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Mahamudra Tantra ist die Vereinigung großer Glückseligkeit und Leerheit - der subtilste Geist, der große Glückseligkeit erfährt und die endgültige Wirklichkeit realisiert. Aus seiner eigenen Erfahrung erklärt der Ehrwürdige Geshe Kelsang Gyatso wie wir unseren Geist für die Mahamudra Meditation vorbereiten, wie wir Hindernisse für eine erfolgreiche Praxis beseitigen und wie wir immer subtilere Geisteszustände erfahren können. Durch seine Erklärungen wie wir die tiefsten Ebenen unseres Geistes aufdecken, reinigen und den sehr subtilen, glückseligen Geist für die Meditation über die endgültige Wahrheit nutzen, zeigt er uns, wie wir die Wurzel all unserer negativen Geisteszustände beseitigen und schnell den Zustand voller Erleuchtung erreichen. "Unkorrekte Sichtweisen und Absichten lassen uns falschen Pfaden folgen, die zu Leiden führen, während korrekte Sichtweisen und Absichten es uns ermöglichen, spirituellen Pfaden zu folgen, die zu Glück führen." Geshe Kelsang Gyatso Rinpoche
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Seitenzahl: 263
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Von Geshe Kelsang Gyatso sind folgende Bücher im Tharpa Verlag erschienen:
Wie wir unser Leben verwandeln
Wie wir den Geist verstehen
Freudvoller Weg
Der Spiegel des Dharma
Das neue Herz der Weisheit
Moderner Buddhismus
Tantrische Ebenen und Pfade
Führer ins Dakiniland
Essenz des Vajrayana
Die mündlichen Anleitungen des Mahamudra
Große Schatzkammer der Verdienste
Acht Schritte zum Glück – Neuausgabe
Einführung in den Buddhismus
Wie wir unsere menschlichen Probleme lösen
Sinnvoll zu betrachten
Das Bodhisattva Gelübde
Allumfassendes Mitgefühl
Das neue Meditationshandbuch
Sinnvoll leben, freudvoll sterben
Ozean von Nektar
Herzjuwel
Das klare Licht der Glückseligkeit
Mahamudra Tantra
von Shantideva:
GESHE KELSANG GYATSO
Mahamudra-Tantra
DER ERHABENE HERJUWEL-NEKTAR
Originaltitel: Mahamudra Tantra
© 2006 deutsche Übersetzung
Geshe Kelsang Gyatso und Neue Kadampa-Tradition
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Reproduktion ist unzulässig, es sei denn zur Verwendung kurzer Passagen für privates Studium, Forschung und Buchbesprechungen.
Herausgeber: Tharpa Verlag, Zürich
Übersetzung: Kadam Björn Clausen, Dr. Hans Müller, Gen Kelsang Ananda
Federzeichnungen: Gen Kelsang Wangchen
Satz: Tharpa Verlag
ISBN 978-3-908543-26-6
ISBN ePub:
ISBN Kindle:
Druck: The Cromwell Press, Trowbridge, Wiltshire, England
Die Linienzeichnungen stellen die Liniengurus der Mahamudra-Überlieferungslinie dar
Buddha Shakyamuni
Bodhisattva Manjushri
Je Tsongkhapa
Togdän Jampäl Gyatso
Baso Chökyi Gyaltsän
Drubchen Dharmavajra
Gyalwa Ensäpa
Khädrub Sangye Yeshe
Panchen Losang Chökyi Gyaltsän
Drubchen Gendun Gyaltsän
Drungpa Tsöndru Gyaltsän
Könchog Gyaltsän
Panchen Losang Yeshe
Losang Trinlay
Drubwang Losang Namgyal
Kachen Yeshe Gyaltsän
Phurchog Ngawang Jampa
Panchen Palden Yeshe
Khädrub Ngawang Dorje
Ngulchu Dharmabhadra
Yangchän Drubpay Dorje
Khädrub Tendzin Tsöndru
Dorjechang Phabongkha Trinlay Gyatso
Yongdzin Dorjechang Losang Yeshe
Dorjechang Kelsang Gyatso Rinpoche(auf Bitten seiner vertrauensvollen Schüler eingefügt)
Das Nada
Dieses Buch, welches ich für die Menschen dieser modernen Welt vorbereitet habe, ist ein praktischer Leitfaden dafür, den echten Sinn menschlichen Lebens zu entdecken. Im Allgemeinen gibt es unseren üblichen Erfahrungen nach keinen echten Sinn in diesem gewöhnlichen menschlichen Leben. Viele alte Menschen oder diejenigen, die dem Tode sehr nahe sind, verstehen, wie leer und hohl unser menschliches Leben ist. Während unseres ganzen Lebens versuchen wir sehr hart so viele Dinge wie Reichtum und Besitz zusammenzutragen. Schlussendlich aber geht alles, was uns gehörte, ohne Wahl an andere über; wir können nichts in unser nächstes Leben mitnehmen. Der echte Sinn menschlichen Lebens besteht darin, den korrekten Pfad zur Erleuchtung zu finden und ihm zu folgen; und der höchste korrekte Pfad zur Erleuchtung ist Höchstes Yoga-Tantra, insbesondere Mahamudra-Tantra.
Wenn wir den aufrichtigen Wunsch haben, die Unterweisungen über Mahamudra-Tantra, die in diesem Buch dargelegt werden, zu praktizieren, sollten wir zuerst die Ermächtigung von Buddha Heruka empfangen und ein vollständiges Verständnis der Bedeutung dieser Anleitungen gewinnen. Danach können wir, indem wir die Anleitungen in die Praxis umsetzen, unser endgültiges Ziel erfüllen.
