Einführung in den Buddhismus - Geshe Kelsang Gyatso - E-Book

Einführung in den Buddhismus E-Book

Geshe Kelsang Gyatso

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Beschreibung

Eine klare und inspirierende Erklärung buddhistischer Grundprinzipien Indem er mit Buddhas Lebensgeschichte beginnt, erklärt dieser prägnante Führer die wesentlichen Elemente der buddhistischen Lebensweise wie das Verständnis des Geistes, Wiedergeburt, Karma, endgültige Wahrheit und was es bedeutet, ein Buddhist zu sein. Meditation wird klar und einfach als Werkzeug erklärt, um Qualitäten wie inneren Frieden, Liebe und Geduld zu entwickeln. Die Betonung liegt durchgehend auf der praktischen Anwendung buddhistischer Ideen und Praktiken, um Lösungen für Probleme des Alltags zu finden. Diejenigen, die an Buddhismus und Meditation interessiert sind, werden dieses Buch als eine reiche Quelle für Führung und Inspiration betrachten.

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Von Geshe Kelsang Gyatso sind folgende Bücher auf Deutsch im Tharpa-Verlag erschienen:

 

Allumfassendes Mitgefühl 

Herzjuwel 

Herz der Weisheit 

Den Geist verstehen 

Freudvoller Weg des Glücks 

Sinnvoll zu betrachten 

Acht Schritte zum Glück 

Verwandle dein Leben 

Das Klare Licht der Glückseligkeit 

Das neue Meditationshandbuch 

Wie wir unsere Probleme lösen 

Führer ins Dakiniland

Mahamudra-Tantra 

Moderner Buddhismus

 

Erlöse aus dem Verkauf dieses Buchs sind bestimmt für den

NKT-IKBU International Tempelprojekt-Fond 

gemäß den Richtlinien in Ein Geldhandbuch 

[Vereinsregisternr. 1015054 (England)] 

Ein buddhistischer Verein, der für den Weltfrieden baut. 

  http://kadampa.org/de/temples/

GESHE KELSANG GYATSO

Einführung in den Buddhismus

EINE ERKLÄRUNG DER BUDDHISTISCHEN LEBENSWEISE

Originaltitel: Introduction to Buddhism

Erstveröffentlichung 1995 

5. überarbeitete Auflage 2011

Alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. 

Jede Reproduktion ist unzulässig, außer zur Verwendung kurzer Passagen für privates Studium, Forschung oder Buchbesprechungen.

Herausgeber: 

Tharpa Verlag Deutschland, ein Teil des Dipankara Kadampa Meditationszentrums e.V. (VR 33517 B)

Chausseestraße 108 

10115 Berlin

© Deutsche Übersetzung Ehrwürdiger Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche und Neue Kadampa-Tradition - 

Internationale Union des Kadampa Buddhismus 

1995, 2001, 2007, 2009, 2011, 2017

Satz: Tharpa Verlag Deutschland 

ISBN 978-3-908543-46-6

Inhaltsverzeichnis
Abbildungen
Danksagung
Anmerkung des englischen Herausgebers
ERSTER TEIL: Grundlagen des Buddhismus
Wer war Buddha?
Den Geist verstehen
Vergangene und zukünftige Leben
Was ist Karma?
Unser kostbares menschliches Leben
Was ist Meditation?
Der Tod
Die buddhistische Lebensweise
ZWEITER TEIL: Der Pfad zur Befreiung
Was ist Befreiung?
Das Entwickeln von Entsagung
Die drei höheren Schulungen
DRITTER TEIL: Der Pfad zur Erleuchtung
Ein Bodhisattva werden
Die Lebensweise eines Bodhisattvas
Endgültige Wahrheit
Erleuchtung
Widmung
Anhang I:
Die Zufluchtsverpflichtungen
Anhang II
Befreiendes Gebet
Mahayana-Sutra der drei höheren Anhäufungen
Glossar
Die Studienprogramme des Kadampa-Buddhismus
Tharpa-Büros weltweit
Leseempfehlungen

