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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. Es war eine hübsche geräumige Wohnung, die Amelia Winter in der kleinen Stadt südlich von Frankfurt mit ihren beiden Kindern bewohnte. Hansi und Babs aber waren ihr ganzer Lebensinhalt. Soeben kamen die beiden die Treppe heraufgestürmt. Dabei unterhielten sie sich so laut, dass Amelia jedes Wort verstehen konnte, obwohl sie noch zwei Stockwerke von ihnen getrennt war. »Guten Tag, ihr zwei«, lächelte Amelia. »Ihr sollt doch nicht solchen Krach im Treppenhaus machen.« »Wir waren doch ganz leise, Mami«, versicherte der vierjährige Hansi treuherzig. »Na ja, was ihr halt so unter leise versteht«, meinte Amelia sanft. Dann begleitete sie ihre Kinder ins Badezimmer und wachte darüber, dass sie sich ordentlich die Hände wuschen. »Babsilein, ich glaube, wir müssen dein Haar doch kurz schneiden«, überlegte sie dabei. »Schau nur, wie unordentlich du immer herumläufst.« Erschrocken zuckte die sechsjährige Barbara, meist Babs genannt, zusammen, denn ihr langes blondes Haar war ihr ganzer Stolz. »O nein, bitte nicht, Mami. Du hast versprochen, dass ich es behalten darf, wenn ich im Kindergarten einen Pferdeschwanz trage.« Amelia Winter lachte leise. »Ich möchte es dir ja auch nicht gern abschneiden.
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Es war eine hübsche geräumige Wohnung, die Amelia Winter in der kleinen Stadt südlich von Frankfurt mit ihren beiden Kindern bewohnte. Hansi und Babs aber waren ihr ganzer Lebensinhalt.
Soeben kamen die beiden die Treppe heraufgestürmt. Dabei unterhielten sie sich so laut, dass Amelia jedes Wort verstehen konnte, obwohl sie noch zwei Stockwerke von ihnen getrennt war.
»Guten Tag, ihr zwei«, lächelte Amelia. »Ihr sollt doch nicht solchen Krach im Treppenhaus machen.«
»Wir waren doch ganz leise, Mami«, versicherte der vierjährige Hansi treuherzig.
»Na ja, was ihr halt so unter leise versteht«, meinte Amelia sanft. Dann begleitete sie ihre Kinder ins Badezimmer und wachte darüber, dass sie sich ordentlich die Hände wuschen. »Babsilein, ich glaube, wir müssen dein Haar doch kurz schneiden«, überlegte sie dabei. »Schau nur, wie unordentlich du immer herumläufst.«
Erschrocken zuckte die sechsjährige Barbara, meist Babs genannt, zusammen, denn ihr langes blondes Haar war ihr ganzer Stolz. »O nein, bitte nicht, Mami. Du hast versprochen, dass ich es behalten darf, wenn ich im Kindergarten einen Pferdeschwanz trage.«
Amelia Winter lachte leise. »Ich möchte es dir ja auch nicht gern abschneiden. Aber sieh nur, was aus deinem Pferdeschwanz geworden ist! Wenn du im Herbst in die Schule kommst, kannst du doch nicht so herumlaufen.«
Babs reckte sich auf die Zehenspitzen und schaute in den Spiegel. Die Hälfte des dichten Haares war noch als Pferdeschwanz gebändigt, der Rest fiel jedoch in Strähnen auf den Nacken. »Sieht das nicht schön aus?«, fragte sie ihr eigenes Spiegelbild.
Da kam der kleine Bruder ihr zu Hilfe.
»Doch, es sieht schön aus«, bestätigte er ganz ernsthaft und schielte zu der Mutter hinüber, um zu sehen, ob sie ihm glaubte. Dann meinte er: »Wahrscheinlich will Babs nur deshalb lange Haare haben, weil du auch welche hast, Mami.«
Babs fuhr herum. »Ja, Mami, ich möchte so aussehen wie du und später auch einmal so schön werden.«
Lachend schloss Amelia ihr Töchterlein in die Arme. »Du kleine Schmeichlerin!«
Hansi, der von den Zärtlichkeiten der Mutter nicht ausgeschlossen werden wollte, eroberte sich schnell den Platz im linken Arm der Mutter.