Geshe Kelsang Gyatso
Januar 2005 – Frohes Neues Jahr!
Einführung ins Tantra
Mahamudra-Tantra ist eine schnelle Methode, um Erleuchtung zu erlangen; und die Anleitungen über diese Praxis sind sehr tiefgründig. Damit unsere Mahamudra-Praxis effektiv ist, benötigen wir eine stabile Basis von grundlegender korrekter Sicht und Absicht. Genau wie wir ein Haus ohne eine feste Grundlage nicht richtig bauen können, so können wir das Mahamudra nicht ohne die vorherige Verwirklichung dieser Basis und ohne das klare Verständnis ihrer Bedeutung effektiv praktizieren.
Unsere normale Sicht lässt uns glauben, dass unsere täglichen Erfahrungen – ob angenehm oder unangenehm – einen äußeren Ursprung haben. Dieser Sicht folgend, widmen wir unser ganzes Leben der Verbesserung unserer äußeren Bedingungen und Situation, aber dennoch nehmen unsere menschlichen Probleme und Leiden Jahr für Jahr zu. Dies weist deutlich darauf hin, dass unsere normale Sicht unkorrekt ist und uns nur täuscht. Unkorrekte Sichtweisen und Absichten lassen uns falschen Pfaden folgen, die zu Leiden führen, während korrekte Sichtweisen und Absichten es uns ermöglichen spirituellen Pfaden zu folgen, die zu Glück führen.
In diesem Zusammenhang bedeuten „Pfade“ nicht äußere Pfade, die von einem Ort zum andern führen. Wir müssen äußere Pfade nicht studieren, da wir sie mit unseren Augen direkt sehen können. „Pfade“ bezieht sich hier auf innere Pfade, die von ihrer Natur her unsere Handlungen sind. Handlungen des Körpers, der Rede und des Geistes, die durch Unwissenheit motiviert sind, sind falsche Pfade, da sie zu Leiden führen; und Handlungen, die durch Weisheit motiviert sind, sind korrekte Pfade – oder spirituelle Pfade –, da sie zu Glück führen.
Da es verschiedene Ebenen von Glück gibt, etwa das Glück der Befreiung und der Erleuchtung, gibt es verschiedene Ebenen spiritueller Pfade, etwa den Pfad zur Befreiung und den Pfad zur Erleuchtung. Diese Pfade können weiter in den Pfad der Ansammlung, den Pfad der Vorbereitung, den Pfad des Sehens, den Pfad der Meditation und den Pfad des Nicht-Mehr-Lernens unterteilt werden. Außerdem gibt es, da es verschiedene Ebenen des Leidens gibt, wie die Leiden der Menschen, Tiere und Höllenwesen, verschiedene Ebenen falscher Pfade, etwa diejenigen, die zu einer Wiedergeburt als Mensch, Tier oder Höllenwesen führen. Durch das Studium der verschiedenen Arten von Pfaden, die von Buddha dargelegt werden, können wir zwischen korrekten und unkorrekten Pfaden unterscheiden und dadurch unkorrekte Pfade vermeiden. Danach können wir, indem wir korrekte spirituelle Pfaden betreten, auf ihnen fortschreiten und sie vollenden, Erleuchtung erlangen und den wirklichen Zweck unseres menschlichen Lebens erfüllen.
Im Leitfaden zum Mittleren Weg listet der berühmte Buddhistische Gelehrte Chandrakirti sieben Arten innerer Pfade auf:
1. Handlungen, die zum Glück der großen Erleuchtung führen
2. Handlungen, die zur Befreiung führen
3. Handlungen, die zu einer Wiedergeburt als Gott führen
4. Handlungen, die zu einer Wiedergeburt als Mensch führen
5. Handlungen, die zu einer Wiedergeburt als Tier führen
6. Handlungen, die zu einer Wiedergeburt als hungriger Geist führen
7. Handlungen, die zu einer Wiedergeburt als Höllenwesen führen
Die ersten beiden Pfade sind überirdische Pfade, welches korrekte spirituelle Pfade sind, die zur großen Erleuchtung und Befreiung führen. Es gibt viele Ebenen dieser Pfade, entsprechend den vielen Ebenen der spirituellen Erlangung, die in den Unterweisungen über die Stufen des Pfades, Lamrim, erklärt werden. Zum Beispiel erklärt Das neue Meditationshandbuch einundzwanzig verschiedene Meditationen, die zur Verwirklichung einundzwanzig spiritueller Pfade – oder Stufen des Pfades zur Erleuchtung – führen. Traditionellerweise ist der erste dieser Pfade ein starkes Sich-Verlassen auf unseren Spirituellen Meister. Wie es in Je Tsongkhapas Gebet der Stufen des Pfades heißt:
Der Pfad beginnt mit tiefem Vertrauen
Zum gütigen Lehrer, Quelle alles Guten.
Alle diese einundzwanzig Stufen des Pfades, beginnend mit dem Sich-Verlassen auf einen Spirituellen Meister, sind spirituelle Pfade, die zu reinem und immerwährendem Glück führen.
