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Beim Ausdocken einer der modernsten Korvetten der Bundesmarine wird ein leblos im Wasser treibender Körper entdeckt. Schnell erkennt man die Identität der Leiche und dass es sich nicht um einen Unfall handelte: Einer der Projektmanager mit Zugriff auf Konstruktionspläne geheimer Bauteile wurde ermordet. Stimmen, dass hier Spionage im Spiel ist, werden laut, sodass hochrangige Mitglieder der Regierung rasche Aufklärung durch den besten Mann für die Ermittlungen fordern.
Wieder einmal ein brenzliger Fall für Kommissar Cornelius Brock und sein Team.
Fast gleichzeitig wir der Polizei ein mit laufender Kühlung am Straßenrand eines Hamburger Außenbezirkes abgestellter Tiefkühltransporter gemeldet. Als man wenig später den toten Fahrer in der Fahrerkabine entdeckt, glaubt man an einen Unglücksfall, bis bei der genauen Überprüfung der Ladung, die eigentlich aus tiefgefrorenen Schweinehälften bestehen soll, eine erschreckende Entdeckung gemacht wird: Hinten im Auflieger befindet sich ein versteckter Raum mit einer geheimen, illegalen Fracht. Und auch hier wird Cornelius Brock Ermittlungen durchführen.
Was er in diesen beiden Fällen herausfindet, wird all seine bisherige Vorstellungskraft übersteige …
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Hans-Jürgen Raben
Nasser Tod
im Trockendock
Ein Fall für Brock
Ein Hamburg-Krimi
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Kathrin Peschel, 2023
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Nasser Tod im Trockendock
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
Epilog
Der Autor Hans-Jürgen Raben
Weitere Werke des Autors
Beim Ausdocken einer der modernsten Korvetten der Bundesmarine wird ein leblos im Wasser treibender Körper entdeckt. Schnell erkennt man die Identität der Leiche und dass es sich nicht um einen Unfall handelte: Einer der Projektmanager mit Zugriff auf Konstruktionspläne geheimer Bauteile wurde ermordet. Stimmen, dass hier Spionage im Spiel ist, werden laut, sodass hochrangige Mitglieder der Regierung rasche Aufklärung durch den besten Mann für die Ermittlungen fordern.
Wieder einmal ein brenzliger Fall für Kommissar Cornelius Brock und sein Team.
Fast gleichzeitig wir der Polizei ein mit laufender Kühlung am Straßenrand eines Hamburger Außenbezirkes abgestellter Tiefkühltransporter gemeldet. Als man wenig später den toten Fahrer in der Fahrerkabine entdeckt, glaubt man an einen Unglücksfall, bis bei der genauen Überprüfung der Ladung, die eigentlich aus tiefgefrorenen Schweinehälften bestehen soll, eine erschreckende Entdeckung gemacht wird: Hinten im Auflieger befindet sich ein versteckter Raum mit einer geheimen, illegalen Fracht. Und auch hier wird Cornelius Brock Ermittlungen durchführen.
Was er in diesen beiden Fällen herausfindet, wird all seine bisherige Vorstellungskraft übersteige …
***
Nur noch wenige Trucks trennten ihn von der Überschreitung der Grenze zwischen der Ukraine und Polen. Die Kontrollstation Budomierz war ein ziemlich großer Komplex. Ein Einfalltor in die Europäische Union und daher besonders gut geschützt. Auf einem ausgedehnten Areal breiteten sich Gebäude, Parkplätze und überdachte Fahrspuren aus, auf denen zahlreiche Fahrzeuge gleichzeitig abgefertigt werden konnten. Hier gab es den normalen Güterverkehr, zahlreiche Privatfahrzeuge, die zwischen den beiden Ländern verkehrten, und natürlich den Schmuggel.
Noch befand er sich auf der ukrainischen Seite der Grenze. Rechts und links dichte Wälder, als ob er sich in einem Niemandsland befände. Jetzt, im Sommer, waren sie sehr trocken, und jederzeit konnten Brände ausbrechen. Weiter vorn ging es in eine Linkskurve, dort endete der Wald, und man konnte den gesamten Komplex übersehen, der bereits jenseits der Grenze lag.
