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„Niemand konnte seinen Stolz zerbrechen!“ Durango saß erstarrt im Sattel und blickte auf das hinab, was von seinen Soldaten-Freunden übriggeblieben war. Die Gesichter der Toten waren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Geier und Coyoten hatten sich bereits um die Leichen versammelt. Durangos Kameraden waren unter grausamen Martern gestorben. Und er wusste, dass es Apachen mit Repetiergewehren gewesen waren. Von diesem Tag an wurde Durango zum unerbittlichen Jäger. Unbeugsam stellte er sich den Verbrechern entgegen, die die Apachen mit diesen Gewehren versorgt hatten...
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Durango – der Unbeugsame: Western
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Alfred Bekker
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Luke Sinclair: Durango – der Unbeugsame
„Niemand konnte seinen Stolz zerbrechen!“
Durango saß erstarrt im Sattel und blickte auf das hinab, was von seinen Soldaten-Freunden übriggeblieben war. Die Gesichter der Toten waren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Geier und Coyoten hatten sich bereits um die Leichen versammelt.
Durangos Kameraden waren unter grausamen Martern gestorben. Und er wusste, dass es Apachen mit Repetiergewehren gewesen waren.
Von diesem Tag an wurde Durango zum unerbittlichen Jäger. Unbeugsam stellte er sich den Verbrechern entgegen, die die Apachen mit diesen Gewehren versorgt hatten...
*
Es war fast dunkel draußen. Durango verließ den kleinen Saloon, blieb unschlüssig auf der Veranda stehen und schaute den staubigen, von unzähligen Wagenspuren zerfurchten Weg entlang. Es war längst Zeit. Die Sonne war untergegangen, und die wuchtigen Konturen des Mount Turnbull schoben sich düster und scharf in den glühenden Himmel. Die Röte traf das kantige Gesicht wie der Widerschein einer gewaltigen Feuersbrunst und ließ ein unruhiges Licht in den grauen Augen tanzen.
Langsam und ohne Hast bewegte sich Durango an seinem Pferd vorbei, das am Haltegeländer döste, und steuerte auf den einzelnen Baum zu, der auf dem staubigen Platz stand. Dort lehnte er sich an den fast glattgescheuerten Stamm und rollte sich eine Zigarette, klemmte sie zwischen die Lippen und zündete sie an. Für kurze Zeit beleuchtete das aufzischende Flämmchen sein Gesicht und verlöschte wieder.
Er wartete. Und der tiefe Schatten, der unter den ausladenden Ästen brütete, machte seine Gestalt nahezu unsichtbar. Nur der Glutpunkt seiner Zigarette leuchtete hin und wieder hell auf, wenn er den herben Rauch in sich hineinzog.
Am Rande des Platzes standen einige Mexikaner mit großen Hüten und plauderten lebhaft. Ein Hund trottete müde durch den Staub, und irgendwo schnaubte ein Pferd.
Durango sah wieder den staubigen Weg entlang, der zwischen Zäunen und Schuppen entlangführte, und bemerkte jetzt die dunkle Gestalt eines Reiters, der zusammengesunken und leicht nach vorn geneigt im Sattel saß. Hätte er keinen Hut aufgehabt, könnte man ihn im ersten Moment für einen Indianer gehalten haben.
Der Mann kam näher, und Durango erkannte, dass es jener alte Scout war, den die Apachen Halcon nannten. Es bedeutete Falke, und er hatte diesen Namen wegen seiner ungewöhnlich scharfen Augen bekommen.
Durango tat noch einen kräftigen Zug, ließ dann die Zigarette zu Boden fallen und trat mit dem Stiefel darauf. Seine Gestalt löste sich aus dem Schatten. Halcon hatte ihn bereits bemerkt und hielt bei ihm an.
„Alles in Ordnung“, sagte er, „wir können gehen. Hast du das Geld?“
Durango zog einen kleinen Beutel aus der Tasche und reichte ihn dem Reiter hinauf. Halcon wog ihn kurz in der Hand und steckte ihn ein.
