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Eine moderne Heidi Geschichte von Erfolgsautorin Alexa Hennig von Lange, für Kinder ab 10 Jahren
Ab in die Berge? Isla kann sich was Besseres vorstellen. Per Mitfahrzentrale geht es von Berlin in die Schweiz. Und zwar ohne Mama, weil die sich gerade nicht um sie kümmern kann! Plötzlich findet sich Isla in einer vollkommen fremden Welt wieder: Berge, soweit das Auge reicht. Und eine einsame Holzhütte, in der ein grummeliger, alter Mann wohnt. Ihr Großvater! Bei ihm soll sie die nächsten Wochen verbringen. Hier gibt es nichts als Ziegen, weiten Himmel, rauschende dunkle Tannen. So viel Natur ist nicht auszuhalten! Isla will abhauen, zurück in die Großstadt. Doch gerade, als sie ihren Plan in die Tat umsetzen will, trifft sie Peter. Die Begegnung mit dem Jungen aus dem Alpendorf ändert alles. Isla lässt sich ein auf das Abenteuer Bergwelt ein - und erlebt eine unerwartete Familienzusammenführung.
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Das Buch
Ab in die Berge? Isla kann sich was Besseres vorstellen. Was hat sich ihre Mutter nur dabei gedacht, sie ausgerechnet bei ihrem Großvater zu parken, während sie »ein paar Dinge regelt«? Per Mitfahrzentrale geht es von Berlin nach Süddeutschland. Und plötzlich findet sich Isla in einer vollkommen fremden Welt wieder: Ein Alpendorf, in dem der Hund begraben ist. Eine Holzhütte. Ein fremder alter Mann, der ihr Großvater ist. Und um sie herum nichts als Ziegen, weiter Himmel, rauschende dunkle Tannen. Ihr Großvater redet auch nicht gerade viel und wenn doch, mäkelt er an Isla herum oder schimpft über ihre Mutter. Isla will abhauen, diese Idylle ist nicht auszuhalten! Doch gerade, als sie ihren Plan in die Tat umsetzen will, trifft sie Trinus. Die Begegnung mit dem Jungen aus dem Nachbarort ändert alles. Isla lässt sich ein auf das Abenteuer Bergwelt – und auf das Abenteuer Familie.
Die Autorin
© Marcus Höhn
Alexa Hennig von Lange wurde 1973 geboren und begann bereits mit acht Jahren zu schreiben. 1997 erschien ihr Debütroman Relax, mit dem sie über Nacht zu einer der erfolgreichsten Autorinnen und zur Stimme ihrer Generation wurde. 2002 bekam sie den Deutschen Jugendliteraturpreis. Es folgten zahlreiche Romane für Erwachsene wie für Jugendliche und Kinder, außerdem Erzählungen und Theaterstücke. Alexa Hennig von Lange lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Berlin.
Der Verlag
Du liebst Geschichten? Wir bei Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH auch!
Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autoren und Übersetzern, gestalten sie gemeinsam mit Illustratoren und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.
Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.
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Viel Spaß beim Lesen!
Meine Mutter hat etwas Großes vor. Sie will sich ihren Lebenstraum erfüllen. Ihr Lebenstraum ist es, mich heute per Mitfahrzentrale zu meinem Opa in die Alpen zu bringen und mich dort zu lassen. Anschließend will sie weiter zum Flughafen fahren und nach Ibiza fliegen. Meine Mutter hat nämlich vor, mit mir dahin auszuwandern. Und zwar schon bald.Vorher muss sie allerdings noch ein bisschen was auf Ibiza regeln.
Ibiza ist eine Insel. Sie liegt direkt vor Mallorca im Mittelmeer. Auf Ibiza spricht man Katalanisch. »Das klingt so ähnlich wie Spanisch«, meint Mama. »Also alles kein Problem!« Als würde ich Spanisch sprechen!
