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„Schlechte Therapie kann aus einem hilfesuchenden Menschen binnen Wochen einen Psychokrüppel machen“ (Christof Fasel in Stern 27/95). Laut einer Studie der WHO leidet in den westlichen Industrieländern jeder 4. Patient eines Hausarztes an psychischen Störungen. In der BRD gibt es za. 20.000 Therapeuten, die über 600 Therapieformen anbieten ... Was sagt die Bibel zum Thema Therapie und Seelsorge?
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Seitenzahl: 143
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Einführung in die biblische Seelsorge
Psychotherapie und/oder biblische Seelsorge?
Eberhard Platte
© 1. Auflage 2022 ceBooks Verlag Alexander Rempel, Langerwehe
Autor: Eberhard Platte, www.wachsen-im-glauben.de
Cover: Caspar Kaufmann
ISBN: 978-3-95893-290-6
Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de
Kontakt: [email protected]
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Vorwort von Dipl.-Psych. Roland Antholzer
1. Mir brennt’s auf den Nägeln Einige Worte vorab
2. Warum schreibt ein Grafiker über Seelsorge? Alles eine Frage der Kompetenz?
Persönlicher Fragebogen Wie denke ich über Seelsorge?
3. Alles Psycho oder was? Was ist Seelsorge?
4. Ich fühl mich heut’ so mies! Warum überhaupt Seelsorge?
5. Sollte ein Christ zum Therapeuten gehen? Psychotherapie und/oder Seelsorge
6. Muss man das denn so eng sehen? Was ist von der integrativen Methode zu halten?
7. Jesus, der wahre Seelsorger Wie geht Jesus mit Menschen um?
8. Hauptsache gesund? Was ist das Ziel biblischer Seelsorge?
9. „Willst du gesund werden?“ 15 Knackpunkte der Seelsorge
10. Zurück zum Hirtendienst in der Gemeinde! Wann werden wir Christen endlich wach?
11. Ein TÜV für Seelsorger? Gibt es Voraussetzungen für Hirten?
12. „Hörst du mir überhaupt zu?“ Wie geschieht Seelsorge?
13. „Lass mich in Ruhe!“ Seelsorge an Problemgruppen
14. „Du hast mir weh getan!“ Die Frage der seelischen Verletzungen
15. „Wie werde ich frei?“ Biblische Prinzipien für die seelische Gesundheit
16. Wer bin ich? von Dipl.-Psych. Roland Antholzer
Literaturhinweise und Anschriften
Letzte Seite
Seit mehr als zwei Jahrzehnten sehe ich mit Sorge, wie sich in der Gemeinde Jesu in unserem Land ein gravierender Mangel an biblisch gegründeter Seelsorge zeigt. Gleichzeitig ist weithin eine Zunahme an seelischen Störungen zu registrieren. Der Verlust christlicher Werte, der Zerfall von tragenden Beziehungsstrukturen in Familie und Gesellschaft, Individualisierung und Konsumorientierung haben ihre Spuren hinterlassen, auch in unseren Gemeinden. Umso mehr ist heute wirksame Seelsorge im Sinn der Zielsetzung Gottes gefragt. In Verkennung ihrer Wirksamkeit haben leider viele Seelsorger ihr Heil in der Psychotherapie gesucht, ohne sich über die damit verbundenen Gefahren ausreichend Rechenschaft zu geben. Denn die Übernahme psychotherapeutischer und sozialpädagogischer Methoden in die Seelsorge geht faktisch einher mit einer allgemeinen Verflachung und Verweltlichung christlichen Glaubens.
