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Dass das Leben als Christ alles andere als langweilig und unattraktiv ist, machen die vielen Erlebnisse eines „Durchschnittschristen” deutlich. Vielfältige Begegnungen bereicherten Plattes Leben und das Leben seiner Familie und Gemeinde. Als Grafik-Designer, der seinen Beruf sehr liebt, war er doch bemüht, sein Christsein auch im Alltag zu leben. Die Begebenheiten in diesem Buch sind nicht chronologisch aufgeschrieben (sie wollen keine Biografie sein). Mit diesen alltäglichen Erlebnissen möchte der Autor Mut machen, den Glauben in einer Zeit zu leben, die mehr und mehr säkular und chaotisch wird.
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Seitenzahl: 218
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ErLebt
Einblicke. Rückblicke. Ausblicke. Geschichten eines farbigen Lebens.
Eberhard Platte
© 1. Auflage 2022 ceBooks Verlag Eberhard Platte, Langerwehe
Autor: Eberhard Platte, www.wachsen-im-glauben.de
Cover: Caspar Kaufmann
ISBN: 978-3-95893-291-3
Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de
Kontakt: [email protected]
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Danken möchte ich besonders meiner geliebten Erika,die mich all die Jahre in großer Liebe und Treue begleitet hatnach dem Motto: „Ein Christ kann nur so viel für seinen Herrn tun, wie seine Frau hinter ihm steht und ihm den Rücken stärkt.” Danke, dass Du mich immer so unterstützt hast.Vieles ist erst durch Dich möglich geworden!Danke auch meinen Kindern, die die manchen Turbulenzenin unserer Familie durch die oft ungewohnten Gästein unserem Haus nicht nur mitgemacht haben,sondern bewusst unterstützt haben.Ich bin stolz auf euch!
„Die Gastfreundschaft vergesst nicht!Denn dadurch haben einige, ohne es zu wissen, Engel beherbergt.Gedenkt der Gefangenen als Mitgefangene;derer, die geplagt werden, als solche,die auch selbst im Leib sind!“Hebräer 13,2-3
Titelblatt
Impressum
Dank
Newsletter
Vorwort
Rolli
Die geöffnete Faust
Heavy Holger
Bist zu uns wie ein Vater!
Wenn Heavys beten
Das Kulturamt
Bitte komm sofort!
Die entscheidende Frage!
Die Raben
Ich schaff’s nicht!
Ich elender Mensch!
Fütter den Adler!
Flugzeuge nur fürs Rollfeld?
Bist du von uns oder von denen?
Ich hab keine Vergangenheit mehr!
Ihr erstes Gebet!
Hallo Nachbar!
„Alle Sünden? Auch die Schlimmen?“
Crash-Kursus im Glauben
Evangelium am Arbeitsplatz?
Ein Western kapituliert vor Jesus
Zwei Opas verändern sich
Istvan, der Mann im Knast
„Ich hab doch recht!“
Entdeckungen in der Ahnentafel
Was machen die vier Frauen in der Ahnentafel eines Königs?
Erhört Gott Kindergebete?
Guten Appetit!
Ich versteh‘s bis heute nicht!
Was ist Wahrheit?
Unter akustischer und optischer Überwachung!
Er verstand nichts – und doch alles!
Jederzeit bereit?
Nur keinen Stress!
Wenn einer eine Reise tut …
Du sollst nicht petzen!
Weihnachten im Knast!
Wie ich in Ungarn in den Knast kam
Gott heute noch erleben?
Kommen wir denn alle in die Hölle?
Das zertrümmerte Rückrat!
Woher kann ich wissen, ob ich in den Himmel komme?
Drogen in der Gemeinde?
Ein Junkie in der eigenen Familie!
Blumen für die Zelle
Veränderungen in der Mongolei
Ein Weg ist immer frei!
Das Brot des Lebens
Kirschblüte
Der Block von oben
Die sind doch koscher!
Jesus als Grafiker
„Mit Ihnen machen wir das nicht!“
„Bauen wir eine, haben wir ein!“
Gescheitert?
Der geschockte Busfahrer
O Gott, dir sei Ehre!