Die verbleibenden fünf Pfade, die von Chandrakirti aufgelistet werden, sind unkorrekte Pfade, die zu Zuständen des Leidens führen. Sie werden auch „verunreinigte Handlungen“ genannt, weil sie durch die inneren Gifte der Selbst-Wertschätzung und der Unwissenheit des Festhaltens am Selbst motiviert sind. Sogar tugendhafte Handlungen, die durch am Selbst festhaltende Unwissenheit motiviert sind und die zu einer menschlichen Wiedergeburt führen, sind verunreinigte Handlungen. In unseren vergangenen Leben haben wir, durch die Verblendung des Festhaltens am Selbst motiviert, tugendhafte Handlungen ausgeführt, wie das Beachten moralischer Disziplin. Eine solche Handlung war die Hauptursache unserer gegenwärtigen menschlichen Wiedergeburt, aber weil sie durch Verblendungen verunreinigt war, ist unsere gegenwärtige menschliche Wiedergeburt eine verunreinigte Wiedergeburt. Da wir eine verunreinigte Wiedergeburt als Mensch angenommen haben, haben wir keine andere Wahl, als die verschiedenen Arten menschlichen Leidens zu erfahren.
Unsere gegenwärtigen Erfahrungen von bestimmten Leiden und Problemen haben eine spezifische Verbindung zu bestimmten Handlungen, die wir in der Vergangenheit ausgeübt haben. Diese verborgene Verbindung ist subtil und nicht leicht zu verstehen. Wir können sie nicht mit unseren Augen sehen, aber wir können sie durch unsere Weisheit verstehen, insbesondere, wenn wir uns auf Buddhas Lehren verlassen.
Warum leiden wir und erfahren wir so viele Probleme? Leiden und Probleme werden uns nicht als Bestrafung gegeben. Wann immer wir Schwierigkeiten erleben, geben wir normalerweise anderen die Schuld, aber in Wirklichkeit erfahren wir sie, weil wir eine verunreinigte menschliche Wiedergeburt angenommen haben – als Resultat verunreinigter Handlungen, die aus unserem eigenen Festhalten am Selbst und unserer eigenen Selbst-Wertschätzung entstanden sind. Unsere menschliche Wiedergeburt ist die Grundlage aller unserer menschlichen Leiden und Probleme. Tiere müssen verschiedene Arten von tierischen Leiden erfahren, weil sie eine verunreinigte Wiedergeburt als Tier angenommen haben. Das gleiche gilt auch für Höllenwesen, Hungrige Geister und selbst die Götter des Begierdebereichs; alle Lebewesen erfahren Leiden, weil sie eine verunreinigte Wiedergeburt angenommen haben. Solche Wiedergeburten sind von der Natur des Leidens und die Grundlage allen Unglücks und aller Probleme.
Benutzen wir unsere menschliche Wiedergeburt für die spirituelle Praxis, wird sie sinnvoll, ansonsten ist ihre Natur Leiden: sie ist eine Manifestation des giftigen Geistes des Festhaltens am Selbst. Ist ein Same giftig, ist es auch die resultierende Ernte. Da auf ähnliche Weise die Ursache, eine verunreinigte Wiedergeburt, wie Gift ist, sind auch ihre Auswirklungen unvermeidlich giftig und schmerzhaft.
Verunreinigte Wiedergeburt ist wie ein tiefer und endlos großer Ozean und unsere Probleme und Leiden sind wie die Wellen, die beständig aus ihm entstehen. Wir sind seit anfangsloser Zeit in diesem großen Ozean gewesen und haben Leben für Leben verunreinigte Wiedergeburten angenommen. Wenn wir nicht in diesem Leben die beständige Befreiung von verunreinigten Wiedergeburten erlangen, werden wir für zahllose zukünftige Leben im Ozean des Leidens verbleiben müssen; dieses Leiden wird nie von allein aufhören. Solange wir in diesem großen Ozean verbleiben, werden unsere Körper immer wieder durch die Seeungeheuer des Herrn des Todes gefressen werden und wir werden ständig neue Wiedergeburten erfahren müssen. Dann müssen wir in jedem neuen Leben die Leiden und Probleme des jeweiligen Lebens erfahren. Wenn wir als Mensch geboren werden, haben wir keine andere Wahl, als menschliche Leiden und Probleme zu erfahren, und wenn wir als Tier wiedergeboren werden, müssen wir die Leiden und Probleme eines Tieres erfahren. Dieser Kreislauf verunreinigter Wiedergeburt und Leiden, der „Samsara“ genannt wird, dreht sich fortwährend, Leben für Leben, endlos.
Unsere verunreinigte Wiedergeburt ist unser eigenes Samsara. Obwohl niemand von uns leiden möchte, entsteht Leiden ganz natürlich und ohne Wahl, da wir in Samsara sind. Es braucht große Weisheit, um unser eigenes Samsara zu erkennen und zu verstehen, dass dies unsere wirkliche Situation ist. Das Verständnis und der Glaube, dass unser eigenes Samsara – unsere verunreinigte Wiedergeburt – die Quelle und die Grundlage all unserer Leiden und Probleme ist, ist die grundlegende korrekte Sicht, die uns zur Erlangung der Befreiung und Erleuchtung führt. Das Entwickeln und Aufrechterhalten einer solchen nichttäuschenden Sicht ist die Basis für die effektive Praxis des Mahamudra-Tantras, welches die eigentliche Methode ist, um das Kontinuum verunreinigter Wiedergeburt zu durchtrennen.
Wenn wir durch das Nachdenken über diese Anleitungen klar verstehen, dass alle unsere täglichen Probleme und Leiden von unserem eigenen Samsara herrühren, werden wir aus tiefem Herzen glauben, dass es äußerst wichtig ist, unsere eigene verunreinigte Wiedergeburt aufzugeben und die beständige Befreiung von Leiden zu erlangen. Wir sollten Bemühen anwenden, diese nützliche Sicht Tag und Nacht zu bewahren, ohne sie zu vergessen.
