4,99 €
Paul Lindner hat nur noch kurze Zeit zu leben. Er überdenkt sein Leben, in dessen Verlauf er viele Menschen verletzt hat, und er beschließt seine Lebensuhr zurückzudrehen. Er möchte als Regis-seur einen fiktiven Film drehen, um in einer Art selbst inszeniertem Nahtoterlebnis einige unschöne Passagen aus seinem früheren Leben zu ändern. Dabei erfährt er eine unvorhergesehene Wesensänderung. https://www.juergen-von-rehberg.at
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
„Er ist wieder zurück.“
Diese Schreckensbotschaft löste bei Paul Lindner seltsamerweise nicht die zu erwartende Reaktion aus.
Er schaute seinen Freund nur an, in dessen Gesicht sich die Überraschung abzeichnete, die naturgemäß von seinem Patienten hätte ausgehen müssen.
Professor Adrian Höllerschmitt und Paul Lindner kannten sich von der Uni her. Adrian studierte damals Medizin und Paul Philosophie. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine wunderbare Freundschaft, die sich über all die Jahre gehalten hatte.
„Du bist ja gar nicht überrascht“, sagte Adrian, „oder kommt da noch etwas nach…“
„Ich denke nicht, mein Freund“, antwortet Paul, „wir wissen ja beide, dass der Zug schon abfahrtsbereit dasteht, der mich beharrlich und unaufhaltsam an mein Ziel bringen wird.“
„Aber hattest du denn keine Hoffnung, dass es anders sein könnte?“, fragte Adrian.
„Nicht wirklich“, antwortete Paul, „irgendwie habe ich damit gerechnet, dass es so kommen würde.“
„Und was wirst du jetzt tun?“, fragte Adrian.
„Ich werde in den Zug einsteigen und die Reise so gut es geht und so lange wie es dauert genießen.“
„Du bist ein Fatalist“, antwortete Adrian, und nach einer kurzen Pause, stellte er die Frage, deren Antwort er schon vorher kannte:
„Willst du nicht doch die Operation?“
„Du kennst die Antwort“, entgegnete Paul, „Operation, Chemo mit all ihren unschönen Begleiterscheinungen, und das nur, um ein wenig Zeit zu gewinnen? Nein, danke!“
„Was wird Iris dazu sagen?“, fragte Adrian.
„Das weiß ich nicht, und das ist mir auch egal“, antwortete Paul.
Und als Adrian daraufhin verständnislos in Pauls Gesicht sah, fuhr dieser fort:
„Wenn sie es erfahren wird, kann sie mich nicht mehr beschimpfen, weil ich dann schon aus meinem Zug ausgestiegen sein werde.“
„Du bist herzlos, Paul“, sagte Adrian, „überleg es dir bitte noch einmal.“
„Lassen wir das“, beendete Paul das Gespräch. „Du gehst heute Abend mit mir fein speisen, und du wirst bezahlen. Du hast schließlich mehr als genug an mir verdient.“
*****
Paul Lindner hatte schon vor über einem Jahr Bekanntschaft mit einem Glioblastom gemacht.
Begonnen hatte alles schon lang vorher. Häufig auftretende Kopfschmerzen während der Nacht oder in den frühen Morgenstunden ließen Paul zu Tabletten greifen.
Damit konnte er sich gut über den Tag retten. Als dann aber irgendwann Sprachstörungen dazukamen, ging er zum Arzt. Die Diagnose durch den Hausarzt: Leichter Schlaganfall.
Nach einigen Wochen wiederholten sich diese Sprachstörungen und Krampfanfälle kamen hinzu. Paul beschloss seinen alten Freund, Professor Adrian Höllerschmitt aufzusuchen.
Dieser veranlasste die Durchführung einer Magnetresonanztomographie, welche zu der Diagnose „Glioblastom“ führte. Eine danach durchgeführte Biopsie brachte dann die Gewissheit: Ein bösartiger Gehirntumor.
„Wir müssen dich dringend operieren“, sagte Professor Höllerschmitt, „die betroffene Region muss umfassend ausgeräumt werden.“
„Und dann bin ich wieder gesund?“, fragte Paul Lindner.