Letzte Seite
Außergewöhnliches geschieht immer im alltäglichen - man muss nur die Augen offen halten
Dass das Leben als Christ alles andere als langweilig und unattraktiv ist, machen die vielen Erlebnisse eines „Durchschnittschristen“ deutlich. Vielfältige Begegnungen bereicherten mein Leben und das Leben meiner Familie und Gemeinde. Als Grafik-Designer, der seinen Beruf sehr liebt, war ich doch bemüht, mein Christsein auch im Alltag zu leben. Die Liebe zu meiner Familie, zu meinem Beruf und zu meiner Gemeinde hat dabei den Hintergrund gegeben, um die Liebe zu Jesus Christus und zu seinem Wort, der Bibel, im Leben umzusetzen. Die Begebenheiten in diesem Buch sind nicht chronologisch aufgeschrieben (Ich wollte keine Biografie schreiben), sondern so wie sie mir beim Schreiben wieder einfielen. Bei Seite 183 hab ich dann fürs erste einmal aufgehört, um das Buch nicht zu dick werden zu lassen. Vielleicht entsteht ja irgendwann eine Fortsetzung, wenn die Leser dies wünschen. Mit diesen alltäglichen Erlebnissen möchte ich Mut machen, den Glauben in einer Zeit zu leben, die mehr und mehr säkular und chaotisch wird und deshalb die Frohe Botschaft von Jesus Christus um so dringender braucht.
Eberhard Platte
Wenn ich mich recht erinnere, war es unser erster oder zweiter Einsatz mit dem „Mobilen Treffpunkt“, einem umgebauten alten Reisebus, der nun als Straßencafé diente. Damals Mitte der 80-er Jahre hatten wir ihn auf dem Rathausvorplatz unserer Stadt stehen. Wir wollten mit den Menschen unserer Stadt ins Gespräch über das Evangelium kommen. Das war für uns alle in der Gemeinde neu. Wir hatten Hermann dazu eingeladen. Immerhin hatte er schon einen Sommer mit diesem Gefährt in anderen Städten Erfahrungen gesammelt. Tische, Stühle und Sonnenschirme verbreiteten Urlaubsatmosphäre und luden zum Verweilen ein.
Diese Tage dort in der City sind mir unvergesslich geblieben. Sie haben mein Leben verändert! All das war neu für mich. Zum ersten Mal mit dem Evangelium auf der Straße! Zum ersten Mal hautnah mit Menschen in Kontakt, die ich nicht kannte! Es war die Zeit der Heavy-Metal-Freaks, der Skinheads und der Neonazis. Dazu die Obdachlosen – oder wie die Amtssprache es sagt: die Nichtsesshaften.
Ich war total gehemmt und hatte weiche Knie. Eine religiöse Meinungsumfrage sollte uns den Einstieg ins Gespräch erleichtern. Tee, Kaffee und Gebäck halfen, Brücken zu schlagen. Wir verteilten die „Life-Times“, eine evangelistische Zeitung mit Anregungen, Kurzgeschichten und Zeugnissen, mit frommen Comics und Kreuzworträtseln.
Eigentlich hatte ich mich auf die „Normalos“ der Bevölkerung eingestellt, aber die gingen im großen Bogen um uns herum. Sie beobachteten uns aus sicherer Entfernung. Ebenso die älteren Geschwister aus der Gemeinde. Aber die sogenannten „Randgruppen“ kamen – und blieben. Und sie hatten Fragen über Fragen.