Krysztof Kowalski war immer wieder nervös, wenn er sich mit seinem Kühlfahrzeug diesem Punkt näherte. Er hatte diese Fahrt seit vielen Jahren schon so oft gemacht, dass er sich nicht mehr erinnern konnte, wann alles angefangen hatte. Noch nie hatte man seinen Laster gründlich kontrolliert, meist hatten die Zollbeamten nur einen kurzen Blick auf die Fracht geworfen und dann die Türen schnell wieder geschlossen. Abgesehen von der Kälte, die ihnen entgegenschlug, war der Anblick von dicht an dicht aufgehängten Schweinehälften nicht nach jedermanns Geschmack.
Dann wurden von den Zollbeamten die Siegel angebracht, da die Fracht nicht für Polen bestimmt war, und er durfte in Richtung Deutschland weiterfahren. Viele der polnischen Zöllner kannten ihn, und sie tauschten die neuesten Witze, die oft mit dem kleinen Grenzverkehr zwischen den beiden Ländern zu tun hatte.
Dennoch – Krysztofs Herz schlug wieder mal bis zum Hals. Er konnte gegen die Aufregung nichts tun, die ihn jedes Mal erfasste, wenn unter dem langen Dach des Kontrollbereichs ein Uniformierter die Hand hob, um ihn zu stoppen. Er wurde langsam zu alt für diesen Job. Doch was sollte er tun?
Bis zur Rente waren es noch ein paar Jahre, und die würde hinten und vorn nicht reichen. Krysztofs Vater war zeit seines Lebens im Kohlebergbau beschäftigt gewesen, und schließlich viel zu jung an Staublunge gestorben. Ein Schicksal, das dem Sohn warnend vor Augen stand. Also hatte er beschlossen, es im Transportgewerbe zu versuchen. Immerhin wurde er dort besser bezahlt als sein Vater, doch die Arbeitsbedingungen waren hart. Die langen Stunden hinter dem Steuer zehrten ebenfalls an der Gesundheit, doch Krysztof war fest entschlossen, seinen Lebensabend nicht in Armut zu verbringen.
Als die beiden Kinder aus dem Haus waren, hatte seine Frau den Wunsch geäußert, aus der tiefen Provinz in die Hauptstadt zu ziehen, nach Warschau. Ein Jahr später hatte er ihr den Wunsch erfüllt. Was beide nicht bedacht hatten, war, dass Warschau ein teures Pflaster war, und sein Einkommen reichte schon wieder nicht. Seine Frau erledigte Näharbeiten, doch wie sie es auch drehten und wendeten, Krysztof musste weiter Geld verdienen und diesen verdammten Kühlwagen von der Ukraine durch ganz Polen bis nach Hamburg bringen. Und dann wieder zurück. Ein Kreislauf, der seine Nerven immer mehr angriff.
Denn Krysztof Kowalski wusste, was sein Truck außer den Schweinehälften noch geladen hatte. Er hatte es nicht von Anfang an gewusst, doch irgendwann hatte er seine Augen nicht mehr vor der Wahrheit verschließen können.
Es war nicht in Ordnung, was er tat. Aber was wäre die Alternative? Die Leute, für die er arbeitete, würden ein vorzeitiges Ausscheiden nicht akzeptieren.
Und was wäre, wenn man seine geheime Fracht entdeckte? Dann würde er einen sehr hohen Preis bezahlen müssen, und er würde es nicht einmal wagen können, die Schuld auf andere zu schieben, da er sonst auch seine Familie in Gefahr bringen würde. Es war ein Teufelskreis …
Jetzt war nur noch ein Lastwagen vor ihm, beladen mit langen Stahlröhren für irgendeine Pipeline.
Er spürte plötzlich, wie seine Hände zitterten. Das war nicht gut. Zollbeamte bemerkten so etwas. Er versuchte, seine Anspannung unter Kontrolle zu bekommen. Nur diese Grenze, dann konnte er aufatmen. Es war eine lange Fahrt über Lublin nach Warschau, dann über die deutsche Grenze an Berlin vorbei nach Hamburg. Die Zeit war so knapp bemessen, dass er in Warschau noch nicht mal die Zeit hatte, seine Frau zu besuchen.
