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Das Haus war aus rohen Steinen erbaut. An der Vorderfront zog sich eine mit Gras bedeckte Ramada entlang, welche die Tür vor der grellen Sonne schützte. Seitlich davon befand sich ein kleiner Stall und daneben ein Corral aus bröckligem Adobelehm, in dem einige Schafe standen. Hühner liefen überall herum, und der leichte Wind raschelte im Laub der beiden Cottonwoods, die seitlich vor dem Haus standen und einen kümmerlichen Schatten auf den Brunnen warfen.
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Im Banne von El Lobo: Western
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Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Das Haus war aus rohen Steinen erbaut. An der Vorderfront zog sich eine mit Gras bedeckte Ramada entlang, welche die Tür vor der grellen Sonne schützte. Seitlich davon befand sich ein kleiner Stall und daneben ein Corral aus bröckligem Adobelehm, in dem einige Schafe standen. Hühner liefen überall herum, und der leichte Wind raschelte im Laub der beiden Cottonwoods, die seitlich vor dem Haus standen und einen kümmerlichen Schatten auf den Brunnen warfen.
Die Frau trat in die helle Sonne hinaus und blinzelte über das hitzeflirrende Land. Der heiße Wind bewegte ein paar schwarze Haarsträhnen, die auf ihren nackten Schultern lagen. Sie sah einen großen, hageren Mann mit einem eingefallenen stoppelbärtigen Gesicht und tiefliegenden, fiebrig glänzenden Augen auf das Haus zukommen. Schmutz, Blut und die primitive Krücke, mit deren Hilfe er sich noch mühevoll aufrecht hielt, gaben seiner Erscheinung ein elendes Aussehen. Als er nur noch wenige Schritte von ihr entfernt war, blieb er schwankend stehen.
„Tag, Ma’am“, brachte er über seine aufgeplatzten Lippen.
Die Frau musterte ihn mit einem Blick, gepaart aus Furcht und Mitleid.
„Ich wollte...“ Die Stimme versagte ihm den Dienst. Er machte noch einen Schritt, war aber nicht mehr fähig, dieser Gewichtsverlagerung standhalten zu können. Er knickte ein und versuchte, sich mit letzter Kraft an der Krücke zu halten. Die Frau sprang schnell hinzu, doch sie konnte den schweren Körper des großen Mannes nicht halten. Lang schlug er auf den Boden.
„Mein Gott“, flüsterte sie bestürzt und schaute zu den gewaltigen Massiven der Berge hin, als fürchtete sie, jemand könnte sie von dort aus beobachten. Dann schleifte sie unter Aufbietung aller ihrer Kräfte die große Gestalt durch den Staub bis unter die Ramada und von dort durch die offene Tür ins Haus.
Keuchend hielt sie inne und betrachtete den zerschundenen und völlig erschöpften Mann. Mit mechanischen Bewegungen löste sie die blanke Schnalle seines Revolvergutes und zog diesen unter seinem Körper hervor. Der Walnussgriff der Waffe war vom häufigen Gebrauch abgewetzt und dunkel, und ihr Blick fiel auf eine eingelassene Messingplatte. Sie zog die Waffe heraus und las den eingravierten Namen: Latigo.
Das Korn auf dem Lauf des Revolvers war vor langer Zeit schon abgefeilt worden. Ihre Hand glitt fast ehrfürchtig über den kalten Stahl. Langsam wanderte ihr Blick zu dem bewusstlosen Mann am Boden.
Latigo hatte vor kurzem jenseits der Grenze drei Männer erschossen. Sie hatte davon gehört und fürchtete sich vor ihm. Aber sie musste ihm helfen. Ihr Blick kehrte vom Gesicht des Mannes zu dem Revolver zurück, den sie noch immer in den Händen hielt. Jemand, der solch eine Waffe besaß, war kein gewöhnlicher Streuner, wie sie hin und wieder durch diese einsame Gegend zogen.
