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Ein Roman für Kinder ab 10 Jahren über eine zauberhafte Begegnung in einer Zeit, die bunter und turbulenter nicht sein könnte
Nie ist Fanny so gerne in die Schule gegangen wie an diesem Morgen. Denn sie hat ein richtig gutes Referat in der Tasche und brennt darauf, es vorzutragen. Aber warum blickt sie plötzlich in das Gesicht eines fremden Mädchens mit weißer Perücke? Und genau vor ihr ist ein echtes Schloss! Kein Zweifel, sie ist in einer anderen Zeit gelandet. Nicht nur, dass Fanny auf einmal ein Leben bei Hofe führt, sie lernt auch Amadeus kennen. Den Amadeus, von dem sie ihrer Klasse gerade noch erzählen wollte! Was hat das zu bedeuten? Das hat doch alles gar nichts mit ihr zu tun – oder etwa doch?
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Das Buch
Ausnahmsweise freut sich Fanny mal auf die Schule, denn sie hat ein super Referat in der Tasche. Und dann passiert sowas! Alles um sie herum kommt ihr fremd vor. Ein Mädchen mit Perücke spricht sie an und genau vor ihr … ein echtes Schloss! Kein Zweifel, sie ist in einer anderen Zeit gelandet. Nicht nur, dass Fanny auf einmal ein Leben bei Hofe führt, sie lernt auch Amadeus kennen. Den Amadeus, von dem sie ihrer Klasse gerade noch erzählen wollte! Was hat das nur zu bedeuten?
Alexa Hennig von Lange entführt uns in die aufregende Zeit des Rokoko.
Die Autorin
© Marcus Höhn
Alexa Hennig von Lange wurde 1973 geboren und begann bereits mit acht Jahren zu schreiben. 1997 erschien ihr Debütroman Relax, mit dem sie über Nacht zu einer der erfolgreichsten Autorinnen und zur Stimme ihrer Generation wurde. 2002 bekam sie den Deutschen Jugendliteraturpreis. Es folgten zahlreiche Romane für Erwachsene wie für Jugendliche und Kinder, außerdem Erzählungen und Theaterstücke. Alexa Hennig von Lange lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Berlin.
Mehr über Alexa Hennig von Lange: www.alexahennigvonlange.de
Alexa Hennig von Lange auf Instagram: www.instagram.com/alexahennigvonlange
Alexa Hennig von Lange auf Facebook: www.facebook.com/Alexa-Hennig-von-Lange
Der Verlag
Du liebst Geschichten? Wir bei Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH auch!
Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autoren und Übersetzern, gestalten sie gemeinsam mit Illustratoren und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.
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Viel Spaß beim Lesen!
Ich mag keine Schule – auch, wenn alle Erwachsenen behaupten, dass Schule ganz „toll“ ist. Weil man da so viel lernt. Ich lerne da überhaupt nichts. Jedenfalls nichts, was für mich und mein weiteres Leben zu gebrauchen wäre. So was darf man ja nicht laut sagen, weil dann alle denken, man ist faul. Ich bin nicht faul. Ich habe nur kein Interesse an dem ganzen langweiligen Zeug. Warum auch? Ich sehe einfach keinen Sinn in Mathe oder Physik oder französischer Grammatik. Ich vergesse diese ganzen Regeln, Formeln und Gesetze sowieso alle sofort wieder. Aber Mama sagt: „Fanny! Du hast keine Ahnung, wozu du das in deinem Leben noch alles brauchen wirst.“
Äh?! Wozu denn bitte? Will ich Einstein werden? Oder Dolmetscherin? Aber sogar meine Schwester Ella, sie ist schon fünfzehn, sagt das. Kein Wunder! Sie ist die Beste in der ganzen Schule. Die Lehrer lieben sie, weil der Unterricht mit meiner Schwester immer so erfolgreich ist. Hat gerade ihr Physiklehrer Herr Sommerkamp zu Mama am Telefon gesagt. Wirklich! Deswegen hat er eben extra bei uns angerufen. Als wir alle gemütlich beim Abendbrot sitzen. Klingeling. Nur um diesen seltsamen Satz fallen zu lassen!