Abbildungen

Buddha Shakyamuni

Buddha Vollständiger Unterwerfer mit der Essenz des Vajras

Buddha Juwel des strahlenden Lichtes

Buddha Machtvoller König der Nagas

Buddha Anführer der Helden 

Buddha Glorreiches Vergnügen

Buddha Juwelenfeuer

Buddha Juwelenmondlicht

Buddha Sinnvoll zu betrachten

Buddha Juwelenmond

Buddha Der Makellose

Buddha Gewährer von Ruhm

Buddha Der Reine

Buddha Mit Reinheit Verwandelnder 

Buddha Wassergottheit

Buddha Gott der Wassergottheiten

Buddha Glorreiche Vortrefflichkeit

Buddha Glorreiches Sandelholz

Buddha Endlose Pracht

Buddha Glorreiches Licht

Buddha Glorreicher frei von Sorgen

Buddha Sohn ohne Verlangen 

Buddha Glorreiche Blume

Buddha Klares Wissen durch Genießen reinen Strahlens

Buddha Klares Wissen durch Genießen des Lotosstrahlens

Buddha Glorreicher Reichtum

Buddha Glorreiche Achtsamkeit

Buddha Glorreicher Name großartigen Ruhmes

Buddha König des Siegesbanners

Buddha Glorreicher alles Bezwingender

Buddha Großartiger Sieger in der Schlacht

Buddha Glorreicher vollständiger Unterwerfer alles Überschreitender

Buddha Glorreiche Aufstellung alles Erleuchtend 

Buddha Juwelenlotos großartiger Unterwerfer

Buddha König des Berges Meru

Die Abbildungen in diesem Buch stellen die fünfunddreißig Bekenntnis-Buddhas dar. Die Reinigungspraxis in Verbindung mit diesen Bekenntnis-Buddhas, das Mahayana-Sutra der drei höheren Anhäufungen

Danksagung

Dieses Buch Einführung in den Buddhismus ist eine außergewöhnlich klare Erläuterung der buddhistischen Lebensweise. Wir danken dem Autor, dem Ehrwürdigen Geshe Kelsang Gyatso, aus tiefstem Herzen für seine unermessliche Güte, dieses Buch verfasst zu haben. Damit steht allen Menschen im Westen eine maßgebliche Einführung in den Buddhismus zur Verfügung.

Wir danken auch all den engagierten, erfahrenen Dharma-Schülern, die dem Autor bei der Übersetzung auf Englisch behilflich waren und die das Endmanuskript für diese Ausgabe vorbereitet haben.

Roy Tyson, 

Administrativer Direktor, 

Manjushri Kadampa Meditation Centre, 

Anmerkung des englischen Herausgebers

Wer mit dem Leben und den Unterweisungen Buddhas noch nicht vertraut ist, mag anfänglich einige der in diesem Buch eingeführten Begriffe und Formen der Praxis etwas ungewöhnlich finden. Wer jedoch geduldig und aufrichtig über sie nachdenkt, wird entdecken, dass sie sehr sinnvoll und von großer Bedeutung für unser tägliches Leben sind. Obwohl der Buddhismus eine alte Religion ist, die zuerst im Osten erschienen ist, ist die von Buddha gelehrte Praxis zeitlos und universell anwendbar. In der heutigen Zeit entdecken viele Menschen, dass im Buddhismus Antworten auf Fragen und Lösungen zu Problemen gegeben werden, die man nirgendwo sonst findet. Es besteht deshalb die Hoffnung, dass die Veröffentlichung dieses Buches das Verständnis und die Wertschätzung für den Buddhismus im Westen verbessert und vertieft.

ERSTER TEIL: Grundlagen des Buddhismus

Wer war Buddha?

Im Allgemeinen bedeutet «Buddha» «der Erwachte», jemand, der aus dem Schlaf der Unwissenheit erwacht ist und die Dinge so sieht, wie sie wirklich sind. Ein Buddha ist eine von allen Fehlern und geistigen Behinderungen völlig befreite Person. Es gibt viele Menschen, die in der Vergangenheit Buddhas geworden sind, und viele Menschen werden in der Zukunft Buddhas werden.

Der Buddha, der die buddhistische Religion gegründet hat, heißt Buddha Shakyamuni. «Shakya» ist der Name der königlichen Familie, in die er geboren wurde; «muni» bedeutet «der Fähige». Buddha Shakyamuni wurde als königlicher Prinz 624 v. Chr. an einem Ort namens Lumbini geboren, der ursprünglich im Norden Indiens lag, heute aber zu Nepal gehört. Der Name seiner Mutter war Königin Mayadevi und der seines Vaters König Shuddhodana.