Während wir diese Sichtweise bewahren, sollten wir dann andere Lebewesen in Betracht ziehen. Im Vergleich zu anderen sind unsere Probleme und Leiden unbedeutend, weil andere zahllos sind, während wir selbst nur eine einzige Person sind. Das Glück und die Freiheit zahlloser Lebewesen sind wichtiger als das Glück und die Freiheit einer einzigen Person – wir selbst. Es ist daher unangemessen, nur um unsere eigene Befreiung besorgt zu sein. Wir sollten stattdessen die höhere Sicht entwickeln, die alle Lebewesen schätzt und diese Tag und Nacht bewahren, ohne es uns zu gestatten, sie jemals zu vergessen.
Wohin wir auch gehen, was wir auch tun – es hängt von unserer Absicht ab. Egal wie kraftvoll unser Körper und unsere Rede sein mögen, wir werden nie fähig sein etwas zu tun, wenn uns die Absicht dazu fehlt. Wenn unsere Absicht unkorrekt ist, werden wir ganz natürlich unkorrekte Handlungen ausführen, die unangenehme Ergebnisse entstehen lassen; ist unsere Absicht aber korrekt, wird das Gegenteil der Fall sein.
Aufgrund unserer unkorrekten oder selbstsüchtigen Absichten führen wir verunreinigte Handlungen aus, die die Hauptursache für das Annehmen einer verunreinigten Wiedergeburt, unseres eigenen Samsaras sind. Unser eigenes Samsara, die Quelle aller Leiden und Probleme, wird deshalb durch unsere unkorrekte Absichten erschaffen. Unsere selbst-wertschätzende Absicht möchte, dass wir jederzeit glücklich sind, während sie das Glück anderer vernachlässigt. Dies ist die normale Absicht, die wir seit anfangsloser Zeit, Tag und Nacht, selbst im Schlaf und Leben für Leben gehabt haben. Bis jetzt jedoch haben wir diesen Wunsch nie erfüllt. Dies liegt daran, dass es in diesem Kreislauf verunreinigter Wiedergeburt überhaupt kein wirkliches Glück gibt.
Im Gebet der Stufen des Pfades sagt Je Tsongkhapa:
Die Vergnügen Samsaras sind täuschend,
Geben keine Zufriedenheit, nur Qualen.
Viele Menschen denken: „Wenn ich reich werde, eine gute Stellung habe oder einen attraktiven Liebhaber finde, dann werde ich glücklich sein“, aber wenn sie dann reich werden, eine gute Stellung haben oder einen attraktiven Liebhaber finden, erfahren sie immer noch kein reines Glück. Stattdessen erfahren sie viele neue Probleme, Leiden und Gefahren; überall können wir viele Beispiele dafür sehen!
Wenn wir mit unseren Freunden essen und trinken oder in die Ferien fahren, fühlen wir uns vielleicht glücklich, aber in Wirklichkeit ist dieses Glück kein wirkliches Glück, sondern nur eine Verminderung unserer vorherigen Probleme. Die Erfahrung von Vergnügen, wenn wir zum Beispiel Nahrung essen, ist bloß die Verminderung von Hunger, kein wirkliches Glück. Wäre es wirkliches Glück, dann wäre das Essen eine wirkliche Ursache von Glück und daraus würde folgen, dass wir umso glücklicher werden, je mehr wir essen. Dies ist jedoch unmöglich! Nahrung zu sich zu nehmen ist in Wirklichkeit eine Ursache von Leiden, weil wir an einen Punkt gelangen, an dem unser Leiden zunimmt, je mehr wir essen. Diese täuschende Natur kann man in allen anderen weltlichen Vergnügen erkennen.
Im Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas sagt der große Gelehrte Shantideva, dass wir Erleuchtung erlangen müssen, da es in Samsara kein Glück gibt. In diesem Kreislauf verunreinigter Wiedergeburt gibt es keinen echten Sinn. Der einzige Sinn, eine menschliche Wiedergeburt anzunehmen, liegt darin, Erleuchtung zu erlangen, indem wir dem Pfad zur Erleuchtung folgen. Dieser Pfad ist sehr einfach! Alles, was wir tun müssen, ist unsere selbst-wertschätzende Absicht zu stoppen und zu lernen, alle Lebewesen gleichermaßen ohne Unterschied wertzuschätzen. Alle anderen spirituellen Realisationen werden ganz natürlich daraus folgen.
Ausführliche Erklärungen darüber, wie wir lernen können andere zu schätzen und wie wir unsere Selbst-Wertschätzung erkennen, vermindern und aufgeben können, können in Verwandle dein Leben und in Das neue Meditationshandbuch gefunden werden. Wir sollten uns fortwährend bemühen, über die Bedeutung dieser Anleitungen nachzudenken und zu meditieren, bis wir eine tiefe Realisation davon gewinnen, alle Lebewesen gleichermaßen zu schätzen. Wir werden erkennen, dass wir diese Realisation gewonnen haben, wenn wir außerhalb der Meditation spontan das Gefühl haben, dass jedes einzelne Lebewesen, sogar das kleinste Insekt, höchst kostbar ist und dass ihr Glück und ihre Freiheit am wichtigsten sind.