Der Versuch, Psychotherapie und Seelsorge zu integrieren, bringt zwar eine „therapeutische“, aber niemals eine „biblische“ Seelsorge hervor. „Biblisch“ und „therapeutisch“ schließen sich gegenseitig aus. Psychotherapie hat die Zielsetzung, die Psyche zu heilen. Ob sie das kann, wird auch von säkularen Fachleuten in Frage gestellt, soll aber hier nicht diskutiert werden. Biblische Seelsorge dagegen hat nicht zum Ziel, Menschen gesund zu machen, sondern sie in eine gesunde Gottesbeziehung zu führen. Folgende Aussage des Paulus bringt es auf den Punkt: „Ihn (nämlich Christus) verkündigen wir, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen in aller Weisheit lehren, um jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen“ (Kolosser 1,28). Dabei geht es nicht um Perfektion, sondern es geht darum, dass wir vollkommen in Christus sind, und dass das auch nach außen sichtbar wird. Das heißt, dass unser Leben so an Christus hingegeben ist, dass das Christusleben uns bestimmen und prägen kann. Schließlich geht es aber auch um unsere Brauchbarkeit für Gott in dieser Welt. Darauf verweist 2. Timotheus 3,16-17:
„Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes richtig sei, für jedes gute Werk ausgerüstet.“ Der Ansatzpunkt der Seelsorge ist der innere Mensch, der nur durch Gottes Wort angesprochen werden kann, aber nie durch psychologische Methoden. Letztere setzen immer außen an. Sie bauen nur das Ego auf, machen es stark und autonom und führen so zur Entfremdung des Christen von Gott. Es wird in der Schrift klar davor gewarnt, dass wir „im Rat der Gottlosen“ sitzen (Ps 1,1) bzw. „unter fremdartigem Joch mit den Ungläubigen“ gehen (2Kor 61,4). Wer es dennoch tut, fügt der Gemeinde Jesu Schaden zu und macht sich schuldig.
Das vorliegende Buch von Eberhard Platte halte ich für gut geeignet, Christen einen ersten Einstieg in den Dienst der Seelsorge zu vermitteln. Man spürt es dem Autor ab, dass ihm die Sache der Seelsorge persönlich wichtig geworden ist. Wie durch eine psychologisch orientierte Seelsorge Schaden erwachsen kann, ist ihm durch persönliche leidvolle Erfahrung vor Augen geführt worden (siehe Kapitel 2). Umso engagierter setzt er sich nun für eine biblisch gegründete Seelsorge ein.
Ich wünsche diesem Buch, dass es von einem breiten Publikum gelesen wird, vor allem aber von solchen Christen, die ein ernstes Verlangen haben, ihrem Herrn im Bereich der Gemeindeseelsorge zu dienen.
Roland Antholzer
Seelsorge ist ins Gerede gekommen. Der christliche Buchmarkt wird überschwemmt mit Fachliteratur. Pro und Contra halten sich die Waage. Ist Seelsorge ein Fachgebiet für Spezialisten geworden? Können oder dürfen psychotherapeutische Methoden in die biblische Seelsorge integriert werden? Fragen über Fragen. Was sagt Gottes Wort, die Bibel, dazu?
„Schlechte Therapie“, schreibt Christof Fasel in einem Report in der Illustrierten Stern über Psychotherapie, „kann aus einem Hilfe suchenden Menschen binnen Wochen einen Psychokrüppel machen!“ Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO leidet in den westlichen Industrieländern jeder vierte Patient eines Hausarztes an psychischen Störungen. Jeder zehnte Deutsche nimmt zeitweise professionelle „Seelenmassage“ in Anspruch. In der Bundesrepublik gibt es z.Zt. etwa 20.000 Therapeuten, die weit über 600 Therapieformen anbieten. Erleben wir eine Psychologisierung der Gesellschaft? Bereits Vorschulkinder sind Psycho-Patienten, dann folgt der schulpsychologische Dienst, große Firmen haben ihre Berufspsychologen, die Alterspsychologen betreuen Seniorenwohnheime und selbst in manchen Haftanstalten hat jeder Inhaftierte seinen Fachmann ...
Und wie sieht es in den Gemeinden aus? Die Gemeindeältesten, die ihren Hirtendienst an den Geschwistern versahen, sind „out“. Man geht heute zum therapeutischen Seelsorger, der sein Diplom an der Wand hängen hat. Ich weiß von einer Gemeinde, deren Prediger „das Handtuch geworfen“ hat, weil er von seinen Geschwistern nicht mehr gehört wird. Stattdessen gehen alle Gemeindeglieder zur Therapeutin, um von ihr behandelt zu werden.
Wohin sind wir gekommen? Was sagt die Bibel zu Therapie und Seelsorge? Wann werden wir Christen endlich wach?
