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Jedes Mal, wenn Dusty in diese Stadt gekommen war, hatte es Ärger gegeben, aber diesmal sah es so aus, als finge der Verdruss schon an, bevor er den ersten Saloon erreichte. Der Tag verdämmerte lautlos im Schatten der Hügel, und die bunten Lichter vor den Bordells und Spielhallen kündeten den Beginn des allnächtlichen Rummels an. Der Reiter schob sich langsam aus dem Schatten heraus und lenkte sein Pferd quer auf die Straße, gerade als Dusty die ersten Häuser erreichte. Und er kam genau vor ihm zum Stehen. Dusty zog leicht die Zügel an. „Ich habe es ja nicht eilig“, sagte Dusty, „und solange mir niemand den ganzen Whisky wegtrinkt, kannst du dir ruhig Zeit lassen. Aber mein Gaul hier, der würde gern in den Stall kommen.“
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Seitenzahl: 143
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Ein Schießer für Juanita: Western
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Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER EDWARD MARTIN
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Jedes Mal, wenn Dusty in diese Stadt gekommen war, hatte es Ärger gegeben, aber diesmal sah es so aus, als finge der Verdruss schon an, bevor er den ersten Saloon erreichte.
Der Tag verdämmerte lautlos im Schatten der Hügel, und die bunten Lichter vor den Bordells und Spielhallen kündeten den Beginn des allnächtlichen Rummels an.
Der Reiter schob sich langsam aus dem Schatten heraus und lenkte sein Pferd quer auf die Straße, gerade als Dusty die ersten Häuser erreichte. Und er kam genau vor ihm zum Stehen.
Dusty zog leicht die Zügel an.
„Ich habe es ja nicht eilig“, sagte Dusty, „und solange mir niemand den ganzen Whisky wegtrinkt, kannst du dir ruhig Zeit lassen. Aber mein Gaul hier, der würde gern in den Stall kommen.“
Der Mann vor ihm wischte sich mit dem Handrücken geräuschvoll die Nase und schaute Dusty spöttisch an. „Falls du um mich herumreiten willst, so lass dir sagen, dass es ein verdammt weiter Weg ist, und er endet nicht immer da, wo man denkt.“
„Ich habe nicht die Absicht“, entgegnete Dusty fest.
„Sehr vernünftig.“
„Fürchte, wir haben uns missverstanden. Ich warte, dass du da aus dem Weg verschwindest.“
Der Mann auf dem Pferd lachte nur. „Hat Caldon dich vorgeschickt, weil er Angst vor mir hat?“, fragte Dusty verächtlich.
Der andere hörte auf zu lachen.
„Hier hat niemand Angst vor dir, aber diese Stadt kommt sehr wohl ohne dich aus. Wir haben schon genug Krawall hier.“
Der Bursche im Schatten hatte sich bis jetzt nicht bewegt.
*
Dusty richtete sich im Sattel auf. „Caldon sollte mich besser kennen und nicht glauben, ich ließe mich so einfach wegschicken.“
„Damit hat er auch sicher nicht gerechnet“, erklärte der Reiter grinsend und warf einen herausfordernden Blick auf Dustys Revolver. „Ein feines Pusterohr hast du da.“
„Solides Kaliber“, nickte Dusty. „Man kann damit auf hundert Yard einem Bison glatt den Schädel durchlöchern.“
„Vorausgesetzt man trifft ihn“, höhnte sein Gegenüber.
„Mach dir deshalb nur keine Sorgen. Ich treffe schon, was ich will.“
„Bringst du das Ding auch schnell genug heraus, um etwas anderes zu treffen als einen Bison?“
Dusty beobachtete aus den Augenwinkeln den Mann unter dem Verandadach. Er war nicht auf eine Schießerei aus, denn das entsprach nicht der Art, wie er sich zu amüsieren pflegte. Der Tod hatte nun mal nichts Amüsantes an sich. Diese starrköpfigen Burschen hier ließen ihm jedoch keine andere Wahl. Sie schienen sich nun mal fest vorgenommen zu haben, heute noch ins Gras zu beißen.