Nun, dafür gab es einen guten Grund, wie er wusste. Krysztof griff unbewusst an das silberne Kreuz, das er um den Hals trug und das von den vielen Berührungen ganz stumpf war. An einigen Stellen war die Versilberung abgerieben, sodass man das darunter liegenden Messing glänzen sah.
Ein Uniformierter gab ihm ein Zeichen, und er rollte langsam vorwärts.
»Hallo Slawomir«, begrüßte er den Beamten freundlich, der hier schon seit Jahren Dienst tat. Er reichte ihm seine Papiere durch das Fenster, und die Kälte der Außenluft drang sofort in die Kabine.
Slawomir musste seine Handschuhe ausziehen, um die Papiere umzublättern. Er schien zu frösteln, obwohl er einen dicken Wintermantel trug.
»Hallo Krysztof, wieder mit deinen Freunden unterwegs?«
»Du meinst meine Schweine? Man kann sich seine Freunde eben nicht immer aussuchen«, versuchte er einen lahmen Scherz. »Aber ja, es ist immer die gleiche Ladung.«
Slawomir sah zur Rückseite des Trucks, und Krysztof warf einen Blick in den Rückspiegel. Dort stand ein weiterer Beamter und hob den Daumen. Er hatte offenbar bereits das Siegel angebracht. Diesmal hatten sie noch nicht einmal die Tür geöffnet. Die Kälte im Freien reichte ihnen wohl, sodass sie nicht zusätzlich die eisige Luft des Kühlwagens brauchten.
Krysztof verspürte eine gewisse Erleichterung, doch sein Puls ging immer noch viel zu schnell. Die Spannung würde erst abflauen, wenn er die Grenze ein ganzes Stück hinter sich gebracht hätte.
Slawomir glitt mit einem Handscanner über die Papiere, dann gab er den Stapel zurück und salutierte kurz. »Gute Fahrt!«
Krysztof fuhr das Fenster hoch, legte den ersten Gang ein, und der Truck nahm langsam Fahrt auf. Trotz der Kälte in seiner Kabine hatten sich Schweißtropfen in seinem Nacken gesammelt, die er mit einer ärgerlichen Handbewegung abwischte.
Es war wieder gut gegangen. Wie lange noch?
*
Krysztof Kowalski hatte sein Ziel fast erreicht. Die Fahrt durch Polen und halb Deutschland war anstrengend gewesen. Diese Touren wurden allmählich zu viel für ihn. Die Schmerzen in der Brust waren jedes Mal stärker und häufiger geworden. Er hatte sie lange ignoriert und seiner Frau kein Wort davon erzählt. Doch jetzt war es wirklich an der Zeit, einen Arzt aufzusuchen, Er hatte einen solchen Besuch immer wieder aufgeschoben, weil er sich denken konnte, was der Arzt ihm sagen würde.
In Deutschland war er auf der durchgehenden Autobahn gut vorangekommen. Er lag genau im Zeitplan und würde es noch vor Anbruch der Dunkelheit schaffen, sein Ziel zu erreichen. Der Horner Kreisel, der Endpunkt der Autobahn, der bereits im Hamburger Stadtgebiet lag, war nur noch wenige Kilometer entfernt. Dann musste er noch bis ans andere Ende der Stadt, wobei er sicher in den beginnenden Feierabendverkehr geraten würde. Aber diese Verzögerung spielte nun auch keine Rolle mehr. Er hatte es mal wieder geschafft, na, ja, fast.
Mit dem Entladen hatte er nichts mehr zu tun, das würden andere übernehmen, und dafür war Krysztof außerordentlich dankbar. Er war nicht scharf darauf, einen Blick auf seine Fracht zu werfen. Das geht mich nichts an, hatte er sich immer wieder eingeredet, doch er wusste, dass er sich etwas vormachte. Es ging ihn sehr wohl etwas an. Und es war nicht so, dass ihn das alles kalt ließ. Doch schließlich besaß er keine Möglichkeit, an diesen Dingen auch nur das Geringste zu ändern.
