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Für den einen ist Beten eine Pflichterfüllung, für den anderen ist es die notwendigste Sache zum Leben nach dem Motto «Beten ist das Atmen der Seele». Und doch findet man selten in Gemeinden eine Gebetsatmosphäre, die die Gegenwart des Vaters im Himmel ahnen lässt. Leider hat man bei Gebetsstunden manchmal den Eindruck, als würden zwar Gebete gesprochen, aber als würde nicht mit Gott wirklich geredet! Dieses Buch möchte die Tragweite unseres Betens mit Gott aufzeigen, möchte uns die Bitte der Jünger nachsprechen helfen: «Lehre uns beten, Herr!»
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Seitenzahl: 105
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„Lehre uns beten, Herr!“
Gedanken zum „Vaterunser“
Eberhard Platte
© 1. Auflage 2022 ceBooks Verlag Alexander Rempel, Langerwehe
Autor: Eberhard Platte, www.wachsen-im-glauben.de
Cover: Caspar Kaufmann
ISBN: 978-3-95893-298-2
Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de
Kontakt: [email protected]
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Vorwort
1. Herr, lehre uns beten!
2. Unser Vater
3. Der du bist im Himmel
4. Geheiligt werde dein Name
5. Dein Reich komme
6. Dein Wille geschehe
7. Unser nötiges Brot gib uns täglich
8. Und vergib uns unsere Sünden
9. Wie auch wir vergeben unseren Schuldnern
10. Und führe uns nicht in Versuchung
11. Sondern erlöse uns von dem Bösen
12. Anhang
Letzte Seite
Für den einen ist Beten eine Pflichtübung, für den anderen ist es die notwendigste Sache zum Leben nach dem Motto: „Beten ist das Atmen der Seele.“ Es ist sicher bereits viel über das Reden mit Gott gesprochen und geschrieben worden. Ich erinnere an das Buch von Ole Hallesby „Vom Beten“, das mir vor Jahren zum großen Segen geworden ist, oder an das Buch von Helmut Thielicke „Das Gebet, das die Welt umspannt“, das er auf dem Hintergrund der Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges schrieb.
Und doch finde ich selten in Gemeinden eine Gebetsatmosphäre, die die Gegenwart des Vaters im Himmel ahnen lässt. Wenn ich vor Jahren den Evangelisten Richard Müller beten hörte, verspürte ich bei ihm in der Art, wie er den himmlischen Vater ansprach, etwas von dem innigen Kindschaftsverhältnis, das er uns in seinem Wort zugesagt hat.
Leider hat man bei unseren Gebetsstunden häufig den Eindruck, als würden zwar Gebete gesprochen, aber nicht mit Gott wirklich geredet! Beschäftige ich mich beim Beten mit meinem Gegenüber – oder stehe ich im Mittelpunkt? Bete ich nur, um meine Anliegen loszuwerden, um meine Probleme gelöst zu bekommen?
Da werden in Gebeten Ansprachen und Predigten gehalten, da werden die Geschwister gerügt und ermahnt – und sie müssen darauf noch „Amen“ sagen. Als ob man dadurch andere zu einer Verhaltensänderung zwingen könnte. Oder es werden im Gebet alle Grundwahrheiten der Schrift rezitiert, als wolle man Gott und den Geschwistern das eigene Bibelwissen zeigen. Ist das alles Beten? Sicher nicht. Es hat einmal einer gesagt: „Rede nicht mit Gott über Gott und mit den Menschen über Menschen; sondern rede mit den Menschen über Gott und mit Gott über die Mitmenschen.“
Dieses Buch möchte ein wenig die Tragweite unseres Redens mit Gott aufzeigen, möchte uns die Bitte der Jünger nachsprechen helfen: „Herr, lehre uns beten!“.
Nun wird manch einer einwenden, dass dieses Gebet, das sogenannte „Vaterunser“, heilsgeschichtlich nicht in die Zeit der Gemeinde passe, da es den Jüngern damals als Israeliten und damit als Vertretern des Alten Bundes angeraten wurde. Es falle in die gleiche Kategorie wie die Bergpredigt. Das ist sicherlich in gewissem Sinne wahr. Und doch haben diese Gebets-Stichpunkte, die Jesus gab, ebenso auch grundsätzlichen Charakter und Bedeutung für uns.
In diesem Sinn möchte ich im Folgenden auf die einzelnen Verse als Ratschläge, als Leitplanken, als Gedankenstützen eingehen. Sie wollen nicht „Korsett“ oder Gesetz sein, schon gar nicht gedankenlos nachgeplappert werden, sondern uns die Größe des Wesens und der Pläne Gottes aufzeigen, damit wir ein wenig mehr erahnen, mit wem wir reden, wenn wir zu Gott, dem Vater, beten.