Mit der Realisation der wertschätzenden Liebe denken wir dann darüber nach, wie alle Lebewesen Leben für Leben fortwährend den Kreislauf verunreinigter Wiedergeburt erfahren. Immer wieder müssen sie die Leiden von Geburt, Krankheit, Altern und Tod erfahren, sie müssen sich von dem trennen, was sie mögen, müssen dem begegnen, was sie nicht mögen und können ihre Wünsche nicht erfüllen. Auf diese Weise werden wir die höhere Absicht entwickeln, die sich spontan wünscht, jedes einzelne Lebewesen von ihrem Samsara zu befreien, der Quelle all ihrer Leiden. Dieses allumfassende Mitgefühl und die Weisheit des Mahamudra-Tantras sind wie die zwei Flügel eines Vogels: indem wir uns auf sie verlassen, können wir durch den Himmel der endgültigen Wahrheit aller Phänomene fliegen und schnell die höchste Ebene der Erleuchtung erlangen.
Erleuchtung ist als eine allwissende Weisheit definiert, deren Natur die dauerhafte Beendigung von fehlerhafter Erscheinung ist und deren Funktion darin besteht, allen Lebewesen geistigen Frieden zu gewähren. Wenn wir Erleuchtung erlangen, werden wir ein erleuchtetes Wesen. Im Buddhismus sind Buddha und erleuchtetes Wesen synonym. Buddha bedeutet „der Erwachte“ und bezieht sich auf alle, die aus dem Schlaf der Unwissenheit erwacht sind und vollständig von den traumähnlichen Problemen und Leiden Samsaras frei sind. Dieser „Schlaf der Unwissenheit“ ist der Schlaf des Festhaltens am Selbst, in dem die Lebewesen ständig verbleiben und aus dem sie nie erwacht sind. Durch die Kraft ihrer Unwissenheit erfährt jedes einzelne Lebewesen ohne Ausnahme fehlerhafte Erscheinungen. Deswegen müssen sie endlos Probleme, Leiden, Ängste und Gefahren erleben – in diesem Leben und Leben für Leben. Nur Buddhas sind frei davon. Eine ausführliche Erklärung der am Selbst festhaltenden Unwissenheit und wie wir sie aufgeben können, kann in Teil 3: Was ist Leerheit? gefunden werden.
Die Natur eines Buddhas ist vollständige Reinheit und die Funktion eines Buddhas besteht darin, allen Lebewesen geistigen Frieden zu gewähren, indem er ihnen Segnungen gewährt. Einzig und allein zu diesem Zweck erlangen Buddhas Erleuchtung.
Der Nutzen, den Lebewesen von den Buddhas empfangen, ist unermesslich. Wie es im Befreienden Gebet heißt, ist Buddha für alle Lebewesen „die Quelle von Glück und Güte“. Durch das Empfangen der Segnungen Buddhas erfährt jedes einzelne Lebewesen gelegentlich geistigen Frieden, selbst Tiere oder Höllenwesen. Da ihr Geist zu dieser Zeit friedvoll und glücklich ist, sind sie glücklich. Von diesen gelegentlichen Momenten abgesehen, ist ihr Geist von der Dunkelheit der Unwissenheit durchdrungen und sie erfahren fortwährend, Leben für Leben die verschiedenen Arten von Problemen und Leiden. Buddhas Unterweisungen sind die einzige Methode, die die Dunkelheit der Unwissenheit aus unserem Geist entfernen kann. Indem wir sie in die Praxis umsetzen, können wir die Unwissenheit des Festhaltens am Selbst entfernen und auf diese Weise die dauerhafte Befreiung von Leiden, den beständigen inneren Frieden des Nirvana erfahren.
Die Unterweisungen Buddhas werden „Dharma“ genannt. Sie sind der erhabene Spiegel, in welchem wir die Fehler unserer Verblendungen und die Güte aller Mutterlebewesen erkennen können, damit wir verstehen können, was wir aufzugeben und was wir zu praktizieren haben. Sie sind die erhabene Medizin, mit der wir unsere schlimmsten Krankheiten der Wut, Anhaftung und Unwissenheit heilen können, damit wir schließlich das höchste Ziel menschlichen Lebens erlangen können – Erleuchtung.
Um allen Lebewesen zu helfen, strahlen sich Buddhas als verschiedene Dinge aus, sowohl belebte wie unbelebte. Es gibt keinen Ort, an dem es keine Ausstrahlungen der Buddhas gibt, die für das Wohl der Lebewesen wirken, und es gibt keine einzige Person, die nicht Buddhas Segnungen empfängt. Selbst diejenigen, welche Buddhas Existenz ablehnen, empfangen Buddhas Segnungen und aufgrund dessen erfahren auch sie gelegentlich geistigen Frieden. Wenn ihr Geist friedvoll ist, sind sie glücklich, auch wenn ihre äußeren Bedingungen schwierig sind. Solange ihr Geist friedlos ist, werden sie nie glücklich sein, auch wenn sie die besten äußeren Bedingungen haben. Aus diesem Grund hängt das Glück der Lebewesen vom inneren oder geistigen Frieden ab, der seinerseits vom Empfangen der Segnungen Buddhas abhängt.
Oftmals versuchen wir angestrengt friedvolle Geisteszustände zu kultivieren, aber aufgrund starker Verblendungen sind wir ohne Erfolg; gelegentlich aber erfahren wir inneren Frieden, ohne dass wir von unserer Seite aus Bemühen aufwenden. Dies deshalb, weil wir Buddhas Segnungen in unser Geisteskontinuum empfangen haben. Wir empfangen Buddhas Segnungen nur gelegentlich und nicht beständig, weil unser Geist normalerweise von der dichten Dunkelheit der Unwissenheit bedeckt ist.