Els Nannen schreibt in einer Broschüre des Bibelbundes: „Ist es nicht beschämend, dass einerseits die meisten Christen fast kritiklos von der Psychiatrie bzw. Psychoanalyse fasziniert sind, während andererseits viele Nichtchristen, auch und gerade innerhalb des Berufsstandes, die psychologischen-psychotherapeutischen Theorien und Therapien gründlich prüfen und daraufhin vieles verwerfen? Ist es darüber hinaus nicht traurig, dass viele Christen heute nicht mehr zugänglich sind für eine rein bibelorientierte kritische Überprüfung der Psychologie und Psychotherapie?“1
Anmerkung: Zum Schutz der als Fallbeispiele genannten Personen wurden Namen, Orte und Zusammenhänge geändert. Doch beruhen alle Schilderungen auf tatsächlichen Ereignissen.
1Els Nannen, Irrwege der Psychotherapie I, in: Bibel und Gemeinde, 86-2.
Was hat ein Grafiker mit biblischer Seelsorge zu tun? Ist das nicht, als spräche ein Blinder über Farbe oder ein Taubstummer über Rhetorik? Einem Gärtner, der über Astronomie referiert, würde man die Kompetenz ab-sprechen. Einem Schuhmacher, der ein Buch über Computer-Simulation schreibt, würde man nahe legen, bei seinen Leisten zu bleiben. Genauso können Sie dieses Buch weglegen: Was hat ein Grafiker mit Seelsorge zu tun? Wenn ich etwas über Medizin wissen will, gehe ich zum Arzt, wenn über Firmenmanagement zum Betriebswirt, wenn über Ackerbau und Viehzucht zum Agrarfachmann. Wohin gehe ich, wenn ich mich über Seelsorge informieren will? Zum Psychiater, zum Pastor, zum Arzt oder ...?
Wie alles anfing
Vielleicht kann ich erklären, wie und warum mich dieses Thema nicht mehr los lässt und warum ich mich detailliert sachkundig machen musste. Und das kam so:
Wir standen mit einem Missionsbus auf dem Rathausplatz einer Stadt, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen und ihnen die Botschaft des Evangeliums zu vermitteln. Das ist jetzt ca. 15 Jahre her. Viele Gespräche mit Passanten über „Gott und die Welt“, über Glauben und Bibel. Unter anderem hatte ich ein intensives Gespräch mit Ede. Ede war „Stadtstreicher“ – Entschuldigung, ich will die Amtssprache wählen: Nichtsesshafter. Als ich ihn fragte, warum er trinkt, brachte er es kurz und bündig auf den Punkt: „Bring mir meine Frau wieder, und ich hör auf zu saufen.“ – „Wie hat das denn angefangen?“, wollte ich wissen. Ede erzählte. Und seine Geschichte war lang und bewegend. Fieberhaft überlegte ich, wie ich ihm helfen könnte. Als er geendet hatte, fragte ich ihn: „Ede, darf ich mit dir beten?“ – „Wenn du willst“, antwortete er zögernd. Als ich das „Amen“ sprach, zog Ede seine verspiegelte Sonnenbrille nach vorne, schaute mich über die Brillengläser mit Tränen in den Augen an und sagte: „Weißt du, du hast mir mehr geholfen als alle Therapeuten, Sozialarbeiter und Psychologen in den verschiedenen Entgiftungen, die ich gemacht habe. Danke!“ Nein, Ede war noch nicht zum Glauben gekommen, und an seiner Sucht klebte er auch noch. Aber als er ging, nahm er mich in den Arm und drückte mich. Er stank fürchterlich, doch was er sagte, klang ehrlich und von Herzen: „Danke, du bist mein Freund!“ – Und ich fragte mich: Was hab ich eigentlich getan? Ich hatte doch nur zugehört und mit ihm gebetet. Mehr nicht. Mehr nicht?
Peter
Beim nächsten Missionseinsatz kamen einige Heavy-Metal-Fans und ein Western-Freak zum Glauben an Jesus Christus. Und wir fragten uns, wie wir helfen könnten. In unserer Hilflosigkeit – aber mit brennendem Herzen, Menschen zu helfen
– brachte ich Western-Peter zur Gefährdetenhilfe Scheideweg nach Hückeswagen. Friedel Pfeiffer, der Leiter dieser Initiative, nahm mich mit in die Gespräche, die er mit Peter führte, hinein. Hier lernte ich in der Praxis, was Seelsorge ist. Ich lernte, ins Gespräch zu kommen, hinter die Fassade zu schauen, auf den Punkt zu kommen. Lernte, dass hinter jeder Sucht eine Geschichte steht. „Learning by doing“ nennt man das.