Als gerade niemand an meinem Tisch sitzt, kommt einer der Nichtsesshaften zielstrebig auf mich zugesteuert. „Hallo“, sagt er, als er sich mir gegenüber an den Tisch setzt. Seine verspiegelte Sonnenbrille glänzt in der Sonne und verbirgt seine Augen. „Wat mackt ihr hie? Wat soll dä Buss? Sammelt ihr för dä Caritas oder wat?“, will er wissen. – „Wir wollen mit Menschen wie dir ins Gespräch kommen“, antworte ich. – „Woröwer?“, will er wissen. – „Über die beste Botschaft, die es gibt.“ – „Und die wär?“, hakt er nach. – „Pass auf“, sag ich ihm, „ich bin der Eberhard, wie heißt du?“ – „Eck si dä Rolli, un eck häng hie den janzen Tag rum un saufe.“ – „Ein Punkt für Ehrlichkeit“, sag ich ihm, „eine Frage: Warum säufst du?“ – „Tja“, ist seine Antwort, „bring meck minne Fruu wie‘er und eck hör up!“ – „Rolli, sei ehrlich! Säufst du, weil deine Frau abgehauen ist? Oder ist sie weggelaufen, weil du säufst?“ – „Has ja Recht! Awer eck komm nich los davon. Eck haw schon viele Therapien jemacht. Sieh dich minne Fäuste an! Ich hasse sie! Wenn eck jesoffen han, polier ich jedem de Fresse, dä mich quer kütt! Deshalb muss eck immer wie‘er in den Knast …“ Niedergeschlagen schaut er mich an.
„Rolli“, sag ich ihm, „Hast du es schon mal mit Beten versucht?“ Verdutzt schiebt er seine verspiegelte Sonnenbrille hoch und schaut mich fragend an: „Nee! – Dat soll hölpen? Beeten? Wie jeiht dat dann?“
„Rolli, falt mal die Hände und sprich mir mal nach“, sag ich ihm.
Ich muss sagen, dass ich noch nie erlebt habe, was dann geschieht. Rolli versucht gefühlte 10 Minuten, seine Hände zu falten. Man merkt: Der gesamte Widerstand der dunklen Welt versucht, ihn daran zu hindern. Er zittert am ganzen Körper. Dann endlich hat er es geschafft. Erwartungsvoll schaut er mich an: „Un getz? (Und jetzt?)“, fragt er.
„Rolli, sprich mir mal nach: Herr Jesus …“
Rolli schüttelt den Kopf: „Dat jeiht nich!“, antwortet er. – „Und warum nicht?“, will ich wissen. – „Dat ist nich min Herr!“ – „Rolli“, sag ich ihm, „du hast ’ne Menge verstanden! Aber dieser Jesus will der Herr deines Lebens sein. Er will dich frei machen von deiner Sucht und von der Sünde!“ – „Un getz?“ Er schaut mich hilflos fragend an.
„Rolli, ich werd für dich beten“, sag ich ihm. – „Echt?“ – Und dann bete ich für und mit Rolli, dass unser Herr Jesus sein Herz erreicht und ihn frei macht von all seinen Bindungen und Sünden. Als ich „Amen“ sage, bekräftigt Rolli das mit einem eigenen kräftigen „Amen!“ Und ich schaue in zwei Augen, die herzergreifend weinen. Er schluchzt, und weil er sich schämt, setzt er seine Sonnenbrille wieder auf.
„Weißte, dat hat noch nie nich eener mit mich jemacht!“, meint er, „Et hat noch nie jömmes mit mich jebetet! Dat war jewaltich! Echt!“ Und dann steht er auf, zieht mich vom Stuhl hoch und nimmt mich fest in den Arm: „Du bis echt min Frönnd!“ –
Ich habe den Eindruck, ich „dufte“ noch drei Tage nach ihm … – aber diese Begegnung hat nicht nur Rolli, sondern auch mich verändert! Der Herr Jesus hat mir dadurch mein Herz geöffnet für die Menschen, die in Not sind, die gebunden sind in Sünden und Süchten. Sie alle brauchen das Evangelium von der Liebe und dem stellvertretenden Sterben unseres Herrn und Heilandes, damit sie frei werden!
„Makt Jott getz tau? (Macht Gott jetzt zu?)“, fragt Rolli erstaunt, als er merkt, dass wir die Tische und Stühle zusammenpacken. Wir haben eine Woche auf dem Rathausplatz mit dem „Mobilen Treffpunkt” gestanden, einen zum Straßencafé umgebauten Reisebus, um mit den Bürgern unserer Stadt ins Gespräch über Gott und den Glauben zu kommen. Ich bin in der hinter uns liegenden Woche mit Rolli, einem Obdachlosen, ins Gespräch gekommen, der tagtäglich auf den Bänken unter den Rathausarkaden herumhängt. Er hat mir seine vernarbten Fingerkuppen gezeigt und gestanden: „Eck hasse minne Fäuste. Eck polier domit jedem de Fresse, der meck querkütt.” Ich hatte ihm gezeigt, dass, wenn er die Fäuste zum Gebet faltet, er nicht zuschlagen könne. Wir hatten miteinander gebetet, und er hatte ein festes „Amen” darauf gesagt.
