Gesunde Gemeinden wachsen - Eberhard Platte - E-Book

Gesunde Gemeinden wachsen E-Book

Eberhard Platte

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Beschreibung

Weshalb stagnieren so viele Gemeinden? Warum ist so wenig geistliche Motivation bei Gemeindemitarbeitern festzustellen? Liegt es an der „Endzeit“ oder an dem „harten Boden“ oder an der Säkularisierung unserer Umwelt? Was sagt die Bibel, Gottes Wort, über den Plan Gottes mit seiner Gemeinde? Dazu ist es notwendig, dass wir eine kritische Diagnose unserer Gemeinden erstellen und herausfinden, was sie krank macht bzw. wo die Wachstumsstörungen liegen. Nur was gesund ist, wächst. Wie aber können unsere Gemeinden gesunden? Was sagt die Schrift über die gesunde Lehre, über gesunden Glauben, gesunde Ehen, Familien und Beziehungen? Ein kritisches, aber hilfreiches Buch.

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Gesunde Gemeinden wachsen!

Was Gemeinden krank macht …

Eberhard Platte

Impressum

© 1. Auflage 2022 ceBooks Verlag Alexander Rempel, Langerwehe

Autor: Eberhard Platte, www.wachsen-im-glauben.de

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-294-4

Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de

Kontakt: [email protected]

 

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© SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten

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Meiner geliebten Erika,meinen prächtigen Kindern und Enkelkindern gewidmet,sowie meiner Heimatgemeinde, die ich liebe –und allen, denen die Gemeinde Jesuauf dem Herzen brennt

„Damit du weißt,wie man sich verhalten soll im Haus Gottes,das die Gemeinde des lebendigen Gottes ist,die Säule und Grundfeste der Wahrheit.“1.Timotheus 3,15

Inhalt

Titelblatt

Impressum

Dank

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Vorwort: Was mir auf dem Herzen brennt

1. Wo wollen wir denn hin?

2. Wie die fünf Finger Deiner Hand

3. Wie Gott deine Gemeinde liebt

4. Wie hat sich Gott deine Gemeinde gedacht?

5. Was ist die Basis deiner Gemeinde?

6. Was macht deine Gemeinde krank?

7. Wer geht schon gerne zum Arzt?

8. Was setzt Gott für eine gesunde Gemeinde voraus?

9. Auf welchen Säulen ruht die gesunde Gemeinde?

10. Welche Aufgaben hat die Gesunde Gemeinde?

11. Welche Werkzeuge braucht die gesunde Gemeinde?

12. Was sind die Strukturen einer gesunden Gemeinde?

13. Was sind die Kennzeichen einer gesunden Gemeinde?

14. Was ist das Endziel einer gesunden Gemeinde?

15. Welche Etappenziele hat eine gesunde Gemeinde?

16. Nur gesundes wächst

17. Was wir dringend brauchen!

18. Leid und Verfolgung als Wachstumsförderung?

19. Wie können wir einander helfen?

20. Das Gebet für deine Gemeinde

21. Liebe deine Gemeinde!

Letzte Seite

Vorwort: Was mir auf dem Herzen brennt

„Nur wer selbst brennt, kann andere anzünden.“

Augustinus von Hippo (354-430)

Gemälde: Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski (1873)

An einer gefährlichen Küste, die schon vielen Schiffen zum Verhängnis geworden war, befand sich vor Zeiten eine kleine, armselige Rettungsstation. Das Gebäude war nicht mehr als eine Hütte, und dazu gehörte nur ein einziges Boot; aber die Handvoll Freiwilliger versah unentwegt ihren Wachdienst und wagte sich tags wie nachts unermüdlich und ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben hinaus, um Schiffbrüchige zu bergen.

Dank diesem kleinen Stützpunkt wurden so viele Menschen gerettet, dass er bald überall bekannt wurde. Viele der Erretteten und andere Leute aus der Umgebung waren nun auch gern bereit, Zeit, Geld und Energie zu opfern, um die Station zu unterstützen. Man kaufte neue Boote und schulte neue Mannschaften. Die kleine Station wuchs und gedieh. Vielen Gönnern dieser Rettungsstation gefiel das ärmliche und schlecht ausgerüstete Gebäude nicht mehr.

Deshalb wurden die provisorischen Lagerstätten durch richtige Betten ersetzt und das erweiterte Gebäude mit besserem Mobiliar ausgestattet. Doch damit erfreute sich die Seerettungsstation bei den Männern zunehmender Beliebtheit als Aufenthaltsort; sie richteten sich noch gemütlicher ein, da sie ihnen als eine Art Clubhaus diente.

Immer weniger Freiwillige waren bereit, mit auf Bergungsfahrt zu gehen. Also heuerte man für die Rettungsboote eine eigene Besatzung an. Immerhin schmückte das Wappen des Seenotdienstes noch überall die Räume, und von der Decke des Zimmers, in dem gewöhnlich der Einstand eines neuen Clubmitgliedes gefeiert wurde, hing das Modell eines großen Rettungsbootes.

Etwa zu dieser Zeit scheiterte vor der Küste ein großes Schiff, und die angeheuerten Seeleute kehrten mit ganzen Bootsladungen frierender, durchnässter und halbertrunkener Menschen zurück. Unter den schmutzigen und erschöpften Schiffbrüchigen befanden sich Schwarze und Orientalen.

In dem schönen Clubhaus herrschte das Chaos. Das Verwaltungskomitee ließ deshalb gleich danach Duschkabinen im Freien errichten, damit man die Schiffbrüchigen vor dem Betreten des Clubhauses gründlich säubern konnte.

Bei der nächsten Versammlung gab es eine Auseinandersetzung unter den Mitgliedern. Die meisten wollten den Rettungsdienst einstellen, da er unangenehm und dem normalen Clubbetrieb hinderlich sei. Einige jedoch vertraten den Standpunkt, dass Lebensrettung die vorrangige Aufgabe sei und dass man sich ja schließlich auch noch als „Lebensrettungsstation” bezeichnete. Sie wurden schnell überstimmt.

Man ließ sie wissen, dass sie, wenn ihnen das Leben all dieser schiffbrüchigen Typen so wichtig sei, ja woanders ihre eigene Rettungsstation aufmachen könnten. Das taten sie dann auch.

Die Jahre gingen dahin, und die neue Station wandelte sich genauso wie die erste. Sie wurde zu einem Clubhaus, und so kam es zur Gründung gar einer dritten Rettungsstation. Doch auch hier wiederholte sich die alte Geschichte.