*
Die letzten Stunden vor seinem Erwachen hatte Latigo fest und ruhig geschlafen; ein Zeichen dafür, dass das Fieber zurückging. Es war sehr warm, und Latigo spürte weiche, kühle Hände auf seinem heißen Gesicht. Jemand wischte zart mit einem Tuch über seine Stirn. Zögernd öffnete er die Augen. Zuerst blendete ihn das helle Tageslicht, aber dann formte sich ein Bild vor ihm.
Was er sah, verwirrte ihn einen Moment. Schwarzes Haar umrahmte locker ein ovales Gesicht mit großen, dunklen Augen. Es dauerte Sekunden, bis er sich über die Bedeutung seiner Umgebung klar wurde. Diese Frau hatte ihm geholfen, als er gefallen war. Soviel wusste er noch. Sie sah aus wie eine Mexikanerin und hatte ein hübsches Gesicht.
„Haben Sie mich hier herein gebracht?“, fragte er.
Sie nickte. „Das war vor zwei Tagen.“
„Habe ich so lange gebraucht, um zu...?“
„Sie waren sehr schwach und hatten Fieber. Jetzt müssen Sie unbedingt etwas essen, damit Sie zu Kräften kommen.“
Sie ging hinaus, und Latigo hörte sie eine Zeitlang mit Töpfen hantieren und schloss wieder die Augen. Zwei Tage waren vergangen, während denen er in diesem Bett gelegen hatte. Zum ersten Mal beschäftigten sich seine Gedanken mit dieser Frau.
Weshalb lebte sie hier in dieser Einöde?
Er öffnete die Augen erst wieder, als er sie hereinkommen hörte. Sie brachte gebratenes Huhn und Maistortillas, half ihm, sich aufzurichten und stellte das Tablett auf die Decke. Dabei bemerkte Latigo, dass er völlig nackt war. Er erinnerte sich daran, dass er ziemlich schmutzig gewesen sein musste. Wahrscheinlich hatte sie ihn auch gewaschen.
„Leben Sie allein hier?“, fragte er.
„Nein“, antwortete sie schnell.
Latigo hob den Kopf. Es klang so, als fürchtete sie sich vor irgendetwas.
„Mein Mann ist geschäftlich nach Durango gereist. Ich erwarte ihn jeden Tag zurück.“
Sie beobachtete die Gestalt im Bett, um zu ergründen, wie er ihre Worte aufnahm.
„Ich heiße Estela.“
Latigo nickte mit vollem Mund. Dann sagte er: „Ich bin...“
„Ich weiß, wer Sie sind“, unterbrach sie ihn. „Ich habe es auf dem Revolver gelesen.“
Es war eine gewisse Spannung zwischen ihnen.
„Ich habe diesen Namen schon früher einmal gehört“, sagte Estela. Ihre dunklen Augen glitzerten in dem Licht, das durch das Fenster hereinfiel.
Latigo schaute sie fragend an.
„Sie haben vor kurzem jenseits der Grenze drei Männer erschossen.“
„Das stimmt“, sagte er ruhig.
„Sind Sie deshalb nach Mexiko ge¬kommen?“
„Nein. Ich werde da drüben nicht ge¬sucht, falls Sie das meinen.“
Eine Weile herrschte Schweigen. La¬tigo verzehrte sein Essen und betrach¬tete ihre schlanke Gestalt mit den festen Brüsten, über die sich der dünne Stoff ih¬rer Bluse straffte. Sie stand etwas un¬schlüssig neben der Tür.
„Ich werde aufstehen“, sagte Latigo. „Ich möchte Ihnen keine unnötige Mühe bereiten.“
„Nein“, wandte sie hastig. „Sie blei¬ben im Bett. Sie sind noch viel zu schwach.“
„Ich werde mich vorsehen.“
„Das allein ist es nicht.“
Estela ging zum Fenster und schaute hinaus.
„Ja? Ich höre.“
„Es ist nicht gut, wenn Sie da draußen herumlaufen“, gab sie ihm zu verstehen.
