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Diese völlig neue Darlegung durch den Autor des Buches Moderner Buddhismus bietet dem zeitgenössischen Leser wahrhaft befreiende Einsichten und Ratschläge. Es enthüllt die tiefgründige Bedeutung der Sutras der Vollkommenheit der Weisheit - Sie sind das eigentliche Herz der Lehre Buddhas. Der Autor zeigt auch, wie alle unsere Probleme und Leiden aus unserer Unwissenheit über die endgültige Natur der Dinge entspringen. Und er zeigt auch, wie wir diese Unwissenheit durch eine besondere Weisheit in Verbindung mit Mitgefühl für alle Lebewesen aufgeben und reines, dauerhaftes Glück finden können. "Viele Menschen sind sehr intelligent darin, weltliche Ziele zu erreichen. Diese Intelligenz ist keine Weisheit, denn weltliche Erfolge wie eine hohe Position, Ruf, Reichtum und Erfolg im Geschäftsleben sind trügerisch. Wenn wir morgen sterben, werden sie morgen verschwunden sein, und es wird nichts für unsere Zukunft übrig bleiben. Weisheit wird uns jedoch niemals täuschen. Sie ist unser innerer Spiritueller Meister, der uns auf den richtigen Weg führt. Sie ist das göttliche Auge, durch das wir sehen können, was wir wissen sollten, was wir aufgeben sollten, was wir üben sollten und was wir erlangen sollten." Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche
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Seitenzahl: 338
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Moderner Buddhismus
Das neue Herz der Weisheit
Wie wir den Geist verstehen
Wie wir unsere menschlichen Probleme lösen
Sinnvoll leben, freudvoll sterben
Das Bodhisattva Gelübde
Tantrische Ebenen und Pfade
Die mündlichen Anleitungen des Mahamudra
Dieses Buch wurde unter der Schirmherrschaft des
Internationalen Tempelprojekts der NKT-IKBU veröffentlicht und der Erlös aus seinem Verkauf ist durch diesen Fonds für das Wohl der Allgemeinheit
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EHRWÜRDIGER GESHE KELSANG GYATSO RINPOCHE
Das neue Herz der Weisheit
TIEFGRÜNDIGE LEHREN AUS BUDDHAS HERZEN
Originaltitel: The New Heart of Wisdom
(Erstveröffentlichung als Heart of Wisdom 1986, 2012 vollständig überarbeitet und als The New Heart of Wisdom neu veröffentlicht.)
Erstveröffentlichung deutsche Übersetzung als Herz der Weisheit 1997, zweite Auflage 2013, vollständig überarbeitet und als Das neue Herz der Weisheit neu veröffentlicht.
Alle Rechte vorhalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Reproduktion ist unzulässig, außer zur Verwendung kurzer Passagen für privates Studium, Forschung und Buchbesprechungen.
Herausgeber: Tharpa Verlag Deutschland, ein Teil des Dipankara Kadampa Meditationszentrum e.V. (VR 33517 B) Chausseestraße 108
10115 Berlin
Der Tharpa Verlag hat überall auf der Welt Niederlassungen und Tharpa Bücher werden in den gängigsten Sprachen veröffentlicht.
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© Geshe Kelsang Gyatso und Neue Kadampa Tradition – Internationale Union des Kadampa Buddhismus 2016
Satz: Tharpa Verlag Deutschland
ISBN (Buch) 978-3-908543-54-1
Inhalt
Abbildungen
Einleitung
Kommentar zum Herz Sutra -Teil Eins: Die Erklärung der direkten Bedeutung des Sutras
Titel und Ehrerbietung
Die Hintergründe und Shariputras Frage
Die Pfade der Ansammlung und der Vorbereitung (1)
Die Pfade der Ansammlung und der Vorbereitung (2)
Die Pfade des Sehens, der Meditation und des Nicht-mehr-Lernens
Schlussfolgerung
Buddhas Billigung und das Versprechen zu praktizieren
Kommentar zum Herz Sutra -Teil Zwei: Die Erklärung der verborgenen Bedeutung des Sutras
Vorbereitende Erklärung und das Leben von Beschützer Nagarjuna und Arya Asanga
Der Pfad einer Person anfänglicher Ausrichtung
Die Kostbarkeit unseres menschlichen Lebens
Was bedeutet unser Tod?
Die Gefahren niederer Wiedergeburt
Zuflucht nehmen
Was ist Karma?
Der Pfad einer Person mittlerer Ausrichtung
Was wir wissen sollten
Was wir aufgeben sollten
Was wir praktizieren sollten
Was wir erlangen sollten
Der Pfad einer Person großer Ausrichtung
Das höchste gute Herz - Bodhichitta
Schulung in zuneigungsvoller Liebe
Schulung in wertschätzender Liebe
Schulung in wünschender Liebe
Schulung in allumfassendem Mitgefühl
Schulung in eigentlichem Bodhichitta
Schulung im Pfad des Bodhichittas
Schulung in den sechs Vollkommenheiten
Schulung im Nehmen in Verbindung mit der Praxis der sechs Vollkommenheiten
Schulung im Geben in Verbindung mit der Praxis der sechs Vollkommenheiten
Widmung
Anhang I - Der Urtext: Das Sutra der Essenz der Weisheit (das Herz Sutra)
Anhang II - Die zusammengefasste Bedeutung des Kommentars
Anhang III - Befreiendes Gebet und Gebete für die Meditation
Anhang IV - Eine Erklärung der zwölf Quellen, der achtzehn Elemente und der zwölf in abhängiger Beziehung stehenden Glieder
Anhang V - Die Große Mutter: Eine Methode um Hindernisse und Behinderungen zu überwinden durch Rezitation des Sutras der Essenz der Weisheit (Herz Sutra)
Anhang VI - Ein kurzer Kommentar zur Praxis Die Große Mutter
Anhang VII - Der Yoga der Großen Mutter Prajnaparamita: Sadhana der Selbsterzeugung
Anhang VIII - Ein kurzer Kommentar zu Der Yoga der Großen Mutter Prajnaparamita: Sadhana der Selbsterzeugung
Glossar
Bibliografie
Studienprogramme des Kadampa Buddhismus
Tharpa Niederlassungen weltweit
Abbildungen
Buddha Shakyamuni
Große Mutter Prajnaparamita
Avalokiteshvara
Manjushri
Vajrapani
Maitreya
Samantabhadra
Ksitigarbha
Sarvanivaranaviskambini
Akashagarbha
Shariputra
Ananda
Nagarjuna
Asanga
Atisha
Je Tsongkhapa
Je Phabongkhapa
Kyabje Trijang Dorjechang
Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche (eingefügt auf Bitte seiner vertrauensvollen Schüler)
Das Mantra der Vollkommenheit der Weisheit
Einleitung
Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich die Gelegenheit habe, diesen Kommentar zum Sutra der Essenz der Weisheit oder Herz Sutra zu geben. Ebenso können sich auch diejenigen äußerst glücklich schätzen, die die Gelegenheit haben, die Bedeutung dieses Sutras, das die Essenz der Lehre Buddhas ist, zu studieren. Aufgrund der tiefgründigen Natur des Sutras fällt es manchen Menschen vielleicht schwer, bestimmte Teile dieses Kommentars zu verstehen. Ich werde versuchen, diese Lehren so klar wie möglich und so gut es meine Fähigkeiten zulassen zu erläutern. Weil dieses Sutra aber Buddhas endgültige Sichtweise und Absicht enthüllt, müssen wir darauf gefasst sein, einigen Schwierigkeiten zu begegnen. Bitte lassen Sie sich nicht entmutigen: Wenn wir uns in unserem Studium geduldig bemühen, werden wir ein vollständiges Verständnis des ganzen Sutras erlangen. So wie unsere Vertrautheit mit diesen Lehren wächst, so wird auch unser Verständnis zunehmen.