Wenn man heute diese Küste besucht, findet man längs der Uferstraße eine beträchtliche Reihe exklusiver Clubs. Immer noch ist die Küste gefährlich; immer noch wird sie vielen Schiffen zum Verhängnis; nur – die meisten der Schiffbrüchigen ertrinken.1

Erinnert diese Geschichte nicht an manche Gemeinden, die einmal hoch motiviert als „Lebensrettungsstationen“ begonnen haben? Da erzählt mir ein alter Kämpfer, der vor 30 Jahren mit einem Trupp engagierter junger Christen in einer Großstadt Streetwork gemacht hatte: „Damals waren wir eine richtige ,Turnschuhgemeinde’. Wir waren pausenlos in der Szene unterwegs, um Menschen für Jesus zu retten. Mit Gitarre und brennenden Herzen brachten wir den Heavy-Metal-Fans das Evangelium. Eine unkomplizierte Gemeinde entstand, in der jede Woche Menschen zum Glauben fanden. Heute ...,“ seufzt er, „sind wir eine etablierte Gemeinde, wo jeder seinen Platz einnimmt, aber keiner mehr bereit ist, mit einem Straßenstand oder einem Büchertisch in der City zu sein oder mit Traktataktionen Briefkasten-Jogging zu machen. Wenn Fremde kommen, rümpft man die Nase und fühlt sich in seiner Ruhe und Gewohnheit gestört. Am liebsten würde ich woanders völlig neu beginnen.“

Was mir Sorge macht

Das ist ein Punkt, der mir beim Überdenken unserer Gemeindesituation Sorgen bereitet. Im Amerikanischen gibt es das Sprichwort: „A man, a movement, a machine, a monument! – Ein Mann, eine Bewegung, eine Maschinerie, ein Monument!“ Muss so zwangsläufig die Entwicklung verlaufen? Die sogenannte „Brüderbewegung“ (ebenso wie andere Glaubensrichtungen und Freikirchen) begann zu Beginn des 19. Jahrhunderts in England und Deutschland mit engagierten Männern des Glaubens, die viel bewegt haben und viele motivieren konnten. Ihre Begeisterung für den neuentdeckten Gedanken der neutestamentlichen Gemeinde wurde zu einer Bewegung, die heute an manchen Orten nur noch entfernt an den eigentlichen Ursprung erinnert.

Und noch einige Fragen, die mich bewegen

Ein weiterer Punkt, der mich bewegt, ist die allgemeine Situation unserer Gemeinden in unserem Land bzw. in Europa. Unser Land und unser Volk stehen in einem starken Umbruch. Strukturen verändern sich und Werte werden über Bord geworfen. Alles wird digitalisiert und vernetzt, der Mensch wird zunehmend transparent, kontrollierbar, manipuliert. Jeder meint frei zu sein – und ist doch Opfer des allgemeinen Mainstreams. Political correctness, individuelle Wahrheit, intolerante Toleranz, kontrollierte Meinungsfreiheit. Wer etwas gegen den Zeittrend sagt, gilt schon gleich als phobiegefährdet, fundamental ultrakonservativ und damit allgemeingefährlich und wird misstrauisch beäugt. Man nimmt sich alle Freiheiten – und ist doch nicht frei, was man denken und äußern darf.

Das, was sich in den letzten vierzig Jahren in unserem Land, in Europa und der Welt vollzieht, ist nicht ohne Einfluss auf unsere Gemeinden geblieben. Auch hier, im evangelikalen Umfeld, werden die Gläubigen vom allgemeinen Mainstream geprägt. Wenn vielleicht auch um ein paar Jahre versetzt, doch ebenso unaufhaltsam und gefahrvoll.

Wo sind die Christen, die sich allein an Gottes Wort, der Bibel, orientieren und ihre Stimme erheben? Die mutig gegen den Zeitgeist einstehen und Flagge zeigen? Die nicht mit jeder neuen christlichen Welle mitschwimmen, aber auch nicht nur auf überkommenen Traditionen beharren?

Weshalb wird so viel von Gemeindewachstum und -methoden geschrieben und gesprochen? Und doch sterben zunehmend Gemeinden in unseren Breitengraden. Warum kommen so wenige Menschen zum lebendigen Glauben? Warum zerbrechen Gemeinden an nebensächlichen Punkten oder an Gleichgültigkeit und Laufenlassen? Oder sie wachsen vermeintlich wie Krebsgeschwüre der Aktionen und Programme? Warum sind dabei so viele Gemeinden krank an Zwistigkeiten und falschen Lehren?

Was sagt die Bibel dazu? Wie können wir auch heute Gemeinde nach dem Vorbild und den Aussagen der Bibel leben? Wie werden und wie bleiben unsere Gemeinden gesund?

Fragen, die mir zunehmend auf dem Herzen brennen. Wir wollen uns in diesem Buch damit eingehend befassen. Weshalb stagnieren so viele Gemeinden? Warum ist vielerorts so wenig geistliche Motivation bei Gemeindegliedern und -mitarbeitern festzustellen? Liegt es an der „Endzeit“ oder an dem „harten Boden“ oder an der Säkularisierung unserer Umwelt?

Was sagt die Bibel, Gottes Wort, über den Plan Gottes mit seiner Gemeinde? Was sagt der Sohn Gottes selbst über seine Gemeinde? Was ist die Basis und was sind die Säulen, was können wir von den ersten neutestamentlichen Gemeinden lernen? Was sind ihre Kennzeichen gewesen und was waren ihre Ziele, die sie verfolgten?

Haben wir diese Ziele in den vergangenen Jahren aus den Augen verloren? Sind diese Ziele auch heute noch realisierbar und wie können wir sie praktisch umsetzen? Dazu ist es notwendig, dass wir eine kritische Diagnose unseres eigenen Glaubenslebens und unserer Gemeinden vornehmen und herausfinden, was sie krank macht bzw. wo ihre Wachstumsstörungen liegen.

Nur Gesundes wächst. Wie aber können unsere Gemeinden gesunden? Was sagt die Schrift über die gesunde Lehre, über gesunden Glauben, gesunde Ehen, Familien und Beziehungen?

Bereits Spurgeon ...

Charles Spurgeon mahnt bereits in einer Predigt in der Music Hall, Royal Surrey Gardens, am 11. Januar 1857 (Auszug):

„Wir haben es mit einem Geist zu tun, ich weiß nicht, wie ich ihn bezeichnen soll, außer dass ich ihn als Geist der Mäßigung auf den Kanzeln protestantischer Gemeinden bezeichnen kann. Die Menschen haben begonnen, die rauen Kanten der Wahrheit zu glätten, die Lehren von Luther, Zwingli und Calvin aufzugeben, und sie bemühen sich, diese an den Geschmack der Leute anzupassen. Heute magst du in eine römisch-katholische Kapelle gehen und eine gute Predigt von einem Priester des Papstes hören, als ob du einen protestantischen Prediger hörst, weil er strittige Punkte nicht anschneidet oder die kantigen Wahrheiten des protestantischen Glaubens nicht darlegt. Seht auch, welch eine Abneigung gegen gesunde Lehre in einem Großteil unserer Bücher zu finden ist. Die Autoren scheinen sich vorzustellen, dass Wahrheit nicht weniger kostbar ist als Irrtum, dass die Lehren, die wir verkündigen, von keiner Bedeutung sind; sie vertreten die Meinung, dass der nicht falsch sein kann, dessen Leben in Ordnung ist.