Jörg
Dann lernten wir einen 22-jährigen Heroinabhängigen kennen, der von der Sucht loskommen wollte. Wir brachten ihn in eine Entgiftungsklinik. Ein junges Mädchen aus der Gemeinde besuchte ihn dort, hatte Mitleid mit seinen Schilderungen des Entzugs und brachte ihn – naiv wie sie war – aus der Entgiftung mit. Auf der Nachhausefahrt wurde ihr bewusst: Wohin mit ihm? Und so hielt sie vor unserer Tür: „Könnt Ihr ihn nicht aufnehmen?“ Damals waren wir noch völlig unerfahren, nahmen ihn in unsere Familie auf und sorgten dafür, dass er Arbeit bekam. Ich fuhr ihn zur Arbeit und holte ihn ab, in der Hoffnung, dass er so nicht an „Stoff“ käme. Wir gingen mit ihm zur Kripo, damit er seine Dealer verpfiff. Doch er zog uns total über den Tisch und wir mussten ihn raussetzen. Ja, auch aus Fehlern lernt man bekanntlich.
Tommy
Ich denke an Tommy. Aus völlig kaputten Verhältnissen kam er, sog das Evangelium auf, bekehrte sich und wurde frei von der Sucht. Aber nach einer Zeit des Senkrechtstarts im Glauben kam der erste Absturz. Dann der zweite, der dritte. Immer wieder klammerte er sich neu an den Herrn, schöpfte Hoffnung, fasste Entschlüsse. Aber gerade in diesen Zeiten der Niederlagen machte ihm seine Vergangenheit mächtig zu schaffen. Auf und ab ging es dann in seinen Gefühlen und Reaktionen. Eine richtige Achterbahn. Oft standen wir hilflos daneben, beteten, flehten, rangen auf den Knien vor unserem Gott für diesen Menschen.
Eines Tages las er ein Buch, in dem er sich in dem Leben des Autors wiederfand: Missbrauch in der Kindheit, Alkoholabhängigkeit, Drogen, Selbstmordversuche, Psychose, Auf und Ab im Glaubensleben. Am Ende dieses Buches schrieb der Autor, man würde nur frei, wenn man seine Vergangenheit unter Mithilfe von psychotherapeutisch geschulten Fachleuten „aufarbeite“. Einige Adressen wurden genannt. So machte er sich auf die Suche nach „christlichen Fachleuten“ in Sachen Seelsorge. Da wir in dieser Hinsicht bisher keinerlei Erfahrungen hatten, ließen wir ihn gewähren, da wir meinten: Wenn es doch Christen sind, muss es ja recht sein. Sie werden schon im biblischen Sinn handeln.
Von da ab gings bergab
Doch damit begann die eigentliche Talfahrt in Tommys Glauben. Die erste christliche Therapeutin versuchte, in seine Vergangenheit vorzudringen. Doch schon bald merkten wir, dass Tommy nach jedem Therapiebesuch wieder Alkohol zu sich nahm, weil er die Erinnerungen an die Kindheit nicht verkraftete. Uns kamen die ersten Zweifel und wir begannen, die entsprechende „Fachliteratur“ zu studieren. Alles hörte sich so christlich an. Bibelstellen waren angeführt – und doch: Das meiste waren Methoden, die aus der Psychotherapie entlehnt waren. Nach etwa einem halben Jahr gab die Therapeutin verzweifelt auf. Sie saß weinend vor Tommy und bekannte, dass sie das nicht verkraften könne.
Die nächste Therapeutin empfahl ihm als Erstes, die Gemeinde zu verlassen, da diese zu eng sei und er seine Persönlichkeit hier nicht entwickeln könne. Und dies, ohne dass sie unsere Gemeinde jemals besucht oder gekannt hätte. Sie versuchte es mit Gestaltungstherapie, Musik- und Entspannungstherapie. Statt einer engeren Beziehung zu Gott und seinem Wort förderte sie in ihm seine alten Gewohnheiten und Laster. Schon bald verfiel er wieder dem Alkohol. Als seine „Seelsorgerin“ nicht mehr weiter wusste und Tommy erneut kurz vor einer Psychose stand, überwies sie ihn in eine christliche Nervenklinik.