Alle Lehren Buddhas sind entweder Sutra (die allgemeinen Lehren) oder Tantra (die außergewöhnlichen Lehren). Es gibt keine einzige Schrift Buddhas, die nicht einer dieser beiden Kategorien zuzuordnen ist. Die Lehren des Sutra werden in zwei Gruppen eingeteilt: Sutras des Hinayana und des Mahayana. Das Sutra der Essenz der Weisheit gehört zu den Mahayana Sutras. Die Mahayana Sutras ihrerseits enthalten viele verschiedene Arten von Unterweisungen, doch die kostbarsten und höchsten sind die Sutras der Vollkommenheit der Weisheit (Skrt. Prajnaparamitasutra). Buddhas endgültige Absicht ist es, jedes einzelne Lebewesen zum höchsten Glück der Erleuchtung zu führen, indem er allen den Mahayanapfad zeigt. Deshalb lehrte er die Sutras der Vollkommenheit der Weisheit.
Es gibt mehrere, unterschiedlich lange Sutras der Vollkommenheit der Weisheit. Das umfangreichste ist das Sutra der Vollkommenheit der Weisheit in einhunderttausend Zeilen, das in der tibetischen Übersetzung zwölf Bände umfasst. Es gibt auch ein Sutra von mittlerer Länge mit fünfundzwanzigtausend Zeilen in drei Bänden und ein kurzes, einbändiges Sutra mit achttausend Zeilen. Dazu gibt es ein noch kürzeres Sutra mit acht Kapiteln in Versen, das Zusammengefasste Sutra der Vollkommenheit der Weisheit. Die Sutras der Vollkommenheit der Weisheit erläutern alle Stufen der Pfade von Weisheit und Methode. «Weisheit» bezieht sich auf eine Verwirklichung, die unsere Buddha Natur von Behinderungen befreit. «Methode» bezieht sich auf eine Verwirklichung, die unsere Buddha Natur reifen lässt. Insbesondere enthüllt Buddha in diesen Sutras seine endgültige Sichtweise und Absicht und deshalb werden die Sutras der Vollkommenheit der Weisheit als die höchsten unter den Sutras angesehen.
Das Sutra der Essenz der Weisheit ist viel kürzer als die anderen Sutras der Vollkommenheit der Weisheit, aber es enthält explizit oder implizit die ganze Bedeutung der längeren Sutras. Weil es die eigentliche Essenz der Unterweisungen über die Vollkommenheit der Weisheit enthält, wird es das Sutra der Essenz der Weisheit genannt. Durch Studium und Kontemplation dieses Sutras und indem wir darüber meditieren, können wir ein vollkommenes Verständnis der Natur der Wirklichkeit erlangen. Wir können Behinderungen und Schwierigkeiten in unserem täglichen Leben meistern. Schließlich können wir die Hindernisse, die unser volles Erwachen verhindern, überwinden. Auf diese Weise erreichen wir den vollkommenen Zustand der Buddhaschaft. Wir sollten uns wirklich glücklich schätzen, dass wir diesen essenziellen Lehren Buddhas begegnet sind.
In diesen Lehren geht es um die Schulung in der Vollkommenheit der Weisheit. Weisheit ist ein tugendhafter, intelligenter Geist, dessen Funktion es ist, die innere Dunkelheit der Unwissenheit zu vertreiben. Mit Weisheit können wir erkennen, wie die Dinge wirklich sind. Normalerweise verstehen wir weder die wirkliche Natur der Dinge; noch verstehen wir, dass Leiden aus nichttugendhaften und Glück aus tugendhaften Handlungen entsteht. All dies ist Unwissenheit. Aufgrund dieses Mangels an Verständnis erschaffen wir, obschon wir nicht leiden möchten, durch nichttugendhaftes Handeln unser eigenes Leiden. Und obwohl wir immer glücklich sein wollen, zerstören wir unser eigenes Glück, indem wir Wut, negative Sichtweisen und falsche Absichten entwickeln. Wir sollten wissen, dass dies unsere ganz normale Lebenssituation ist.
Alle unsere Leiden und Probleme stammen aus unserer Unwissenheit. Aufgrund von Unwissenheit haben wir Leben für Leben, seit anfangsloser Zeit bis jetzt, Leiden und Probleme erfahren. Jetzt aber, während wir die kostbare Gelegenheit haben den Buddhadharma zu hören und zu praktizieren, ist die Zeit gekommen, Unwissenheit endgültig aufzugeben. Die einzige Möglichkeit, dies zu tun und das höchste Glück der Erleuchtung zu erlangen besteht darin, die Vollkommenheit der Weisheit im Allgemeinen und die höhere Vollkommenheit der Weisheit im Besonderen zu vollenden.
Die Vollkommenheit der Weisheit ist die Weisheit, die mit dem Geist des Mitgefühls für alle Lebewesen verbunden ist. Sie befähigt uns Maras – äußere und innere Dämonen, die uns behindern – zu besiegen und ein voll erleuchtetes Wesen wie Buddha Shakyamuni zu werden. Wie wunderbar!