„Setz dich auf deinen Gaul, und komm. Wenn man solch einen Burschen soweit hat, soll man ihn nicht warten lassen, sonst überlegt er sich’s wieder.“
Durango ging schnell zu seinem Pferd. Er wunderte sich, wie der Alte das geschafft hatte. Er selbst war unter Apachen aufgewachsen und wusste, wie schwer es war, etwas aus ihnen herauszukriegen. Besonders, wenn es ein so heikles Thema berührte. Nun, bis jetzt hatte er die Information noch nicht.
Er löste die Zügel vom Holm und brachte sich mit einem leichten Schwung in den Sattel, zog den Braunen herum und folgte Halcon, der bereits auf dem gleichen Weg zurückritt, auf dem er gekommen war. Ein Hund jaulte in der Dunkelheit, die sich schon zwischen den Gebäuden der Agentur ausbreitete. Ein anderer antwortete von irgendwoher, und bald fiel auch ein dritter ein.
Sie ritten in südlicher Richtung ein Stück am Gila River entlang, und dann bog Halcon plötzlich nach Westen ab und wandte sich dem Mount Turnbull zu. Durango folgte ihm dichtauf, ohne dass ein einziges Wort gesprochen wurde. Eine innere Spannung hatte sich seiner bemächtigt, so, als würde er einem bedeutsamen Ereignis entgegen reiten, und so etwas Ähnliches war es ja wohl auch.
Seit Monaten war er hinter der Sache her, war unzählige staubige und erfolglose Meilen geritten, hatte sich überall umgehört und Leute ausgehorcht und eine Menge Geld ausgegeben. Und er war keinen Schritt weitergekommen. Doch jetzt sah es plötzlich so aus, als ob seine Bemühungen endlich Früchte tragen sollten. Oder war es nur wieder eine dieser Informationen, die ihn nicht weiterbrachten?
Im allgemeinen galt Halcon als zuverlässig. Er war zwar ein schlitzohriger Bursche, der nie etwas tat, ohne dabei seinen Vorteil im Auge zu haben. Aber wenn er sich für etwas bezahlen ließ, dann leistete er auch gute Arbeit. Und wer konnte es ihm verdenken, dass er an sich dachte? Er hatte Harrison und die anderen zwar gekannt, die damals im Black Rock Canyon umgekommen waren, aber keiner von ihnen hatte ihm besonders nahegestanden. Bei Durango war das anders.
Lieutenant Harrison war sein Freund gewesen, der beste Freund, den er je hatte. Und er würde nicht eher Ruhe geben, bis er den Mann hatte, der an seinem Tod schuldig war.
Sie waren etwa eine Stunde unterwegs, als Halcon vor ihm anhielt und vom Pferd rutschte. Durango blickte schnell nach allen Seiten, konnte aber nichts erkennen in der Dunkelheit, die sie umgab.
„Wir werden gleich da sein“, erklärte Halcon ihm. „Und ich habe versprechen müssen, dass wir ohne Waffen kommen. Ich weiß, wie schwer es in gewissen Situationen für dich sein muss, ruhig zu bleiben. Der Kerl, den wir jetzt treffen, ist immerhin dabei gewesen.“
„Ich bleibe ruhig“, versicherte Durango, konnte jedoch seine innere Spannung nicht völlig aus seiner Stimme fernhalten. „Es ist Monate her, und du weißt, dass ich an anderen interessiert bin, nicht an den Handlangern.“
Halcon trat nahe an Durangos Tier heran. Sein Gesicht war in der Finsternis nicht zu erkennen, aber seine Stimme klang kompromisslos.
„Ich habe es nun mal versprochen. Also gib mir deine Schießprügel, oder wir kehren wieder um.“
Ohne ein weiteres Wort zog Durango seinen Revolver und reichte ihn dem alten Mann.
„Das Gewehr auch.“
Es schlurfte leise, als er die Waffe aus dem Scabbard zog. Halcon versteckte die Waffen unter einem Busch und setzte sich wieder auf den Rücken seines Pferdes.