Was wäre ich nur ohne meine Kinder, dachte Amelia gerührt, als sie die beiden so innig im Arm hielt. Ohne sie wäre das Leben für mich nicht lebenswert.
»Bist du wieder traurig, Mami?«, erkundigte sich jetzt der vorlaute Hansi mit zaghaftem Stimmchen.
»Nein, mein Schatz, ich bin nicht traurig. Ich verspreche euch auch, nie wieder traurig zu sein.«
»O fein, das wird schön!« Babs klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Wir werden immer lachen und uns freuen. Gelt, Mami?«
»Ja, das werden wir«, versprach Amelia ihren Kindern. Sie war in diesem Moment auch fest entschlossen, ihren Schmerz zu überwinden und den Kindern eine fröhliche Mutter zu sein. »Geht jetzt ins Wohnzimmer. Ich bringe sofort das Essen.«
Hand in Hand und ein Liedchen trällernd betraten Hansi und Babs das Wohnzimmer. In der Essecke war der Tisch bereits gedeckt. »Wir müssen Mami bitten, mit uns Onkel Pierre zu besuchen«, erinnerte Hansi seine Schwester. »Wir haben es Rene versprochen.«
»Ja, aber diesmal bist du dran«, wehrte Babs ab. »Ich habe Mami das letzte Mal gefragt.«
»Das gilt nicht, weil sie da nein gesagt hat«, zog sich Hansi aus der Affäre.
»Du weißt doch immer eine Ausrede«, fuhr die sechsjährige Babs auf. »Gefragt ist gefragt. Heute bist du dran, sonst sage ich Rene, dass du nicht gefragt hast, weil du ihn nicht besuchen willst.«
»Och, das ist gelogen«, entrüstete sich Hansi. »Klar will ich ihn besuchen. Das weißt du genau.«
»Dann musst du Mami auch fragen.«
»Was muss Hansi mich fragen, Babs?« Amelia stand mit einer Suppenterrine in der Wohnzimmertür.
Babs schaute ihren Bruder an. »Na los, frag sie doch!«
»Besuchst du heute mit uns Onkel Pierre, Mami?«, bat Hansi, während Amelia die Suppenschüssel auf den Tisch stellte.
Ein Schatten zog sich über ihre schönen dunkelblauen Augen, als sie antwortete: »Wir können nicht dauernd Onkel Pierre besuchen, ohne eingeladen zu sein, Kinder.«
»Aber er freut sich doch«, hielt Babs ihr entgegen.
»Du meinst, sein Sohn Rene freut sich«, stellte Amelia richtig.
»Ja, wir haben es ihm im Kindergarten versprochen.«
»Aha, daher weht der Wind. Weil ihr mit Rene spielen wollt, soll ich mit euch Onkel Pierre besuchen.« Amelia schüttelte den Kopf. »So geht das nicht, Kinder. Wenn es nach euch ginge, würden wir Onkel Pierre jeden zweiten Tag besuchen. Dann würden wir ihm aber lästig fallen. Man besucht jemanden nur dann, wenn man eingeladen ist. Das müsst ihr euch merken.«
Schmollend löffelten die beiden Kinder ihre Suppe. »Nie magst du Onkel Pierre besuchen«, maulte Hansi.
»Wenn ihr unbedingt mit Rene spielen wollt, dann dürft ihr auf den Kinderspielplatz gehen. Dort trefft ihr ihn ja ohnehin.«
Das versöhnte Babs und Hansi wieder ein wenig. Aber es ging ihnen nicht nur um Rene. Sie mochten auch ihren Onkel Pierre sehr gern.
»Dürfen wir jetzt hinunter auf den Spielplatz?«, fragte Hansi, kaum dass er den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte. Auch Babs war schon aufgesprungen. »Also gut«, seufzte Amelia. »Ihr gebt ja sonst doch keine Ruhe. Aber lauft nicht auf die Straße.«
»Nein, Mamilein, bestimmt nicht!« Damit waren die beiden auch schon aus der Tür hinaus.