Kommentar zum Herz Sutra
TEIL EINS:
DIE ERKLÄRUNG DER DIREKTEN BEDEUTUNG DES SUTRAS
Titel und Ehrerbietung
Die Erklärung der direkten Bedeutung des Sutras wird unter den folgenden drei Hauptüberschriften dargelegt:
1. Die Bedeutung des Titels
2. Die Ehrerbietung der Übersetzer
3. Die Erklärung zum Hauptteil des Sutras
DIE BEDEUTUNG DES TITELS
Die Essenz der Vollkommenheit der Weisheit, die gesegnete Mutter
Das ist eine Übersetzung des Titels des Sutras ins Deutsche. Im tibetischen Text steht der Titel zuerst in Sanskrit und dann in tibetisch:
Sanskrit: Bhagavatiprajnaparamitahrdaya
Tibetisch: Chom dän dä ma she rab kyi pa röl tu jin pai nying po
Die Essenz der Vollkommenheit der Weisheit ist eine Weisheit, die Leerheit direkt verwirklicht und mit dem mitfühlenden Bodhichittageist verbunden ist. Mit dieser Weisheit können wir in einer einzigen Konzentration eine große Ansammlung von Verdiensten und eine große Ansammlung von Weisheit anhäufen. Diese beiden sind die Hauptursachen von Buddhas Formkörper bzw. Buddhas Wahrheitskörper. Diese Weisheit wird uns sehr schnell zur Erlangung der vollen Erleuchtung führen. Sie wird «die gesegnete Mutter» genannt, weil alle Buddhas der zehn Richtungen aus dieser Weisheit geboren werden. Die eigentliche Essenz der Vollkommenheit der Weisheit, die gesegnete Mutter, ist also die Weisheit, die Leerheit direkt verwirklicht, verbunden mit dem mitfühlenden Geist des Bodhichittas. Sie wird «endgültiger Bodhichitta» genannt.
Weil uns das Sutra lehrt, wie diese Weisheit vollendet wird, wird es die Essenz der Vollkommenheit der Weisheit, die gesegnete Mutter, genannt. Das zeigt, dass wir die Essenz der Vollkommenheit der Weisheit, die gesegnete Mutter, durch Studium und Praxis dieses Sutras vollenden können. Das ist so ähnlich wie bei Nagarjunas Text Grundlegende Weisheit, der Mittlerer Weg genannt wird (tib. Uma): Obwohl der eigentliche mittlere Weg Leerheit ist, wird der Text Mittlerer Weg genannt, weil er uns lehrt, wie wir uns in Leerheit schulen.
Wie zuvor erwähnt, ist Weisheit im Allgemeinen ein tugendhafter, intelligenter Geist, dessen Funktion es ist, die innere Dunkelheit der Unwissenheit zu vertreiben. Mit Weisheit können wir tiefgründige Objekte verstehen: wie Dinge wirklich existieren, subtile in abhängiger Beziehung stehende Phänomene und Karma. Karma ist die Beziehung zwischen den Handlungen unserer früheren Leben und den Erfahrungen des jetzigen Lebens, sowie zwischen den Handlungen unseres jetzigen Lebens und den Erfahrungen unserer zukünftigen Leben. Dieses Wissen befreit uns endgültig von Leiden und gibt unserem menschlichen Leben große Bedeutung.
Viele Menschen sind sehr intelligent im Erreichen ihrer weltlichen Ziele. Diese Intelligenz ist keine Weisheit, denn weltliche Ziele wie hoher Status, guter Ruf, Reichtum und geschäftlicher Erfolg sind täuschend. Sterben wir morgen, so verschwinden sie morgen und wir nehmen nichts davon mit. Weisheit jedoch täuscht uns nie. Sie ist unser innerer spiritueller Meister, der uns zum korrekten Pfad führt. Sie ist das göttliche Auge, mit dem wir erkennen, was wir wissen, was wir aufgeben, was wir praktizieren und was wir erlangen sollten. Wir sollten zum Beispiel wissen, dass wir aufgrund fehlender Weisheit unsere zahllosen früheren Leben ohne jeden Sinn verschwendet haben. Werden wir in dieser Welt als Mensch geboren, so bringen wir nichts mit aus unseren früheren Leben, außer Leiden und Verblendungen. Aus seinem Mitgefühl heraus und um alle Lebewesen von Leiden zu befreien, lehrte Buddha die Vollkommenheit der Weisheit. Von allen Weisheiten ist die Vollkommenheit der Weisheit des endgültigen Bodhichittas die höchste. Wir können diese Weisheit durch aufrichtiges Studium und die Praxis dieses Sutras vollenden.
DIE EHRERBIETUNG DER ÜBERSETZER
Ehrerbietung an die Vollkommenheit der Weisheit, die gesegnete Mutter.
Die Hintergründe und Shariputras Frage
DIE ERKLÄRUNG ZUM HAUPTTEIL DES SUTRAS
Die Erklärung hat drei hauptsächliche Überschriften:
1. Die allgemeine Erklärung der Hintergründe des Sutras
2. Die außergewöhnliche Erklärung der Hintergründe des Sutras
3. Die Erklärung des eigentlichen Sutras
DIE ALLGEMEINE ERKLÄRUNG DER HINTERGRÜNDE DES SUTRAS
So habe ich gehört. Einst weilte der Gesegnete zusammen mit einer großen Versammlung von Mönchen und Nonnen und einer großen Versammlung von Bodhisattvas in Rajagriha auf dem Berg der versammelten Geier.
Dieser Teil der Erklärung der Hintergründe des Sutras wird die «allgemeine Erklärung» genannt, weil es sich um Aspekte der Umstände handelt, die einfach zu verstehen sind und den Anwesenden allgemein bekannt waren.
«So habe ich gehört» weist darauf hin, dass dieser Teil des Textes explizit von Ananda, einem engen Schüler Buddhas, gesprochen wurde. Nach dem Ableben Buddhas war es im Wesentlichen Ananda, der Buddhas Worte sammelte und dessen Lehre an andere weitergab. Die Erklärung der Hintergründe wurde nicht von Buddha selbst gesprochen. Dennoch werden diese Worte als Buddhas Worte angesehen, weil Buddha Anandas Geisteskontinuum segnete und ihm die Erlaubnis gab so zu sprechen.
Es ist allgemeiner Brauch, zu Beginn der umfassenderen Sutras eine ausführliche Erklärung der Hintergründe des Sutras zu geben. Im vorliegenden Fall ist diese sehr kurz, beinhaltet aber dennoch die folgenden vier Punkte:
1. Der Sprecher des Sutras
2. Der Zeitpunkt, zu dem das Sutra verkündet wurde
3. Der Ort, wo das Sutra verkündet wurde
4. An wen das Sutra gerichtet wurde
DER SPRECHER DES SUTRAS
«Der Gesegnete» bezieht sich hier auf Buddha Shakyamuni. Er war es, der dieses Sutra tatsächlich verkündete. Dies wird später erklärt.