Latigos Schweigen wirkte fordernder als jede Frage. Estela drehte sich mit ei¬nem Ruck um.
„Sie haben zwei von El Lobos Män¬nern erschossen, ehe Sie hierherka¬men“, stieß sie hervor.
„Woher wissen Sie das?“
„Sie haben im Fieber gesprochen. El Lobo wird vielleicht schon die ganze Gegend nach Ihnen abgesucht haben. Das Beste, was Ihnen passieren kann, ist, dass er Sie für tot hält. Aber wenn er Sie hier findet, dann...“ Sie verstummte und drehte sich schnell wieder um, damit er den Ausdruck ihres Gesichtes nicht sehen konnte. .
„Wer ist El Lobo?“
„Ein Satan.“
„Darunter kann ich mir nichts vorstel¬len. Ich habe noch nie einen gesehen.“
„Er ist ein Halbblut, halb Apache, halb Mexikaner. Der einzige Wesenszug, dem man ihm mit Bestimmtheit nachsagen kann, ist Grausamkeit. Er beherrscht mit seiner Bande die ganze Gegend. Und diese Bande besteht aus Mexikanern, Mischlingen und abtrünnigen Rothäuten aller Volksgruppen.“
Sie hatte sich ihm wieder zugewandt. Ihrem Gesicht war nicht anzusehen, was sie dachte.
„So, jetzt wissen Sie, woran Sie sind, Senor Latigo. Wenn Sie dieses Haus wieder verlassen, dann müssen Sie völlig auskuriert sein.“
Latigo schwieg einen Moment betroffen. Er hatte nicht gewusst, dass sich diese Frau seinetwegen in eine solche Gefahr begeben hatte.
„Und Sie?“, brachte er schließlich hervor. „Weshalb sind Sie denn noch hier?“
Sie zögerte einen Augenblick lang und sagte dann: „Ich erkläre Ihnen das ein andermal.“ Danach ging sie hinaus, und es schien Latigo, als wollte sie damit weiteren Fragen aus dem Weg gehen.
Er wartete, bis ihre Schritte jenseits der Tür verklungen waren, und schlug dann die Decke zur Seite.
Seine Kleider waren gewaschen und geflickt, und sogar sein Revolver lag darunter. Er zog sich an und schlang den Gurt um seine Hüfte. Dann durchquerte er den vorderen Raum und blieb an der Tür stehen. Er hielt sich am Rahmen fest und blinzelte in die grelle Sonne. Der Wind trieb kleine Staubteufel über das ebene Land vor den Bergen. Die trockenen Blätter der Cottonwoods bewegten sich und erzeugten jenes feine Rascheln, das für diese Bäume charakteristisch ist.
Latigo ging langsam zum Brunnen. Seine Muskeln mussten sich erst wieder an die Bewegungen gewöhnen. Umständlich zog er den Eimer herauf, schöpfte mit der hohlen Hand Wasser und warf es sich in das Gesicht.
Die kleine Mauer des Brunnens war an einer Stelle bereits eingefallen und nicht mehr ausgebessert worden. Das musste schon seit geraumer Zeit so sein, denn Sand war hinein gerieselt. Es hätte längst neu ausgeschachtet werden müssen. Latigo begriff nicht, weshalb ein Mann, der hier lebte, das nicht tat.
Er warf einen Blick in die Runde. Das Haus war solide und stabil gebaut, aber auch dort zeigten sich bereits Spuren beginnenden Verfalls.
Er erreichte gerade das Gebäude, als Estela mit einem kleinen Eimer voll Milch aus dem Stall kam. Sie stellte ihn auf die Bank unter dem Fenster und strich sich eine Strähne ihres lockeren schwarzen Haares aus dem Gesicht. Dann blickte sie den großen, hageren Amerikaner an. Er bewegte sich schon ganz gut. Vor diesem Augenblick hatte sie sich etwas gefürchtet.