„Du würdest es ja doch nicht glauben“, sagte Dusty deshalb und trieb ganz plötzlich sein Pferd vorwärts. Es prallte in die Flanke des anderen Tieres, welches erschreckt aufwiehernd versuchte, auf den Hufen zu bleiben. Gleichzeitig beugte Dusty sich vor und schwang seine derbe Faust wie eine Keule. Sie landete mitten im Gesicht des von dieser Aktion überraschten Gegners. Der Schlag fegte den Mann glatt aus dem Sattel und warf ihn hart in den Staub, wo er unter die Hufe seines zur Seite ausbrechenden Pferdes geriet.
Noch mit dem Schwung seiner Bewegung glitt Dusty wie ein Schatten vom Rücken des Tieres herunter und zog den Revolver heraus.
Von der Veranda her krachte ein Schuss. Dusty feuerte auf den Schatten darunter, aber die erschreckten Pferde stießen ihn an und verhinderten, dass er traf. Der Stoß riss ihn herum, und er sah das Mündungsfeuer auf dem Dach eines Hauses aufflammen. Die Kugel traf das fremde Pferd und ließ es schrill wiehernd in die Knie brechen.
Wie ein Echo folgten Dustys Schüsse, und zumindest einer davon traf den Heckenschützen auf dem Dach.
Ein Gewehr fiel scheppernd auf die Straße. Man hörte stolpernde Schritte auf dem Dach und dann ein dumpfes Poltern.
Aber Dusty rannte bereits geduckt über die staubige Straße, um den Schatten der Häuser zu erreichen. Eine Kugel pfiff dabei dicht an seinem Nacken entlang. Er feuerte im Laufen unter der Achselhöhle hindurch und warf sich in das schützende Dunkel neben der Hauswand. Seine nächste Kugel galt dem Mündungsblitz auf der anderen Seite der Straße. Sie traf eine Scheibe, und Glas fiel klirrend herab.
Der Mann dort fluchte heiser. Die Lichtblitze seiner Schüsse pflanzten sich nach der Seite fort, als er unter dem Dach der Veranda entlanglief. Kugeln prasselten in die Balkenwand rings um Dusty. Dann erstarb das Feuer plötzlich und die schattenhafte Gestalt verschwand in einem dunklen Gang neben dem Gebäude.
Dusty schoss in das gähnende Dunkel hinein, verließ dabei den Schatten und rannte quer über die Straße.
Der Mann neben dem toten Pferd bewegte sich und versuchte aufzustehen.
Dusty beachtete ihn nicht. Er erreichte die Hausecke auf der anderen Seite, aber es war niemand mehr zu sehen. Es hatte auch wenig Sinn, dem Unbekannten weiter zu folgen. Es war als sicher anzunehmen, dass jener sich hier besser auskannte als er selbst.
Dusty drehte sich um und blieb mit einem Ruck stehen.
Der Bursche auf der Straße hatte sich auf beide Knie erhoben und zerrte wütend seine Waffe aus dem Holster.
Dustys Revolver gab einen trockenen, metallischen Laut von sich und schwieg. Dafür schleuderte der des anderen laut donnernd eine grelle Stichflamme aus dem Lauf. Der Mann, den Dusty kurz zuvor in den Staub geschlagen hatte, begleitete seinen Schuss mit einem wilden Auflachen. Die Kugel streifte den Eckpfeiler der Veranda und wurde dadurch leicht aus der Bahn gelenkt. Dieser Umstand rettete Dusty vermutlich das Leben. Nadelscharfe Holzsplitter wurden in sein Gesicht geschleudert, während etwas heiß vor seiner Nase entlang zischte.
Er zuckte fluchend zurück und warf sich auf die Holzplanken. Und er versuchte gar nicht erst, seine Waffe neu zu laden.