„Der Unterricht ist dank Ihrer Tochter immer so erfolgreich.“ Was soll der Satz überhaupt bedeuten? Keine Ahnung. Jedenfalls haben wir alle, Papa, Ella und ich zu Mama geguckt, wie sie mit dem Telefon am Fenster stand, fast schon im Vorhang drin. Immer wieder hat sie gesagt: „Ach, das freut mich aber!“ Immer wieder: „Ach, das freut mich aber!“ Als sei der Physiklehrer von Ella schwer von Begriff. „Ach, das freut mich aber!“ Und: „Vielen herzlichen Dank. Ich werde es Eleonore ausrichten.“
Mama hat aufgelegt, das Telefon in die Ladestation gestellt und sich zwischen Sofa und Bücherregal zu uns zurück an den Tisch geschlängelt. Dabei hat sie über das ganze Gesicht gestrahlt, als hätte gerade die Lottogesellschaft durchgeklingelt, um ihr zu sagen, dass sie den 10-Millionen-Euro-Jackpot geknackt hat. Mama spielt nämlich Lotto – ohne jemals etwas gewonnen zu haben. Aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hat sie Ella einen Kuss auf die Stirn gegeben und zu Papa gemeint: „Das war der Physiklehrer von Ella und er hat gesagt, dass jede Stunde mit unserer Tochter ein Erfolg ist.“
Papa hat sich den Mund mit der Serviette abgewischt, gekaut und solche lobenden Laute von sich gegeben. Und dann hat er das Daumenzeichen gemacht, weil er sich schon wieder eine Gabel mit Salat in den Mund gesteckt hat und nicht sprechen konnte.
Ella hat milde gelächelt, als wäre solch ein Anruf in den Abendstunden nichts Besonderes. Aber natürlich hat sie die Nachricht schweinemäßig gefreut, weil Ella nichts anderes will, als total erfolgreich zu sein. Sie steht drauf, wenn andere Leute merken, dass auf sie nur schwer zu verzichten ist. Ganz ehrlich? Ich befürchte, meine Schwester will später, wenn sie groß ist, die Weltherrschaft übernehmen. So verhält sie sich mir gegenüber eigentlich jetzt schon. Als hätte sie bereits die Weltherrschaft übernommen. Ständig kommandiert sie mich herum – große Schwester eben. „Stell dein Geschirr in die Spülmaschine.“ Oder: „Lass deine Klamotten nicht immer im Bad liegen.“
Ich liebe meine Schwester wirklich. Aber ich mag es nicht, wenn Ella dauern meint, mich erziehen zu müssen. Mit so einer strengen Stimme, die sie sich irgendwo abgehört hat. Keine Ahnung, wo. Mama spricht jedenfalls nicht so streng. Vermutlich hat Ella die Stimme von diesen Hör-CDs, die sie sich früher immer stundenlang angehört hat. Solche Lebensgeschichten von irgendwelchen berühmten Komponisten oder Wissenschaftlern. Mit tausend Fakten und Daten und Hörbeispielen, sodass einem eigentlich der Kopf platzen müsste. Aber meine Schwester saugt Wissen in sich auf, wie mein bester Freund Joschi seine Energy-Drinks. Schlürf. Schlürf. Schlürf. Eine Dose nach der anderen. Um die volle Power zu bekommen. Und zwar schon in der ersten großen Pause. Das muss er natürlich heimlich in der Jungstoilette machen, damit er nicht von einem unserer Lehrer erwischt wird. Er ist ja – wie ich – erst elf. Da ist das Zeug eigentlich total verboten. Aber Joschi macht sowieso, was er will. Weil seine Eltern sich nicht um ihn kümmern, sondern gleich um die gesamte dritte Welt. Jedenfalls sagt Joschi das. Seine Eltern arbeiten beide für so eine weltweite Hilfsorganisation und haben damit alle Hände voll zu tun, sodass Joschi oft alleine zu Hause ist, wenn sie wieder mit dem Flugzeug zu irgendwelchen Hilfseinsätzen unterwegs sind.
Für mich wäre das nichts. Dass meine Eltern dauernd unterwegs sind. Genauso wenig wie Lernen nichts für mich ist. Ehrlich gesagt, will ich so wenig Wissen wie möglich anhäufen. Ich will die Dinge angucken, ohne vorher schon alles über sie zu wissen. Um mir ein eigenes Bild machen zu können. Mit dieser Einstellung stehe ich natürlich ziemlich alleine da. Mama sagt: „Du bist doch kein Baby mehr! Du bist schließlich auf die Welt gekommen, um zu lernen.“ Ach ja? Wer sagt das? Vielleicht bin ich auch auf die Welt gekommen, um alles unvoreingenommen anzusehen?! Um nicht schon total abgestumpft zu sein. Damit ein Baum für mich ein Baum ist, und nicht nur ein Wort. Baum.