„Nicht sofort, mein Freund“, antwortete Adrian Höllerschmitt, „nach der Operation wird die Tumorregion bestrahlt, um eventuelle Restzellen abzutöten.“
„Und dann bin ich gesund?“, setzte Paul Lindner fort, der ganz genau wusste, dass die Bestrahlung allein nicht genügen würde.
Als Philosoph war er gewohnt den Dingen auf den Grund zu gehen. Er hatte sich vorab eingehend informiert.
Adrian Höllerschmitt kannte seinen Freund zu gut und zu lange, um das Spiel nicht zu durchschauen, ließ aber Paul in dem Glauben.
„Du kennst mich als einen gründlichen und gewissenhaften Menschen, lieber Paul“, antwortete Adrian, „und deshalb machen wir begleitend eine Chemotherapie.“
„Ich weiß, dass du ein gründlicher Mensch bist, Herr Professor“, entgegnete Paul, „du warst auf der Uni schon ein Streber.“
Adrian musste schmunzeln; auch dann noch, als Paul hinzufügte:
„Und was die Chemo betrifft, so machen nicht wir diese Kotzorgie, sondern ich. Aber du kannst mir natürlich gern den Kopf dabei halten.“
„Ich werde dir eine hübsche Krankenschwester an die Seite geben“, antwortete Adrian, „da macht das Erbrechen viel mehr Spaß, als wenn ich dabei wäre.“
*****
Paul und Adrian saßen an ihrem Tisch im Ratskeller, an dem sie sich früher einmal in der Woche trafen, um zu speisen und hinterher eine Partie Schach zu spielen.
„Es wundert mich, dass der gute Herr Waldemar uns – nach so langer Zeit - unseren alten Tisch gegeben hat“, sagte Adrian.
„Du warst zwar sehr lange nicht mehr hier; aber ich“, entgegnete Paul. „Ich bin weiterhin jede Woche hierhergekommen. Du hattest ja keine Zeit mehr für deinen alten Freund.“
„Das bedaure ich sehr, und es tut mir leid“, antwortete Adrian, und er schaute seinen Freund betrübt an, von dem er wusste, dass er ihn in nicht allzu ferner Zukunft verlieren werden würde.
„Es ist dumm, dass man im Laufe seines Lebens oft die falschen Prioritäten setzt“, fuhr Adrian fort, „aber als du mit Iris zusammengekommen bist, habe ich mich zurückgezogen.“
Paul sah Adrian an, und er wollte schon etwas sagen, als Adrian ihm zuvorkam:
„Ich weiß, dass klingt wie eine Ausrede, mein Freund. Das sollte es aber nicht sein. Vielleicht ist es jedoch ein kleiner Versuch mein schlechtes Gewissen ein wenig zu beruhigen.“
„Das ist nicht nötig“, entgegnete Paul, und zu dem altgedienten Ober gerichtet:
„Herr Waldemar, bitte seien Sie doch so nett und bringen Sie uns das Schachbrett!“
„Wie geht es Iris?“, fragte Adrian, nachdem sie schon eine Weile gespielt hatten.
„Das kann ich dir nicht beantworten“, sagte Paul, ohne seinen Blick vom Schachbrett abzuwenden, „ich hatte schon lange keinen Kontakt mehr mit ihr.“
„Warum machst du das?“, fragte Adrian weiter, „ich finde, sie hat ein Recht darauf zu wissen, wie es dir geht.“
„Ein Recht auf was?“, erwiderte Paul in scharfem Ton, „vielleicht darauf mir beim Sterben zusehen zu dürfen?“
„Ja, vielleicht“, sagte Adrian, „mit demselben Recht, wie sie dir beim Leben zugesehen hat.“
„Unsinn“, entgegnete Paul, „und jetzt konzentriere dich lieber auf das Spiel; deine Dame ist gerade in großer Gefahr.“
Damit war dieses Thema abgehakt; zumindest, was Paul betraf. Adrian musste daran denken, wie verliebt Paul damals war, als er – nach anfänglichen Schwierigkeiten - mit Iris zusammengekommen war.