Der andere war vollends auf die Füße gekommen, aber seine Schritte, mit denen er näher kam, waren unsicher von der Nachwirkung des Schlages, der ihn aus dem Sattel geholt hatte. Sein Revolver krachte wieder, und das Geräusch, mit dem die Kugel in die Holzwand schlug, klang verdammt unangenehm in Dustys Ohren.
Er rollte sich zur Seite und vom Gehsteig herunter in den Staub der engen Gasse.
Es knallte wieder, und ein Querschläger heulte irgendwo in den verlöschenden Himmel.
Dusty sprang hoch und presste sich eng an die Wand. Er wusste, wie dunkel es hier inzwischen war, und unterdrückte sein heftiges Atmen. Wenn der Kerl ihn bemerkte, bevor er in seine Reichweite kam, hatte er nicht die geringste Chance mehr.
Sein Gegner nahm offenbar an, er sei den Gang entlanggelaufen.
„Bleib stehen, du feiger Hund!“, brüllte er und jagte eine Kugel in diese Richtung, die unangenehm nahe an der Wand des Hauses vorbeizischte.
Dusty wagte kaum zu atmen. Er hielt noch immer den leergeschossenen Revolver in der Hand, aber er rührte sich nicht und wartete.
„Stinkende, feige Ratte!“ Der Zorn dieses Mannes schrie nach Genugtuung, die er nicht fand. Er kam näher — noch näher.
Die Sehnen in Dustys Körper spannten sich. Die Detonation eines weiteren Schusses schleuderte Feuer und Rauch an ihm vorbei, und im kurzen Aufzucken dieser Flammenzunge sah der Bursche Dustys Gestalt an der Wand stehen.
In derselben Sekunde stieß Dusty sich ab. Sein Stiefel flog hoch wie ein Geschoss und traf hart das Handgelenk des Mannes. Die Waffe fiel dumpf in die Dunkelheit, und der Bursche hielt sich mit einem krächzenden Schmerzenslaut das gebrochene Gelenk. Dustys Faust knallte ihm wie ein Hammer gegen den Schädel.
Der Mann machte drei schnelle Schritte nach rückwärts, dann vermochten jedoch seine Beine dem Schwung des Oberkörpers nicht mehr zu folgen, und er landete schwer im Staub der Straße, wo er reglos liegen blieb.
Während Dusty seinen Revolver nachlud, ging er langsam auf sein Pferd zu, das zum Rand der Straße getrabt war.
Jetzt erst tauchten die ersten Schaulustigen auf, die durch den Lärm der Schüsse angelockt worden waren.
„Wenn es in dieser verdammten Stadt noch ’nen Doc gibt, dann bringt diesen Gent zu ihm“, sagte Dusty nur. Dann beachtete er die Leute nicht weiter und zog seinen Gaul hinter sich her die Straße entlang. Es gab da noch jemand, bei dem er eine kleine Rechnung zu begleichen hatte, aber damit konnte er sich Zeit lassen.
Avery Caldon lief ihm nicht weg.
*
Yeah, so war Deadwood damals, als man das Gold aus den Black Hills herauswühlte, eine verdammt wilde und zügellose Stadt. Jeden Tag kamen neue Abenteurer und Glücksritter, die es versuchen wollten und dabei ihr Leben riskierten. Denn es war auch eine gefährliche, manchmal sogar tödliche Stadt. Crazy Horse, Sitting Bull und ihre Krieger hielten längst schon ihre Kriegsbeile geschärft, und ihre Horden kamen mitunter bedrohlich nahe an die Stadt heran. Es war eine Stadt auf dem Pulverfass, und so lebte man auch in Deadwood — als ob jeder Tag der letzte sei.
„The Last Chance“ stand in großen Lettern über dem Eingang des bedeutendsten Saloons von Deadwood, und sicherlich war es auch für viele die letzte Möglichkeit, ihr Schicksal noch einmal zu wenden, und dann beim Glückspiel die letzte Chance zu vertun.