Wie auch immer. Mama umarmt Ella noch mal: „Ich bin so stolz auf dich!“
Und ganz ehrlich: Das kann ich mir leider auch nicht unvoreingenommen angucken. Mich nervt es richtig an! Weil ich es schon so oft mit angucken musste, wie Mama stolz auf Ella ist. Das stresst mich! Ich will auch mal was machen, bei dem alle stolz auf mich sind! Nur was?! Mir fällt leider nichts ein.
Papa kaut seinen Salat und er zwinkert mir über die Salatschüssel und den Käseteller zu. Er weiß, wie ich zu Schulsachen stehe. Glücklicherweise sind ihm gute Noten auch nicht so wichtig. Sondern dass man etwas findet, was einen glücklich macht. Ich denke, ich habe meine Einstellung von ihm. Nur, dass ich noch nicht gefunden habe, was mich glücklich macht. Kann ich doch nichts dafür! Auf Papas Händen sind noch ein paar kleine Farbspritzer. Denn er ist Maler. Nicht so einer, der Wände anmalt – sondern ein Künstler. Mit einem kleinen Atelier oben auf dem Dachboden über unserer Wohnung. An den Wänden stehen überall Leinwände, auf die Papa seine seltsamen Bilder gemalt hat. Ich gebe zu: Ich hab echte Schwierigkeiten zu erkennen, was diese bunten Kleckse überhaupt darstellen sollen. Irgendwie sehen die Bilder alle so aus, als hätte Papa einfach nur mit einem riesigen Pinseln total wild mit Farbe rumgeschmiert. Aber Mama meint: „Kinder, euer Vater ist künstlerisch sehr begabt!“
Trotzdem arbeitet Papa bis heute daran, ein Bild hinzubekommen, das alle aus den Schuhen haut. Bei dem alle endlich erkennen, dass er ein Genie ist und seine Gemälde zu schwindelerregenden Preisen kaufen wollen. Solange das nicht passiert, verdient er mit seiner Kunst auch nicht so viel Geld. Aber er hofft noch auf seinen Durchbruch. Er sagt: „Der Durchbruch kann manchmal auch erst kommen, wenn man schon längst tot ist. Wie bei Vincent van Gogh!“ Mama hofft auch auf Papas Durchbruch – und zwar noch zu Lebzeiten. Bis dahin spielt Mama eben jede Woche Lotto und geht in dem Kinderladen arbeiten, den sie zusammen mit ihrer Freundin Annika führt.
Ella nimmt ihren Teller und bringt ihn nach nebenan in die Küche. „Tja, Leute! So macht man das, wenn man später nicht am Hungertuch nagen will. Immer schön volle Leistung bringen.“
Mama und Papa gucken sich mit riesigen Augen an. Und ich gucke Mama und Papa mit riesigen Augen an. Es ist ja klar, wen Ella mit ihrem Satz meint: Unsere Eltern. Die offenbar nicht volle Leistung bringen, weswegen wir am Hungertuch nagen müssen. Na ja, also ganz so heftig ist es nicht – aber mit Geld rumschmeißen können wir jetzt auch nicht. Das, was Mama und Papa verdienen, reicht gerade so, dass wir über die Runden kommen. Aber ständig neue Klamotten sind nicht drin. Ich trage beispielsweise die alten Sachen von Ella auf. Und Ella trägt teilweise die alten Klamotten von Mama aus Studientagen auf – was sie echt zum Kotzen findet.
Ella kommt wieder aus der Küche und meint mit so einem Gewinnerlächeln: „Aber entspannt euch, Leute! Wenn ich meine erste Million gemacht habe, werdet ihr alle von mir neu eingekleidet. Und dann kaufe ich euch ein eigenes Haus mit Garten und zwei Autos und Mama schenke ich eine Kosmetikbehandlung.“
Damit marschiert Ella aus dem Wohnzimmer und knallt mit Schwung die Tür zu. Um zu signalisieren, dass sie die Power hat, uns alle zu retten. Gut, dass ich so entspannt bin und meiner Schwester das nicht übel nehme. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass Ella uns im Zweifelsfall vor dem finanziellen Ruin retten würde. Mama räuspert sich und meint mit so einem echt besorgten Gesichtsausdruck: „Nicht, dass Ella größenwahnsinnig wird.“
Und Papa meint: „Ich finde es ganz wunderbar, wie unsere ärmlichen Verhältnisse dafür sorgen, dass Ella Millionärin werden will.“ Er grinst: „Wie wir gerade gehört haben, werden wir alle davon profitieren. Besonders du, mit deiner Kosmetikbehandlung.“
Mama zieht die Augenbrauen hoch: „Meinst du, sie erzählt überall herum, wie wenig Geld wir haben?“
„Ja!“, sage ich, um auch mal einen Beitrag zu leisten. Ich lege den Kopf schief und erkläre: „Hat sie erst neulich unserem Klavierlehrer gesagt, als der hier war.“
„Was?“ Mama guckt mich mit großen Augen an.