Auf den Kanzeln schleicht sich eine Lethargie und Kälte ein, und damit eine Art Annullierung der Wahrheit. Es wird die Wahrheit in so verdünnter Form dargereicht, dass niemand sie aufspürt, und in einer so zweideutigen Weise, dass niemand davon innerlich getroffen wird. Der Mensch hat Gottes Pfeile stumpf gemacht und am Tag des Kampfes zog er das Schwert zurück. Die Menschen hören die Wahrheit nicht mehr, wie sie es sollten. Der samtweiche Mund folgt auf das samtweiche Kissen, und die Orgel ist nicht das einzige, was einen gewissen Klang von sich gibt. Vor all diesen Dingen bewahre uns, Herr. Möge der Himmel all diesen Mäßigungsbestrebungen ein Ende setzen. In diesen gefährlichen Tagen wollen wir Wahrheit durch und durch, wir wollen einen Mann, der das spricht, was Gott ihm sagt, und sich um niemanden kümmert. O, hätten wir einige dieser alten schottischen Prediger. Jene schottischen Prediger, die Könige erzittern ließen; sie waren nicht Diener der Menschen, sie waren die eigentlichen Herren, wohin sie auch gingen, weil jeder von ihnen sagte: ,Gott hat mir eine Botschaft gegeben.‘ Wie Micha sagten sie: ,So wahr der Herr lebt, ich will reden, was mir der Herr sagen wird!‘ Helden der Wahrheit, Soldaten Christi, erwacht! Auch heute gibt es Feinde. Denkt nicht, dass die Schlacht vorüber ist, der große Kampf um die Wahrheit wird heißer und schärfer als je zuvor. ... Steht für Gott und seine Wahrheiten wieder auf, damit das Evangelium der freien Gnade nicht in Vergessenheit gerät.

Lasst uns daran erinnern, meine Geliebten, dass dieser Kampf zwischen richtig und falsch fortgesetzt werden muss und nicht enden wird, bis die Wahrheit gesiegt hat. Wenn du annimmst, dass unsere Vorväter genug für die Wahrheit und für Gott getan haben, und dass du nun untätig bleiben kannst, machst du einen großen Fehler. Bis zu dem Tag, an welchen die Macht und das Recht und das Recht und die Macht aufgerichtet sein werden, dürfen wir niemals unsere Schwerter in der Scheide lassen; bis zu dieser glückseligen Stunde, wenn unser Christus herrschen wird, bis er zum Meister über alle Lande werden wird, solange wird der Kampf toben. Lasst niemand denken, dass wir nicht mehr wachsam sein müssen.“

Eberhard Platte

Fragen zur Reflexion:

Was brennt dir auf dem Herzen, wenn du an deine Gemeinde denkst?

Wie würdest du die Gemeinde einschätzen, zu der du gehörst?

1 Quelle: Unbekannt – an anderer Stelle wird die Geschichte John McArthur zugeschrieben.

1. Wo wollen wir denn hin?

„Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.“

Laotse, chin. Philosoph (6. Jhd. v.Chr.)

„Ich jage auf das Ziel zu, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.“

Paulus von Tarsus, Phil 3,14 (um 54 n.Chr.)

Nach dem Gottesdienst kam er zu mir. Er war seit etwa einem halben Jahr Zivildienstleistender und lernte so unsere Gemeinde kennen. „Darf ich dich mal etwas fragen?“, sagte er zögernd. „Ich kenne diese Gemeinde noch nicht lange und kenne auch nicht ihre Geschichte. Was denkst du, wie wird diese Gemeinde in zehn Jahren sein? Welche Vorstellungen habt ihr als Älteste?“ – Erstaunt sah ich ihn an und sagte, um etwas Zeit zum Nachdenken zu gewinnen: „Ich möchte dir darauf antworten, wie William MacDonald darauf zu reagieren pflegte: ,Das ist eine gute Frage!’ – Ehrlich gesagt, darüber müssen wir uns echt Gedanken machen!“

Das war der Auslöser, um mit einigen Brüdern konkret zu überlegen und die Bibel zu dieser Frage zu prüfen. Natürlich hatten wir uns verschiedene Gedanken gemacht, hatten verschiedene Brainstorming-Treffen gehabt, aber zu konkreten Ergebnissen waren wir noch nicht gekommen. Das war der eigentliche Anlass, dass wir uns intensiv mit dieser Frage beschäftigten. Welche Ziele hat Gott nicht nur mit jedem einzelnen Gläubigen, sondern welche Ziele verfolgt er mit seiner neutestamentlichen Gemeinde. Welche Basis, welche Grundlagen hat sie, welche Aufgaben, welche Struktur und welche Zukunft soll sie haben?

Was wird in 50 Jahren sein?

Wer den Blick nach vorn wagt, wird sich die Frage stellen: „Was wird in weiteren 10, 20, 30, 50 Jahren sein? Wie wird sich unsere Gemeinde entwickeln?“

Natürlich verändern sich die gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten in unserem Land immer schneller. Was hat Bestand und was muss sich ebenfalls verändern, damit unsere Gemeinde dem Anspruch des Wortes Gottes gerecht wird und bleibt?

Manche werden antworten: „Ach, bis dahin ist der Herr wiedergekommen, machen wir uns keine Gedanken!“ Andere werden sagen: „Wir machen alles so wie bisher, das wird schon nicht falsch sein! Wir bewahren, was unsere Väter gemacht haben ...“

Neulich war ich in einer kleinen Gemeinde zu Bibelabenden eingeladen. Ein schöner Raum im Hintergebäude der Hauptstraße des kleinen Ortes. Der Kreis der Geschwister war in den letzten Jahren sehr geschrumpft. „Die jüngere Generation zieht einfach weg. Hier gibt es beruflich keine Perspektiven,“ meinte entschuldigend der Bruder, der neben mir saß. Ich schaute mich um. Bestätigend stellte ich fest: Der „Jüngste“ in diesem Kreis war wohl Mitte Sechzig. Die ganze mittlere und jüngere Generation fehlte. „Wir haben nur noch einen Bruder, der am Wort dient. Deshalb laden wir uns immer auswärtige Verkündiger ein.“ Am Abend kam ich mit dem Bruder, bei dem ich wohnte, ins Gespräch. Dabei fragte ich ihn über die Zukunft seiner Gemeinde. „Nun“, meinte er, „ich denke, dass unser Herr bald kommen wird. Und bis dahin werden wir in Treue zusammenkommen.“ „Und was ist, wenn ihr alle heimgegangen sein werdet. Wird dann die Gemeinde geschlossen werden?“ „Da hab ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es ist ja die Gemeinde Gottes, da wird er schon für sorgen.“

„Macht euch das nicht Sorge, dass keine Jüngeren da sind? Habt ihr denn keine Kinderstunde oder Jugendstunde?“ „Nein“, sagte er, „vor einigen Jahren hatten zwei Schwestern mit einer Kinderstunde begonnen. Sie hatten in der Nachbarschaft eingeladen, und es kamen auch einige. Aber das brachte so viel Unruhe und Dreck. Da haben wir ihnen gesagt, sie möchten damit aufhören!“ Ich war erschüttert.