Sinnend blickte Amelia ihnen nach. Dann erhob sie sich und trat zum Fenster. Sie sah die beiden Hand in Hand das Haus verlassen und zu dem Kinderspielplatz hinüberlaufen.
Amelia trat vom Fenster weg. Dabei fiel ihr Blick zufällig in den Spiegel. Das naturblonde Haar sowie die tiefblauen Augen hatten die Kinder von ihr. Kein äußeres Merkmal deutete bei ihnen auf den schwarzhaarigen, glutäugigen Vater hin. Nur im Temperament war Hansi seinem Vater sehr ähnlich. Er hatte seine ungeduldige, lebhafte Art geerbt.
Wie immer, wenn Amelia an ihren Mann dachte, überzog tiefe Melancholie ihre schönen Züge. Sie hatte ihn geliebt und das Leben an seiner Seite verbringen wollen. Doch er hatte sie noch vor der Geburt ihres zweiten Kindes verlassen. Ohne ein Wort, ohne eine Erklärung war er von ihr gegangen, obwohl er gewusst hatte, dass sie das zweite Kind von ihm erwartete.
Amelia war verzweifelt gewesen und hatte nicht mehr weiterleben wollen. Ihre empfindsame Natur hatte auf diese grausame Behandlung mit einem Nervenschock reagiert. Wenn damals ihr Schwager Pierre nicht gewesen wäre, hätte sie wohl kaum jemals wieder in ein normales Leben zurückgefunden.
Doch Pierre, der Bruder ihres Mannes, hatte sich in aufopfernder Weise um sie und die Kinder bemüht. Er war schon damals Witwer gewesen und hatte einen jetzt fünfjährigen Sohn – Rene.
Es war wie eine Ironie des Schicksals, dass Pierre seinem Bruder verblüffend ähnelte. Allerdings nur äußerlich. Im Charakter waren die beiden Brüder grundverschieden. Während Pierre geradlinig, ordentlich und rechtschaffen war, hatte sich sein Bruder zu einem verantwortungslosen Luftikus entwickelt, dem es nichts ausmachte, anderen Schmerz zuzufügen.
Seufzend begann Amelia den Esstisch abzuräumen. Dabei fiel ihr Blick auf die leere Stelle an der Wand, an der einst das Bild ihres Mannes und darunter ihr Hochzeitsbild gehangen hatte.
Nicht einmal auf dem Bild hatte sie den Anblick ihres Mannes ertragen können. Das war auch der Grund, warum sie sich weigerte, ihren Schwager Pierre öfters zu sehen. Jedes Mal, wenn sie in seine dunklen Augen blickte, wenn er lächelte, glaubte sie ihren Mann vor sich zu haben. Zu sehr ähnelten sich die beiden Brüder.
Dabei wusste Amelia, wenn sie sich selbst gegenüber ganz ehrlich war, heute noch nicht, welcher der beiden ihr zuerst gefallen hatte. War es Pierre oder ihr späterer Mann gewesen? Aber Pierre war damals verheiratet gewesen und Robert noch frei. So hatte sie Robert geheiratet.
*
Als Hansi und Babs den Spielplatz betraten, winkte ihnen von der anderen Seite ein kleiner Junge mit schwarzen Locken und dunklen Augen zu.
»Rene! Dort drüben ist Rene!« Hansi ließ die Hand seiner Schwester los und lief dem geliebten Spielgefährten entgegen.
Babs folgte ihm auf dem Fuße. Jubelnd begrüßten sich die Kinder.
»Was ist? Kommt ihr heute?«, fragte Rene. Seine lebhaften schwarzen Augen wanderten dabei fragend von Hansi zu Babs.
»Mm, mm.« Babs schüttelte den Kopf. »Mami hat gesagt, das geht nicht.«
»Och«, machte Rene enttäuscht. »Dabei haben wir uns doch schon so darauf gefreut.«
»Dein Papi auch?«, fragte Babs.
»Freilich! Er freut sich doch immer, wenn ihr kommt«, antwortete Rene schmollend, »Warum will eure Mami bloß immer nicht?«
»Sie hat gesagt, man kann nur zu Besuch gehen, wenn man eingeladen ist«, wiederholte Hansi die Worte seiner Mutter.