Er würde seinen Truck am nächsten Morgen wieder abholen können und freute sich auf das warme Bett in dem kleinen Hotel, das man ihm immer buchte. Es würde nach den Nächten in der Schlafkabine seines Kühltransporters, dessen Kühlanlage immer laufen musste, eine Wohltat sein. Im Sommer war es jedoch noch schlimmer, wenn die Außentemperaturen hoch waren.
Krysztof musste plötzlich hart auf die Bremse treten. Er hatte das Ende eines Staus erreicht. Das war völlig normal vor der Einfahrt in den riesigen Kreisverkehr. Er spürte seine Müdigkeit und riss sich zusammen, um nicht noch in den letzten Minuten einen Unfall zu verursachen.
Sein linker Arm begann zu schmerzen. Er löste die Hand vom Lenkrad und ballte die Faust mehrmals, um die Durchblutung anzuregen. Ihm war durchaus bewusst, dass durch die ständige sitzende Tätigkeit sein Körpergewicht viel zu hoch war. Er musste sich wohl mit dem Gedanken vertraut machen, diesen Job endgültig aufzugeben, egal, mit welchen Schwierigkeiten er dann zu kämpfen hätte. Sie würden es schon schaffen, und seine Frau wäre glücklich, wenn er endlich wieder zu Hause wäre.
Die Kolonne nahm wieder Fahrt auf. Nur noch wenige Meter bis zur Einfahrt in den Kreisel.
Ein plötzlicher Schmerz durchzuckte seinen Oberkörper und seinen linken Oberarm. Krysztof stöhnte und sank nach vorn. Irgendeine bösartige Kraft krampfte sich um sein Herz, und eine Welle von Angst raste durch seinen Körper.
Er fuhr langsam in den Kreisel und blieb auf der rechten Spur, die direkt in die nächste Abfahrt führte. Dort gab es einen breiten Standstreifen, wie er wusste. Er musste halten und sich kurz ausruhen, ehe er durch die Stadt weiterfahren konnte.
Krysztof hielt auf dem Parkstreifen und drehte mit zitternder Hand den Zündschlüssel. Der Motor erstarb, nur die Kühlung lief weiter.
Der Schmerz in der Brust wurde unerträglich, vor seinen Augen wurde alles schwarz. Krysztof Kowalski griff sich mit beiden Händen an die Brust und rutschte mit einem tiefen Stöhnen von seinem Sitz.
Sven Lüddecke nahm seinen Schutzhelm ab und strich sich über das schüttere Haar. Wäre seine Frau noch bei ihm, hätte sie ihm heute Morgen bestimmt empfohlen, seine Wollmütze aufzusetzen. Auch wenn sie schon seit Jahren geschieden waren, sie hätte recht gehabt, denn hier oben auf dem Trockendock pfiff der Wind empfindlich kalt über die ausgedehnte Wasserfläche des Hamburger Hafens. Er kam sich auf der Seitenwand des riesigen Schwimmkörpers sehr verloren vor.
Immer, wenn er hier oben stand, schweiften seine Gedanken zurück an den Tag, als alles auseinandergebrochen war. Die einzelnen Ereignisse waren in seinem Gedächtnis festgebrannt: Die Nachricht vom tödlichen Autounfall seiner Tochter, der Besuch im Leichenschauhaus, der Zusammenbruch seiner Frau – und schließlich ihre Reaktion, als sie ihn für den Tod verantwortlich gemacht hatte. Er hatte seiner Tochter den Führerschein zum achtzehnten Geburtstag geschenkt und ihr seinen Wagen für ihre erste Fahrt gegeben, die dann so schrecklich geendet hatte.
Wenige Wochen später hatte seine Frau die Scheidung beantragt. Danach war sie aus Hamburg weggezogen. Seitdem war Sven Lüddecke ein sehr einsamer Mann – bis er jemanden gefunden hatte, um den er sich kümmern konnte. Manchmal fragte er sich, ob er das alles tat, um irgendetwas wieder gut zu machen. Versuchte er, Schicksal zu spielen?