„Wenn wir dort sind“, sagte er, „dann lass mich möglichst reden. Du weißt ja, wie empfindlich diese Burschen mitunter sind.“
„Wie hast du ihn dazu gebracht?“, wollte Durango wissen. Halcon drehte sich um.
„Es ist bei den Roten so wie bei den Weißen. Du kennst sie ja genau wie ich. Es gibt immer welche, die über irgendetwas verbittert sind. Der Mann war mal ein guter Krieger, aber bei diesem Massaker im Black Rock Canyon hat ihm ein Soldat mit einem Säbelhieb die rechte Hand abgeschlagen. Seitdem ist er für den Kampf nicht mehr zu gebrauchen. Er hat seine Vorliebe für Whiskey entdeckt und schwelgt gern in Erinnerungen. Er war der einzige von diesen Kerlen, an den ich herankommen konnte, und es war gewiss nicht leicht.“ Er schaute Durango eine Weile prüfend an, obwohl er in der Dunkelheit kaum etwas erkennen konnte, ehe er fortfuhr: „Wenn du die Sache verpatzt, wird es keine zweite Chance mehr geben.“
Durango trieb sein Pferd vorwärts. „Mach dir deshalb nur keine Sorgen. Niemand ist mehr interessiert, dass der Halunke redet, als ich.“
Dicht hinter dem alten Scout ritt er durch die Nacht. Sie überquerten einige Hügel, und der Boden wurde steinig. Eine nahe Felswand warf das Klappern der Hufe zurück. Dann erblickte Durango schwachen Feuerschein vor ihnen. Ein Pferd schnaubte in der Dunkelheit, und ein Hund begann, wütend zu kläffen.
Neben einem Feuer, das unweit der Felswand brannte, hockte eine Gestalt, die sich eine Decke umgehängt hatte. Am Rand des spärlichen Scheins bewegten sich zwei Squaws, und die Konturen zweier Pferde waren weiter hinten nur noch undeutlich zu erkennen. Nur ihre Augen leuchteten, als sie herüber äugten. Der Hund wagte sich kläffend vor, und seine entblößten Zähne schimmerten im Widerschein der Flammen. Der Apache neben dem Feuer hob nur den Kopf und sah ihnen entgegen, ohne aufzustehen. Zu seiner Linken lag eine halbvolle Whiskyflasche schräg gegen einen Stein gekippt. Sein von Narben gezeichnetes hässliches Gesicht sah hager und schlaff aus, die Augen blickten wässrig, aber ohne Glanz.
Halcon rutschte als erster aus dem Sattel. Eine dicke Squaw kam mit einem Stock und scheuchte den Hund in die Dunkelheit, ihm noch einige Verwünschungen nachrufend. Die andere Squaw, die jünger aussah, aber ein hässliches, flaches Pfannkuchengesicht hatte, warf einen Arm voll Reisig neben das Feuer, und beide zogen sich wieder bis in die Nähe der Pferde zurück.
Der Apache deutete auf die Flasche neben sich, die er nach Durangos Vermutung sicherlich von Halcon zuvor erhalten hatte.
„Whiskey“, sagte er und schnalzte mit der Zunge. „Enju, gut. Halcon, schichobe, großer Freund.“
Halcon setzte sich an das Feuer, und Durango tat es ihm nach. Der Apache reichte ihnen wortlos die Flasche, nachdem er einen gierigen Zug daraus genommen hatte. Halcon trank und gab sie an Durango weiter. Dieser hätte am liebsten abgelehnt, aber er wusste, dass er diesen alten Säufer auf der anderen Seite des Feuers damit beleidigt hätte. Diese Art von Stolz behielten sie, besonders dann, wenn man etwas von ihnen wollte.
Also trank er widerwillig und reichte dem Alten die Flasche zurück. Dieser nahm sie mit der Linken und tat noch einen Schluck, ehe er sie absetzte. Der rechte Arm blieb unter der Decke verborgen. Er grinste genüsslich über das Feuer hinweg.
„Es ist schön, mit dir zu trinken, Freund“, begann Halcon auf Apache. „Dieser Freund hier ist gekommen, um deine Geschichte mitzuhören, die du mir versprochen hast.“
Die Gestalt unter der Decke reckte sich in die Höhe. Die vom Alkohol schon leicht vernebelten Triefaugen blickten von einem zum anderen.