»Aber ich habe euch doch eingeladen«, meinte Rene treuherzig-naiv.
»Ja, aber Onkel Pierre nicht«, gab Babs zu bedenken.
Rene winkte energisch ab. »Ihr wisst doch, dass er sich freut, wenn ihr kommt.«
Hansi und Babs nickten. »Ja, das haben wir uns auch gedacht«, meinte Hansi. »Er hat uns doch lieb und wir ihn auch.«
Babs schaute erst ihren Bruder und dann den Vetter an. »Ich habe Onkel Pierre so lieb wie einen Papi«, erklärte sie dann.
»Ich auch!«, rief Hansi schnell.
Da klatschte Rene lebhaft in die Hände.
Dann fasste er die beiden bei der Hand und zog sie ein wenig von den anderen spielenden Kindern fort. »Soll ich euch ein Geheimnis verraten? Aber ihr müsst mir euer Ehrenwort geben, dass ihr es keinem Menschen weitersagt.«
Hansi und Babs nickten. »Wir geben dir unser Ehrenwort«, versprachen sie feierlich.
»Eigentlich wollte ich es euch nicht sagen«, begann Rene nun doch ein klein wenig verschämt und schob eine schwarze Locke aus seiner Stirn. »Aber wenn ich ganz allein bin und mich niemand hört, dann sage ich zu eurer Mami ebenfalls Mami und nicht Tante Amelia.«
»Das finde ich toll«, platzte Hansi heraus. »Dann hast du unsere Mutti genauso lieb wie wir deinen Papi?«
Rene nickte. In seinen Augen spiegelte sich ein sehnsüchtiger Ausdruck. »Deswegen möchte ich auch, dass ihr uns oft besucht. Aber natürlich auch, weil ich gern mit euch spiele«, fügte er schnell hinzu.
»Wir spielen ja auch gern mit dir«, bestätigte Babs. »Eigentlich verstehe ich überhaupt nicht, warum wir nicht zusammenwohnen, wo wir doch sowieso verwandt sind.«
»Ja, wir haben keinen Papi, und du hast keine Mami«, überlegte Hansi. »Wenn wir aber immer beisammen wären, hätten wir alle einen Papi und eine Mami. Stimmt’s?«
Babs und Rene nickten. Sie waren eben Kinder und lösten das Problem auf ihre Weise.
»Mag eure Mami meinen Papi vielleicht nicht?«, erkundigte sich Rene nun, da er nicht verstehen konnte, dass sie nicht immer beisammen sein konnten.
Hansi und Babs schauten sich an. »Das glaube ich nicht«, meinte das Mädchen dann. »Sie lächelt doch immer und kriegt ganz rote Backen, wenn sie mit Onkel Pierre redet. Ihre Augen glänzen auch immer.« Wie viele Kinder war auch Babs eine aufmerksame Beobachterin.
Hansi pflichtete seiner Schwester nickend bei. »Das stimmt! Sie will ihn nur nicht immerzu besuchen.«
»Mein Papi ist da nicht so. Er würde gern öfter zu euch kommen«, behauptete Rene.
»Hat er das gesagt?«, forschte Hansi neugierig. »Freilich!«
»Hast du das gehört, Babs?« Hansi puffte seine Schwester aufgeregt in die Seite.
»Au, das tut weh«, beschwerte sie sich. Dann sagte sie: »Ich weiß ein tolles Spiel. Wir spielen Vater, Mutter und Kind.«
Rene und Hansi klatschten begeistert in die Hände.
»Du bist die Mutter, ich bin der Vater, und Hans ist das Kind«, schlug Rene vor.
»Nein«, schrie Hansi und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich will nicht das Kind sein. Immer muss ich das Kind spielen.«
»Weil du der Jüngste bist«, erläuterte seine Schwester.
»Rene ist gar nicht viel älter als ich«, wehrte er sich.
»Doch, ich bin viel älter. Ein ganzes Jahr!«
»Also, irgend jemand muss das Kind spielen«, verlangte Babs. »Sonst sind wir keine richtige Familie.«
Schmollend fügte sich Hansi und wurde von Rene sofort an den Ohren gezogen.