In seinen Tantrischen Unterweisungen hat Buddha viele erleuchtete Gottheiten oder Buddhas wie Heruka und Hevajra aufgelistet. Der Name Heruka ist Sanskrit. „He“ enthüllt Leerheit, „ru“ enthüllt große Glückseligkeit und „ka“ enthüllt die Vereinigung von großer Glückseligkeit und Leerheit. Ein erleuchtetes Wesen, das auf die Vereinigung von großer Glückseligkeit und Leerheit zugeschrieben wird, ist der wirkliche Heruka, der definitive Heruka. Der Körper des definitiven Heruka ist der Wahrheitskörper Buddhas oder Dharmakaya. Er hat keine Farbe oder Form und durchdringt alles; es gibt keinen Ort, an dem der definitive Heruka abwesend ist. Der Heruka in der Form eines blaufarbenen Körpers, der mit vier Gesichtern und zwölf Armen in Umarmung mit Vajravarahi erscheint, wird der „interpretative Heruka“ genannt. Als Buddha die Heruka-Ermächtigung gab, erschien er im Aspekt des interpretativen Heruka, um anderen die Basis, den Pfad und die Resultate des Höchsten Yoga-Tantras in einer sichtbaren Form zu zeigen.
Buddhas Wahrheitskörper oder Dharmakaya ist seine allwissende Weisheit, welche die Vereinigung der großen Glückseligkeit und Leerheit ist. Buddhas Wahrheitskörper ist die Grundlage der Zuschreibung von Heruka. Gemäß den Erscheinungen gewöhnlicher Personen schien Buddha dahinzuscheiden, aber in Wahrheit ist er nie verstorben, weil sein hauptsächlicher Körper, der Wahrheitskörper, unsterblich ist. Indem wir die Natur und die Funktion von Buddha verstehen, sollten wir uns tief über seine herausragenden Qualitäten erfreuen.
Wie oben erwähnt möchte unser allumfassendes Mitgefühl alle Lebewesen von ihren Leiden befreien. Die einzige Methode, dies zu tun, besteht darin, zuerst selbst die Buddhaschaft zu erlangen, da nur ein Buddha die Fähigkeit besitzt, alle Lebewesen dauerhaft von Leiden zu befreien. Über die herausragenden Qualitäten Buddhas nachdenkend und unser allumfassendes Mitgefühl vergegenwärtigend, sollten wir einen starken Entschluss fassen, zum Wohle aller Lebewesen Erleuchtung zu erlangen. Dann meditieren wir fortwährend über diesen Entschluss in einsgerichteter Konzentration, bis wir die tiefe Realisation gewinnen, die ein spontaner Wunsch ist, die Erleuchtung zum Wohle aller Lebewesen zu erlangen. Diese Realisation wird „Bodhichitta“ genannt. Wir sollten diese mitfühlende Absicht Tag und Nacht bewahren, ohne es uns zu gestatten, sie jemals zu vergessen.
Korrekte Sicht entwickeln, lernen, andere zu schätzen, Selbst-Wertschätzung erkennen, vermindern und schließlich aufgeben, allumfassendes Mitgefühl und der kostbare Geist des Bodhichittas – sie alle sind im Allgemeinen Pfad enthalten, der von Buddha in seinen Sutra-Unterweisungen erklärt wurde. Um schnell den Wunsch unserer erhabenen Bodhichitta-Absicht zu erfüllen, hat Buddha den außergewöhnlichen Pfad des Mahamudra-Tantra gelehrt. Dies wird nun erklärt.
Obwohl Tantra sehr populär ist, verstehen nicht viele Menschen seine wirkliche Bedeutung. Einige Menschen verneinen die Tantrischen Unterweisungen Buddhas, während andere sie für weltliche Erlangungen missbrauchen; zudem sind viele Menschen verwirrt in Bezug auf die Vereinigung der Praxis von Sutra und Tantra und glauben fälschlicherweise, dass sich Sutra und Tantra widersprechen. Im Zusammengefassten Wurzel-Tantra von Heruka sagt Buddha:
Du solltest nie Höchstes Yoga-Tantra aufgeben,
Sondern erkennen, dass es eine unvorstellbare Bedeutung hat
Und die eigentliche Essenz des Buddhadharmas ist.
Wenn wir die wirkliche Bedeutung von Tantra verstanden haben, wird es keine Grundlage für seinen Missbrauch geben und wir werden sehen, dass es überhaupt keine Widersprüche zwischen Sutra und Tantra gibt. Die Praxis der Sutra-Unterweisungen ist die grundlegende Basis für das Praktizieren der Tantrischen Unterweisungen, und die Praxis des Tantras ist die schnelle Methode, das endgültige Ziel der Sutra-Unterweisungen zu erreichen. Zum Beispiel ermutigt uns Buddha in seinen Sutra-Unterweisungen, Anhaftung aufzugeben, und im Tantra ermutigt er uns, unsere Anhaftung in den spirituellen Pfad umzuwandeln. Einige mögen denken, dass dies ein Widerspruch ist, aber dies ist nicht der Fall, da die Tantrischen Anleitungen darüber, wie man Anhaftung in den spirituellen Pfad umwandelt, die schnelle Methode sind, Anhaftung aufzugeben. Auf diese Weise sind sie die Methode, um die Ziele der Sutra-Unterweisungen zu erreichen.