Eberhard Platte
Unser Vater,der du bist im Himmel,geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.Unser nötiges Brot gib uns täglich, und vergib uns unsere Sünden, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern,und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.Lukas 11,2-4; Matthäus 6,11-13
Damals war ich gerade sechs Jahre alt und kam in die Schule. Es war kurz nach dem Krieg. Der Weg ging an vielen Ruinen und Trümmergrundstücken vorbei. Das Schulgebäude war ein großer roter Backsteinbau und ich kam mir sehr klein und verloren vor. Gleich in den ersten Tagen sollte ein Schulgottesdienst in der großen Kirche stattfinden. Noch nie war ich in einer Kirche gewesen, da meine Eltern zu einer Brüdergemeinde gehörten und wir als Kinder die Sonntagsschule der Gemeinde besuchten. Mit den biblischen Geschichten kannte ich mich aus, aber wie ist das in der Kirche? Ich war sehr nervös. Das hohe dunkle Gebäude machte mir Angst und die kühle Atmosphäre des Innenraums hatte etwas Beklemmendes.
Jeder Schritt hallte wider. Wir wagten nur zu flüstern. Mit den anderen Schulkindern schob ich mich in eine Bankreihe und wollte mich gleich hinsetzen. Der Lehrer zog mich aber sofort wieder hoch und schaute mich strafend an: „Erst das Vaterunser!“, herrschte er mich an. Ich schaute mich um. „Was ist das denn?“, wollte ich von meinem Nachbarn wissen. „Ach, quatsch“, flüsterte er zurück, „zähl einfach still bis 30 und setz dich dann. Dann denkt der, du hättest gebetet …“ Unsicher gehorchte ich. Alles war so fremd. Die laute Orgel, die monotone Stimme des Pastors, das Aufstehen und Hinsetzen. Ich musste sehr aufpassen, um alles bei meinem Nachbarn abzugucken. Der kannte sich wohl besser damit aus.
Ziemlich zum Ende des Gottesdienstes – ich kann mich leider nicht daran erinnern, worüber der Pastor gesprochen hatte – mussten wir alle wieder aufstehen und der Pastor betete. Ich schloss wie gewohnt meine Augen dabei, als ich ihn sagen hörte: „Wir beten gemeinsam: Vater unser, …“ Gespannt wollte ich hören, was das war, aber ich verstand kein Wort. Alle Kinder und Lehrer sprachen etwas gemeinsam, das wie ein lautes Getöse von den hohen Wänden widerhallte. Eine kalte Gänsehaut kroch mir den Rücken hinunter. Was war das nur, das Vaterunser? – Nun, zu Hause erklärte es mir mein Vater und las mir den Abschnitt aus dem Matthäusevangelium vor. „Aber“, fragte ich ihn gleich, „warum wird das Gebet denn so runtergeleiert, dass man nichts verstehen kann?“ – Irgendwie hatte ich all die Jahre ein ziemlich distanziertes Verhältnis zu diesem „Gebet des Herrn“ und fand keinen rechten Bezug zu dem, was unser Herr seinen Jüngern damit eigentlich hatte sagen wollen.
Es mag sein, dass manch einer eine ähnliche Beziehung zu diesem Abschnitt des Wortes Gottes hat, das in verschiedenen Kirchen und Gemeinden zu einem Ritual geworden ist. Versuchen wir, uns einmal bewusst von all den persönlichen Erinnerungen und Empfindungen zu lösen, von allen Traditionen, Liturgien oder Vorbehalten, um neu zu dem eigentlichen Inhalt dieses Gebets zu kommen. Was wollte der Herr Jesus damals seinen Jüngern auf ihre Bitte „Herr, lehre uns beten“ vermitteln und was können wir heute für uns und unser Reden mit Gott, dem Vater, lernen?
Offensichtlich kommt der Herr Jesus zwei Mal auf die Grundlagen des Gebets zu sprechen. Das eine Mal ist es im Rahmen der sogenannten Bergpredigt in Matthäus 6,5-15. Hier geht er etwas ausführlicher auf die Grundsätze des Betens ein und warnt vor gedankenlosem Plappern und vielen Worten. Das andere Mal ist er wohl mit seinen Jüngern allein und scheint sie in kurzen Worten an die damaligen Ausführungen zu erinnern (Lukas 11,1-4).
Beten will gelernt sein!
Nicht umsonst hörten die Jünger offenbar sprachlos zu, wenn ihr Herr und Meister mit seinem Vater sprach. Dieses Reden mit Gott war so ganz anders, als sie es gewohnt waren. So anders, als die Pharisäer und Schriftgelehrten beteten. So anders, als sie selbst beteten. „Herr, lehre uns beten!“ war deshalb ihr aufrichtiger Wunsch (Lukas 11,1-4). Sie merkten etwas von der innigen Beziehung, die ihr Meister zu seinem himmlischen Vater hatte.