Eines Nachts träumte Königin Mayadevi, dass ein weißer Elefant vom Himmel herabstieg und in ihren Schoß eintrat. Der weiße Elefant, der in ihren Schoß eingetreten war, war ein Zeichen dafür, dass sie in eben dieser Nacht ein Kind empfangen hatte, das ein reines und mächtiges Wesen war. Dass der Elefant vom Himmel herabgestiegen war, bedeutete, dass das Kind vom Tushita-Himmel kam, dem Reinen Land Buddha Maitreyas. Als die Königin das Kind später gebar, hatte sie anstelle von Schmerzen eine besondere, reine Vision, in welcher sie stehend mit der rechten Hand den Ast eines Baumes hielt, während die Götter Brahma und Indra das Kind schmerzlos aus ihrer Seite nahmen. Anschließend ehrten sie das Kind, indem sie ihm rituelle Waschungen darbrachten.

Als der König das Kind sah, überkam ihn ein Gefühl, als ob alle seine Wünsche in Erfüllung gegangen wären, und er nannte den jungen Prinzen «Siddhartha». Dann lud er einen brahmanischen Seher ein, der Vorhersagen über die Zukunft des Prinzen machen sollte. Der Seher untersuchte das Kind mit seiner Hellsicht und sagte zum König: «Es gibt Zeichen, dass der Knabe entweder ein Chakravartin-König, ein Herrscher über die gesamte Welt, oder ein voll erleuchteter Buddha wird. Da jedoch die Zeit der Chakravartin-Könige vorüber ist, ist es sicher, dass er ein Buddha wird und dass sein wohltuender Einfluss die tausend Millionen Welten durchdringen wird wie die Strahlen der Sonne.»

Als der junge Prinz heranwuchs, meisterte er alle traditionellen Künste und Wissenschaften ohne Unterweisungen zu benötigen. Er beherrschte vierundsechzig Sprachen und das jeweils dazu gehörige Alphabet, und auch in der Mathematik war er sehr gewandt. Er teilte seinem Vater einmal mit, er könne alle Atome der Welt im Zeitraum eines Atemzuges zählen. Obwohl er nicht zu lernen brauchte, tat er es seinem Vater zuliebe und um anderen von Nutzen zu sein. Dem Wunsch seines Vaters folgend, besuchte er eine Schule, in der er außer dem Studium verschiedener akademischer Fächer auch Gewandtheit im Sport, wie den Kampfkünsten und dem Bogenschießen, erlangte. Der Prinz gab bei jeder sich bietenden Gelegenheit spirituelle Gedanken weiter und ermutigte andere, spirituelle Pfade einzuschlagen. Als er einmal an einem Wettkampf der Bogenschützen teilnahm, rief er aus: «Mit dem Bogen der meditativen Konzentration werde ich den Pfeil der Weisheit abschießen und den Tiger der Unwissenheit in den Lebewesen töten.» Darauf ließ er den Pfeil losschnellen, der geradewegs fünf eiserne Tiger und sieben Bäume durchbohrte, bevor er in der Erde verschwand! Tausende von Menschen entwickelten aufgrund solcher Demonstrationen Vertrauen in den Prinzen.

Gelegentlich begab sich Prinz Siddhartha in die Hauptstadt des Königreiches seines Vaters, um zu sehen, wie die Menschen lebten. Während dieser Besuche begegnete er vielen alten und kranken Menschen, und einmal sah er eine Leiche. Diese Begegnungen hinterließen einen tiefen Eindruck in seinem Geist und führten ihn zur Einsicht, dass alle Lebewesen, ohne Ausnahme, die Leiden von Geburt, Altern, Krankheit und Tod erfahren müssen. Weil er die Gesetze der Reinkarnation verstand, erkannte er auch, dass sie diese Leiden nicht nur einmal, sondern immer wieder in einem Leben nach dem anderen endlos erfahren müssen. Da er sah, dass alle Lebewesen in diesem schrecklichen Kreislauf des Leidens gefangen sind, empfand er tiefes Mitgefühl für sie und entwickelte den aufrichtigen Wunsch, sie alle von ihrem Leiden zu befreien. Er erkannte, dass nur ein voll erleuchteter Buddha die Weisheit und die Kraft hat, allen Lebewesen zu helfen. Er entschloss sich, den Palast zu verlassen und sich in die Einsamkeit des Waldes zurückzuziehen, um dort bis zur Erlangung der Erleuchtung in tiefer Meditation zu verweilen.