Jetzt kommt er also mit der Frage, ob Gott nun zumache. „Nein, natürlich macht Gott nicht zu”, antworte ich ihm. „Nur wir. Der Bus fährt in eine andere Stadt. Aber du kannst jederzeit mit Gott reden und ihm im Gebet alles sagen, was dir Probleme macht.”
„Weeste (Weißt du)”, meint er nachdenklich, „de letzde Weeke wor alles vollens angersch as süss hie op dem Platz (in der letzten Woche war alles völlig anders als sonst hier auf dem Platz).” – „Was meinst du damit?”, frage ich nach. – „Et wor allet so freedlech hie. De janze Tied wo ihr hie woot. Dat jidded sos nitt (Es war alles so friedlich hier während der ganzen Zeit, als Ihr hier wart. Das gibt es sonst nicht!) Du gloows jo nitt, wat hie sons los is. Blos Krach un Jedöns und Polente, un so… (Du glaubst ja nicht, was hier sonst los ist. Nur Krach und Durcheinander und Polizei)!”
Während wir miteinander reden, kommt quer über den großen leeren Platz ein sturzbetrunkener Zigeuner getorkelt. Offenbar braucht er den gesamten Platz, denn er schnauzt Rolli mit einer wegwischenden Handbewegung an: „Hau ab, du Dreckskerl, sonst knall ich dir eine! Du A….loch!”
Rolli geht sofort in Abwehrhaltung und schnauzt zurück: „Leck meck doch, du versoffene Ülle!” Er ballt seine Fäuste und tritt entschlossen auf die Schnapsleiche zu …
Der Zigeuner zieht kampfbereit sein Stilett aus dem Gürtel …!
„Gleich muss ich den Krankenwagen holen”, denke ich nervös. Was mich dann aber dazu bringt, mich zwischen die beiden Streithähne zu stellen, weiß ich bis heute nicht. Ich schaue Rolli in die Augen. Er will mich auf Seite schieben: „Geh weg, Jong! Eck polier dem de Fresse! Dat lass eck mech nich jefallen von dem Kerl!”
Das ist schon ein eigenartiges Gefühl: Vor meinem Gesicht Rollis Faust, hinter meinem Rücken das Stilett …
„Rolli –”, ich lege meine Faust gegen seine Faust. Verwundert schaut er mich an. Langsam öffne ich meine Faust – und das Wunder geschieht: Rollis Faust öffnet sich ebenfalls langsam! – Dann gibt er mir die Hand: „Danke Jong, du has meck jeholfen!” –
Das Eis ist gebrochen. Rolli dreht sich um und geht. Der Zigeuner hinter mir ruft Rolli nach: „Du Feigling!” – „Ach du kanns meck mal …” antwortet Rolli lakonisch. Für ihn ist die Sache gegessen.
Etliche Jahre später geh ich durch die Fußgängerzone unserer Stadt. Plötzlich höre ich hinter mir meinen Namen rufen: „Eberhard!” – Verwundert schaue ich mich um: „Rolli!” – „Äh, kennste meck noch?” – „Klar, Freunde vergessen sich nicht!” –
Rolli kommt auf mich zu: „Eck wollt deck scho lang wat tiegen (Ich wollte dir schon lange was zeigen); ewwer eck han meck nich jetraut (aber ich hab mich nicht getraut). Ewwer nu, kiek ens (Aber jetzt. Schau mal) …”, sagt er und streckt mir seine beiden Hände entgegen.