Mit glänzenden Augen spielten die drei schließlich eine Familie mit Vater und Mutter, so, wie sie es sich wünschten. Dabei wurde Hansi als Kind einmal verwöhnt und einmal gescholten. Darüber vergaßen sie die Zeit, so dass Amelia selbst zum Spielplatz kommen musste, um sie zu ihrem Nachmittagskakao zu holen.
»Tante Amelia, Tante Amelia!«, rief Rene, als er sie entdeckte, und lief ihr glücklich lachend entgegen.
Amelia breitete die Arme aus, fing ihn auf und drückte ihn an sich. »Mein kleiner Rene«, flüsterte sie und presste flüchtig ihre Wange in sein Haar.
Er ließ sich gern von ihr liebkosen und griff nach ihrer Hand, als sie ihn wieder freigab. Jedes Mal, wenn Amelia Rene sah, erinnerte sie sich an die Zeit vor Hansis Geburt. Damals war Robert noch bei ihr gewesen. Sie selbst aber hatte sich einen Sohn gewünscht, der so aussah wie er. Rene war dieser Sohn, nur gehörte er nicht ihr. Er glich seinem Vater und seinem Onkel aufs Haar. Hansi aber war dann ganz anders geworden – blond und blauäugig wie sie. Nur das Temperament hatte er von seinem Vater geerbt. Manchmal machte er sogar Bewegungen, die sie an Robert erinnerten. Aber auch an Pierre.
»Wie geht es deinem Papi?«, erkundigte sich Amelia bei Rene. »Gut, Tante Amelia. Ich habe ihm gesagt, dass du uns heute besuchst. Da hat er sich gefreut.«
Sie schaute ihren kleinen Neffen bedauernd an. »Das geht leider nicht, Rene.«
»Ich weiß, Babs und Hansi haben es mir schon erzählt.«
»Willst du mitkommen und eine Tasse Kakao mit Hansi und Babs trinken?«, fragte sie.
»O ja«, hauchte er, wobei seine Augen zu strahlen begannen.
»Na, dann komm«, sagte Amelia weich und legte ihre Hand auf seine Schulter.
Während Babs ihre andere Hand ergriff, sprang Hansi vor ihnen her zur Haustür.
»Dein Kakao ist richtig gut, Tante Amelia«, meinte Rene später. »Mein Vati macht ihn immer so dünn und tut so wenig Zucker rein.«
»Dafür ist er ja auch ein Mann. Männer können nicht kochen. Stimmt’s, Mutti?«, fragte Babs.
»Manchmal können auch Männer kochen«, klärte Amelia ihre Tochter auf.
»Mein Vati kann es nicht«, behauptete Rene mit Bestimmtheit. »Kannst du es ihm nicht mal zeigen, Tante Amelia?«
Amelia musste lachen. »Aber ihr habt doch eine Köchin, Rene.«
»Aber die mag ich nicht. Sie sieht aus wie ein Drachen«, beklagte sich der Junge.
Nachdenklich trat Amelia zum Fenster. Wie schon so oft kam ihr zu Bewusstsein, dass es für ein Kind offensichtlich schwerer war, ohne Mutter aufzuwachsen als ohne Vater.
Da trat Rene neben sie und schob unbemerkt seine Hand unter ihre Finger. »Oh, es fängt an zu regnen!«, rief er aus. »Schaut mal!«
Hansi und Babs stürzten zum Fenster. Enttäuschung breitete sich auf ihren Gesichtchen aus. »Da können wir ja nicht mehr hinuntergehen!«
Aber das schien Rene nicht zu stören. »Macht nichts, dann bleiben wir eben hier. Gelt, wir dürfen hier spielen, Tante Amelia?«
»Aber natürlich dürft ihr das.«
Es regnete mit wolkenbruchartiger Stärke ununterbrochen fast eine Stunde lang. Amelia überlegte gerade, ob sie ihren Schwager Pierre anrufen sollte, da läutete die Türglocke.
Der vorwitzige Hansi lief auch schon los und riss die Tür auf.
»Onkel Pierre? Mami, es ist Onkel Pierre!«
Amelia fuhr zusammen und strich sich schnell übers Haar. Dann stand Pierre auch schon vor ihr. Groß, schlank und unverschämt gut aussehend!