Als die Bewohner des Königreiches Shakya merkten, dass der Prinz den Palast verlassen wollte, baten sie den König, in der Hoffnung, den Prinzen dadurch von seinem Entschluss abzubringen, eine Hochzeit für ihn zu arrangieren. Der König war einverstanden und hatte bald eine passende Braut gefunden. Sie hieß Yashodhara und stammte aus einer angesehenen Shakya-Familie. Prinz Siddhartha hatte jedoch keine Anhaftung an weltliche Vergnügen, weil er sah, dass Objekte der Anhaftung wie giftige Blumen sind. Sie scheinen anfänglich attraktiv, verursachen aber mit der Zeit großes Leid. Sein Entschluss, den Palast zu verlassen und Erleuchtung zu erlangen, blieb unverändert. Um aber die Wünsche seines Vaters zu erfüllen und dem Volk von Shakya zeitweiligen Nutzen zu bringen, willigte er in die Hochzeit mit Yashodhara ein. Er blieb zwar als königlicher Prinz im Palast, widmete aber seine ganze Zeit und Energie dem Volk von Shakya, um ihm auf jede mögliche Art und Weise zu dienen.

Als er neunundzwanzig Jahre alt war, hatte der Prinz eine Vision, in welcher ihm alle Buddhas der zehn Richtungen erschienen und ihm einstimmig sagten: «Du hast dich einstmals entschlossen, ein Eroberer-Buddha zu werden, damit du allen Lebewesen, die im Kreislauf des Leidens gefangen sind, helfen kannst. Jetzt ist für dich die Zeit gekommen, dies zu vollbringen.» Der Prinz ging sofort zu seinen Eltern und teilte ihnen seine Absicht mit: «Ich möchte mich an einen friedlichen Ort im Wald zurückziehen, wo ich in tiefer Meditation verweilen und rasch volle Erleuchtung erlangen kann. Wenn ich Erleuchtung erlangt habe, werde ich fähig sein, die Güte aller Lebewesen und besonders die große Güte, die ihr mir erwiesen habt, zurückzuzahlen. Ich bitte deshalb um eure Erlaubnis, den Palast verlassen zu dürfen.» Als seine Eltern dies vernahmen, waren sie schockiert, und der König verweigerte die Erlaubnis. Prinz Siddhartha sagte zu seinem Vater: «Vater, falls du mir dauerhafte Freiheit von den Leiden der Geburt, der Krankheit, des Alterns und des Todes geben kannst, werde ich den Palast nicht verlassen; falls du das aber nicht kannst, muss ich weggehen und meinem menschlichen Leben wirkliche Bedeutung geben.»

Der König versuchte mit allen Mitteln zu verhindern, dass sein Sohn den Palast verließ. In der Hoffnung, dass der Prinz seine Absicht ändern würde, umgab er ihn mit einem Gefolge von wunderschönen Frauen, Tänzern, Sängern und Musikern, die Tag und Nacht ihre Talente einsetzten, um ihm Freude zu bereiten. Für den Fall, dass der Prinz eine heimliche Flucht versuchen würde, umstellte der König die Mauern des Palastes mit Wächtern. Die Entschlossenheit des Prinzen, den Palast zu verlassen und ein Leben der Meditation zu beginnen, konnte jedoch nicht erschüttert werden. Eines Nachts benutzte er seine Wunderkräfte, um die Wächter und Höflinge in einen tiefen Schlaf zu versetzen, und floh mit der Unterstützung eines vertrauenswürdigen Helfers. Nach einem Ritt von ungefähr sechs Meilen stieg der Prinz vom Pferd und nahm Abschied von seinem Helfer. Daraufhin schnitt er seine Haare ab und warf sie zum Himmel empor, wo sie von den Göttern des Landes der dreiunddreißig Himmel aufgefangen wurden. Einer der Götter bot ihm darauf die Safranroben eines religiösen Bettelmönches an. Der Prinz nahm sie an und tauschte sie gegen seine königlichen Gewänder ein. Auf diese Weise ordinierte er sich selbst als Mönch.