Verwundert schaue ich sie mir an: „Da sind ja gar keine Narben mehr dran! Wie kommt’s?”, stelle ich fest. – Stolz strahlt er mich an: „Dat bes du inscholt, Jong! Eck han jelernt, minne Fäuste tu öffnen on tu beeten! (Das bist du schuld, Junge! Ich hab gelernt meine Fäuste zu öffnen und zu beten)!” – Ich nehme Rolli in den Arm. Er lächelt: „On stell deck vör, eck han getz en Arbitt on bruk net mi saufen! (Und stell dir vor, ich hab jetzt eine Arbeitsstelle und brauch nicht mehr trinken!)” – Ich drück ihn von Herzen und freu mich mit: „Rolli – und das?”, frage ich ihn und zeig auf sein Herz und dann nach oben. – „Jo”, sagt er, „dat kütt bestemmt och noch. Beet bitte widder för meck (das kommt sicher auch noch. Bitte bete weiter für mich!).”
Ja, das will ich gerne tun. Manchmal ist es ein langer Weg bis ein Mensch sein Leben Jesus anvertraut, anstatt sich auf seine Fäuste zu verlassen.
Schwarze Lederjacke, auf dem Rücken die Symbole der „Hell’s Angels“, Ohrringe und Ketten, Schlagring am Handgelenk und in der Faust die unvermeidliche Bierflasche …
Langsam, fast zögernd komme ich mit ihm ins Gespräch. Aber dann sitzen wir fast vier Stunden beisammen, und es sprudelt aus ihm heraus: 27 Jahre ist er und stolz darauf, seit seinem 12. Lebensjahr auf eigenen Füßen zu stehen. Damals hatten ihn seine Eltern rausgeworfen.
Er lächelt über mein erstauntes Gesicht, als er mir sagt, aus welcher Familie er kommt. Jüngster Sohn eines stadtbekannten Unternehmers, das schwarze Schaf zwischen erfolgreichen Geschwistern, und er scheint sich in dieser Rolle zu gefallen. Oder klingt da doch im Unterton Enttäuschung mit? Enttäuschung über den Verlust der Familie, der Kindheit, der Ideale …?
Zwei Jahre Indien liegen hinter ihm – wegen der Sinnfindung. Er fand sie nicht. Aber irgend so etwas wie Typhus hat er sich dort eingefangen. Hunger hat er immer, versucht ihn zu stillen mit „Sprit“, Shit, Hasch. Wie Heldentaten klingen seine Erlebnisse, und doch – sein Blick, die hängenden Schultern und die resignierte, verbitterte Stimme lassen keinen Zweifel aufkommen:
Er ist innerlich und äußerlich am Ende …
„Aber“, frage ich ihn, „warum erzählst du mir das alles, ich könnte doch dein Vater sein …“
„Das ist es ja gerade“, antwortet er, „so einen Vater hätt’ ich ja haben wollen! Aber mein Alter hatte ja nie Zeit für mich, der hatte nur sein Geschäft …“
Ja, daran krankt die junge Generation weitgehend: Ihr fehlen die Väter, die Schutz, Vorbild und Geborgenheit vermitteln könnten. Nicht nur die vielen zerstörten Ehen, sondern auch die Werte- und Orientierungslosigkeit der heutigen Zeit lassen die kommende Generation leer und ausgebrannt aufwachsen.
Vor einiger Zeit berichtete das österreichische Wirtschaftsmagazin „trend“ unter dem Leitartikel „Sind Top-Manager Rabenväter?“: „Ihrem Job widmen sie sich mit Begeisterung 80 Stunden in der Woche, ihren Kindern gehören sie nur für wenige Augenblicke am Tag.“ Und der österreichische Psychologe Erwin Riegel erklärt: „Managereltern sind besessen von Erfolg, Geld und Macht. Sie haben wenig Werte anzubieten, die das Kind interessieren. Wärme, Liebe und Geborgenheit kann man nicht kaufen.“
Kinder suchen nach dem Sinn ihres Lebens und nach Vorbildern, die ihnen glaubhaft Werte vermitteln können. Ob es uns bewusst wird? Unser Vorbild als Väter – sei es positiv oder negativ – prägt entscheidend nicht nur die Frage unserer Kinder nach dem Sinn des Lebens, sondern auch das Bild, das sie von Gott haben: „Hat Vater (Gott) Zeit für mich? Nimmt Vater (Gott) mich ernst? Ist Vater (Gott) gerecht? Kann ich mit Vater (Gott) sprechen? Ist Vater (Gott) nachtragend oder versöhnend? Hat Vater (Gott) mich lieb?“
Vielleicht sagen wir: „Ich bin doch nicht Gott, sondern nur ein Mensch! Und mein Vater war auch nicht besser!“ Mag sein, aber auch daraus resultiert mein Bild, das ich von Gott habe.