Aber seit Tagen gab es dort etwas zu sehen, was wohl einmalig in weitem Umkreis war. Das war Lillie Bell und die Art, wie sie die rauen Wühlratten und Herumtreiber aus dem Häuschen brachte.
Es begann jeden Abend damit, dass Lillie sich von jemand auf den Bartresen hinaufheben ließ, und es wurde dann immer für einen Moment totenstill im Raum, bis die ersten Beifallsstürme das Etablissement erzittern ließen. Die Spieler vergaßen ihre Karten, und die kleine, weiße Kugel am Roulette hüpfte unbeachtet und seltsam laut klappernd über die kleinen Zahlenfächer.
Der Mann am Klavier vergaß für einen Moment sein Spiel. Dann setzte er es mit hastigem Geklimper fort, als wollte er die versäumten Takte wieder aufholen, während Lillie Bell ihr langes, blondes Haar ausschüttelte und mit den gespreizten Fingern zärtlich hindurch fuhr. Es schimmerte wie ein seidener Vorhang, wenn sie vor das Licht der Lampen hinter der Bar geriet. Sie war nicht mehr so jung, wie sie für ihren Job eigentlich hätte sein müssen, aber ihre Bewegungen waren glatt, geschmeidig und gekonnt. Keiner der Männer hier im Westen war in dieser Beziehung verwöhnt, und Lillie wagte mehr als irgendeine andere.
Vorerst hob sie nur ihr langes Kleid und zeigte die wohlgeformten Beine, und die Reaktion aus dem Publikum war die gleiche wie immer. Eine gewisse Unruhe entstand, und jemand rief: „Mach schon, Lillie, wir wollen mehr sehen!“
Ein paar raue Stimmen begannen zu grölen.
Lillie verbeugte sich, und ihre Brüste quollen fast völlig aus ihrer knappen Umhüllung. Sie richtete sich wieder auf und warf ihre langen Haare nach hinten. Ein tiefer Atemzug drohte beinahe ihr Mieder zu sprengen. Ihre handfesten Rundungen drängten ungestüm ins Freie.
„Los, Lillie, lass sie raus!“, brüllte jemand. Die Menge im Saloon geriet fast außer Rand und Band.
Eine Weile hielt sie die Männer hin, dann unterbrach sie ihren Tanz und zog sich aufreizend langsam so weit aus, bis ihre Reize nur noch knapp verhüllt waren. Dann wurden ihre Bewegungen wieder schneller und prickelnd erotisch. Die Blicke der Männer brannten auf der nackten Haut ihrer Beine und folgten den geschmeidigen Bewegungen ihres Leibes.
Das Klavier klimperte immer schneller, und Lillies Tanz wurde immer wilder, bis ihr Mieder zu verrutschen begann. Sie tat so, als merke sie nichts davon, und die Zuschauer brüllten vor Vergnügen.
Mit einem Ruck hielt sie erschrocken inne. Sie wollte ihr Mieder zurechtrücken, aber dasselbe ging auf und fiel herunter. Sie trippelte hastig zur Seite, riss einem der staunenden Goldsucher den Hut vom Kopf, um sich damit ihre Blöße zu bedecken, und die Männer pfiffen und schrien empört. Dann nahm sie den Hut weg und fächelte sich damit Luft zu.
Der Saloon glich einem Hexenkessel!
*
Der Lärm und das heisere Geschrei waren längst verklungen, und die kleine Roulettekugel entschied wieder mit ihrem hektischen Klappern über Glück und Unglück.
Juanita hockte von allen unbeachtet in dem alten Korbstuhl auf der Veranda des Last-Chance-Saloons. Sie hatte die Knie bis an die Brust gezogen und starrte gedankenverloren auf das Treiben in der dunklen Straße, auf die Männer, die Lastkarren, Maultiere und Pferde, die sich ohne Ruhe durcheinander schoben.