Und wie sehr er Adrian gegenüber von „seiner Iris“ vorgeschwärmt hatte. Von einer eventuellen Heirat war sogar die Rede. Umso mehr schmerzte es Adrian, wie sein Freund Paul Iris aus deren gemeinsamen Leben warf.
Natürlich war es naheliegend, dass Paul ihr den großen Schmerz über den bevorstehenden Verlust ersparen wollte; aber die Zweifel blieben dennoch, ob das der richtige Weg war.
*****
Paul lag auf der Dachterrasse und reichte seinen nackten Körper der Sonne dar. Er musste an das Gespräch mit seinem Freund denken, welches er vor ein paar Tagen mit ihm geführt hatte.
Er hatte Adrian solange insistiert, bis dieser bereit war ihm eine Restlebenszeit-Prognose zu stellen.
„Du weißt schon, dass das <Kaffeesatzlesen> ist“, sagte Adrian, „und seriös ist es auch nicht. Ich mache das nur, weil du mein Freund bist, und du ja doch keine Ruhe gibst.“
„Beides trifft zu, Herr Professor“, scherzte Paul, und Adrian staunte einmal mehr darüber, mit welcher scheinbaren Gelassenheit Paul mit seiner totbringenden Diagnose umging.
„Also, nun sag schon!“, drängte Paul.
„Kein halbes Jahr mehr; wenn es hochkommt, vielleicht noch zwei Monate.“
Professor Adrian Höllerschmitt hatte große Mühe diese Worte zu sagen. Es war nicht das erste Mal, dass er einem Patienten die Hiobsbotschaft überbrachte; aber einem Freund so etwas mitzuteilen, das hatte noch einmal eine andere Qualität.
Paul umarmte seinen Freund. Es war, als wäre er der Trostspendende und nicht umgekehrt.
„Ich danke dir, mein Freund“, sagte Paul mit Tränen in den Augen, „ich werde mich jetzt ein letztes Mal von dir verabschieden.
Ich möchte, dass wir uns nicht mehr wiedersehen, es sei denn, du kommst zu meiner Beerdigung. Ich werde jetzt in meinen Zug steigen und meine letzte Reise antreten.
Und wenn das Schicksal mir gewogen ist, dann wird die Reise nicht allzu beschwerlich werden und ohne größere Hindernisse verlaufen.“
Adrian Höllerschmitt zerriss es beinahe das Herz, als er dieses hörte.
Als Paul gegangen war, wies er seine Vorzimmerdame an, für die nächsten Stunden nicht gestört zu werden.
*****
Paul war ein totaler Sommermensch. Er liebte die Hitze über alles. Seine Dachterrasse erlaubte es ihm, wann immer es möglich war, ohne Kleider die Sonne zu genießen.
Iris zierte sich anfangs es ihm gleich zu tun, wegen der Nachbarn; aber nach einer Weile war es ihr egal, zumal die Nachbarn doch ein Stück weit entfernt wohnten.
Ein Anflug von Tristesse legte sich auf Pauls Gemüt. Er hätte nie gedacht, dass er sich – nach seiner Scheidung von Beate – noch einmal verlieben könnte.
Beate war seine zweite Ehefrau. Die Ehe mit ihr war kinderlos geblieben. Aus seiner ersten Ehe mit Sandra hatte er zwei Söhne.
Sandra war mit den Kindern zurück in die Schweiz gegangen, von wo sie ursprünglich stammte. Der Kontakt zu ihr und zu den Kindern war schon sehr bald abgebrochen.
Von Beate wusste er, dass sie wieder geheiratet hatte.
Die Sonnenwärme auf Pauls Haut drängte ihm den Gedanken auf, dass er vielleicht nicht wirklich krank wäre. Er fühlte sich so wohl und gesund, wie man sich nicht besser fühlen konnte.
„Aber natürlich ist das völliger Unsinn“, verdrängte ein neuer, stärkerer Gedanke den vorigen.
„Du wirst sterben, Paul Lindner, und das schon sehr bald.“
„Sterben“, sinnierte Paul weiter, „was bedeutet das?