Und auch Papa muss ganz leicht nach Luft schnappen. „Wieso, Fanny? Was hat sie zu ihm gesagt?“
„Na ja,“ sage ich und lächle jetzt auch mal milde. „Als er kam und … und ich vergessen hatte zu üben, hat Ella zu ihm gesagt, dass es wohl besser wäre, wenn wir meinen Unterricht ganz einfach streichen.“
„Bitte?“ Mama fallen fast die Augen aus dem Kopf.
Ich nicke. „Weil wir ihn uns sowieso nicht leisten können und dass das rausgeschmissenes Geld sei, mich zu unterrichten.“ Ich grinse. „Und ich finde, Ella hat recht. Es ist rausgeschmissenes Geld.“
Jetzt gucken Mama und Papa mich sprachlos an. „Das heißt, du willst mit Klavier aufhören?“
Ich zucke mit den Schultern. „Es ist rausgeschmissenes Geld! Seit einem halben Jahr spiele ich schon Mozarts Türkischen Marsch und komme nicht von der Stelle – trotz Marsch.“ Ich lache. „Witzig, oder?“
Mama und Papa sagen gar nichts mehr. Sie räumen den Abendbrottisch ab. Ich helfe mit dem Geschirr und trage es hinter ihnen her in unsere enge Küche, wo sich schon das Geschirr vom Frühstück in der Spüle stapelt. Unsere Spülmaschine ist nämlich seit letzter Woche kaputt und wir können uns gerade keine neue leisten.
Mama stellt den Käse und die Wurst in den Kühlschrank. Ihre Stimme klingt ein klein wenig wütend: „Gut, dann hörst du eben auf. Ist mir auch egal. Ich dachte, ein Instrument zu spielen ist wichtig, um deinen musischen Horizont zu erweitern. Aber wenn du nicht übst, bringt es auch nichts.“
Papa packt das Brot zurück in den Brotkasten und meint so ein bisschen aufmunternd. „Prima, dann können wir uns von dem gesparten Geld in fünf Monaten eine neue Geschirrspülmaschine kaufen.“
Er gibt Mama einen Kuss, die plötzlich ganz müde aussieht. Ich schätze, weil ihr gerade wieder eingefallen ist, dass wir noch dieses Referat über Mozart für meinen Musikunterricht machen müssen. Mozart! Mozart! Überall Mozart! Als würde der Typ mich interessieren. Das war auch so ein Streber, wie meine Schwester. Auf den waren bestimmt auch immer alle ganz furchtbar stolz. Mama sagt: „Fanny, das ist das letzte Mal, dass ich dir bei solchen Aufgaben helfe. Du musst das alleine hinbekommen.“
Ich sage: „Kotz.“
Und Mama seufzt. „Setz dich schon mal an deinen Schreibtisch. Ich bin gleich bei dir.“
Ich stecke mir noch das letzte Tomatenstück aus der Salatschüssel in den Mund und gehe durch den Flur in mein Zimmer, das ich mir mit meiner großen Schwester teile. Es tut mir leid, dass ich Mama so enttäusche. Aber ich kann doch auch nichts dafür, dass ich total lernbehindert bin und mich nicht für Klavier interessiere. Sollen sie doch froh sein, wenn Ella das alles so gut kann.
Meine Schwester hat ihre lilafarbene Gymnastikmatte auf unserem gestreiften Teppich ausgerollt und ihren aufgeklappten Laptop auf unseren Schreibtisch gestellt. Über den Bildschirm hüpft gerade wieder diese blonde Fitness-Trainerin, die einen echt kniffligen Tanz vormacht, den Ella jetzt fast noch besser als die Lehrerin nachtanzt. Ich sage doch: Meine Schwester ist überall die Beste. Sie hüpft hin und her, schwingt ihr Bein herum, sodass ich aufpassen muss, nicht von ihrem Fuß getroffen zu werden.
Ella hat beim Tanzen schon mal so doll gegen unser Bücherregal getreten, dass es zusammengebrochen ist. Papa musste es dann wieder reparieren. Eine Nachttischlampe ist auch schon zu Bruch gegangen. Aber Ella meint: „Was soll ich machen? Ich brauche den Platz, um fit zu bleiben!“