Siddhartha machte sich dann auf den Weg an einen Ort in der Nähe von Bodhgaya in Indien, wo er einen geeigneten Platz zum Meditieren fand. Dort blieb er und legte besonderes Gewicht auf eine Meditation, die «raumähnliche Konzentration über den Dharmakaya» genannt wird, in der er sich einsgerichtet auf die endgültige Natur aller Phänomene konzentrierte. Nachdem er sich sechs Jahre in dieser Meditation geschult hatte, erkannte er, dass er der Erleuchtung sehr nahe war, und er begab sich nach Bodhgaya. Dort setzte er sich am Vollmondtag des vierten Monats des Mondkalenders unter einen Bodhi-Baum und gelobte, bis zur vollständigen Erleuchtung in der Meditation zu verweilen. Mit diesem Entschluss trat er in die raumähnliche Konzentration über den Dharmakaya ein.

In der Abenddämmerung versuchte Devaputra-Mara, das Oberhaupt aller Dämonen oder Maras dieser Welt, Siddharthas Konzentration zu erschüttern, indem er viele beängstigende Erscheinungen heraufbeschwor. Er erzeugte Scharen von furchterregenden Dämonen, von denen einige Speere warfen, Pfeile schossen, ihn mit Feuer bedrohten und einige Felsbrocken oder sogar Berge nach ihm schleuderten. Siddhartha ließ sich jedoch überhaupt nicht stören. Dank der Kraft seiner Konzentration erschienen ihm die Waffen, Felsblöcke und Berge als duftender Blumenregen und die tobenden Feuer als Darbringungen von Regenbogenlicht.

Als Devaputra-Mara sah, dass Siddhartha nicht erschreckt werden konnte und seine Meditation nicht abbrach, ließ er zahllose wunderschöne Frauen erscheinen, um ihn abzulenken. Aber Siddhartha vertiefte daraufhin seine Konzentration. Auf diese Weise triumphierte er über alle Dämonen dieser Welt, weshalb er später als ein «Eroberer-Buddha» bekannt wurde.

Siddhartha setzte dann seine Meditation fort und erreichte im Morgengrauen die «vajragleiche Konzentration». Durch diese Konzentration, die der letzte Geisteszustand eines begrenzten Wesens ist, befreite er seinen Geist vom letzten Schleier der Unwissenheit und wurde im nächsten Moment ein Buddha, ein voll erleuchtetes Wesen.

Es gibt nichts, was Buddha nicht weiß. Da er aus dem Schlaf der Unwissenheit erwacht ist und alle Behinderungen aus seinem Geist entfernt hat, erkennt er alles Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige gleichzeitig und unmittelbar. Außerdem besitzt Buddha großes Mitgefühl, das vollständig unvoreingenommen ist und alle Lebewesen ohne Unterschied umfasst. Er hilft allen Lebewesen ohne Ausnahme, indem er im ganzen Universum verschiedene Formen ausstrahlt und ihrem Geist seine Segnungen gewährt. Alle Wesen, die Buddhas Segnungen erhalten, sogar die niedrigsten Tiere, entwickeln manchmal friedvolle und tugendhafte Geisteszustände. Schließlich werden alle die Gelegenheit haben, den Weg zur Befreiung und Erleuchtung einzuschlagen, indem sie eine Emanation Buddhas in der Gestalt eines spirituellen Meisters treffen. Laut dem großen indischen Gelehrten Nagarjuna gibt es niemanden, der keine Hilfe von Buddha erhalten hat.

Neunundvierzig Tage nachdem Buddha Erleuchtung erlangt hatte, baten ihn die Götter Brahma und Indra zu lehren, indem sie sagten:

O Buddha, Schatz des Mitgefühls, 

Lebewesen sind wie Blinde in dauernder Gefahr, in die niederen Bereiche zu fallen. 

Außer dir gibt es keinen Beschützer in dieser Welt. 

Deshalb flehen wir dich an, dich bitte aus dem meditativen Gleichgewicht zu erheben und das Rad des Dharmas zu drehen.

Auf diese Bitte hin erhob sich Buddha aus seiner Meditation und lehrte das erste Rad des Dharmas. Diese Unterweisungen, zu denen das Sutra der Vier Edlen Wahrheiten und andere Unterweisungen gehören, bilden die Hauptquelle des Hinayanas oder Kleinen Fahrzeuges des Buddhismus. Später lehrte Buddha das zweite und dritte Rad des Dharmas, zu denen die Sutras der Vollkommenheit der Weisheit und das Sutra der Unterscheidung der Absicht gehören. Diese Unterweisungen sind der Ursprung des Mahayanas oder Großen Fahrzeuges des Buddhismus. In den Hinayana-Unterweisungen erklärt Buddha, wie wir die Befreiung von Leiden für uns allein erreichen können, und in den Mahayana-Unterweisungen erläutert er, wie volle Erleuchtung oder Buddhaschaft zum Wohle aller erlangt werden kann. Beide Traditionen blühten in Asien: zuerst in Indien und dann nach und nach in den umliegenden Ländern, einschließlich Tibets. Jetzt beginnen sie auch im Westen zu blühen.