Sokrates bringt es auf einen schlichten Nenner: <Sterben ist doch wohl nichts anderes, als die Trennung der Seele vom Körper.>
Indes für Platon ist die Seele ein für sich bestehendes, schlechthin unkörperliches Wesen, ihre Trennung vom Körper durch den Tod eine Befreiung. Der Körper sei nur ein Abbild, eine Strafe, ein Gefängnis und ein Grab, gleich einer unheilbaren Krankheit bloß lebenslang hinderlich.
Und von Dame Cicely Mary Strode Saunders, einer englischen Krankenschwester, Sozialarbeiterin und Ärztin, auch Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin, stammen die Worte:
<Es ist nicht das Schlimmste für einen Menschen, festzustellen, dass er gelebt hat und jetzt sterben muss; das Schlimmste ist, festzustellen, dass man nicht gelebt hat und jetzt sterben muss.>“
Paul musste lächeln. Er konnte jedem dieser Gedanken etwas abgewinnen. Am besten gefiel ihm jedoch der Gedanke von Dame Saunders.
„Nach ihrer Meinung hatte er gelebt, und es war auch ein gutes und erfülltes Leben“, befand Paul, aber scheinbar hatte er sich geirrt.
Als hätte eine höhere Macht gerade mitgehört, schob sich in diesem Augenblick eine dunkle Wolke vor die Sonne, um dort zu verweilen.
Paul rief sich seinen letzten Gedanken noch einmal in Erinnerung.
„War es wirklich ein erfülltes Leben?“, fragte er sich, und ein heftiger Zweifel begann an ihm zu nagen.
Es war, als hätte die höhere Macht „na also – geht doch“ gesagt, denn just im selben Moment schickte sich die dunkle Wolke an die Sonne wieder freizugeben.
„Da gibt es doch noch diese Geschichte mit dem Nahtoterlebnis“, meldete sich ein neuer Gedanke zu Wort. „Die Geschichte, bei der das Leben eines Menschen im Zeitraffertempo vor seinem geistigen Auge vorüberzieht.
Was wäre also, wenn man – im Nahbereich seines bevorstehenden Todes – sein Leben Revue passieren lassen würde, so, als eigeninszeniertes Nahtoterlebnis?
Er selbst, also Paul Lindner, wäre der Drehbuchautor und der Regisseur in Personalunion.
Er könnte jede einzelne Szene seines bisherigen Lebens immer wieder neu aufnehmen, bis die bestmögliche Fassung im Kasten wäre, wie man in diesem Genre zu sagen pflegt.“
Die Sonne umfing den Körper von Paul Lindner mit all ihrer Kraft und Wärme, und ein unbeschreibliches Wohlgefühl erfüllte das nackte Menschlein, das sich anschickte einen Film zu drehen.
Es sollte ein Meisterwerk werden, dessen Inhalt nur Paul Lindner kannte, und das niemand je zu sehen bekommen würde. Es gab sogar schon einen Titel:
„Das erfüllte Leben eines Einsichtigen“
Paul hielt seine Augen geschlossen, als er begann sein Drehbuch zu schreiben. Kaum, dass er damit fertig war, begann er auch schon mit den Dreharbeiten.
*****
Kapitel 1 – Erste Liebe
Kapitel 2 – Sabine
Kapitel 3 – Sophie
Kapitel 4 – Dorothea
Kapitel 5 – Annemarie
Kapitel 6 – Iris
Ich, der ich vom Anbeginn meiner Pubertät von meiner Sexualität in Geiselhaft genommen worden war, hatte beschlossen mich dieser schwierigen Thematik zu stellen.
Ausgestattet mit einem völlig ungenügenden Rüstzeug, näherte ich mich behutsam dem anderen Geschlecht.
Mein Wissen stammte von älteren Mitschülern des Gymnasiums und von der Fachzeitschrift „BRAVO“; denn über andere Quellen verfügte ich leider nicht.
Mein Vater, der mir seine kostbaren Gene hinterlassen hatte, bevor er von meiner Mutter wegen anhaltender Untreue hinausgeworfen wurde, konnte mir deren sinnvolle Nutzung leider nicht mehr vermitteln.