»Guten Tag, Amelia! Bitte entschuldige den Überfall, aber ich habe mich um Rene gesorgt.«
»Das verstehe ich, Pierre. Es wäre auch richtiger gewesen, wenn ich dir Bescheid gesagt hätte, dass er hier ist.« Sie reichte ihm die Hand. Unmerklich zuckte sie bei seiner Berührung zusammen und wandte sich schnell ab.
Was hat sie nur? fragte sich Pierre. Doch es blieb ihm keine Zeit zu Überlegungen, denn die Kinder bestürmten ihn, doch mit ihnen zu spielen. Nur zu gern ließ sich Pierre überreden.
Amelia hörte ihre übermütigen Rufe und ihr fröhliches Lachen und trat in den Türrahmen, um sie zu beobachten. Sie hatte inzwischen das einfache Hauskleid mit einem zartrosa Chiffonkleid vertauscht und wirkte zerbrechlich und zart wie eine feine Elfenbeinarbeit.
Als Pierre aufschaute, stockte ihm sekundenlang der Atem. Seine Augen glitten mit so unverhohlener Bewunderung über ihr Gesicht, ihr Haar und ihren Körper, dass Amelia über und über rot wurde.
»Bleibst du zum Abendessen?«, fragte sie ihren Schwager.
»Ich möchte dir keine unnötigen Umstände machen.«
»Es gibt nur etwas Kaltes, das sind keine Umstände«, wehrte sie bescheiden ab.
Als sie wenig später gemeinsam in der Essnische saßen, dachte Pierre daran, dass sie nicht nur eine gute Mutter, sondern auch eine ausgezeichnete Hausfrau war. Seine Blicke glitten immer wieder unauffällig über Amelias Gesicht und ihr blondes Haar, das sie schlicht und offen trug.
Alles an ihr ist schön und vollendet, dachte Pierre. In seinen dunklen Augen glomm ein sehnsüchtiges Feuer auf. Der Mann, der diese Frau im Stich gelassen hat, ist ein Narr, dachte er. Dabei war dieser Narr sein eigener Bruder.
»Wie gefallen dir meine Haare, wenn ich sie so offen trage wie Mami?«, fragte jetzt Babs.
Pierre strich ihr liebevoll über das seidige Blondhaar. Sie hat Amelias Augen, dachte er dabei. »Mit deiner neuen Frisur siehst du genauso hinreißend aus wie deine Mami«, versicherte er der Kleinen.
Pierre spürte, wie Amelia in der Bewegung innehielt. Er wusste, dass sie es nicht mochte, wenn er ihr Komplimente machte. Einmal hatte sie es ihm sogar rundheraus verboten. Ein wenig schuldbewusst schaute er auf und begegnete ihrem Blick. Wie erwartet, las er einen kleinen Tadel darin. Doch er wäre kein Mann gewesen, wenn ihre Zurückhaltung ihn nicht noch ein bisschen mehr verliebt gemacht hätte, als er es ohnehin schon war.
»Dürfen wir wieder in unser Zimmer spielen gehen, Mami?«, fragte Hansi und stand auch schon vom Tisch auf.
Amelia betrachtete die Kinder prüfend. »Seid ihr auch satt?«
»Ja«, bestätigten alle drei gleichzeitig. »Gut, dann dürft ihr noch ein wenig spielen«, gestattete sie.
Eigentlich müsste ich mich jetzt verabschieden und mit Rene nach Hause gehen, dachte Pierre. Doch er brachte es einfach nicht fertig.
Als Amelia erkannte, dass ihr Schwager keine Anstalten machte zu gehen, erhob sie sich und räumte rasch den Tisch ab. Dann stellte sie zwei Kognakschwenker und eine Flasche auf den Tisch. »Du trinkst doch sicher gern einen Kognak nach dem Essen?«, fragte sie.
»Wie genau du meine Gepflogenheiten kennst«, erwiderte er schmunzelnd. Dann nahm er ihr sacht die Flasche aus der Hand und schenkte selbst ein.
Die großen bauchigen Gläser in der Hand wärmend traten sie zu der Couchgarnitur.