„Habt ihr auch keine Veranstaltungen gehabt, um Nachbarn oder Fremde einzuladen?“, wollte ich wissen. „Das ist schon einige Jahre her“, war seine Antwort, „aber da kamen nur ein paar Alkoholiker und Arbeitslose. Wer sollte sich denn um die kümmern. Wir fühlten uns einfach überfordert.“

Ich hatte weitere Fragen: „Du sagtest, dass die jungen Geschwister weggezogen seien, weil der Arbeitsmarkt hier vor Ort schwierig sei. Wie erklärst du dir denn, dass die Gemeinde im Nachbarort, der nur 10 km entfernt liegt, in den letzten Jahren sehr gewachsen ist, und zwar besonders durch junge Leute? Dort müsste die berufliche Situation doch ähnlich sein, oder?“ Er zuckte mit den Schultern: „Das kann ich mir auch nicht erklären“, meinte er resigniert.

„Wäre es nicht wert, einmal mit den dortigen verantwortlichen Brüdern zu sprechen?“, fragte ich nach. „Es wäre doch immerhin denkbar, dass einige der dortigen Geschwister euch helfen könnten. Vielleicht wären ja einige Ehepaare bereit, hier ihre Aufgabe vom Herrn zu sehen.“ „Ja“, meinte er, „da könnte man ja mal drüber nachdenken ...“

Sterbende Gemeinden?

Sterbende Gemeinden? Wenn man mit verantwortlichen Brüdern darüber spricht, begegnen einem oft zuckende Schultern und ratlose Gesichter: „Wir leben in der letzten Zeit!“, ist dann die Antwort. Oder: „Es ist hier halt so ein harter Boden ...!“ –

Nein, damit möchte ich mich nicht zufrieden geben! Auch nicht mit dem Argument des „Gesundschrumpfens“ oder der „kleinen Herde“. Paulus schreibt aufrüttelnd in Eph 5,14: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, und der Christus wird dir aufleuchten!“ Und dem Engel der Gemeinde in Sardes wird in Offb 3,1-3 gesagt: „Dies sagt der, der die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne hat: Ich kenne deine Werke, dass du den Namen hast, dass du lebst, und bist tot. Wach auf und stärke das Übrige, das im Begriff steht zu sterben! Denn ich habe vor meinem Gott deine Werke nicht als völlig befunden. Denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und bewahre es und tue Buße! Wenn du nun nicht wachst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde.“

Das sind ernste Worte, die uns aufwecken sollen! Gott will nicht, dass wir gleichgültig daneben stehen und alles laufen lassen! Gemeinde ist auf Wachstum angelegt. Und wenn etwas nicht wächst, müssen wir uns betend Gedanken machen über das, was das geistliche Wachstum hemmt! Ja, es ist die Gemeinde des lebendigen Gottes. Aber er hat uns auch die Verantwortung gegeben, alles zu tun, damit die Gemeinde gesund ist und wächst!

Vor fast 50 Jahren sagte mir ein Bruder, der zu Gast in unserer damaligen Jugendstunde war (das war die Zeit der 68-er Generation): „Eberhard, ich gebe eurer Gemeinde noch 5 Jahre!“ Er war sehr skeptisch, und er hob warnend den Finger, als er die damaligen „Revoluzzer“ in unserem Kreis sah, die der Zeit entsprechend gelernt hatten, alles zu hinterfragen. „Was soll nur daraus werden? Das ist der Anfang vom Ende!“, gab er zu Bedenken – Heute – 50 Jahre später – sind die damaligen Revoluzzer die Ältesten der Gemeinde und stehen z.T. in verantwortlichen Positionen von Werken der Freien Brüdergemeinden. Sie haben gelernt, auch sich selbst zu hinterfragen, hatten sich durch den Herrn Jesus korrigieren und zurüsten lassen. Sie waren bereit, sich vorbehaltlos dem Herrn zur Verfügung zu stellen und Gemeinde zu bauen.

Ja, was wird in 50 Jahren sein?

Ein ähnliches Erlebnis vor drei Jahren: Der Teenykreis hatte uns Älteste der Gemeinde eingeladen. Sie wollten wissen: „Wie wart ihr, als ihr Teenies wart, und welche Beziehung hattet ihr damals zu den Verantwortlichen der Gemeinde?“ Interessante Fragen, nicht wahr?

Sie bewirkten bei uns, die Fragen unserer Jugendlichen ernst zu nehmen und sie für unseren Herrn und für die Gemeinde zu begeistern. Sie werden einmal die sein, die die Verantwortung in der Gemeinde tragen werden. Wie wichtig ist es, ihnen das Herz für die Gemeinde und das Evangelium brennend zu machen, damit sie einen Blick für das entwickeln, was unser Herr durch seine Gemeinde in dieser Welt bewirken will.

Gemeinde in Bewegung

Gemeinde bedeutet nicht nur, „anvertrautes Gut zu bewahren“ (2Tim 1,13-14), sondern auch vorwärts zu gehen, um so nah wie möglich an die Aussagen der Schrift heranzukommen und Gemeinde nach dem Neuen Testament in der kommenden Zeit zu verwirklichen (vgl. Phil 3,12-16). Gemeinde ist nach der Bibel nicht etwas Statisches, was man konservieren könnte oder müsste. Gemeinde ist nach den Gedanken Gottes zwar nicht von der Welt, aber immer in der Welt. Sie ist damit auf Veränderung angelegt, je nach den Gegebenheiten der Zeit, der politischen und kulturellen Umwelt, je nach den Menschen, die die Gemeinde des lebendigen Gottes bilden.

Das ist bereits bei den ersten Gemeinden des Neuen Testaments zu erkennen: Die Gemeinde in Jerusalem war naturgemäß anders geprägt als die Gemeinde in Antiochien, die Gemeinde in Rom anders als die in Korinth oder Ephesus, auf Kreta anders als in Galatien. Struktur, Zusammensetzung und Gewohnheiten waren verschieden, aber ihr Fundament und ihre Ziele waren die gleichen – der gemeinsame Herr war in ihrer Mitte nach seiner Verheißung.