Und meine Mutter war nicht der adäquate Ansprechpartner.
Also was tun mit den Hormonen, welche ohn Unterlass und ohne jede Gnade meinen jungen Körper geißelten?
„Learning by doing“ hieß somit die Parole, und auf diese Weise begann meine sexuelle Karriere, die von Anbeginn an zum Scheitern verurteilt war.
Leider wurde daraus eher ein „Learning by mistakes“, wobei das eigentliche „Learning“ erst viel zu spät begann.
Für mich waren Liebe und Sexualität zwei unzertrennbare Zwillinge. Sexualität, rein als Instrument zur Befriedigung tierischer Instinkte, das war ein allzu monströser Gedanke, den ich heftig von mir stieß.
Ich hatte mich der romantischen Vorstellung von Familie – Vater, Mutter, Kinder – verschrieben, und von dieser Vorstellung sollte ich mich später nur wenige Male entfernen, weil ich kurzfristig durch die Einflüsse des Bösen irregeleitet worden war.
„Die erste Liebe“ ist ein Miraculum, das seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Das traf ohne Zweifel auch bei Hannelore zu.
*****
„Kamera klar?“
„Kamera läuft!“
„Ton klar?“
„Ton ist klar!“
„Klappe!“
„Erste Liebe – Take 1!“
„Und bitte!“
Ich habe Hannelore anlässlich einer Hochzeit kennengelernt. Meine Tante, um deren Hochzeit es ging, stellte mir Hannelore als meine „Brautjungfer“ vor und verlieh mir im selben Moment den Titel „Brautführer“.
Obwohl ich es nicht wirklich verstand, ließ ich mich auf diese Sache ein und führte Hannelore brav an meiner Hand. Es schien ihr recht gut zu gefallen, denn sie ließ meine Hand den restlichen Tag nicht mehr los.
Als sich unsere Wege am nächsten Tag wieder trennten, beschlossen wir in brieflichem Kontakt zu bleiben. Unsere beiden Wohnorte lagen etwa 70 Kilometer voneinander entfernt, sodass ein täglicher Kontakt nicht möglich war. Und außerdem gingen wir ja noch beide in die Schule.
In den Sommerferien konnte ich dann endlich meine Angebetete besuchen. Ich wohnte bei der Tante und ihrem Gatten, und ich holte Hannelore täglich ab, um mit ihr in das nahegelegene Freibad zu gehen.
Nach dem Kurzurlaub und erfolgter Rückkehr in mein Zuhause, nahm der Briefwechsel zwischen Hannelore und mir beachtlich zu.
Wenn ich aus der Schule kam, ich war inzwischen Gymnasiast, war die erste Frage, ob vielleicht ein Brieflein für mich gekommen wäre.
Und so die Antwort positiv ausgefallen war, riss ich im Zustand eines gefühlsmäßigen Ausnahmezustands das Kuvert auf, um gierig Buchstabe um Buchstaben zu verschlingen.
Jedes Kuvert, das von Hannelore zur Post gebracht worden war, war von zartrosa Farbe, seidengefüttert und herrlich duftend.
Und in dem Kuvert lag ein einmal gefaltetes Blatt Papier, ebenfalls in zartrosa gehalten und von erlesener Qualität.
Die Lettern, welche das Papier zierten, waren von zarter Hand mit Tinte und Feder schwungvoll geführt und schön anzusehen, und ihr Aussehen glich mehr einem Druck, denn einer Handschrift.
So vergingen Monat um Monat, angereichert durch viele Briefe mit schönen Worten, welche eine tiefe Sehnsucht nach einem Wiedersehen erwachsen ließen, die sich nichts mehr wünschte, als eine baldige Erfüllung zu erfahren.
Doch dann geschah etwas Schreckliches.
Wieder einmal kam ein Brieflein mit der Post, das wohl denselben Absender wie all die vielen Briefe davor trug, jedoch ansonsten keine weiteren Gemeinsamkeiten aufzuweisen vermochte.
Absender und Empfänger waren mit Bleistift wüst auf das Kuvert gekritzelt, und der Brief trug ebendieselbe Handschrift.