In dieser Zeit begann ich, intensiv die Bücher von Prof. Dieterich, R. Ruthe, U. Giesekus, R. Antholzer, Jay Adams, M. Bobgan, A. Westmeier u.a. zu lesen. Ich fragte mich, wieso kommen alle diese Christen zu so unterschiedlichen Ergebnissen? Was sagt die Bibel zu ihren Thesen und Methoden?
Psycho-Folgen?
Ein anderes Beispiel: Eine Frau wurde nach verschiedenen ambulanten christlichen Therapien und einem Aufenthalt in einer christlichen Nervenklinik zur weiteren Behandlung an einen katholischen Psychotherapeuten überwiesen, der sie ausschließlich mit Medikamenten behandelte. „Wenn ich die Tabletten nehme, brauche ich keinen Alkohol“, meinte die Patientin. Sie lernte schnell, was sie dem Arzt erzählen musste, damit er die Dosis nach ihren Vorstellungen erhöhte oder verringerte. Eines Tages, als sie von einem Termin zurückkam, erwähnte sie versonnen: „Er hat so schöne Rehaugen.“ Ich wurde hellhörig und begleitete sie beim nächsten Termin. Sein übertrieben vertrauter Umgang mit den Patienten machte mich stutzig. Auf meine Frage, warum er mit Tabletten be-handle, gab er mir die Erklärung: „Sie müssen wissen, die Gefühle meiner Patientin sind wie ein riesiger Stausee. Und das Medikament wirkt wie eine Staumauer, die den Druck zurückhält.“ – „Das verstehe ich“, antwortete ich, „aber wie gedenken Sie, den Wasserspiegel zu senken?“ Da wurde er zornig und warf mich aus seiner Praxis ... – An diesem Tag wurde mir einiges klar.
Eine andere junge Frau schilderte mir, dass sie seit Jahren zur Therapie gegangen sei. Gleich zu Beginn habe ihr der Therapeut gesagt: „Als Erstes werde ich Ihnen Ihren Glauben austherapieren, damit Sie keine Schuldgefühle mehr haben!“ Kann man es deutlicher sagen? Im Laufe der Therapien erklärte er, dass ihr Bruder sie als Kind missbraucht haben müsse, sonst könne er sich ihr Krankheitsbild nicht erklären. Damals glaubte sie ihm und beschuldigte ihren inzwischen verheirateten Bruder des sexuellen Missbrauchs. Damit stürzte sie ihn in eine furchtbare menschliche Krise. Erst Jahre später bekannte sie, dass an der Sache nichts dran gewesen sei, sie aber dem Therapeuten geglaubt habe.
Ich weiß, dass ich bei diesem Thema aufpassen muss, nicht mit allen Beteiligten zu hart ins Gericht zu gehen. Sie haben es wohl alle gut gemeint. Und doch schmerzt das Herz, wenn man miterlebt, wie Menschen seelisch zerbrechen, statt geheilt zu werden. Die Kritik Christof Fasels ist leider nur zu wahr!
Wenn wir nicht auf der anderen Seite Menschen erlebt hätten, die bei vergleichbar katastrophaler Vergangenheit innerlich befreit worden wären, könnte man ja meinen, das sei das unweigerliche Schicksal solch armer Menschen. Nein, mehr und mehr erkennen wir, dass der Weg der biblischen Seelsorge ein anderer ist und Psychotherapie den „fatalen Irrtum“1 unter den Christen darstellt.
Gefährdetenhilfe
Die intensive Beschäftigung mit vielen Menschen in seelischer Not und Suchtgefahr hat dazu geführt, dass Gott unsere und weitere Herzen bereit gemacht hat, uns in vermehrter Weise um Gefährdete und durch ihre Vergangenheit belastete Menschen zu kümmern. So entstand die missionarisch-diakonische Gefährdetenhilfearbeit „Kurswechsel“, in der in zwei Wohngemeinschaften mit angegliedertem Arbeitsbereich ehemals Straffälligen und Drogenabhängigen auf der Basis des Wortes Gottes geholfen wird. Im Rahmen dieser Arbeit gehen wir in Strafanstalten und machen Missionseinsätze in verschiedenen Justizvollzugsanstalten. Biblische Seelsorge ist hier in besonderer Weise notwendig und im wahrsten Sinne des Wortes Not wendend.
Eheseelsorge