Wie zuvor erwähnt, sind das allumfassende Mitgefühl, welches durch die Sutra-Praxis verwirklicht wird, und die Weisheit des Mahamudra-Tantras, welche durch die Praxis der Tantrischen Unterweisungen verwirklicht wird, wie die zwei Flügel eines Vogels. Genau wie beide Flügel gleichermaßen wichtig sind, damit ein Vogel fliegen kann, so sind Sutra und Tantra gleichermaßen wichtig für Praktizierende, die die Erleuchtung suchen.
Tantra ist als eine innere Realisation definiert, welche die Funktion hat, gewöhnliche Erscheinungen und Vorstellungen zu verhindern und die vier vollkommenen Reinheiten zu verwirklichen. Obwohl die Tantrischen Schriften Buddhas manchmal „Tantra“ genannt werden, weil sie die Tantrischen Übungen enthüllen, ist das eigentliche Tantra notwendigerweise eine innere Realisation, welche die Lebewesen vor gewöhnlichen Erscheinungen und Vorstellungen beschützt, die der Ursprung der Leiden Samsaras sind. Tantra, Geheimes Mantra und Vajrayana sind synonym. Die vier vollständigen Reinheiten sind die reine Umgebung, der reine Körper, die reinen Vergnügen und reinen Aktivitäten eines Buddhas.
Für Lebewesen ist die Erfahrung weltlicher Vergnügen die Hauptursache für die Zunahme ihrer Anhaftung und deshalb die Hauptursache für die Zunahme ihrer Probleme. Um zu verhindern, dass Anhaftung durch die Erfahrung weltlicher Vergnügen entsteht, lehrte Buddha Tantra als eine Methode, die weltliche Vergnügen in den Pfad zur Erleuchtung umwandelt. Entsprechend den verschiedenen Ebenen der Umwandlung weltlicher Vergnügen in den spirituellen Pfad lehrte Buddha vier Ebenen oder Klassen von Tantra: Handlungs-Tantra, Ausführungs-Tantra, Yoga-Tantra und Höchstes Yoga-Tantra. Die ersten drei werden die „niederen Tantras“ genannt. Im Höchsten Yoga-Tantra lehrte Buddha die tiefgründigsten Anleitungen, um sexuelle Glückseligkeit in den schnellen Pfad zur Erleuchtung umzuwandeln. Da die Effektivität dieser Praxis von der Kraft der Meditation über das Sammeln und Auflösen der inneren Winde in den Zentralkanal abhängt, wurden diese Methoden nicht in den niederen Tantras erklärt. In den niederen Tantras gab Buddha Anleitungen darüber, wie wir weltliche Vergnügen – außer die der sexuellen Glückseligkeit – durch die Kraft der Vorstellung in den Pfad zur Erleuchtung umwandeln können, was eine einfachere Praxis des Tantras ist.
Das Tor, durch das wir das Tantra betreten, ist das Empfangen der Tantrischen Ermächtigung. Eine Ermächtigung gewährt uns besondere Segnungen, die unser geistiges Kontinuum heilen und unsere Buddha-Natur erwachen lassen. Wenn wir eine Tantrische Ermächtigung empfangen, säen wir die besonderen Samen der vier Körper eines Buddhas in unser Geisteskontinuum. Diese vier Körper sind der Natur-Wahrheitskörper, der Weisheits-Wahrheitskörper, der Freudenkörper und der Ausstrahlungskörper. Gewöhnliche Wesen besitzen nicht mehr als einen Körper, während Buddhas vier Körper gleichzeitig besitzen. Ein Ausstrahlungskörper ist ihr grober Körper, der von gewöhnlichen Wesen gesehen werden kann. Der Freudenkörper ist ihr subtiler Körper, der nur von Praktizierenden gesehen werden kann, die höhere Realisationen erlangt haben. Die Natur- und Weisheits-Wahrheitskörper sind ihre sehr subtilen Körper, die nur von den Buddhas selbst gesehen werden können.
Im Tantra sind gewöhnliche Vorstellungen und Erscheinungen die hauptsächlichen Objekte, die aufzugeben sind. Die Begriffe „gewöhnliche Vorstellungen“ und „gewöhnliche Erscheinungen“ werden am besten durch das folgende Beispiel erklärt. Nehmen wir an, es gibt einen Heruka-Praktizierenden namens John. Normalerweise sieht er sich selbst als John und seine Umgebung und Vergnügen sowie seinen Körper und Geist als die von John. Diese Erscheinungen sind gewöhnliche Erscheinungen. Der Geist, der diesen Erscheinungen zustimmt, indem er sie für wahrhaft existierend hält, ist gewöhnliche Vorstellung. Die Erscheinungen, die wir von einem inhärent existierenden „Ich“, „Mein“ und anderen Phänomene haben, sind ebenfalls gewöhnliche Erscheinungen; Festhalten am Selbst und alle andere Verblendungen sind gewöhnliche Vorstellungen. Gewöhnliche Vorstellungen sind Behinderungen zur Befreiung und gewöhnliche Erscheinungen sind Behinderungen zur Allwissenheit. Im Allgemeinen haben alle fühlenden Wesen außer Bodhisattvas, die die vajra-gleiche Konzentration auf dem Pfad der Meditation erlangt haben, gewöhnliche Erscheinungen.