Dann bemerkte sie den Reiter, und der gleichgültige Ausdruck verschwand aus ihrem Gesicht, machte einer plötzlichen Angst Platz, die ihre Augen groß und kindlich erscheinen ließ.
Sie nahm die Füße von der Stuhlkante und richtete ihren Oberkörper auf.
Der Reiter betrachtete mit mäßigem Interesse die Gebäude, die die schmutzige Straße flankierten, und lenkte sein Pferd zum Last Chance hin. Er war dunkel gekleidet und trug einen in dieser Umgebung komisch wirkenden Dandyhut und ein weißes, mit Rüschen besetztes Hemd.
Vor dem Saloon saß er ab und band sein Pferd an die Stange. Es war staubig und mager, aber Juanita wusste auch so, dass es einen weiten Weg hinter sich hatte.
Der Mann schaute kurz zur falschen Fassade hoch. Dann sah er das Mädchen in dem Korbstuhl.
„Hallo, Pa“, sagte Juanita. Es klang weder erfreut noch abweisend. Nur Besorgnis war in ihrer Stimme. Und Angst.
„Wo ist deine Mutter?“
Juanita sagte nichts. Sie blickte nur aus großen Augen in das harte Männerantlitz mit dem schmallippigen Mund, und sie registrierte den kalten Ausdruck, mit dem er sie musterte.
„Sie hat wohl geglaubt, ich finde euch nicht. Weit gelaufen seid ihr ja, aber nicht weit genug.“ Er wandte sich der Saloontür zu.
„Geh nicht hinein“, bat Juanita. Der Mann in dem dunklen Anzug blieb kurz stehen und sah über die Schulter zurück. Juanita war aufgestanden und flehte: „Bitte, Pa, tu’s nicht. Geh nicht da hinein.“
„Du machst mich neugierig“, sagte er nur kalt.
Juanita versuchte, ihn am Arm festzuhalten, aber er schüttelte sie ab, wie eine lästige Dirne. Bei Gott, er war in keiner guten Stimmung.
Juanita blickte starr über die halbhohen Türflügel hinweg, die allmählich hinter ihm auspendelten.
Langsam, fast bedächtig ging der Spieler auf die Bar zu, wo Lillie mit einem anderen Mann stand, der ihr soeben einen Drink spendiert hatte. Sie hing an seiner Schulter und kicherte albern.
Juanita sah ihren Vater einige Schritte von ihnen entfernt stehenbleiben. Geduldig wartete er, ohne etwas zu sagen. Er schien auf masochistische Weise die bittere Erregung zu genießen, die in ihm hochstieg.
Der Mann bemerkte ihn zuerst, und der stumme, eisige Blick machte ihn nervös.
„Wollen' Sie etwas, Mister?“, fragte er ungeduldig.
Lillie wandte den Kopf und erschrak einen Moment, aber sie hatte keine Angst vor ihm. Der Spieler beachtete weder den Mann neben ihr noch dessen Frage.
„Raus hier!“, sagte er nur zu Lillie. „Wir reden draußen weiter.“ Seine Stimme war nicht laut, aber sie hatte einen eigenartig scharfen Klang.
„Ich denke nicht daran“, erwiderte Lillie trotzig. „Ich bin fertig mit dir, Chris, ein für allemal. Du hättest uns nicht zu folgen brauchen, denn ich tue, was ich will.“
„Du tust, was ich dir sage!“
Der Mann neben Lillie legte den Arm um ihre nackten Schultern. Er hätte in den eiskalten Augen des Spielers die tödliche Gefahr erkennen müssen, aber er hatte bereits zu viel getrunken an diesem Abend. Und die Gunst einer Frau wie Lillie machte ihn störrisch wie ein Esel.