Es ist sehr inspirierend, über die Lebensgeschichte Buddhas und seine ausgezeichneten Taten nachzudenken. Im Allgemeinen bedeutet «Buddha» «der Erwachte». Er ist aus dem Schlaf der Unwissenheit erwacht und sieht die Dinge so, wie sie wirklich sind. Ein Buddha ist jemand, der von allen Fehlern und geistigen Behinderungen völlig befreit ist. Es gibt viele Menschen, die in der Vergangenheit Buddhas geworden sind, und in Zukunft werden alle Lebewesen Buddhas werden.
Der Buddha, der die buddhistische Religion gegründet hat, ist Buddha Shakyamuni. «Shakya» ist der Name der königlichen Familie, in die er geboren wurde; «muni» bedeutet «der Fähige». Buddha Shakyamuni wurde als königlicher Prinz 624 v. Chr. in Lumbini geboren, einem Ort, der ursprünglich im Norden Indiens lag, heute aber zu Nepal gehört. Der Name seiner Mutter war Königin Mayadevi und der seines Vaters König Shuddhodana.
Eines Nachts träumte Königin Mayadevi, dass ein weißer Elefant vom Himmel herabstieg und in ihren Schoß eintrat. Der weiße Elefant, der in ihren Schoß eingetreten war, war ein Zeichen dafür, dass sie in eben dieser Nacht ein Kind empfangen hatte, das ein reines und mächtiges Wesen war. Dass der Elefant vom Himmel herabgestiegen war, bedeutete dass das Kind vom Tushita Himmel kam, dem Reinen Land Buddha Maitreyas. Als die Königin später das Kind gebar, empfand sie keine Schmerzen, sondern erlebte stattdessen eine besondere, reine Vision. Während sie aufrecht stand und mit der rechten Hand den Ast eines Baumes hielt, nahmen die Götter Brahma und Indra das Kind ohne Schmerzen aus ihrer Seite. Anschließend ehrten sie es mit rituellen Waschungen.
Als der König das Kind sah, glaubte er, alle seine Wünsche seien in Erfüllung gegangen. Er nannte den jungen Prinzen «Siddhartha». Dann lud er einen brahmanischen Seher ein, der Vorhersagen über die Zukunft des Prinzen machen sollte. Mit seiner Hellsicht untersuchte der Seher das Kind und sagte zum König: «Es gibt Zeichen, dass der Knabe entweder ein Chakravatin König, ein Herrscher über die gesamte Welt oder ein voll erleuchteter Buddha wird. Da jedoch die Zeit der Chakravatin Könige vorüber ist, wird er sicherlich ein Buddha werden und sein wohltuender Einfluss wird die tausend Millionen Welten durchdringen wie die Strahlen der Sonne.»
Als der junge Prinz heranwuchs meisterte er mühelos, ohne dass man es ihm beibringen musste, alle traditionellen Künste und Wissenschaften. Er beherrschte vierundsechzig Sprachen und das jeweils dazu gehörige Alphabet. Auch in Mathematik war er sehr gewandt. Einmal teilte er seinem Vater mit, er könne alle Atome der Welt innerhalb eines Atemzuges zählen. Obwohl er nicht lernen musste, tat er es seinem Vater zuliebe und um anderen von Nutzen zu sein. Dem Wunsch seines Vaters folgend, besuchte er eine Schule, widmete sich dem Studium verschiedener akademischer Fächer und erlangte Gewandtheit in den Kampfkünsten und dem Bogenschießen. Der Prinz äußerte bei jeder sich bietenden Gelegenheit spirituelle Gedanken und ermutigte andere, spirituelle Pfade einzuschlagen. Als er einmal an einem Wettkampf der Bogenschützen teilnahm, rief er aus: «Mit dem Bogen der meditativen Konzentration werde ich den Pfeil der Weisheit abschießen und den Tiger der Unwissenheit in den Lebewesen töten.» Daraufhin ließ er den Pfeil losschnellen, der geradewegs fünf eiserne Tiger und sieben Bäume durchbohrte, ehe er in der Erde verschwand! Tausende von Menschen entwickelten aufgrund solcher Demonstrationen Vertrauen in den Prinzen.
Gelegentlich begab sich Prinz Siddhartha in die Hauptstadt des Königreiches seines Vaters, um zu sehen, wie die Menschen lebten. Während dieser Besuche begegnete er vielen Alten und Kranken und einmal sah er eine Leiche. Diese Begegnungen hinterließen einen tiefen Eindruck in seinem Geist und führten ihn zu der Einsicht, dass alle Lebewesen, ohne Ausnahme, die Leiden von Geburt, Altern, Krankheit und Tod erdulden müssen. Weil er die Gesetze der Reinkarnation verstand, erkannte er auch, dass sie diese Leiden nicht nur einmal, sondern immer wieder, Leben für Leben, endlos erfahren müssen. Er sah, dass alle Lebewesen in diesem schrecklichen Kreislauf des Leidens gefangen sind, empfand tiefes Mitgefühl und entwickelte den aufrichtigen Wunsch, sie alle von ihrem Leiden zu befreien. Er erkannte, dass nur ein voll erleuchteter Buddha die Weisheit und die Kraft hat, allen Lebewesen zu helfen. So entschloss er sich, den Palast zu verlassen und sich in die Einsamkeit des Waldes zurückzuziehen, um dort bis zur Erlangung der Erleuchtung in tiefer Meditation zu verweilen.
Als die Bewohner des Königreiches Shakya merkten, dass der Prinz den Palast verlassen wollte, baten sie den König, eine Hochzeit für ihn zu arrangieren. Sie hofften, dadurch den Prinzen von seinem Entschluss abzubringen. Der König war einverstanden und hatte bald eine passende Braut gefunden. Sie hieß Yasodhara und stammte aus einer angesehenen Shakya Familie. Prinz Siddhartha hatte jedoch keine Anhaftung an weltliche Vergnügen, weil er sah, dass Objekte der Anhaftung wie giftige Blumen sind. Anfänglich sehr anziehend, verursachen sie mit der Zeit großes Leid. Sein Entschluss, den Palast zu verlassen und Erleuchtung zu erlangen, blieb unverändert stark. Um aber die Wünsche seines Vaters zu erfüllen und dem Volk von Shakya zeitweilig von Nutzen zu sein, willigte er in die Hochzeit mit Yasodhara ein. Er blieb zwar als königlicher Prinz im Palast, widmete aber dennoch seine ganze Zeit und Energie dem Volk von Shakya, um ihm auf jede erdenkliche Weise zu dienen.