„In jungen Jahren war ich ein großer Krieger“, begann er seine weitausholende Schilderung. „Alle fürchteten den Namen Araca, den man in den Cowahs der Tinneh nur flüsternd nannte. Das war zu der Zeit, als Diablito noch ein halbwüchsiger Knabe war...“
Geduldig lauschten die beiden Weißen dem aufschneiderischen Gerede des alten Trunkenbolds, bis er schließlich eine Pause machte, um wieder zur Flasche zu greifen. Denn bei dem vielen Reden war ihm wohl der Hals trocken geworden. Diese Gelegenheit nützte Halcon sofort, um zu sagen: „Es ist ein Vergnügen, von den Ruhmestaten eines großen Kriegers zu hören. Doch wie war es damals, als ihr unter Diablito im Black Rock Canyon die Pferdesoldaten getötet habt?“
Araca setzte glucksend die Flasche ab und rülpste laut.
„Das war erst viel später“, murrte er und fuhr fort, seine früheren Heldentaten zu preisen.
„Der Hundesohn redet nicht gern darüber“, raunte Halcon Durango zu, „weil er dabei seine Hand verlor. Außerdem liegt die Geschichte noch nicht so lange zurück. Er hat wohl Angst, dass man ihn zur Rechenschaft ziehen könnte, weil er dabei war.“
Zu dem Apachen sagte er: „Du hast versprochen, davon zu erzählen, als ich dir den Whiskey brachte.“
„Ihr Weißaugen seid immer ungeduldig“, protestierte er. „Niemals habt ihr Zeit zum Plaudern.“
Er schwieg einen Moment, um nachzudenken, soweit ihm das mit seinem umnebelten Gehirn noch gelang. In die Stille hinein sagte Halcon: „Es waren weiße Männer, die euch dazu überredet hatten. Und ihnen habt ihr das Geld gegeben, das in der großen Kiste war.“
Araca starrte ihn an. „Davon habe ich nie etwas gesagt.“
„Ich weiß es trotzdem.“
„Weshalb soll ich davon reden, wenn ihr alles schon wisst?“
„Nicht alles. Aber diese Männer sind schuld an deinem Unglück. Wenn sie nicht gewesen wären, dann hättest du deine rechte Hand noch.“
Halcon hatte einen wunden Punkt berührt, und der Blick des Apachen verfinsterte sich. Einen Moment schien es Durango, als würde er nichts mehr sagen, doch dann begann er von neuem.
„Ich habe den Pferdesoldaten selbst getötet, der das getan hat.“ Er hob die linke Hand hoch. „Mit dieser Hand habe ich ihm den Schädel zerschlagen. Sie haben tapfer gekämpft, aber es hat ihnen nichts genützt, denn wir waren stärker.“ In dem zerfurchten Gesicht des Apachen arbeitete es. Die Erinnerung an jenen Kampf, bei dem ihn sein Missgeschick ereilte, bewegte ihn. Hass kam in seine stumpfen Augen.
„Wir haben ihre Skalpe genommen und ihre Gesichter zerschnitten, damit niemand weiß, wer sie waren. Die Weißen graben ihre Toten ein und schreiben ihre Namen auf hölzerne Kreuze, damit man sie im Reich der Schatten wiedererkennt. Aber diese wird niemand mehr erkennen. Sie werden namenlose Sklaven sein.“
Er warf ein paar Holzscheite ins Feuer, um den Flammen neue Nahrung zu geben, und griff wieder nach der Flasche.
„Einen haben wir lebend gefangen. Er war ein Nantan, ein Häuptling. Er hat die Schmerzen lange ertragen und fing erst an zu schreien, als wir ihn über das Feuer hängten.“
Halcon griff rasch und unauffällig zur Seite, und seine Finger drückten sich fest in Durangos Bein, als er bemerkte, wie sich dessen Körper spannte.