Wie sehr bemüht sich der Apostel Paulus, die so verschiedenen Gemeinden auf den einen Herrn auszurichten, auf das Wesentliche. Es kommt ihm in erster Linie auf die Herzenseinstellungen an – erst aus dieser Abhängigkeit von dem gemeinsamen Herrn ergeben sich äußere Formen und Strukturen.

Was uns geprägt hat

Was hat uns in der Vergangenheit häufig geprägt? Wir haben uns Leitplanken aufgebaut Viele Jahre haben wir uns in unseren Gemeinden dadurch definiert, dass wir uns nach rechts und links abgegrenzt haben. Nein, wir wollten nicht den Weg in die Exklusivität, aber auch nicht in die uferlose Freiheit oder in die hierarchische und demokratische Struktur mancher Freikirchen gehen. So haben wir rechts und links Leitplanken zur Orientierung aufgebaut (Allein die Bezeichnung „Freier Brüderkreis“ ist ja erklärungsbedürftig ...). Leitplanken waren und sind sicher wichtig und nötig, um uns darüber klar zu sein, welchen Standpunkt und welchen Weg wir gehen wollen. Wer aber nur die Leitplanken im Blick hat, verliert zwangsläufig den Weg und das Ziel aus den Augen (Hebräer 12,1-3).

Der Blick nach vorne erfordert von uns und der nächsten Generation, dass wir uns konkret Gedanken machen, wo wir als örtliche Gemeinden und wo wir als Gemeindekreis hinwollen! Oder besser gesagt, wo uns der Herr Jesus als Haupt seiner Gemeinde hinführen will! Das bedeutet, dass wir uns als Verantwortliche in unseren Gemeinden (und auch möglichst alle Geschwister) Gedanken machen müssen über das Fundament und die Ziele der Gemeinde des lebendigen Gottes.

In einer Auslegung zum Propheten Elisa schreibt Wolfgang Bühne folgende Begebenheit: „In Amerika soll vor Jahren ein Pastor ein Schild vor dem Gemeindehaus aufgestellt haben mit folgendem Inhalt: ,In dieser Gemeinde wird es entweder eine Erweckung oder eine Beerdigung geben!‘ Mir ist nicht bekannt, welche Reaktion diese Provokation ausgelöst hat. Aber ich weiß, welche Empörung aufflammt, wenn man in einer Predigt nüchtern und deutlich zur Kenntnis gibt, dass der Geruch des Todes über der anwesenden Zuhörerschaft zu riechen ist ...“1

Einen ähnlichen Aufschrei gab es, als mein Vater einmal in einer Predigt erklärte: „Wir sind in vielen Gemeinden stolz darauf, dass der Herr in unseren Zusammenkünften zugegen sei. Wir berufen uns dabei auf Matthäus 18,20 ,Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.‘ Ja, er wird in der Mitte der zwei oder drei sein, die sich in seinem Namen versammeln, aber nicht bei den übrigen 98, die zur gleichen Zusammenkunft anwesend sind, bei denen aber der Herr nicht der Mittelpunkt ist.“ Nein, es gibt keinen Automatismus der Gegenwart des Herrn in den Zusammenkünften. Er ist bei denen, deren Herz bei ihm, ihrem Herrn, ist!

Fragen zur Reflexion:

Ist deine Gemeinde eine „sterbende“ Gemeinde?

Was sagt dir Offenbarung 3,2 in diesem Zusammenhang?

1 Quelle: W. Bühne, aus «fest und treu» 02/2015, S. 6

2. Wie die fünf Finger Deiner Hand

„Ich will meine Gemeinde bauen!“

Jesus Christus in Matthäus 16,18 (um 33 n.Chr.)

Du gebrauchst deine Hand wie selbstverständlich und machst dir in der Regel keine Gedanken, wie die einzelnen Finger miteinander funktionieren. Sie greifen, sie zeigen, sie schreiben. Sie sind zusammen kräftig und zusammen feinfühlig, sie wehren ab und sie schaffen Beziehungen. Nur fünf Finger, aber ein wahres Wunderwerk Gottes für unser tägliches Leben und Miteinander. Wir mögen viel über Gemeindebau und -wachstum referieren, schreiben oder lesen – der Herr Jesus bringt das Thema wie selbstverständlich auf eine ganz knappe Formel. Mit nur fünf Worten (also für jeden Finger ein Merkwort) sagt er in Matthäus 16,18 die Grundlage seiner Gemeinde:

„Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen.“

Bei allen Überlegungen, seien sie theologischer oder rein pragmatischer Art, dürfen wir diese Grundlage nie aus dem Sinn und aus dem Herzen verlieren: Es geht immer und schlussendlich um die Verherrlichung Gottes und unseres Herrn Jesus Christus.

1. Finger: „Ich“. Der Daumen ist der wichtigste Finger deiner Hand. Er steht für das „Ich“ in der Aussage des Herrn Jesus. Er macht damit eindeutig klar, wer der Eigentümer und wer der Bauherr der Gemeinde ist.

Wir mögen Mitarbeiter und Handlanger sein, mögen seit Jahren erfahrene Prediger, Evangelisten, Hirten, Älteste, Missionare oder Gemeindediakone sein, können treu und verantwortungsvoll in der Jugend- und Kinderarbeit, dem Hauskreis oder der Frauenstunde mitarbeiten und Verantwortung übernehmen – aber er, der Herr Jesus, hat den Bau seiner Gemeinde geplant und er führt ihn durch. Er hat das Konzept bereits vor Grundlegung der Welt erstellt (Epheser 1), und er befähigt und beauftragt seine Mitarbeiter. Richten wir uns nach seinen Richtlinien und Anordnungen in seinem Wort, der Bibel. Ordnen wir uns ihm gehorsam unter und fragen ihn um Rat und seine Hilfestellung in unserer Arbeit!

2. Finger: „werde“. Unseren Zeigefinger gebrauchen wir, um auf Dinge hinzuweisen, ihn warnend zu erheben, oder um den Daumen bei Arbeiten zu unterstützen und zu ergänzen. Der Herr Jesus weist uns mit dem zweiten Wort auf etwas ganz Entscheidendes hin: „Ich werde!“ Was der Herr Jesus sich vorgenommen hat, das führt er auch aus! Darauf können wir uns verlassen. Es ist sein Wille, dass Gemeinde gebaut wird! Und er wird es tun! Bitten wir ihn darum, dass er es jetzt und hier bei uns vor Ort tut. Nimm dieses Wort als verbindliche Zusage deines Herrn. Fred Colvin sagte es vor Jahren auf einem Seminar: „Das ist eine Verheißung des Herrn Jesus. Du darfst ihn immer wieder an dieses Versprechen erinnern: Herr Jesus, du hast es gesagt – bitte, dann tu es auch hier an meinem Ort. Baue deine Gemeinde – und lass mich mitarbeiten!“

3. Finger: „meine“. Der Mittelfinger zeigt, wem die Gemeinde gehört: Nicht uns, nicht einer Gemeinschaft, sondern allein ihm. Und über das, was ihm gehört, wacht er eifersüchtig, denn diese Gemeinde liebt er. Für sie gab er sein Leben.