Was war er für ein Mensch, und wie würde er reagieren, wenn er erst einmal feststellte, dass es keinen Mann gab, der zu ihr zurückkehren könnte?
Sie ging an ihm vorbei ins Haus und hörte, wie er ihr folgte. Mit einer flüchtigen Bewegung vergewisserte sie sich, dass der Revolver noch da war, den sie unter der Schürze verbarg.
„Sie sollten sich möglichst wenig da draußen sehen lassen“, sagte sie über die Schulter, während sie mit den Töpfen hantierte. „Die Bandidos könnten das Haus beobachten.“
Latigo ließ sich am Tisch nieder. Die Wunde an seinem Oberschenkel schmerzte noch höllisch.
„Das werden sie nur aus größerer Entfernung tun, und da könnten sie mich für Ihren Mann halten.“
Einen Moment starrte Estela ihn an, dann ertrug sie seinen forschenden Blick nicht länger und wandte sich rasch wieder dem Herd zu.
„Haben Sie ein Pferd?“ fragte er nach einer Weile.
„Wir brauchen unsere Pferde. Außerdem können Sie jetzt noch nicht reiten.“
Latigo legte die Hände auf den Tisch. „Hören Sie, Ma’am, ich möchte Sie nicht in etwas hineinziehen, was ausschließlich meine Sache ist.“
Estela hielt in ihrer Tätigkeit inne. Mit erhobenem Kopf stand sie am Herd, drehte sich aber nicht um.
„Wir können keines der Pferde erübrigen.“
„Ich werde es Ihnen bezahlen.“
„Und wenn ich es Ihnen trotzdem nicht freiwillig gebe?“
Latigo erhob sich. Er ahnte, was sie nun hören wollte.
„Ich habe noch nie ein Pferd gestohlen“, sagte er.
„Wer könnte Sie daran hindern, es diesmal zu tun?“
Latigo wurde aus ihr nicht klug. Sie hielt ihn offenbar für einen üblen Burschen, und doch wollte sie, dass er blieb.
„Vielleicht Sie mit Ihrem Revolver unter der Schürze.“
Als er sich ihr näherte, fuhr sie plötzlich herum. Die Waffe in ihrer Hand zeigte direkt auf seine Brust. Es war ein uraltes Colt Navy-Modell mit verkürztem Lauf.
„Bleiben Sie, wo Sie sind!“
„Den haben Sie wohl von Ihrem Großvater?“, fragte er unbeeindruckt.
Ihre Finger krampften sich um den Griff der Waffe. Sie war entschlossen, abzudrücken, wenn er auch nur die Hand hob.
Aber Latigo tat nichts. Er stand nur ruhig vor ihr und fragte: „Wovor haben Sie eigentlich Angst? Vor den Banditen, vor mir oder vor dem Alleinsein?“
Sie ließ die Hand mit dem Revolver sinken und schwieg. Latigo trat noch näher an sie heran, nahm ihr den Revolver aus der Hand und legte ihn auf den Rand des Herdes. Schluchzend fiel ihr Kopf gegen seine Schulter.
Überrascht von dem plötzlichen Ausbruch ihrer Gefühle, wusste er eine Sekunde lang nicht, was er tun sollte. Aber die weichen Formen ihres Körpers, die sich gegen seine Gestalt drückten, beendeten sehr schnell diesen Zustand. Bei Gott, er hatte lange keine Frau wie diese in den Armen gehalten. Weshalb sollte er sich da allzu viele Gedanken machen?
Zögernd glitten seine Hände an ihrem Rücken hinauf und drückten ihren Oberkörper fester gegen seine Brust. Einen Moment schien es, als spannte sich in ihrem Innern eine unsichtbare Feder. Eine Abwehr gegen seine Berührung? Doch sogleich verschwand diese Reaktion wieder wie ein flüchtiger Gedanke, der verworfen wird, und sie wirkte hilflos und zerbrechlich, schmiegte sich an ihn auf eine Weise, die sein Blut kochen ließ.