Der Grund, weshalb die Lehre Buddhas das «Rad des Dharmas» genannt wird, ist folgender: Es heißt, dass es zu früheren Zeiten große Könige gab, die als Chakravartin-Könige bekannt waren und die ganze Welt beherrschten. Diese Könige verfügten über viele außergewöhnliche Reichtümer. Darunter war ein kostbares Rad, in dem sie um die ganze Welt reisen konnten. Wohin sich das kostbare Rad auch wandte, der König beherrschte dieses Gebiet. Buddhas Unterweisungen werden als ein kostbares Rad wie dieses betrachtet, weil dort, wo sie Verbreitung finden, die Menschen die Gelegenheit haben, ihren Geist zu kontrollieren, indem sie die Unterweisungen in die Praxis umsetzen.

«Dharma» bedeutet Schutz. Durch das Praktizieren von Buddhas Unterweisungen schützen wir uns vor Leiden und Schwierigkeiten. Alle Schwierigkeiten, die wir im täglichen Leben erfahren, entspringen der Unwissenheit, und die Methode, diese Unwissenheit zu beseitigen, besteht in der Dharma-Praxis.

Das Praktizieren des Dharmas ist die beste Methode, die Qualität unseres menschlichen Lebens zu verbessern. Die Lebensqualität hängt nicht von äußeren Entwicklungen oder materiellem Fortschritt ab, sondern von der inneren Entwicklung von Frieden und Glück. In der Vergangenheit zum Beispiel lebten viele Buddhisten in armen und unterentwickelten Ländern, aber sie waren fähig, reines und anhaltendes Glück zu finden, indem sie die Lehren Buddhas in die Praxis umsetzten.

Den Geist verstehen

Buddha lehrte, dass alles vom Geist abhängt. Wenn wir Buddhas Unterweisungen verstehen wollen, müssen wir daher zuerst die Natur und die Funktionen des Geistes verstehen. Dies ist auf den ersten Blick eine scheinbar einfache Aufgabe, da wir alle einen Geist besitzen und wissen, in welchem Zustand er sich befindet, ob er glücklich oder traurig, klar oder verwirrt ist. Wenn uns jedoch jemand fragen würde, was die Natur unseres Geistes sei und wie er funktioniere, könnten wir wahrscheinlich keine präzise Antwort geben. Dies weist darauf hin, dass wir kein klares Verständnis des Geistes besitzen.

Manche Menschen denken, der Geist sei das Gehirn oder ein anderer Teil des Körpers oder eine Funktion des Körpers. Das ist jedoch nicht richtig. Das Gehirn ist körperlich, etwas, das man mit den Augen sehen kann. Es kann fotografiert werden und es kann operiert werden. Der Geist hingegen ist nicht körperlich. Er kann weder mit den Augen gesehen werden, noch kann man ihn fotografieren oder durch eine Operation wiederherstellen. Das Gehirn ist deshalb nicht der Geist, sondern einfach nur ein Teil des Körpers.

Innerhalb unseres Körpers gibt es nichts, das wir als unseren Geist identifizieren können, weil Körper und Geist verschiedene Wesenheiten sind. Unser Geist kann zum Beispiel sehr beschäftigt sein, von einem Objekt zum andern springen, während unser Körper entspannt und regungslos ist. Dies weist darauf hin, dass Körper und Geist nicht von gleicher Natur sind. In den buddhistischen Schriften wird unser Körper mit einem Gasthaus verglichen und unser Geist mit einem Gast, der darin verweilt. Sterben wir, verlässt unser Geist unseren Körper und geht ins nächste Leben über, so wie ein Gast eine Herberge verlässt und zu einem anderen Ort reist.

