Kriminalpolizei dürften inzwischen eingetroffen sein, sodass Sie alle bald nach Hause gehen können.«

Brock wartete, bis Bach verschwunden war, dann zog er den USB-Stick aus der Tasche. »Wir müssen uns unbedingt diesen Datenträger ansehen. Er könnte Dinge enthalten, die uns bei der Aufklärung des Falles helfen.«

»Ich bin sicher, dass der Geschäftsführer in seinem Büro einen Computer stehen hat.«

 

 

6. Kapitel

 

In Thorsten Janssens Büro erwartete sie eine Überraschung. Hinter dem Schreibtisch saß Dieter Hellmann und blätterte in Papieren. Er hob den Kopf und sah die Eintretenden überrascht an.

»Wer sind diese Leute?« herrschte er den Geschäftsführer an.

»Äh … die sind … also, das ist die Kriminalpolizei«, stotterte Janssen.

Hellmann lehnte sich zurück, faltete die Hände über dem Bauch und setzte einen überlegenen Gesichtsausdruck auf. An den Fingern beider Hände glitzerten Ringe mit viel Gold und großen Steinen. Einer am Ringfinger der linken Hand war besonders protzig.

»Dann lass uns allein, Thorsten. Die Herrschaften kommen gerade recht, denn ich habe ein paar Fragen an sie.«

Brock nickte dem Geschäftsführer zu, und Janssen verließ einigermaßen erleichtert sein eigenes Büro.

Brock stellte sich und seine Assistenten vor, kam aber nicht dazu, eine weitere Frage zu stellen, denn Hellmann unterbrach ihn abrupt.

»Wie lange werden Sie noch brauchen, bis ich mein Theater wieder öffnen kann? Durch die abgebrochene Vorstellung verliere ich Geld, denn ich muss die Besucher entschädigen.«

»Entschuldigen Sie«, sagte Hauptkommissar Brock. »Hier ist ein Mord geschehen, und die Bühne ist ein Tatort.

---ENDE DER LESEPROBE---