„Hauen Sie ab, Mister“, sagte er deshalb unwillig, „Sie sehen doch, dass Sie hier unerwünscht sind.“
„Zu dir komme ich später, und bis dahin hältst du die Klappe!“ knurrte Chris ruhig, und zu Lillie sagte er: „Du bist eine Hure, eine gottverdammte billige Hure.“ Er hatte plötzlich den unwiderstehlichen Drang, sie zu demütigen, sie vor all den Männern hier unmöglich zu machen. Er trat näher an sie heran und riss ihr mit einem harten Ruck das Kleid vorn auseinander, so dass jeder ihre nackten Brüste sehen konnte.
„Zeig doch ruhig, was du hast, damit jeder es sieht.“
„Das hat sie schon, Mister“, bemerkte der Mann neben ihr grinsend. „Wir alle wissen, was Lillie zu bieten hat, und deshalb lassen wir sie auch nicht weg.“
Lillie schob sich zwei Schritte an der Bar entlang, machte aber keinerlei Anstalten, ihre Blöße zu bedecken. „Du hast es gehört, und nun verschwinde!“
Der Mann folgte ihr, und sie hängte sich mit einem Arm auf seine Schulter.
„Will, wirst du heute Nacht bei mir bleiben?“ Sie reckte dabei trotzig ihre Brüste vor.
Der Spieler fühlte, wie etwas in ihm zerriss. Ein dumpfer Schmerz hämmerte gegen seine Schläfen, und sein Atem war kurz und scharf. Er spürte, wie sich sein Handeln allmählich der Kontrolle seines Gehirns entzog. Er hatte plötzlich seinen Revolver in der Hand, ohne ihn bewusst gezogen zu haben. Er sah nichts anderes mehr vor sich als Lillies entblößten Busen. Das Dröhnen in seinem Kopf wurde unerträglich, bis die Detonation seines Revolvers alles hinwegfegte und mit brutaler Konsequenz auslöschte.
Genau zwischen Lillies Brüsten war mit einem Male ein kleines, dunkles Loch in der glatten Haut. Der Schock machte ihr Gesicht bleich und die Augen weit.
Das zweite Geschoss schlug durch ihre weiche Brust, und die Wucht des Aufpralls riss sie herum. Sie warf in hilfloser Angst die Arme über den Bartresen und versuchte, sich festzuhalten.
Die großkalibrigen Geschosse hatten auf diese kurze Distanz den Körper glatt durchschlagen.
Das Hämmern in den Schläfen war weg und auch das Zittern der aufgestauten Energie, nur eine befriedigende Leere war in Chris zurückgeblieben.
Der Mann neben der Bar starrte auf Lillie, die keuchend an der Bar herunterrutschte. Dann konzentrierte er sich auf den Spieler. Seine blutleeren Lippen bewegten sich.
„Sie sind ja ver...“
Der Revolver donnerte ein drittes Mal. Die Kugel fetzte leicht von unten durch den Mund des Mannes und tötete ihn auf der Stelle. Sein Körper krachte gegen das Holz der Bar und fiel ohne jeglichen Halt auf den Boden.
Irgendwo schrie eine Frau hysterisch auf.
Langsam ging der Spieler rückwärts. Allmählich wurde ihm bewusst, dass sein Handeln außerhalb jeglicher Vernunft stand, aber diese Frau hatte ihn verrückt gemacht, ebenso wie alle anderen Männer. Aber jetzt war das alles vorbei, nur Blut und Entsetzen blieben von alledem zurück, und der Rausch, der seine Sinne krank gemacht hatte, ebbte langsam ab.
Etwas Hartes knallte von hinten gegen seinen Schädel. Die Knie wurden ihm weich wie nasses Papier, und der Revolver entfiel seiner Hand.
Erst jetzt löste sich die fassungslose Starre im Last-Chance-Saloon.
„Er hat Lillie umgebracht!“, kreischte jemand.
„Hängt das Schwein auf.“
„An den Baum mit ihm!“