Er blickte hinunter in das riesige und beinahe leere Wasserbecken. Dort war eine der modernsten Korvetten der Bundesmarine aufgebockt. Trotz ihrer knapp neunzig Metern Länge wirkte sie in dem Dock mit seinen fast dreihundert Metern etwas verloren. Die Reparaturen waren abgeschlossen, und das Schiff würde noch heute in sein Element entlassen werden.
Sven Lüddecke klopfte sich in Gedanken selbst auf die Schulter. Trotz einiger Verzögerungen waren sie termingerecht fertig geworden. Er wusste, dass er als Objektmanager immer die Verantwortung mittrug, wenn etwas schiefging. Wenn alles klappte, drängelten sich meist andere vor. Das war dann immer der Verdienst der Geschäftsleitung. Sven Lüddecke hatte sich an diese Ordnung der Dinge längst gewöhnt. Es machte ihm nichts mehr aus.
Er war stolz auf die Fähigkeiten der Hamburger Lesser-Werft, dass sie dieses Schiff bauen durfte, obwohl sie nicht viele Erfahrungen im Bau von Kriegsschiffen besaß. Die offizielle Taufe des Schiffes lag schon einige Zeit zurück. Nach der wochenlangen Probefahrt war die Korvette für die Abschlussarbeiten ein letztes Mal ins Dock gekommen, um alle gefundenen Mängel zu beheben. Heute Abend erfolgte dann die offizielle Übergabe an die Marine. Zu diesem Zweck würden nur einige hohe Offiziere anwesend sein. Mit vielen Gästen rechnete Sven nicht, es handelte sich schließlich nicht um ein Kreuzfahrtschiff.
Es würde bald so weit sein, dass man das Dock fluten konnte.
Er zog seine Windjacke enger um sich und stieg eine der metallenen Leitern zu einer der ausfahrbaren Arbeitsbühnen hinunter. Die Stahltür, die ins Innere führte, war geöffnet. Das Wasser würde nicht so hoch steigen, wenn die Dockkammer sich füllte. Vielleicht würde er sich alles von hier aus ansehen. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Es war noch ein wenig Zeit. Die Gäste würden jetzt an Bord gehen, wo die offizielle Übergabe erfolgen würde.
Er wusste, dass im Inneren der Korvette noch eine ganze Reihe von Spezialisten mit Abschlussarbeiten beschäftigt war. Das machte ihm keine Sorge. Das war immer so. Vielleicht sollte er jetzt ebenfalls auf das Schiff gehen, um nach dem Rechten zu sehen.
Ein Geräusch hinter ihm zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Sven Lüddecke hatte gelernt, auf jedes ungewöhnliche Geräusch zu achten, denn es verriet normalerweise eine Fehlfunktion. Er lauschte, dann drehte er den Kopf. Das Klirren war aus dem Inneren der Seitenwand gekommen. Dort durfte jetzt eigentlich niemand sein. Aus Sicherheitsgründen gab es strenge Vorschriften, doch es gab natürlich Wartungszugänge an verschiedenen Stellen.
Er kletterte in einem der Versorgungsschächte eine schmale Leiter hoch, die oben ins Freie führte. Sofort empfing ihn eine kalte Windbö.
Ein paar Meter entfernt standen zwei Männer, die aufsahen, als er im Freien erschien. »Da ist er ja!«, rief einer von ihnen.
Rasch kamen sie näher und bauten sich vor Sven auf. Sie kamen ihm nicht bekannt vor. Sie trugen auch keine normale Arbeitskleidung oder die vorgeschriebenen Schuhe und Helme.
»Was haben Sie hier zu suchen?«, herrschte er sie an.
Die beiden grinsten.
»Wir haben dich gesucht«, sagte der Wortführer.
»Macht einen Termin in meinem Büro«, entgegnete er. »Hier oben empfange ich keine Besucher. Und wenn ihr einen Job wollt – dafür ist das Personalbüro zuständig. Also seht zu, dass ihr hier verschwindet.«
Die beiden blieben ruhig stehen und starrten ihn an. »Ich wette, du hast keine Ahnung, was wir von dir wollen«, sagte der zweite. Er sprach ein breites Hamburger Platt. Unter den Werftarbeitern gab es viele, die ebenso klangen.