Wenn der Geist nicht das Gehirn oder irgendein anderer Teil unseres Körpers ist, was ist er dann? Er ist ein formloses Kontinuum mit der Funktion, Objekte wahrzunehmen und zu verstehen. Weil der Geist von Natur aus formlos oder immateriell ist, kann er auch nicht durch materielle Objekte behindert werden. Für unseren Körper ist es unmöglich, ohne Raumschiff zum Mond zu fliegen, unser Geist aber kann den Mond augenblicklich erreichen, indem er ganz einfach an ihn denkt. Objekte zu erkennen und wahrzunehmen ist die außergewöhnliche Funktion des Geistes. Obwohl wir sagen: «Ich weiß dieses und jenes», ist es in Wirklichkeit unser Geist, der es weiß. Wir wissen Dinge nur, indem wir unseren Geist benutzen.

Es gibt drei Ebenen des Geistes: eine grobe, eine subtile und eine sehr subtile. Grobe Geisteszustände schließen verschiedene Arten von Sinnesgewahrsein ein, wie das Augengewahrsein, das Ohrengewahrsein, sowie alle starken Verblendungen wie Wut, Neid, Anhaftung und starke Unwissenheit des Festhaltens am Selbst. Diese groben Geisteszustände sind mit groben inneren Winden verbunden und relativ leicht zu erkennen. Wenn wir einschlafen oder sterben, lösen sich unsere groben Winde nach innen auf und unser subtiler Geist wird manifest. Subtile Geisteszustände sind mit subtilen inneren Winden verbunden und schwieriger zu erkennen als grobe Geisteszustände. Während des tiefen Schlafes und am Ende des Sterbevorganges lösen sich die inneren Winde im Zentrum des Herzkanalrades im Zentralkanal auf und danach manifestiert sich der sehr subtile Geist, der Geist des klaren Lichtes. Der sehr subtile Geist ist mit dem sehr subtilen inneren Wind verbunden und außerordentlich schwierig zu erkennen. Das Kontinuum des sehr subtilen Geistes hat keinen Anfang und kein Ende. Es ist dieser Geist, der schließlich nach völliger Reinigung durch die Schulung in der Meditation in den allwissenden Geist eines Buddhas umgewandelt wird.

Es ist sehr wichtig, unfriedliche Geisteszustände von friedvollen Geisteszuständen unterscheiden zu können. Geisteszustände, die unseren inneren Frieden stören, wie Wut, Neid und begehrende Anhaftung, werden Verblendungen genannt. Sie sind die Hauptursachen für alle unsere Leiden. Wir denken vielleicht, unsere Leiden seien durch andere Menschen, durch schlechte materielle Umstände oder durch die Gesellschaft verursacht. In Wirklichkeit entstehen Leiden jedoch durch unsere verblendeten Geisteszustände. Die Essenz der Dharma-Praxis ist es, unsere Verblendungen zu vermindern und schließlich ganz auszulöschen, und sie durch friedvolle, tugendhafte Geisteszustände zu ersetzen. Dies ist der Hauptzweck der Schulung in Meditation.

Wir sind es gewohnt, unser Glück außerhalb von uns selbst zu suchen. Wir versuchen, bessere materielle Umstände, wie eine bessere Arbeit oder einen höheren gesellschaftlichen Status, zu erreichen. Selbst wenn wir unsere äußeren Umstände mit großem Erfolg verbessern, werden wir trotzdem weiterhin vielen Schwierigkeiten begegnen und unzufrieden sein. Wir erleben niemals reines, andauerndes Glück. In seinen Dharma-Unterweisungen rät uns Buddha, das Glück nicht außerhalb von uns zu suchen, sondern es innerhalb unseres Geistes zu erzeugen. Wie können wir das tun? Indem wir unseren Geist durch aufrichtige Praxis des Buddhadharmas reinigen und kontrollieren. Wenn wir uns auf diese Art schulen, können wir sicherstellen, dass unser Geist jederzeit ruhig und glücklich bleibt. Wir werden dann immer glücklich und friedvoll sein, selbst wenn unsere äußeren Verhältnisse noch so schwierig sind.

Obwohl wir sehr hart arbeiten, um Glück zu erlangen, ist dieses nur schwer zu erreichen, während Leiden und Probleme ganz natürlich und ohne jede Anstrengung aufzutauchen scheinen. Warum? Weil die Ursache für Glück in unserem Geist - Tugend - sehr schwach ist und nur durch große Anstrengung ihre Wirkung entfalten kann, während die inneren Ursachen für Leiden und Probleme - die Verblendungen - sehr stark sind und ihre Auswirkungen entfalten können, ohne dass wir uns bemühen. Dies ist der wahre Grund, weshalb Probleme wie von selbst entstehen, während Glück so schwer zu finden ist.