Was beabsichtigte diese Frau? Welches Geheimnis umgab sie? Oder geschah alles ohne Absicht, war es bloß eine über lange Zeit ungestillte Sehnsucht nach Geborgenheit und den starken Armen eines Mannes?
Sie hob den Kopf, und Latigo küsste ihre verführerischen Lippen, während sein Herz wild gegen die Rippen hämmerte. Seine Hände schoben sich unter den Rand ihrer Bluse, tasteten wie im Fieber über ihre glatte Haut, eroberten fordernd und ungestüm ihre weichen Brüste und strichen liebkosend über ihre kleinen, harten Warzen.
„Ich muss...“
„Sag nichts“, hauchte Latigo in ihr Ohr. „Es ist jetzt nicht die Zeit für Worte.“
Er hob sie hoch und trug sie, ohne etwas von seinen Schmerzen zu spüren, zum Bett in dem angrenzenden Raum.
Dort legte er sie nieder und schaute auf sie hinab. Seine Brust hob und senkte sich unter heftigen Atemzügen. Estela streifte schweigend die Bluse ab. Dann lag sie still und wartend da, und ein seltsames Licht glühte in ihren dunklen Augen.
Latigo beugte sich über sie. Sein heißer Atem streifte ihre Wange. Der Körper des Mannes presste sich gegen sie. Ein Feuerstrom schien durch ihre Adern zu rasen, die Gegenwart auszulöschen und in einem jubelnden Siegesschrei zu ersticken.
Ein süßer Schmerz pulsierte durch Latigos Körper, den er in nie gekannter Weise genoss, bis er mehr und mehr von seiner Wonne verlor und wieder zu einem normalen, peinigenden Schmerzen wurde. Seine Muskeln entspannten sich, und er fühlte wieder die Berührung mit Estelas nacktem Leib. Langsam kam sein Blut zur Ruhe.
Sie musterte ihn und flüsterte: „Mein Mann ist vor zwei Jahren gestorben.“
Latigo bewegte sich nicht. Es schien, als gäbe es nichts, was diesen Mann überraschen könnte.
„Habe mir so was gedacht“, sagte er nur. „Kein anständiger Mann lässt seine Frau in einem solchen Land allein.“
Estela glitt ein wenig zur Seite. Schweiß glänzte auf ihren nackten Brüsten.
„E1 Lobo kommt manchmal hierher.“
Latiga blickte zur Zimmerdecke. „Du brauchst mir das nicht zu erzählen, nur weil das jetzt zwischen uns passiert ist. Jeder lebt so, wie er es für richtig hält.“ Er verspürte kein Interesse an ihrer Geschichte. Er hatte bekommen, was jeder Mann hin und wieder braucht, und er wollte seine Gefühle nicht mit ihrem Schicksal verbinden. Er wusste, welche Macht solche Gefühle haben konnten. Sein Instinkt riet ihm, weiterzureiten und alles zu vergessen, was hier geschehen war.
„Ich möchte aber davon sprechen“, sagte Estela schlicht. „Hier kommt selten jemand vorbei, mit dem ich reden kann. Ich kann nichts weiter tun, als zu warten, bis El Lobo kommt und mit mir schlafen will. Ja, ich habe mit ihm geschlafen, so wie mit dir jetzt. Schockiert dich das?“
Als er nichts darauf erwiderte, fuhr sie fort: „Ich verabscheue ihn, aber ich werde es immer wieder tun, so lange, bis ich ihn eines Tages zu töten versuche und er mich dafür umbringt.“
Sie erhob sich und verließ den Raum.
Latigo langte nach seinen Sachen, nestelte sein Rauchzeug hervor und drehte sich eine Zigarette.
Verdammt, was ging es ihn an, aber schließlich hatte sie ihm geholfen. Vielleicht wäre er längst tot, wenn sie nicht gewesen wäre. Diese Frau begann ihn zu verwirren.