Als er neunundzwanzig Jahre alt war, hatte der Prinz eine Vision. Ihm erschienen alle Buddhas der zehn Richtungen und sprachen im Chor: «Du hast dich einstmals entschlossen, ein Eroberer Buddha zu werden, damit du allen Lebewesen, die im Kreislauf des Leidens gefangen sind, helfen kannst. Jetzt ist für dich die Zeit gekommen, dies zu vollenden.» Der Prinz ging sofort zu seinen Eltern und teilte ihnen seine Absicht mit: «Ich möchte mich an einen friedlichen Ort im Wald zurückziehen. Dort will ich in tiefer Meditation verweilen und rasch volle Erleuchtung erlangen. Wenn ich Erleuchtung erlangt habe, kann ich die Güte aller Lebewesen und besonders die große Güte, die ihr mir erwiesen habt, vergelten. Ich bitte euch deshalb um Erlaubnis, den Palast zu verlassen.» Als seine Eltern dies hörten, waren sie entsetzt und der König weigerte sich, seine Erlaubnis zu geben. Prinz Siddhartha sprach zu seinem Vater: «Vater, wenn du mir dauerhafte Freiheit von den Leiden der Geburt, der Krankheit, des Alterns und des Todes geben kannst, dann werde ich den Palast nicht verlassen. Wenn du das aber nicht kannst, dann muss ich fortgehen und meinem menschlichen Leben wirkliche Bedeutung geben.»
Der König versuchte nun mit allen Mitteln zu verhindern, dass sein Sohn den Palast verließ. In der Hoffnung, dass der Prinz seine Absicht ändern würde, umgab er ihn mit einem Gefolge von schönen Frauen, Tänzern, Sängern und Musikern, die Tag und Nacht ihre Kunst darboten, um ihm Freude zu bereiten. Für den Fall, dass der Prinz eine heimliche Flucht versuchen würde, umstellte der König die Palastmauern mit Wächtern. Doch die Entschlossenheit des Prinzen, den Palast zu verlassen und ein Leben der Meditation zu beginnen, konnte nicht erschüttert werden. Eines Nachts nutzte er seine Wunderkräfte, versetzte die Wächter und Höflinge in einen tiefen Schlaf und floh mit der Unterstützung eines vertrauten Dieners. Nach einem Ritt von ungefähr zehn Kilometern stieg der Prinz vom Pferd und nahm Abschied von seinem Helfer. Er schnitt seine Haare ab und warf sie zum Himmel empor, wo sie von den Göttern des Landes der dreiunddreißig Himmel aufgefangen wurden. Einer der Götter bot ihm die Safranroben eines religiösen Bettelmönches an. Der Prinz nahm sie an und tauschte sie gegen seine königlichen Gewänder. Auf diese Weise ordinierte er sich selbst als Mönch.
Siddhartha machte sich dann auf den Weg an einen Ort in der Nähe von Bodhgaya in Indien, wo er einen geeigneten Platz zum Meditieren fand. Dort blieb er und übte eine Meditation, die «raumähnliche Konzentration über den Dharmakaya» genannt wird, in der er sich einsgerichtet auf die endgültige Natur aller Phänomene konzentrierte. Nachdem er sich sechs Jahre lang in dieser Meditation geschult hatte, erkannte er, dass er der Erleuchtung sehr nahe war und begab sich nach Bodhgaya. Dort setzte er sich am fünfzehnten Tag des vierten Monats des Mondkalenders unter einen Bodhibaum und gelobte, bis zur vollständigen Erleuchtung in der Meditation zu verweilen. Mit diesem Entschluss trat er in die raumähnliche Konzentration über den Dharmakaya ein.
In der Abenddämmerung versuchte Devaputra Mara, das Oberhaupt aller Dämonen oder Maras dieser Welt, Siddharthas Konzentration zu erschüttern, indem er viele beängstigende Erscheinungen heraufbeschwor. Er erzeugte Scharen von furchterregenden Dämonen, von denen einige Speere warfen, andere Pfeile abschossen, ihn mit Feuer bedrohten und Felsbrocken oder sogar Berge nach ihm schleuderten. Siddhartha ließ sich jedoch in keiner Weise stören. Durch die Kraft seiner Konzentration erschienen ihm die Waffen, Felsblöcke und Berge als duftender Blumenregen und die tobenden Feuer als Darbringungen von Regenbogenlicht.
Als Devaputra Mara sah, dass Siddhartha nicht erschreckt werden konnte und seine Meditation nicht abbrach, ließ er zahllose wunderschöne Frauen erscheinen, um ihn abzulenken. Siddhartha entwickelte daraufhin eine noch tiefere Konzentration. Auf diese Weise siegte er über alle Dämonen dieser Welt. Deshalb wurde er später der «Eroberer Buddha» genannt.
Siddhartha setzte seine Meditation fort und erreichte im Morgengrauen die «vajragleiche Konzentration». Durch diese Konzentration, die der letzte Geisteszustand eines begrenzten Wesens ist, befreite er seinen Geist von dem letzten Schleier der Unwissenheit und wurde im nächsten Moment ein Buddha, ein voll erleuchtetes Wesen.
Es gibt nichts, das Buddha nicht weiß. Da er aus dem Schlaf der Unwissenheit erwacht ist und alle Behinderungen aus seinem Geist entfernt hat, erkennt er alles Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige gleichzeitig und unmittelbar. Außerdem besitzt Buddha großes Mitgefühl, das vollständig unvoreingenommen ist und alle Lebewesen ohne Unterschied umfasst. Er hilft allen Lebewesen ohne Ausnahme, indem er im ganzen Universum verschiedene Formen ausstrahlt und ihrem Geist seine Segnungen gewährt. Alle Wesen, die Buddhas Segnungen erhalten, sogar die winzigsten Tiere, entwickeln von Zeit zu Zeit friedvolle und tugendhafte Geisteszustände. Schließlich werden alle die Gelegenheit haben, den Weg zur Befreiung und Erleuchtung zu gehen, denn sie werden eine Ausstrahlung Buddhas in Gestalt eines spirituellen Meisters treffen. Der große indische Gelehrte Nagarjuna sagt, dass es kein einziges Wesen gibt, das noch keine Hilfe von Buddha erhalten hat.
Neunundvierzig Tage nachdem Buddha Erleuchtung erlangt hatte, baten ihn die Götter Brahma und Indra zu lehren. Sie sprachen:
O Buddha, Schatz des Mitgefühls,
Lebewesen sind wie Blinde in ständiger Gefahr, in die niederen Bereiche zu fallen.
Außer dir gibt es keinen Beschützer in dieser Welt.
Deshalb flehen wir dich an, bitte erhebe dich aus dem meditativen Gleichgewicht und drehe das Rad des Dharmas.