„Schön ruhig“, warnte er leise. „Wenn du etwas erfahren willst, dann bleib still sitzen, und lass ihn reden. Schließlich warst du selbst ein Apache, bis du erwachsen wurdest.“
Halcon hatte recht. Durango war bei den Apachen aufgewachsen, und später hatten sie bei ihren Beutezügen auch Weiße getötet. Aber das waren nicht seine Freunde gewesen. Im Black Rock Canyon hingegen war Lieutenant Harrison gestorben, der ihm sehr nahegestanden hatte. Und dieser verdammte Apache da auf der anderen Seite des Feuers war dabei gewesen, hatte an den Verstümmelungen und Folterungen teilgenommen. Wen hatte er getötet? Jackson, Morris oder Gideon oder irgendeinen anderen. Durango hatte sie alle gekannt, und der Mörder von mindestens einem von ihnen saß ihm hier gegenüber, und er musste sich dessen Schilderungen anhören. Er presste die Zähne zusammen, dass seine Kinnmuskeln hervortraten. Er musste es durchstehen, denn er wollte die Männer haben, die den Apachen die Repetiergewehre verschafft hatten.
„Und die Kiste habt ihr den weißen Männern gegeben, wie ihr es versprochen hattet“, sagte Halcon gerade.
Diese Seite der Geschichte war dem alten Schlitzohr offensichtlich unangenehm, denn er ging mit einer widerwilligen Bejahung darüber hinweg. Aber Halcon ließ nicht locker.
„Wo habt ihr euch getroffen?“
„Im Aravaipa-Gebiet, am Fuß einer Felswand wie dieser.“
„Wie viele waren es?“
„Ich weiß nicht mehr.“
Halcon zog eine flache Blechflasche aus seiner Tasche und hielt sie in die Höhe, nachdem er sie geöffnet hatte.
„Ich habe noch mehr Whiskey mitgebracht. Es wird dir schon wieder einfallen, wenn wir zusammen trinken.“
Aracas Gesicht hellte sich auf. Er griff nach seiner Flasche und hielt sie ebenfalls hoch. Die Decke, die über seinen mageren Schultern hing, glitt etwas zur Seite. Er lachte trunken, und nachdem er die Flasche wieder weggestellt hatte, kratzte er sich durch ein Loch in seinem zerschlissenen Hemd den Bauch.
Nur Durangos Gesicht blieb verschlossen. Die Worte des Indianers hatten seine Erinnerungen wachgerufen. Schlimme Erinnerungen an jenen Tag, als er den Wagen des Zahlmeisters suchen sollte, der mitsamt seiner Eskorte überfällig war...
*
Ein übler Gestank lag in der Luft, als Durango den Black Rock Canyon erreichte. Der sagte ihm schon, was passiert war, bevor er die Stelle erreicht hatte. Dann sah er sie, beziehungsweise das, was noch von ihnen übrig war.
Der Wagen des Zahlmeisters war verbrannt. Durango zog sich sein Halstuch bis über die Nase herauf, ehe er näher ritt und absaß. Einen Moment stand er wie erstarrt neben seinem Pferd, das sehr nervös war und immer wieder zurückscheute.
Die Gesichter der Toten waren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, und die Geier und Coyoten hatten sich bereits an den Leichen zu schaffen gemacht. Der Anblick ließ ihm übel werden, und er musste die Augen schließen. Er ließ das Pferd ein Stück zurücklaufen und bewegte sich mechanisch auf die verkohlten Reste des Wagens zu, halb benommen von dem widerlichen Verwesungsgestank. Er suchte in den verkohlten Wagenresten, und nach einer Weile gab es keinen Zweifel mehr für ihn: Die eisenbeschlagene Kiste mit dem Geld für Fort Thomas fehlte. Das machte ihn misstrauisch.
Für gewöhnlich zeigten Indianer wenig Interesse an Geld, und sie konnten auch nicht wissen, was sich darin befand. Nach seinen Erfahrungen hätten die Apachen die Kiste an Ort und Stelle gewaltsam geöffnet. Aber das hatten sie hier nicht getan, und er konnte sie auch nirgendwo entdecken.