Paulus schreibt in Epheser 5,25-27: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, sie reinigend durch das Wasserbad im Wort, damit er die Gemeinde sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei.“ Sie ist deshalb sein uneingeschränktes Eigentum. Sie ist also nicht „deine“, nicht „unsere“ Gemeinde, nicht die Gemeinde einer bestimmten Denomination. Die neutestamentliche Gemeinde ist deshalb die „Gemeinde Jesu“, die „Gemeinde des lebendigen Gottes“! Wir sind nur die „Hausgenossen“, die Mitbewohner. Das muss uns stets vor Augen sein, wenn wir uns Gedanken über die Gemeinde machen, zu der wir gehören.

4. Finger: „Gemeinde“. Der Ringfinger zeigt uns, dass die Gemeinde das großartigste Wunder ist, das es auf dieser Erde gibt! Sie besteht aus den unterschiedlichsten Leuten mit unterschiedlichster Herkunft, Talenten und Fähigkeiten – aber alle sind durch ihn, ihren Herrn und Heiland, errettet und bilden dadurch – und auch nur dadurch – die Einheit der Gemeinde!

Die Gemeinde ist keine Organisation, sondern ein Organismus, den das Wort Gottes „den Leib des Christus“ nennt. Jeder Glaubende ist ein Glied (nicht Mitglied) dieses Leibes, dessen Haupt der Herr Jesus ist.

Dieses Geheimnis hat der Apostel Paulus handgreiflich erkannt, als er (noch als Saulus) die ersten Christen in Damaskus verfolgte. Als der Herr Jesus ihm vor Damaskus erscheint und er geblendet zu Boden fällt, wird er von der Frage Jesu getroffen: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ Erschrocken fragt Saulus zurück: “Wer bist du, Herr?“ und bekommt die Antwort: „Ich bin Jesus, den du verfolgst!“ Der spätere Apostel erkennt: Ich verfolge die Glieder des Leibes – und das Haupt antwortet. Er versteht die unmittelbare Verbindung der Glieder mit dem Haupt: der Christus ist ein lebendiger Organismus! Im Kolosserbrief schreibt er von der neutestamentlichen Gemeinde, dass sie ein Geheimnis ist, das Gott ihm offenbart hat. Wir werden uns in den nächsten Kapiteln dieses Buches noch näher damit befassen.

5. Finger: „bauen“. Der fünfte und damit der kleine Finger erinnert uns daran, dass der Herr Jesus erklärt, dass seine Gemeinde hier auf der Erde noch nicht vollendet ist. Sie ist noch „im Bau“. Und wir dürfen tagtäglich Mitarbeiter Gottes an diesem Haus Gottes sein. Welch ein Vorrecht! Auf diese Baustelle setzt Gott. Und er will dich als Mitarbeiter gebrauchen. Welch eine Ehre ist es, für ihn den großen Bauherrn arbeiten zu dürfen. Die Geschwister der jungen Gemeinde in Thessalonich hatten das verstanden. Sie hatten sich bekehrt, um dem lebendigen Gott zu dienen. Dieses Buch möchte Mut machen, nach den Gedanken Gottes für seine Gemeinde zu fragen und mitzuarbeiten am Bau seiner Gemeinde.

Carl Moeller schreibt in seinem Buch „Kirche unter Druck“: «Darauf sollten wir uns zurückbesinnen, und deshalb sollten wir uns das Motto der Reformatoren wieder zu Eigen machen. Es lautet: ,Ecclesia reformat, semper reformanda secundum verbum die›; oder für die Nicht-Lateiner unter uns: ,Die reformierte Gemeinde Jesu ist immer wieder zu reformieren auf der Grundlage des Wortes Gottes‘.“1

Viele Christen haben leider heute ein falsches Verständnis von der neutestamentlichen Gemeinde. Sie kennen sie nur als Organisation, als einen Ort, ein Gebäude, wo man zusammenkommt, um etwas für sich und das tägliche Leben zu bekommen. Sie wollen in der Gemeinde Jesus feiern – wer aber will ihm wirklich folgen und gehorchen? „Gehorchen ist besser als Schlachtopfer“, lässt Gott durch Samuel dem König Saul (und auch uns heute) sagen.

Viele erwarten in ihren Gemeinden etwas von Jesus – wer aber will ihn selbst? Sie wollen die Gaben – aber nicht den Geber der Gaben. Die Institution – aber nicht das Haupt ...

Fragen zur Reflexion:

Was ist mir die Gemeinde wert?

Wenn der Herr Jesus der Bauherr ist, was heißt das für deine Gemeinde?

1 Zitiert aus: Dr. Carl A. Moeller, David W. Hegg, Kirche unter Druck, CV-Verlag, Dillenburg, 2012, Seite 31

3. Wie Gott deine Gemeinde liebt

„Christus hat die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben.“ Paulus, Epheser 5,25 (um 55 n.Chr.)

Ich liebe Gott, aber mit seinem Bodenpersonal habe ich so meine Schwierigkeiten“, meinte mein Freund Matthias neulich. Kennst du diesen Satz? Vielleicht hast du ihn selbst schon einmal frustriert gesagt, weil du dich über irgendetwas im Verhalten deiner Mitgeschwister in deiner Gemeinde aufgeregt hast. Dieser Satz drückt etwas von dem aus, was Menschen häufig über Gemeinde denken. Es gehört nicht viel dazu, wenn du einige Zeit in der Gemeinde bist, dass du Fehler und Mängel in ihr feststellst. Das ist ganz einfach deshalb so, weil die „Gemeinde“ aus unvollkommenen Menschen wie dir und mir besteht. Leo Janz sagte vor etlichen Jahren: „Wenn du die ideale Gemeinde suchst, und wenn du meinst, sie irgendwann gefunden zu haben, so tritt ihr nicht bei, denn dann ist sie nicht mehr vollkommen, da du nicht vollkommen bist ...“

Besonders wenn du engagiert mitarbeitest, bekommst du auch einen Blick „hinter die Kulissen“ und erlebst die menschliche Seite deiner Gemeinde. Du wirst entdecken, dass sie gar nicht so rosig ist, wie du sie zunächst empfunden hast. Alle, die in der Gemeinde mitarbeiten, sind Menschen wie du auch. Menschen, die zwar durch den Herrn Jesus erlöst sind und Vergebung ihrer Sünden haben – so wie du. Aber sie sind nicht ohne Fehler und Mängel – so wie du. Sie verhalten sich nicht so, wie du sein solltest oder möchtest. Es „menschelt“ halt an allen Ecken und Kanten, obwohl jeder wünscht, dass alle Gemeindeglieder christus-ähnlicher würden und sich stets nur so verhielten, wie es der Herr Jesus in seinem Wort möchte.