Auf diese Bitte hin erhob sich Buddha aus seiner Meditation und lehrte das erste Rad des Dharmas. Diese Lehren, zu denen das Sutra der Vier Edlen Wahrheiten und andere Unterweisungen gehören, bilden die Hauptquelle des Hinayana oder Kleinen Fahrzeuges des Buddhismus. Später lehrte Buddha das zweite und dritte Rad des Dharmas. Hierzu zählen die Sutras der Vollkommenheit der Weisheit und das Sutra der Unterscheidung der Absicht. Diese Lehren sind der Ursprung des Mahayana oder Großen Fahrzeuges des Buddhismus. In den Hinayana Unterweisungen erklärt Buddha, wie wir die Befreiung von Leiden für uns allein erreichen können. In den Mahayana Unterweisungen erläutert er, wie volle Erleuchtung oder Buddhaschaft zum Wohle aller erlangt werden kann. Beide Traditionen blühten in Asien: zuerst in Indien und dann nach und nach in den angrenzenden Ländern, so auch in Tibet. Jetzt beginnen sie in Ländern der ganzen Welt zu erblühen.
Der Grund, weshalb die Lehre Buddhas das «Rad des Dharmas» genannt wird, ist folgender: Es heißt, dass es in früheren Zeiten große Könige gab, die «Chakravatin Könige», die die ganze Welt beherrschten. Diese Könige verfügten über viele außergewöhnliche Reichtümer. Darunter war ein kostbares Rad, in dem sie um die ganze Welt reisen konnten. Wohin sich das kostbare Rad auch wandte, dort herrschte der König. Buddhas Lehren werden als ein solches kostbares Rad betrachtet. Dort, wo sie Verbreitung finden, haben Menschen die Gelegenheit, ihre Verblendungen zu kontrollieren, indem sie die Unterweisungen in die Praxis umsetzen.
«Dharma» bedeutet Schutz. Indem wir Buddhas Lehren anwenden, schützen wir uns vor Leiden und Schwierigkeiten. Alle Schwierigkeiten, denen wir im täglichen Leben begegnen, entspringen der Unwissenheit; und Dharma Praxis ist die Methode, diese Unwissenheit zu beseitigen.
Dharma zu praktizieren ist die beste Methode, die Qualität unseres menschlichen Lebens zu verbessern. Die Lebensqualität hängt nicht von äußeren Entwicklungen oder materiellem Fortschritt ab. Sie ist abhängig von der inneren Entwicklung, die zu Frieden und Glück führt. In der Vergangenheit lebten viele Buddhisten in armen und unterentwickelten Ländern. Doch sie fanden reines und anhaltendes Glück, indem sie das, was Buddha lehrte, umsetzten.
Integrieren wir Buddhas Lehren in unser tägliches Leben, so können wir alle unsere inneren Probleme lösen und einen wirklich friedvollen Geist entwickeln. Ohne inneren Frieden ist äußerer Friede unmöglich. Erlangen wir durch die Schulung in den spirituellen Pfaden zuerst Frieden in unserem Geist, dann entsteht äußerer Friede von ganz allein. Tun wir dies jedoch nicht, wird sich der Weltfrieden niemals einstellen, ganz gleich wie viele Menschen dafür kämpfen.
DER ZEITPUNKT, ZU DEM DAS SUTRA VERKÜNDET WURDE
«Einst» bezieht sich auf die Zeit nach der Reise Buddhas von Vaishali, wo er seine umfassenden Wunderkräfte unter Beweis gestellt hatte, nach Rajagriha. Buddha war etwa 57 Jahre alt, als er dieses Sutra verkündete.
DER ORT, WO DAS SUTRA VERKÜNDET WURDE
«Weilte der Gesegnete in Rajagriha auf dem Berg der versammelten Geier»: Dieses Sutra wie auch die längeren Sutras der Vollkommenheit der Weisheit wurden verkündet, während Buddha Shakyamuni in der Nähe von Rajagriha weilte, das in der heutigen Provinz Bihar in Indien nahe bei Bodhgaya liegt. Der genaue Ort des Vortrags war ein Hügel, «Berg der versammelten Geier» (Skrt. Gridhrakutaparvata) genannt.
Als Buddha die Sutras der Vollkommenheit der Weisheit erläuterte, kamen viele Bodhisattvas aus verschiedenen Weltsystemen, um zuzuhören. Sie manifestierten sich in der Form von Geiern. Für die Augen gewöhnlicher Menschen schien es, als würde ein riesiger Schwarm von Geiern den Berg bedecken. Folglich wurde er «Berg der versammelten Geier» genannt. Dies ist eine von mehreren Interpretationen des Ursprungs dieses Namens.
AN WEN DAS SUTRA GERICHTET WURDE
DIE AUSSERGEWÖHNLICHE ERKLÄRUNG DER HINTERGRÜNDE DES SUTRAS
Zu jener Zeit war der Gesegnete in die Konzentration der unzähligen Aspekte der Phänomene versunken, «tiefgründige Illumination» genannt.
Zu jener Zeit betrachtete auch der höhere Avalokiteshvara, der Bodhisattva, das große Wesen, auf vollendete Weise die Praxis der tiefgründigen Vollkommenheit der Weisheit; er betrachtete auf vollendete Weise auch die fünf Anhäufungen als leer von inhärenter Existenz.
Dieser Teil der Erklärung zu den Hintergründen des Sutras wird die «außergewöhnliche Erklärung» genannt, weil er Aspekte der Umstände des Sutras erläutert, die nicht allen Anwesenden bekannt waren.
Zum Zeitpunkt des Sutras, während seines Aufenthaltes auf dem Berg der versammelten Geier, war Buddha in einen Zustand meditativer Konzentration über die direkte Verwirklichung der Vereinigung der zwei Wahrheiten versunken. Das ist die Vereinigung tiefgründiger Leerheit und Illumination, der bloßen Erscheinung der zahllosen Aspekte aller Phänomene. Jene Konzentration ist eine außergewöhnliche, höchste Eigenschaft von Buddha.
Diese meditative Konzentration wird auch «tiefgründige Illumination» genannt, denn während Buddhas Geist einsgerichtet auf das tiefgründige Objekt, die Vereinigung der zwei Wahrheiten, gerichtet war, strahlte sein Körper eine riesige Menge gleißenden Lichtes aus, das die ganze Welt erfüllte. Das Licht reinigte die Umgebung und den Geist der Lebewesen und ließ die Samen der Pfade zur Befreiung und vollen Erleuchtung in ihrem Geist reifen. Nur die Wesen, deren Geist rein genug war, konnten erkennen, dass Buddha dies tat und auf diese Weise Licht ausstrahlte. Deshalb ist dieser Aspekt der Hintergründe in der außergewöhnlichen Erklärung enthalten.