Man stelle sich vor: Gott, der Heilige, der Allmächtige, ist unser Vater! Das gibt es in keiner Religion, in keiner Weltanschauung! Überall, wo man zu einem Gott oder mehreren Göttern betet, spricht man als Winzling zu einem Fernen, Unnahbaren. Als kleine Nichtse und Namenlose zu einem übergroßen, willkürlichen und unberechenbaren Despoten und Tyrannen, zu einem „Big Brother“, dessen Forderungen man aus Angst vor Strafe erfüllen muss.
Der Gott der Bibel möchte uns dagegen als Vater begegnen! Ist uns bewusst, was das bedeutet?
Es ist bei einem Missionseinsatz in einem ungarischen Gefängnis. Dort soll ich zu den Inhaftierten des Hochsicherheitstraktes der größten Haftanstalt in Budapest sprechen. Da sitzen sie vor mir, finstere Gestalten, skeptische Gesichter. Ich frage mich, wie diese Herzen für das Evangelium der Liebe und Vergebung Gottes geöffnet werden können. Ein kurzes stilles Gebet zu meinem Vater im Himmel, und er gibt mir die Frage, die ich den Inhaftierten stelle: „Wer von euch hatte einen guten Vater?“
Plötzlich ist es mir, als könne ich in ihre Herzen sehen. Alle schauen mich nachdenklich an. Still ist es geworden. Nur zwei Hände heben sich zögernd. Sehnsucht sehe ich in den Augen der Männer. Sehnsucht nach Heimat, Geborgenheit und Ruhe des Herzens.
Als ich dann die zweite Frage stelle: „Wer von euch ist ein guter Vater?“ senken sich beschämt ihre Gesichter. Betretenes Schweigen. Selbst die beiden eben erhobenen Hände verkriechen sich wieder …
„Herr“, bete ich im Stillen, „hilf mir, dich als den liebenden Vater vorzustellen.“ Ich denke daran, wie ich einmal in einem Frauengefängnis in Deutschland versucht hatte, Gott als Vater vorzustellen. Als ich ihnen sagte, Gott sei wie ein Vater, kam spontan die schockierende Frage: „Wieso, ist Gott immer besoffen wie mein Alter?!“
Wie soll man Menschen, die ein schlechtes Vaterbild durch ihren eigenen Vater haben, erklären, wie Gott ist? Und ich berichte den Inhaftierten die Geschichte, die der Herr Jesus seinen Mitmenschen erzählt hat. Die Geschichte von dem verlorenen Sohn und dem wartenden Vater aus Lukas 15. Und plötzlich wird diese alte Geschichte neu lebendig, weil jeder sich in dem Sohn sieht und sich solch einen Vater im Himmel wünscht. Und dann kann ich ihnen den Sohn Gottes, Jesus Christus, vorstellen, der von sich gesagt hat: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen!“ (Johannes 14,9). In Jesus wird der himmlische Vater für uns Menschen sichtbar.
Ich weiß nicht, wie du deinen Vater in Erinnerung hast – vorausgesetzt, du hattest einen. War er nie anwesend? Oder, obwohl anwesend, doch irgendwie abwesend? War er lasch? Oder hart?