Wenn John nun über die Erzeugungsstufe von Heruka meditieren, sich intensiv als Heruka betrachten und glauben würde, dass seine Umgebung, seine Erfahrungen, sein Körper und sein Geist diejenigen Herukas sind, dann würde er zu jenem Zeitpunkt den göttlichen Stolz besitzen, der gewöhnliche Vorstellungen verhindert. Wenn er zudem die klare Erscheinung von sich selbst als Heruka mit der Umgebung, den Vergnügen, dem Körper und dem Geist Herukas erlangt, wird er zu jenem Zeitpunkt die klare Erscheinung besitzen, die seine Wahrnehmung der gewöhnlichen Erscheinungen verhindert.
Am Anfang sind gewöhnliche Vorstellungen schädlicher als gewöhnliche Erscheinungen. Warum das so ist, wird durch die folgende Analogie veranschaulicht. Nehmen wir an, ein Magier beschwört vor seinem Publikum die Illusion eines Tigers herauf. Der Tiger erscheint sowohl dem Publikum als auch dem Magier, aber während das Publikum glaubt, dass der Tiger tatsächlich existiert und sich in der Folge ängstigt, stimmt der Magier der Erscheinung des Tigers nicht zu und bleibt daher ruhig. Das Problem des Publikums ist nicht so sehr die Erscheinung des Tigers, vielmehr ist es seine Vorstellung, dass der Tiger tatsächlich existiert. Es ist nicht so sehr die bloße Erscheinung, sondern diese Vorstellung, die die Erfahrung von Angst bewirkt. Wenn es wie der Magier nicht die Vorstellung hätte, dass der Tiger existiert, dann würde es sich nicht ängstigen, auch wenn ihm immer noch ein Tiger erscheint. Wenn wir auf gleiche Weise in unserer Vorstellung nicht an den Dingen als gewöhnlich festhalten, auch wenn sie uns als gewöhnlich erscheinen, dann ist das nicht so schädlich für uns. Ebenso ist es weniger schädlich für unsere spirituelle Entwicklung, wenn wir unseren Spirituellen Meister als gewöhnlich sehen, ihn oder sie aber in seiner oder ihrer Essenz für einen Buddha halten, als wenn wir unseren Spirituellen Meister als gewöhnlich sehen und glauben, dass er oder sie gewöhnlich ist. Die Überzeugung, dass unser Spiritueller Meister ein Buddha ist, obwohl er oder sie uns als gewöhnliche Person erscheint, bewirkt rapiden Fortschritt in unserer spirituellen Praxis.
Um gewöhnliche Erscheinungen und Vorstellungen zu vermindern, lehrte Buddha das Tantra der Erzeugungsstufe; und um diese zwei Behinderungen vollständig aufzugeben, lehrte er das Tantra der Vollendungsstufe, insbesondere Mahamudra-Tantra. Indem wir die Schulung in diesen Tantras vollenden, werden wir ein Tantrisches erleuchtetes Wesen wie Heruka werden, mit den vollständigen Reinheiten des Körpers, der Umgebung, Vergnügen und Aktivitäten eines Buddhas.
In der Praxis der Erzeugungsstufe erzeugen sich Tantrisch Praktizierende, durch die Kraft der aus Weisheit entstandenen korrekten Vorstellung, als Tantrisch erleuchtetes Wesen wie Heruka und ihren Körper, ihre Umgebung, Vergnügen und Aktivitäten als diejenigen Herukas. Diese vorgestellte neue Welt Herukas ist ihr Objekt der Meditation und sie meditieren über diese neue Erzeugung mit einsgerichteter Konzentration. Durch fortwährende Schulung in dieser Meditation werden Tantrisch Praktizierende tiefe Realisationen von sich selber als Heruka gewinnen und ihr Körper, ihre Umgebung, Vergnügen und Aktivitäten werden wie diejenigen von Heruka werden.
Erzeugungsstufen-Tantra ist als eine innere Realisation eines kreativen Yogas definiert, die durch die Schulung in den drei Bringungen erlangt wird. Es wird ein „kreativer Yoga“ genannt, weil das Objekt der Meditation durch Vorstellungskraft und Weisheit erschaffen wird. Die drei Bringungen sind: das Bringen des Todes in den Pfad des Wahrheitskörpers, das Bringen des Zwischenzustandes in den Pfad des Freudenkörpers und das Bringen der Wiedergeburt in den Pfad des Ausstrahlungskörpers. Die hauptsächliche Funktion des Tantras der Erzeugungsstufe besteht darin, den gewöhnlichen Tod, den gewöhnlichen Zwischenzustand und die gewöhnliche Wiedergeburt zu reinigen sowie den Wahrheitskörper, den Freudenkörper und den Ausstrahlungskörper eines Buddhas zu verwirklichen. Ausführliche Erklärungen über die Schulung in den drei Bringungen können in anderen Tantrischen Büchern wie Essenz des Vajrayana und Führer ins Dakiniland gefunden werden.
Im Tantra der Erzeugungsstufe betonen Praktizierende die Schulung in göttlichem Stolz und die Schulung in klarer Erscheinung. Vor der Schulung in göttlichem Stolz müssen die Praktizierenden lernen, ihren Körper und Geist als Herukas Körper und Geist wahrzunehmen. Haben sie dies erreicht, benutzen sie dann Herukas Körper und Geist als Basis der Zuschreibung für ihr „Ich“ und entwickeln den Gedanken „Ich bin Buddha Heruka“. Dann meditieren sie über diesen göttlichen Stolz in einsgerichteter Konzentration. Durch die Schulung in dieser Meditation werden sie eine tiefe Realisation des göttlichen Stolzes gewinnen, welcher spontan glaubt, dass sie Heruka sind. Zu jenem Zeitpunkt haben sie die Basis für die Zuschreibung ihres Ichs verändert.