Es gab noch einen anderen Grund, warum Buddha auf solche Weise Licht ausstrahlte. Wenn tiefgründige Lehrreden, wie die Sutras der Vollkommenheit der Weisheit, gehalten wurden, kamen auch große Scharen von Göttern aus den Begierde- und Formbereichen, um zuzuhören. Die Götter haben Körper, die Licht ausstrahlen, und ihrer Ansicht nach sind Menschen verkrüppelte, schlecht riechende, krötenähnliche Wesen. So war der Geist der himmlischen Wesen voller Hochmut und Stolz, als sie ihre Plätze am Berg der versammelten Geier einnahmen. Stolz ist ein großes Hindernis, wenn man Nutzen aus spirituellen Unterweisungen ziehen will. Deshalb strahlte Buddha, um ihren Stolz zu mindern, von seinem eigenen Körper gleißendes Licht aus. Sein Körper überstrahlte die Körper der Götter, wie die Sonne das Licht von Glühwürmchen überstrahlt. Das machte die Götter demütig, und ihr Geist wurde empfänglich für Buddhas Unterweisungen.
Während Buddha in Konzentration versunken war, meditierte Avalokiteshvara über die tiefgründige Sicht der Leerheit. Im Text wird ausdrücklich erwähnt, dass Avalokiteshvara betrachtete, wie die fünf Anhäufungen – Form, Gefühl, Unterscheidung, zusammensetzende Faktoren und Bewusstsein – leer von inhärenter Existenz sind. Aber das Wort «auch» deutet darauf hin, dass Avalokiteshvara auch die Leerheit der inhärenten Existenz des Selbst oder der Person betrachtete. Was «Leerheit von inhärenter Existenz» bedeutet, wird im nächsten Kapitel erklärt.
Die besonderen Eigenschaften Avalokiteshvaras werden dadurch zum Ausdruck gebracht, dass auf ihn als «der höhere Avalokiteshvara, der Bodhisattva, das große Wesen» Bezug genommen wird. Er erhält den Titel «höherer», weil er Leerheit direkt verwirklicht hat und darum ein höheres Wesen ist. Avalokiteshvara ist auch ein Bodhisattva, eine Person, die spontan durch den Erleuchtungsgeist (Skrt. Bodhichitta) motiviert ist. Jemand, der diese Motivation entwickelt hat, ist in den Mahayanapfad eingetreten. Bodhichitta hat zwei hauptsächliche Bestrebungen: Den Wunsch, allen fühlenden Wesen ohne Ausnahme von Nutzen zu sein und ihnen Glück zu bringen. Und den Wunsch, den Zustand der Buddhaschaft zu erlangen, um so am besten in der Lage zu sein, die erste Bestrebung zu erfüllen. Ein Bodhisattva ist somit eine Person, die in erster Linie durch diese zwei Wünsche motiviert ist. Avalokiteshvara ist würdig, ein «großes Wesen» genannt zu werden, weil er als Bodhisattva mit großem Mut und großer Energie einzig und allein zum Nutzen und Wohle anderer wirkt.
Obwohl er die Form eines Bodhisattvaschülers von Buddha Shakyamuni annahm, hatte Avalokiteshvara schon viele Äonen zuvor volle Erleuchtung erlangt. Das gleiche gilt für Manjushri, Vajrapani, Samantabhadra, Maitreya und die anderen wichtigen Mahayanaschüler Buddha Shakyamunis. Obwohl sie in ihrer Essenz Buddhas waren, zeigten sie, wie man sich als richtiger Bodhisattvaschüler verhält. Dadurch halfen sie mit, Buddha Shakyamunis Lehre zum größten Wohle aller zu verbreiten.
DIE ERKLÄRUNG DES EIGENTLICHEN SUTRAS
Der Teil des Textes, der bis jetzt betrachtet wurde und der die Hintergründe zur eigentlichen Lehrrede erläutert, wird in einigen kürzeren Versionen des Sutras weggelassen. Der verbleibende Text enthält das eigentliche Sutra und wird in vier Teilen erklärt:
1. Die Frage Shariputras
2. Die Antworten Avalokiteshvaras
3. Die Billigung der Antworten durch Buddha
4. Die Anhänger sind erfreut und nehmen sich die Unterweisungen zu Herzen
DIE FRAGE SHARIPUTRAS
Dann, durch die Kraft Buddhas, sagte der ehrwürdige Shariputra zum höheren Avalokiteshvara, dem Bodhisattva, dem großen Wesen: «Wie sollte sich ein Sohn der Überlieferungslinie schulen, der den Wunsch hat, die Praxis der tiefgründigen Vollkommenheit der Weisheit auszuüben?»
Dieser Teil des Sutras besteht aus einer Frage Shariputras, die an Avalokiteshvara gerichtet ist. Während Buddha in die meditative Konzentration der «tiefgründigen Illumination» versunken war, segnete er Shariputras und Avalokiteshvaras Geist. So wurde Shariputra inspiriert, seine Frage zu stellen, und Avalokiteshvara, seine Antworten zu geben. Weil beide Schüler durch die Kraft und Inspiration Buddhas sprachen, wird das ganze Sutra folgerichtig als Buddhas Wort betrachtet.
Wenn etwas Buddhas Wort ist, muss es nicht unbedingt mündlich ausgesprochen werden. Buddha lehrte dieses Sutra aus seinem Herzen und nicht aus dem Mund. In einigen Sutras gab Buddha beispielsweise Unterweisungen durch seine Scheitelerhebung und in einem anderen Sutra bewirkte Buddhas Kraft, dass sogar der durch die Zweige eines Baumes streichende Wind Dharmaworte erklingen ließ. Jene Sutras sind, genau wie dieses, das authentische Wort Buddhas, weil sie aus seiner Kraft und Inspiration entstanden.
Shariputra war einer der Hauptschüler Buddha Shakyamunis. Er hatte aus früheren Leben eine ganz besondere Beziehung zu ihm. Unter dem Aspekt gewöhnlicher Erscheinungen war er ein Hörer-Feindzerstörer der Hinayana Überlieferungslinie. Ein «Feindzerstörer» ist jemand, der den inneren Feind der Verblendungen zerstört hat.
In der Frage Shariputras bezieht sich «Sohn der Überlieferungslinie» auf jemanden, der in die Mahayana Überlieferungslinie eingetreten ist. Wir treten in die Überlieferungslinie des Mahayana ein, wenn wir den Geist des großen Mitgefühls entwickeln. Daher bezieht sich Shariputra auf jemanden, der dieses Mitgefühl entwickelt hat. Obwohl er in seiner Frage nur einen «Sohn» der Überlieferungslinie anspricht, ist darin aber auch «Tochter» der Überlieferungslinie enthalten. Dies wird in Avalokiteshvaras Antwort klar zum Ausdruck gebracht. Tatsächlich enthalten einige Texte hier auch das Wort «Tochter».