Zum ersten Mal wurde mir dieser Tatbestand bewusst, als ich vor Jahren in der Jugendgruppe dieses Thema behandeln wollte. Vor mir saß ein Junge, dessen Vater in keiner Weise seiner Vaterrolle nachkam. Er stand, wie man im Volksmund allgemein sagt, „unterm Pantoffel“ seiner Frau, gab ein klägliches Bild ab und wurde von seinen Söhnen verachtet. Ulrich Parzani sagte einmal: „Wenn wir vom menschlichen Vorbild eines Vaters auf Gott schließen, kommen wir in eine Sackgasse. Anders herum müssen wir Väter von Gott lernen, was wirkliche Vaterschaft bedeutet.“
Ein weiteres Beispiel in der eigenen Familie machte mir das klar:
Wir fahren zu einer Familienfreizeit in den Westerwald. Da wir noch ein Mädchen in ihrem Rollstuhl mitnehmen, fahre ich mit einem VW-Bulli voran. Unsere Pflegetochter, die wir als 19-Jährige aus der Drogenszene aufgenommen hatten, fährt meinen Kombi und hat zwei unserer Kinder mit im Wagen. Auch sie hat große Mühe, Gott als Vater zu erkennen. Sie hatte eine katastrophale Kindheit, die sie bei ihrem alkoholabhängigen Vater verbracht hatte. Kurz vor dem Westhofener Kreuz bei Hagen auf der A1 gibt es wie so häufig „Stopp-and-Go“. Nur einen kurzen Augenblick gibt sie nicht acht und schon schiebt sie mich mit meinem Kombi auf zwei andere Autos auf! Ich schaue in den Rückspiegel: Mein eigener Wagen sieht aus wie nach einem ADAC-Crashtest! Hinter dem Lenkrad sitzt kreidebleich unsere Pflegetochter …
Wir verursachen logischerweise einen riesigen Stau auf der Überholspur. Ich steige aus, sichere die Unfallstelle, stelle das Warndreieck auf, öffne die Wagentür und hole die Kinder heraus. Dann nehme ich meine Pflegetochter in den Arm und sage: „Das kann jedem passieren, Kind. Wir wollen dem Herrn Jesus danken, dass sonst nichts passiert ist und ihr alle gesund seid.“
Mit aufgerissenen Augen starrt sie mich an: „Du schlägst mich nicht tot? Jetzt weiß ich erst, was ein Vater ist! Mein Vater hätte mich tot geschlagen!“ –
Als ich kurz darauf den Kostenvoranschlag für die Reparatur erhalte, frage ich im Stillen: „Herr, warum muss solch eine Lektion so teuer sein? Und noch dazu mein Geld kosten?“ –
Aber Gott beschämt mich. Im Laufe des nächsten halben Jahres bekomme ich von unterschiedlichen Seiten Spenden zur Reparatur des Autos, die im Gesamtbetrag nicht nur die Kosten der Reparatur, sondern sogar die Rückstufung der Versicherung ausmachen!
„Herr, verzeih mir den Unglauben!“, bete ich. „Offensichtlich ist dir diese Lektion so viel wert!“
Ja, Gott hat offensichtlich das große Anliegen, dass wir verstehen, wie er als Vater ist! Und wie wichtig ist es, dass wir unseren Kindern durch unser Vatersein zeigen, wie Gott ist. „Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten“ (Psalm 103,13).
Es war die Zeit der Heavy-Metal-Fans, der Skinheads und der Neonazis – also Mitte der 80er-Jahre. Wir standen mal wieder mit dem zum Straßencafé umgebauten Missionsbus auf dem Rathausplatz unserer Stadt. Damals traten diese provozierenden Jugendgruppen immer in Horden auf, wenn sie aufeinander trafen, gab es stets heftige Auseinandersetzungen, die in der Regel in Krawallen und Prügeleien endeten. Glücklicherweise kamen sie nie gemeinsam zu uns an den Bus, das hätte wahrscheinlich Mord und Totschlag gegeben. Vor allem die Heavy-Metal-Fans besuchten unseren Missionsbus, tranken gerne unseren Tee und ließen sich durchaus auf ernsthafte Gespräche ein. –