Und doch ist die Gemeinde einzigartig

Warum? Nicht, weil wir als Christen alles schönreden wollen. Nicht, weil wir nur positiv denken oder rosarote Brillen tragen würden. Nein: Gemeinde des lebendigen Gottes ist einzigartig, weil Gott sie liebt!

Das ist der entscheidende Punkt: Gott liebt sie. Der Herr Jesus liebt sie. Das sagt uns Gottes Wort eindeutig. In Epheser 5,25-27 zieht der Apostel Paulus den Vergleich zur menschlichen Ehe, damit du dir die Liebe Gottes zur Gemeinde besser vorstellen kannst: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Gemeinde geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, sie reinigend durch das Wasserbad im Wort, damit er die Gemeinde sich selbst verherrlicht darstellte, die nicht Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern dass sie heilig und tadellos sei.“ und in Römer 5,38-39: „Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Mächte, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf uns wird scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“

Gibt es etwas größeres? Gott liebt die Gemeinde (obwohl sie unvollkommen, ja ausgesprochen menschlich ist) so sehr, dass sein Sohn Jesus Christus für sie sein Leben gegeben hat!

Wir merken: Der Herr Jesus gab sein Leben am Kreuz nicht nur für jeden einzelnen Sünder, um ihn zu erretten aus dem Machtbereich des Teufels, sondern er starb ebenfalls, um sich dadurch die Gemeinde zu erwerben: „Gott hat sich die Gemeinde erworben durch das Blut seines eigenen Sohnes“ (Apostelgeschichte 20,28).

Ja, die Gemeinde ist einzigartig und vielschichtig. Obwohl in der Gemeinde gebetet wird, ist sie mehr als ein Gebetstreffen. Obwohl das Evangelium, die Frohe Botschaft, durch sie verkündigt wird, ist sie mehr als ein Missionsteam. Obwohl Menschen seelsorgerlich geholfen wird, ist sie mehr als eine Therapie-Einrichtung. Sie dient nicht nur den Menschen in vielerlei Lebensphasen und Lebensbereichen. Sie ist nicht nur „Gottes Volk“, das Gott ehrt und anbetet, das Menschen Gemeinschaft erleben lässt, und das Gottes Liebe und Wahrheit in dieser Welt sichtbar macht. Nein, sie ist von Gott geliebt – und deshalb ist sie einzigartig!

C.H. Spurgeon schreibt: „Die Gemeinde ist der Liebling des Himmels, der Schatz Christi, die Krone seines Hauptes, die goldene Spange um seinen Arm, das Brustschild auf seinem Herzen, der Mittelpunkt und das Herzblatt seiner Liebe!“

Gemeinde – Ein himmlisches Gebilde, aus irdischem Material

„Was tat Gott, bevor er die Welt geschaffen hatte?“ Diese Frage soll einmal Martin Luther gestellt worden sein. Luther vermutete wohl, dass der Fragesteller ihn lächerlich machen wollte, und antwortete in seiner ihm eigenen Art: „Da ist Gott in den Wald gegangen, um Ruten zu schneiden für solche Menschen, die so dumme Fragen stellen!“ Eine sicher zum Schmunzeln anregende Anekdote.

Aber dieser vielleicht dumm gestellten Frage geht Paulus im Epheserbrief nach und zeigt auf, dass Gott sehr wohl vor der Erschaffung der Welt etwas getan hat:

„Wie er uns in ihm (Christus) auserwählt hat vor Grundlegung der Welt“ (Epheser 1,4).

Gott hat also, bevor er überhaupt irgendetwas geschaffen hat, schon den Gedanken an die Gemeinde Gottes gehabt und sie geplant.

Gott hat andere Maßstäbe und Schwerpunkte

Es war vor Jahren auf einem Seminar, auf dem William MacDonald einen Gedanken ausführte, der mich tief berührt hat. Er sagte dem Sinn nach: „Wir bringen unseren Kindern bei, wie sie etwas Großes und Bedeutendes werden können, z. B. Präsident von Amerika. Das erscheint vielen Menschen wichtig, daraufhin planen sie ihr Leben, investieren, setzen sich ein, lernen und üben Tage, Monate und Jahre. Aber Gott denkt offensichtlich darüber gar nicht nach. Nirgendwo in der Bibel“, so sagte MacDonald, „lesen wir etwas davon, wie wir Menschen hier auf der Erde etwas Großes werden könnten. Nirgendwo finden wir Voraussetzungen und Qualifikationen aufgelistet, die ein Präsident haben müsste. Das scheint Gott überhaupt nicht wichtig zu sein. Aber wir finden etliche Stellen, die die Voraussetzungen und Fähigkeiten eines Ältesten einer Gemeinde auflisten, um seinen Dienst zu tun. Das zeigt sehr deutlich, dass die neutestamentliche Gemeinde für Gott viel wichtiger ist als die Bedeutung von Führungspositionen in dieser Welt.“

Gott hat also ganz andere Schwerpunkte und Maßstäbe als wir. Nicht nur, dass ihm die Gemeinde wichtiger ist als alle anderen Strukturen und Gemeinschaften, ihm ist sie auch viel wertvoller. Er liebt sie von ganzem Herzen. In dem Vergleich, den Gottes Wort in Epheser 5,22-33 aufzeigt, wird erkennbar, dass die von ihm vor Grundlegung der Welt geplante Gemeinde noch eine tiefere Bedeutung hat:

Eine Braut für meinen Sohn!

Gott beschäftigte bereits vor Erschaffung der Welt vor allen Dingen die Frage: „Wie bekomme ich eine Braut für meinen Sohn?“ Deshalb gebraucht er mehrfach in seinem Wort dieses Bild für die Gemeinde. Es veranschaulicht die innige, ja intime Liebesbeziehung, die Christus zu seiner Gemeinde hat und pflegen will.

Wenn ich darüber nachdenke, wird mir die Gemeinde überaus groß und lieb. Seine Gemeinde ist die Liebesbeziehung des Sohnes Gottes! Und bevor irgendetwas anderes von Gott geplant und erschaffen wurde, hatte er diesen Gedanken und diesen Plan in seinem Herzen!