Langsam erhob er sich, schlüpfte in seine Hose und folgte Estela zu den Cottonwoods. Seine Wunden schmerzten wieder, wenn er sich bewegte. Dicht hinter ihr blieb er stehen, roch den Duft ihres Haares und sagte eine Weile nichts. Dann trat er an den Brunnen und setzte sich auf die niedrige Mauer.
„Du hättest doch von hier weggehen können.“
Sie wandte ihm ihr Gesicht zu.
„Glaubst du, El Lobo würde mich jemals von hier weggehen lassen? Dreimal habe ich es schon versucht. Das letzte Mal hat er mir nachdrücklich erklärt, dass er es lästig findet, mich jedes Mal wieder einfangen zu lassen. Schau her.“ Sie drehte sich um, und Latigo konnte auf ihrem Rücken die frisch verheilten Wunden von Peitschenhieben erkennen. „Allein habe ich keine Chance, auch nur bis über die Berge zu kommen.“
Sie lehnte sich an den Stamm eines Cottonwood. Ihre prallen Brüste pressten sich gegen den dünnen Stoff.
„Anfangs hat El Lobo mir sehr geholfen, als es mir schlecht ging. Aber er hat es nicht umsonst getan, er wollte mich haben. Und El Lobo nimmt sich, was er will. Er ist unbeherrscht und roh, und wenn man ihn reizt, verliert er jede Kontrolle über sich.
Von Zeit zu Zeit kommt er zu mir. Ich habe ihn noch niemals kommen hören. Irgendwann sitzt er abends in der Hütte. Er ist einfach da und wartet, bis ich ausgezogen bin. Er sagt kein Wort dabei und starrt mich nur an, mit glitzernden, unheimlichen Augen. Und ich wage kaum zu atmen, wenn er mich so ansieht.
Das erste Mal habe ich mich gewehrt, aber es hat keinen Sinn, sich gegen El Lobo zu wehren. Ich hasse ihn, und doch fasziniert er mich. El Lobo liebt mich, wenn in seinem Wesen überhaupt ein solches Gefühl Platz hat, aber er tut es auf seine Weise.“
Sie löste sich vom Stamm des Baumes und blieb einen Moment vor ihm stehen.
„Jetzt weißt du, wie ich hier überlebe.“
Latigo sagte kein Wort. Er starrte ihrer biegsamen Gestalt nach, die sich mit geschmeidigen Bewegungen entfernte, bis sie schließlich im Haus verschwand.
Es gab einen Punkt, in dem er El Lobo verstehen konnte, aber er spürte plötzlich einen Hass gegen dieses Halbblut in sich wachsen, der stärker und stärker wurde.
Vielleicht wollte diese Frau das, vielleicht wollte sie ihn auch so lange zum Bleiben bewegen, bis El Lobo wiederkam?
Und Latigo wusste genau, was er dann tun würde.
*
Estelas aufgeregte Stimme riss ihn augenblicklich aus seinen Gedanken.
„Komm ins Haus, es nähern sich drei Reiter!“
Latigo wandte den Kopf und spähte über die hitzeflirrende Ebene vor den Bergen. Drei Reiter bewegten sich dort verzerrt und unwirklich hinter dem Sonnenglast.
Schnell trat Latigo in das Haus und stellte sich neben das Fenster. Die Männer kamen rasch näher.
„Hast du kein Gewehr im Haus?“
Estela schüttelte den Kopf.
„Wir werden keins brauchen.“
„Sie könnten mich gesehen haben.“
„Wir müssen es abwarten. Das sind drei von El Lobos Leuten. Wenn sie dich gesehen haben, ist es sowieso zu spät. Aber es könnte sein, dass sie nur ihre Pferde tränken wollen.“
„El Lobo nicht dabei?“, fragte Latigo knapp.
Estela warf ihm einen kurzen Blick zu. „Nein, aber der in der Mitte ist Sabadillo, seine rechte Hand. Ich denke, sie suchen nach dir und kommen nur so vorbei. Geh nach hinten, damit sie dich nicht sehen.“