»Ihr solltet jetzt gehen.«
Sven Lüddecke musterte die beiden Männer genauer. Sie trugen Jeans und teure Lederjacken, schwarz mit Nieten, breite Gürtel mit riesigen Schnallen im Westernlook, und an den Füßen Cowboystiefel. Beide waren um die dreißig Jahre alt. Der Schwarzhaarige und größere von beiden spuckte einen Kaugummi aus, der direkt vor Svens Füßen landete. Sie wollten ihn offensichtlich provozieren. Sven hatte einige Erfahrung mit Krawallmachern aller Art, sodass er sich nicht aus der Ruhe bringen ließ.
»Na, schön«, gab er scheinbar nach. »Was wollt ihr von mir?«
Auch wenn sie wie Zwillinge gekleidet waren, so unterschieden sie sich deutlich in der Größe. Der Kleinere ergriff das Wort.
»Wir sollen dir von unserem Chef etwas ausrichten. Er mag es nämlich nicht, wenn sich jemand in seine Angelegenheiten einmischt, und er meinte, wir sollten dir eine Lektion erteilen, damit du das nicht vergisst.«
Sven lachte auf. »Ich kenne euren Chef nicht, und ich habe mich auch nirgendwo eingemischt. Was soll das also?«
Völlig unvermutet erwischte ihn eine rechte Gerade des Größeren seitlich am Kiefer. Sven taumelte zurück und ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
»Denk´ an Olga!«, zischte der Kerl und verpasste ihm einen zweiten Hieb voll auf die Brust. Der Kleinere kicherte und wippte auf den Fußballen vor und zurück.
Sven Lüddecke spürte eine ungewohnte Wut in sich aufsteigen. Er sah sich um. Es war niemand in der Nähe, der ihm zu Hilfe kommen konnte. Seine Arbeiter waren im Schiffsinneren beschäftigt, und hier oben hielt sich niemand auf.
Mühsam holte er Atem. »Welche Olga?«
»Die Olga, die du entführt und irgendwo versteckt hast. Die Olga, die unserem Chef gehört und die er zurückhaben will. Also wirst du uns jetzt verraten, wo das Miststück steckt.«
»Und wenn nicht?«
Eine Messerklinge blitzte auf. Sven hatte überhaupt nicht mitbekommen, wie der Kleinere die Waffe plötzlich in die Hand bekam.
»Dann wirst du es mit meinem Freund hier zu tun bekommen.«
Sven starrte auf die Klinge, auf einer Seite scharf, auf der anderen gezackt. Ein Kampfmesser! Er trat einen Schritt zurück.
»Das könnt ihr doch nicht tun! Wer ist überhaupt euer Chef?«
Der Kerl mit dem Messer grinste. »Das ist der Mann, in dessen Club du eine Menge Geld gelassen hast. Deswegen macht dir keiner einen Vorwurf. Aber dann ist dir eingefallen, dem Chef etwas wegzunehmen, auf dessen Besitz er sehr viel Wert legt. Du weißt sicher ganz genau, wovon hier die Rede ist.«
Sven Lüddeckes Mund wurde trocken. Er wusste tatsächlich, was die beiden von ihm wollten. Doch das konnte und wollte er nicht zurückgeben. Er hatte es versprochen. Es war kein Wertgegenstand, kein Besitz, es war etwas sehr viel Wertvolleres. Was er getan hatte, würde er verteidigen.
»Ich kann euch leider nicht helfen«, sagte er ruhig.
Der Größere nickte. »Der Chef hat sich schon gedacht, dass du so reagieren würdest, und auch für den Fall hat er genaue Anweisungen erteilt.«
Sven wartete nicht, bis der andere seine Erklärung zu Ende gebracht hatte, wandte sich um, lief zu der nächsten Leiter, die zum Boden des Docks führte, und kletterte hinab. Dort unten gab es sicher eine Möglichkeit, zu seinen Leuten an Bord der Korvette zu kommen. Dort war er in Sicherheit, und die beiden würden es sich zweimal überlegen, eine Auseinandersetzung mit den Dockarbeitern zu riskieren.