Es ist gerade Wahlzeit, und überall auf den Plätzen und in der Fußgängerzone stehen die Stände der Parteien. Es ist Samstagvormittag, und die Stadt ist voller Passanten. „Wollt ihr mal was erleben?“, fragt uns der Ober-Heavy. „In einer halben Stunde werden wir den NPD-Stand auf dem Nachbarplatz mal kurz platt machen! Aber ihr kennt uns nicht! Klar?“ – Einige unserer Mitarbeiter werden neugierig und begeben sich zum etwa 100 Meter entfernten Platz in der Fußgängerzone. Dort steht der besagte Parteistand. Plötzlich wie auf Kommando kommen „unsere“ Heavys aus allen Seitenstraßen und marschieren sternförmig schweigend auf den Parteistand zu. Sie sind alle mit Sturmmasken getarnt. Die NPDler sehen die Heavys auf sich zukommen und fliehen. Unsere schwarzen Gestalten leisten ganze Arbeit! Innerhalb von 10 Sekunden ist der Stand dem Erdboden gleich gemacht. Und ebenso schnell wie sie gekommen, sind sie wieder verschwunden. Die Polizeistation liegt am anderen Ende des Platzes. Bevor die etwas merken, ist der ganze Spuk vorbei …
Nach einer halben Stunde sitzen „unsere“ Heavys wieder bei uns am Bus, als sei nichts gewesen. „Äh“, frage ich sie zaghaft, „und wann macht ihr das gleiche mit uns?“ – Unser Ober-Heavy lacht: „Keine Angst! So lange wir hier bei euch sind, passiert euch nichts!“ – „Warum nicht?“, frage ich verwundert zurück. „Ihr seid anders. Mit euch kann man quatschen, und ihr hört zu! Bei euch brauchen wir nicht provozieren!“
„Die fressen wir kahl!“
Irgendwie haben ‚unsere‘ Heavys mitbekommen, dass vor dem Abendprogramm im Jugendraum der Gemeinde einige Schwestern ein Kaltes Bufett für die Mitarbeiter und eventuellen Besucher aufgebaut haben. „Die fressen wir kahl!“, lautet die geflüsterte Devise der Heavys. Als Hausmeister der Gemeinde stehe ich vor dem Jugendraum und sehe plötzlich 30 unserer schwarz gekleideten Freunde den Gang entlang kommen. Mit großem „Hallo“ wollen sie sich auf das Bufett stürzen. „Stopp!“, rufe ich laut. „Nur Schweine fressen ohne Gebet! Wir beten!“ Und laut danke ich Gott für das Essen und für die lieben Gäste! Natürlich war das ein Überraschungeffekt. Wie angewurzelt bleiben sie stehen. „Amen! – Guten Appetit! haut rein!“
Unsere jungen Freunde sind plötzlich wie verwandelt: Ordentlich und friedlich stellen sie sich am Bufett an, setzen sich an die Tische und essen richtig manierlich mit Messer und Gabel. Es gibt gute und ernste Gespräche, und etliche von ihnen bleiben auch zur Abendveranstaltung und hören aufmerksam zu.
Am nächsten Sonntag wollen wir der Gemeinde von der Missionswoche berichten und veranstalten am Nachmittag ein gemeinsames Kaffeetrinken. Alle Gemeinde-Geschwister sitzen erwartungsvoll an den Tischen. Der Kaffee wird herumgereicht, und einzelne der Jugendgruppe machen sich bereit, um von den Ereignissen der letzten Woche zu erzählen.
Plötzlich gehen die Saaltüren auf – und 30 Heavy-Metal-Fans kommen schweigend herein! Alle Gespräche im Gemeindesaal verstummen. Alle schauen entgeistert zur Eingangstür. Was wird passieren? Wie gelähmt sitzen alle Geschwister da! So etwas ist noch nie passiert! Sie kennen ja unsere „Freunde“ nicht …
Ich stehe auf und gehe auf den Ober-Heavy zu: „Hi, Holger!“, begrüße ich ihn, „Schön, dass ihr kommt! Wartet, wir bauen noch ein paar Tische auf!“ – Holger gibt mir die Hand: „Fällt dir nichts auf?“, fragt er verlegen. – „Ja“, sage ich, „wo hast du deine schwarzen Klamotten? Du bist ja in Zivil!“ – „Ja, weißt du, ich dachte, das passt hier nicht!“ Und dann können wir unsere Freunde der Gemeinde vorstellen. Und sie zeigen sich von ihrer besten Seite und genießen das gemeinsame Kaffetrinken, das Singen, die Berichte, die Gebete und die Gemeinschaft: „Echt coole Kirche seid Ihr!“, ist ihr Urteil.