Eine Liebesbeziehung hat immer zwei Seiten

Der Herr Jesus, der seine Gemeinde liebt und sogar für sie sein Leben gelassen hat, darf billigerweise erwarten, dass seine Gemeinde – also du – ihn ebenfalls liebt. So erinnert er seine Gemeinde in Ephesus in Offenbarung 2,4-5: „Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Denke nun daran, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke!“

Lieben, was Jesus liebt

Sollte mir dabei nicht ebenfalls das groß, wichtig und liebenswert werden, was meinem Herrn und Gott das Liebste ist? Sollte ich darum nicht auch der Gemeinde mit ebensolcher Ehre und Hochachtung begegnen? Oft sehen wir nur die menschliche Seite der Gemeinde – und wie oft „menschelt“ es tatsächlich gewaltig – und wir neigen dazu, sie zu kritisieren oder gar zu verachten. Wenn aber die Gemeinde den ersten und bevorzugten Platz im Herzen Gottes einnimmt, sollte sie es nicht auch in meinem Herzen tun?!

Bei allen Enttäuschungen, die es (leider) auch im Miteinander von Gottes Gemeinde gibt, nimm dir ein Vorbild an dem Herrn Jesus, der seine Gemeinde liebt bis ans Ende, für sie sorgt und für sie betet. Was bedeutet es für dich, deine Gemeinde, die Gemeinde Jesu zu lieben? Wie möchte Gott dich gebrauchen, um seine Gemeinde zu bereichern? Du hast etwas, das du ihm geben kannst! Deine Liebe!

Wayne Mack schreibt: „Die Gemeinde geht aus Gott hervor und gehört Gott. Er ist der Schöpfer und Herr der Gemeinde, der einzig wahre Gott. ... Das heißt, die Gemeinde ist für jede Person der heiligen Dreieinheit wertvoller als alle andern irdischen Institutionen.

Gott, der Vater, hat seine Liebe für die Gemeinde zum Ausdruck gebracht, indem er die Gemeinde in seiner Souveränität vor Grundlegung der Welt auserwählt hat (Epheser 1,4-5; Offenbarung 13,8). ... Gott, der Vater, hat für die Gemeinde den höchstmöglichen Preis bezahlt, indem er seinen geliebten Sohn gesandt hat, um für sie zu sterben (Johannes 3,16; 1. Johannes 4,14). Deshalb lesen wir auch, dass er sich die Gemeinde ,durch das Blut seines eigenen Sohnes‘ erworben hat (Apostelgeschichte 20,28).

Auch der Sohn Gottes,... hat die Gemeinde geliebt und sich deshalb für sie hingegeben‘ (Epheser 5,25). Er hat sein Leben für die Schafe gelassen (Johannes 10,11-16).

Und der Heilige Geist? Er hat die neutestamentliche Gemeinde am Pfingsttag unter großen Zeichen und Wundern entstehen lassen (Apostelgeschichte 2,1-4). Durch das Wunder der Wiedergeburt fügt er die einzelnen Glieder in den Leib der Gemeinde ein (1. Korinther 12,13). Er ist der Garant der letztendlichen Verherrlichung der Gemeinde.“1

Liebst du Jesus?

Ist deine Liebe zu dem Herrn Jesus Theorie oder Praxis? Hier ein aktuelles herausforderndes Beispiel. Ein Bericht von Till-Reimer Stoldt in der Zeitschrift „Die Welt“ (gekürzt)2:

Anita und Rita starben aus Liebe zu Jesus. Im Jahr 2009 wurden zwei Bibelschülerinnen im Jemen von Extremisten hingerichtet. Erstmals geben die Familien Einblick in ihr Leben danach.

«Am 12. Juni 2009 versuchten Rita und Anita ein letztes Mal, Menschen mit gebrochenen Armen, schmerzenden Zähnen oder akutem Darmverschluss zu behandeln. Mit Medizinern und anderen Krankenhausmitarbeitern fuhren sie hinaus in die Wüstenregion Nordjemens, um in abgelegenen Dörfern erste Hilfe anzubieten. Irgendwo dort versperrte ihnen plötzlich ein Geländewagen die Durchfahrt. Bewaffnete Männer drängten sie, in das Auto einzusteigen. Am nächsten Tag wurden die Leichen von Rita, Anita und einer koreanischen Kollegin entdeckt. Die Augen verbunden, die Hände gefesselt, erschossen.

Als die deutsche Öffentlichkeit vom Mord an den beiden Schülerinnen einer westfälischen Bibelschule erfuhr, wurde sogleich ein verzerrtes Bild der Ereignisse gezeichnet: Zwei junge Frauen seien in der Bibelschule zu todgeweihten Fanatikern ausgebildet worden, die im Jemen grob fahrlässig missioniert hätten, um daraufhin von muslimischen Extremisten hingerichtet zu werden.

Diese Deutung verletzte die Angehörigen der Opfer derart, dass sie für lange Zeit die Öffentlichkeit mieden. Nun aber berichten sie erstmalig in einer Dokumentation des Fernsehsenders Bibel-TV über ihren Schmerz und Trost, aber auch über das Vermächtnis der beiden Ermordeten – womit dem Filmemacher Joachim Auch ein tiefer Einblick in die Lebenswelt zweier Familien gelungen ist, die in frommen Kreisen als Märtyrerfamilien gelten.

Dass die Medien diesem Phänomen damals nicht gerecht wurden, macht der Film fast verständlich. Denn was die Ermordeten bis zum Tod antrieb und ihren Angehörigen seitdem Halt gibt, dürfte vielen Skeptikern und Agnostikern geradezu befremdlich erscheinen: „Liebe zu Jesus“. Diese Worte waren auch die letzten, die Anita in ihren Kalender eintrug, neben den Flugzeiten für die Hin- und Rückreise.

Immer wieder hatten Anita, die Kinderkrankenschwester, und Rita, die Verwaltungsfachkraft, ihren Eltern vor der Abreise erzählt, sie müssten einfach den Ärmsten der Armen in aller Welt helfen – erst in Malawi, nun im Jemen. Sie fühlten sich „von Gott so geliebt“, dass sie jetzt „etwas von dieser Liebe abgeben“ wollten. Deshalb reisten die beiden Cousinen, Baptistinnen und Töchter volksdeutscher Einwanderer, im Frühjahr 2009 nach Jemen. Ein Praktikum an einem christlich geführten Krankenhaus hatte ihnen die westfälische Bibelschule vermittelt – um Erfahrungen für den karitativ-missionarischen Einsatz zu sammeln, nicht aber, so die Schulleitung, um zu missionieren.

Trotzdem wurde in etlichen Medien behauptet, die beiden Frauen seien leichtfertigerweise zur Mission in das streng islamische Land gereist, in dem die Werbung für nichtmuslimische Religionen gesetzlich untersagt ist. Gegen diesen Verdacht wehren sich die Angehörigen im Film.