Aber er entdeckte etwas anderes. Dort, von wo aus die Apachen angegriffen haben mussten, fand er zahlreiche blanke Messinghülsen.
Das war keine Armeemunition, sondern solche, wie sie für moderne Repetiergewehre benutzt wurde. Die Angreifer hatten Repetiergewehre besessen. Aber woher? Deshalb hatten Lieutenant Harrison und seine Leute nicht die geringste Chance gehabt.
Harrison! Wo war Robert Harrison, sein Freund? Die meisten der Toten waren nicht mehr zu identifizieren.
Durango zwang sich dazu, noch einmal jeden anzusehen, und kämpfte verzweifelt gegen die immer wieder aufsteigende Übelkeit an. Fliegen summten um ihn herum, eklig und giftig schillernd. Er achtete auf die zerfetzten Uniformen und versuchte, sich das andere nicht einzuprägen. Die eines Lieutenants war nicht dabei! Leise Hoffnung regte sich in ihm und verdrängte die Übelkeit.
Er lief den Spuren nach, von denen es unzählige gab. Die Apachen hatten sich am Boden des Canyons eingegraben oder an den steilen Hängen versteckt und die Soldaten in den Hinterhalt laufenlassen. Er streifte durch die Büsche. Er sah die Schleifspur, wo man die Kiste weggeschleift hatte. Von dem Lieutenant keine Spur.
Er folgte der Schleifspur durch ein Mesquitegestrüpp und blieb plötzlich mit einem Ruck stehen.
In einem Dreibeingestell aus Stangen hing ein lebloser Körper mit dem Kopf nach unten über der Asche eines längst verlöschten Feuers. Bis auf Reste seiner zerfetzten Hose war er nackt, und sein Körper wies Spuren qualvoller Marter auf.
Durango kam langsam näher, und er fühlte, wie eine Gänsehaut seinen Körper überzog.
Der Kopf des Unglücklichen war vom Feuer fast verkohlt, aber er erkannte ihn trotzdem, und ein wahnsinniger Zorn, gepaart mit Schmerz, schoss wie eine Flamme durch sein Inneres. Etwas würgte in ihm hoch, und er musste sich übergeben, wurde einige Zeit von dem immer wiederkehrenden Zusammenkrampfen seines Magens geschüttelt.
Als es nach einer Weile wieder nachließ und er sich aufrichtete, war eine eisige und tödliche Kälte in ihm.
Weiße töteten Indianer, und Indianer töteten Weiße, so war es immer gewesen, solange sich Durango zurückerinnern konnte. Aber diesen Indianern hier hatte irgendjemand Repetiergewehre besorgt, und sie hatten damit den Mann getötet, der ihm von allen am nächsten stand, der sein Bruder gewesen war. Und jetzt war er nur noch ein lebloses Bündel Fleisch, gemartert und zu Tode gequält.
Mit einer kalten Ruhe schnitt er ihn ab und ließ den verstümmelten und zerschundenen Körper herunter, so behutsam, wie es ihm möglich war.
*
Es gab keine Worte in der Sprache, die er kannte, um alles das zu beschreiben, was er gesehen und dabei empfunden hatte. Er spürte noch immer den warnenden Druck von Halcons Hand an seinem Knie und öffnete zögernd die Augen. Sein Blick traf auf die vom Whiskey zerstörte Fratze jenseits des Feuers, in die der unruhige Flammenschein einen gierigen Ausdruck brachte.
„Wie viele Männer waren es, die jene Kiste abholten?“, hörte er den alten Scout neben sich fragen.
„Ich war nicht dabei“, versuchte Araca auszuweichen. „Zu jener Zeit war ich verwundet.“
„Aber sie haben darüber geredet in deiner Cowah, nicht wahr?“
„Es waren drei“, nickte der Apache.
„Die gleichen, die euch die Gewehre brachten?“
„Ja.“ Aracas Zunge wurde bereits schwer. „Sie haben uns diese Zaubergewehre gebracht, und wir sollten ihnen dafür diese Kiste der Pferdesoldaten geben. Nie haben Apachen einen so guten Handel gemacht.“