Die Worte «die Praxis der tiefgründigen Vollkommenheit der Weisheit» enthüllen, dass die Schulung in der Vollkommenheit der Weisheit und Leerheit sehr tiefgründig ist. Sie ist die eigentliche Essenz von Buddhas Lehre. Die Schulung in Weisheit und Leerheit wird schließlich alle Lebewesen zum höchsten Glück der vollen Erleuchtung führen. Wie bereits erwähnt, ist die Vollkommenheit der Weisheit eine Weisheit, die Leerheit – wie die Dinge wirklich sind –, verwirklicht und mit dem mitfühlenden Geist von Bodhichitta verbunden ist.
Deshalb ist die Bedeutung von Shariputras Frage: «Wie sollten sich die Wesen schulen, die durch die Entwicklung von Mitgefühl für alle Lebewesen in die Mahayana Überlieferungslinie eingetreten sind und die tiefgründige Praxis der Vollkommenheit der Weisheit und Leerheit üben wollen?»
Die Pfade der Ansammlung und der Vorbereitung (1)
DIE ANTWORTEN AVALOKITESHVARAS
Avalokiteshvaras Antworten auf Shariputras Frage zeigen, wie man sich in der Vollkommenheit der Weisheit auf den fünf Mahayanapfaden schult. Es ist deshalb hilfreich, hier die Bedeutung von Pfaden im Allgemeinen und der fünf Mahayanapfade im Besonderen zu betrachten.
Wir alle sind mit äußeren Pfaden vertraut. Diese führen von einem Ort zu einem anderen und wir können sie leicht verstehen, indem wir Karten und dergleichen benutzen. Innere Pfade sind hingegen Arten von Geist und viel schwieriger zu verstehen. Obwohl innere Pfade Geisteszustände oder Handlungen des Geistes sind, werden sie «Pfade» genannt. Wohin führen uns diese Pfade? Sie führen uns zu glücklichen, leidvollen oder neutralen Gefühlen. Die Arten von Geist, die zu einer Wiedergeburt in Samsara führen, sind weltliche Pfade. Einige dieser Pfade sind nichttugendhaft und führen zu einer Wiedergeburt in den drei niederen Bereichen – dem Bereich der Tiere, der hungrigen Geister und dem Höllenbereich. Andere sind tugendhaft und führen zu einer Wiedergeburt in den drei höheren Bereichen – den Bereichen der Menschen, Halbgötter und Götter. Leben für Leben einen verunreinigten Körper und Geist innerhalb eines dieser sechs Bereiche anzunehmen, das ist Samsara.
Es ist wichtig zu wissen, dass von den drei Arten von Handlungen – Handlungen von Körper, Rede und Geist – geistige Handlungen am wichtigsten sind. Das ist so, weil körperliche und sprachliche Handlungen von einer Motivation abhängen, d.h. von einer geistigen Handlung. Fasst unser Geist den Entschluss zu handeln, dann ist dieser Entschluss eine geistige Handlung und wird «Karma» genannt. Ist dieser Entschluss tugendhaft oder positiv, so ist es eine tugendhafte Handlung oder Karma. Sie führt uns zur Erfahrung von Glück. Ist der Entschluss nichttugendhaft oder negativ, ist es eine nichttugendhafte Handlung. Sie führt uns zur Erfahrung von Leiden.
Alle Meditationen sind tugendhafte Handlungen des Geistes. Wenn wir meditieren, üben wir eine tugendhafte geistige Handlung aus. Wenn wir wütend sind und den Entschluss fassen, anderen zu schaden, üben wir eine nichttugendhafte geistige Handlung aus. Handlungen des Geistes sind viel kraftvoller als Handlungen des Körpers und der Rede. Sie werden «innere Pfade» genannt, weil sie uns zu zukünftigen Erfahrungen von Glück, Leiden oder neutralen Gefühlen führen.
Geistige Handlungen, die zu dauerhafter Befreiung von Samsara führen, wie durch Entsagung motivierte Meditationen, sind überweltliche Pfade. Sie können in Hinayanapfade, die zu persönlicher Befreiung führen und in Mahayanapfade, die zur vollen Erleuchtung der Buddhaschaft führen, unterteilt werden. Hinayanapfade sind die fünf Pfade der Alleinigen Verwirklicher und die fünf Pfade der Hörer. Die fünf Mahayanapfade sind die Mahayanapfade der Ansammlung, der Vorbereitung, des Sehens, der Meditation und des Nicht-mehr-Lernens. Diese fünf Mahayanapfade sind Geisteszustände, die stufenweise zur vollen Erleuchtung führen, wobei der fünfte Mahayanapfad der vollerleuchtete Geist selbst ist. Wie tritt man in die Mahayanapfade ein und schreitet von Pfad zu Pfad fort?
In dem Moment, in dem wir das höchste gute Herz des Bodhichittas entwickeln, treten wir in den Mahayanapfad und den Bodhisattvapfad ein. Wir werden ein Bodhisattva auf dem Pfad der Ansammlung. Ein Bodhisattva ist eine Person, die motiviert durch Mitgefühl für alle Lebewesen, aufrichtig die Erleuchtung anstrebt. Bodhichitta ist der spontane Wunsch Erleuchtung zu erlangen, um jedem einzelnen Lebewesen unmittelbar zu helfen.
Der anfängliche Bodhichitta und alle anderen Verwirklichungen, die mit diesem anfänglichen Bodhichitta verbunden sind, werden der «Mahayanapfad der Ansammlung» genannt. Der Bodhisattva häuft auf dieser Stufe eine große Ansammlung von Weisheit an, indem er sich in der Konzentration des Leerheit beobachtenden ruhigen Verweilens schult. Wenn er oder sie durch die Kraft der Konzentration des ruhigen Verweilens eine besondere Weisheit, das «höhere Sehen», erlangt und die Leerheit aller Phänomene sehr klar erkennt, dann betritt er den nächsten Pfad und wird ein Bodhisattva auf dem Pfad der Vorbereitung.
Die anfängliche Verwirklichung von Leerheit beobachtendem höheren Sehen dieses Bodhisattvas und alle anderen Verwirklichungen, die mit diesem anfänglichen höheren Sehen verbunden sind, werden der «Mahayanapfad der Vorbereitung» genannt. Der Bodhisattva betont auf dieser Stufe die Vorbereitung auf die direkte Verwirklichung der Leerheit aller Phänomene, indem er fortwährend mit der Vereinigung von ruhigem Verweilen und höherem Sehen über Leerheit meditiert.