Unser Herr gab seinen Jüngern daraufhin – und uns heute – einige kurze Stichpunkte an die Hand, die gewichtig genug sind, unsere Einstellung zum Gebet und insbesondere zu Gott, dem Vater, zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Je mehr ich über das Beten nachdenke, desto mehr wird mir bewusst, wie wenig ich selbst bete, wie wenig ich mit dem himmlischen Vater beschäftigt bin. Wie vieles dreht sich nur um mich. Von Martin Luther wird berichtet, dass er vor einem arbeitsreichen Tag geäußert haben soll: „Ich habe heute so viel zu tun, ich muss erst drei Stunden beten!“
Ich muss bekennen, dass ich stets in der Gefahr stehe, wenn ich viel Arbeit habe, die Zeit des Gebets zu kürzen. Doch die innere Ruhe in der Hektik des Tages kommt nur aus der Stille vor Gott. Anders als in anderen Religionen ist das Gebet der Christen keine Pflichtübung, die es als Ritual zu erfüllen gilt, sondern das aufrichtige Bedürfnis des Herzens, mit dem zu sprechen, der uns errettet hat und zu dem wir in ein inniges Verhältnis gekommen sind. Die meisten Siege im Reich Gottes sind auf den Knien errungen worden!
Ja, Beten will gelernt sein. Dabei meine ich nicht die äußere Form, sondern den Inhalt – und mehr noch: die Person, zu der ich bete.
Beten hat zudem viele verschiedene Aspekte. Zum einen gibt es sicherlich den kurzen Verzweiflungsschrei in bitterer Not, zum anderen die intensive Anbetung dessen, zu dem ich beten darf. Dann gibt es die Fürbitte für andere sowie das staunende Stehenbleiben vor der Größe Gottes und den Dank für alle Wohltaten.
Zwei verschiedene Beispiele möchte ich zu Beginn erzählen: Sie lebte auf der Straße. Ihre wenigen Habseligkeiten lagen im Bahnhofsschließfach, sie selbst suchte sich einen Schlafplatz in einem der Warteräume oder in Supermarkthallen. Am gestrigen Abend war sie von Christen zu einem Offenen Abend eingeladen worden, und sie war wegen des Themas hingegangen. Hier hörte sie zum ersten Mal bewusst von der Existenz und Liebe des auferstandenen und lebendigen Herrn Jesus Christus. Nein, bei den Christen hatte sie nicht bleiben wollen. Sie fühlte sich nicht passend bei ihnen. So suchte sie wie gewohnt den Wartesaal im Bahnhof auf. Sie hatte sich gerade auf einer der Bänke ausgestreckt, als ein Kleiderschrank von einem Mann im Türrahmen stehen blieb und süffisant grinsend sagte: „Mädchen, dich krieg ich diese Nacht!“
Panik kroch ihren Rücken hinauf. Sie suchte in ihrer Tasche nach ihrem Verteidigungsspray. Doch, was war das? Sie hatte es offenbar bei den Christen liegen lassen. Was nun? Triumphierend stand der Mann in der Tür und genoss ihre Angst.
Da fiel ihr ein, was die Christen ihr gestern gesagt hatten: „Dieser Jesus lebt. Du kannst mit ihm reden. Er ist da und hört dich, egal wo du bist.“
Sollte das wirklich stimmen? Sie wusste nicht, was Beten ist. Aber in ihrer panischen Not schrie sie es so laut sie konnte heraus: „Herr Jesus hilf!!!“
Verdutzt machte der Mann einen Schritt zur Seite, um zu sehen, ob jemand kommt. In diesem Moment konnte sie an ihm vorbeilaufen und war frei!
„Das war mein erstes Gebet!“, sagte sie später. „Und ich hab gemerkt: Es stimmt! Dieser Jesus lebt!“
Ein anderes Beispiel: Vor etlichen Jahren wohnte über meinem Atelier eine liebe altgewordene Schwester, von der ich wusste, dass sie ihre festen Gebetszeiten hatte. Oft – besonders als sie nicht mehr die Gemeindestunden besuchen konnte – kam sie zu mir und bat um „Futter fürs Beten“. Sie wollte wissen, wie es den übrigen Glaubensgeschwistern der Gemeinde ging, um für sie beten zu können! Wir brauchen wieder neu solche Geschwister, die nicht über die Geschwister reden, sondern für sie beten!
Man stelle sich vor: Gott, der Heilige, der Allmächtige, ist unser Vater! Das gibt es in keiner Religion, in keiner Weltanschauung! Überall, wo man zu einem Gott oder mehreren Göttern betet, spricht man als Winzling zu einem fernen Unnahbaren. Als kleine Nichtse und Namenlose zu einem übergroßen, willkürlichen und unberechenbaren Despoten und Tyrannen, zu einem „Big Brother“, dessen Forderungen man aus Angst vor Strafe erfüllen muss.
Der Gott der Bibel möchte uns dagegen als Vater begegnen! Ist uns bewusst, was das bedeutet?
Es war bei einem Missionseinsatz in ungarischen Gefängnissen. Ich sollte zu den Inhaftierten des Hochsicherheitstraktes des größten Gefängnisses in Budapest zu sprechen. Da saßen sie vor mir, finstere Gestalten, skeptische Gesichter. Ich fragte mich, wie diese Herzen für das Evangelium der Liebe und Vergebung Gottes geöffnet werden könnten. Ein kurzes stilles Gebet zu meinem Vater im Himmel und er gab mir die Frage, die ich den Inhaftierten stellte: „Wer von euch hatte einen guten Vater?“