Bevor ich geboren wurde, war Mama schon mal auf Ibiza und hat da »die Zeit ihres Lebens« verbracht. Mit guten Freunden. Musik. Partys und Lagerfeuer am Strand. Und genau aus diesem Grund will Mama endlich wieder nach Ibiza, um dort noch mal die Zeit ihres Lebens zu erleben. Mama meint: »Ibiza ist einfach der Traum!« Genauer begründet sie das gar nicht. Und dann kriegt sie diesen glückseligen Blick, der ins Leere geht. Mama meint: »Sobald ich für uns auf Ibiza ein Häuschen gefunden habe, komme ich zurück und wir packen unsere sieben Sachen.« Dann wuschelt sie mir durchs Haar und ist in ihrer Fantasie schon wieder auf Ibiza. Ganz ehrlich: Bis jetzt hat mich Mama nicht ein einziges Mal gefragt, ob ich überhaupt nach Ibiza will! Am letzten Wochenende hat sie mir im Internet ein paar Fotos von einsamen Buchten mit weißen Segelschiffen, Cafés mit bunter Leuchtreklame oder kreischende Mädchen in Bikinis auf einem Bananenboot gezeigt und bei jedem Bild gefragt: »Ist das nicht der Hammer?«
Ich habe so ein bisschen genickt und gesagt: »Ja, sieht super aus.« Und: »Ist bestimmt warm da.«
Mama meinte gleich so aufgeregt: »Warm? Machst du Witze?! Da scheint immer die Sonne! Weißer Sandstrand, Palmen, türkisblaues Meer, Muscheln bis zum Abwinken, entspannte Leute, leckeres Essen, keine Sorgen.«
Ehrlich! Seit Mama ihr neues Leben auf Ibiza starten will, mache ich mir Sorgen! Und zwar eine ganze Menge Sorgen! Ihr Plan, nach Ibiza zu fliegen, bedeutet nämlich für mich, dass ich zu meinem Opa in die Berghütte muss, irgendwo in der Schweiz. Eigentlich hätte ich viel lieber solange bei meiner besten Freundin Jana gewohnt, aber Mama will nicht, dass mich fremde Leute durchfüttern, die selbst schon genug um die Ohren haben. Darum fehle ich jetzt zwei Wochen lang in der Schule und verpasse alle Arbeiten, weil Mama keine Lust hat, die Osterferien abzuwarten. Sie will jetzt los! »Ich bin eben eine impulsive Person!«, sagt Mama. Also lügen wir auch noch meine liebe Klassenlehrerin Frau Hase an und behaupten, dass ich wegen einer schweren Mandelentzündung fehle. Überflüssig zu erwähnen, dass ich Jana während dieser Zeit nicht anrufen darf, damit sie nicht erfährt, dass ich mich eigentlich mitten in den Alpen aufhalte. Als würde ich Jana verheimlichen, dass ich in die Schweizer Berge fahre! Hallo!? Sie ist meine beste Freundin! Sie kennt jedes Geheimnis von mir!
Aber das Besorgniserregendste an Mamas Lebenstraum ist, dass wir im nächsten Schritt unsere Wohnung aufgeben werden und ich auf Ibiza heimisch werden soll, wo ich keine Menschenseele kenne und alle katalanisch sprechen. Aber Mama meint: »Was machst du dir Sorgen, mein Stoppersöckchen? Ich habe dich schließlich nicht umsonst Isla genannt!«
Für alle, die es nicht wissen: Isla heißt Insel. Der Lieblingssong meiner Mutter in jungen Jahren war La Isla Bonita von dieser inzwischen hundertjährigen Sängerin Madonna. La Isla bonita ist Spanisch und heißt übersetzt: Die schöne Insel. Schon mal jemanden getroffen, der »Insel« mit Vornamen heißt? Ich nicht! Jedenfalls ist Mama sicher, dass ich mich auf der Insel Ibiza wohlfühlen werde, weil sie mich ja in weiser Voraussicht Insel getauft hat. Logisch, oder?
Ich hocke in meinem Zimmer auf dem rosa Lillifee-Rollkoffer, den mir gestern unsere Nachbarin Kathrin großzügig vermacht hat. Eigentlich stammt er von ihrer siebzehn Jahre alten Tochter Maja, die ihn vor ungefähr zehn Jahren aussortiert hat. Aber da ich keinen eigenen Koffer besitze und ich meine Klamotten schlecht in einer Papiertüte vom Bioladen mit mir herumschleppen kann, hat mir Kathrin den Koffer aus ihrem Keller geholt. Inklusive Pferdeaufklebern, rosa Duft-Radiergummis, Herzchen-Bleistiften und einer pinkfarbenen Haarbürste, die sich noch in der Innentasche vom Rollkoffer befanden. Obwohl ich für dieses Kleine-Mädchen-Zeug definitiv zu alt bin, habe ich Kathrin dankbar umarmt, weil ich mithilfe des Koffers Ordnung halten kann. Zumindest, was meine Klamotten anbelangt. Das erleichtert mich ziemlich. Ich mag nämlich keine Unordnung. Weswegen mein Zimmer auch der einzige Ort in unserer Wohnung ist, in dem nichts herumliegt.
Ich warte auf meinem Koffer, bis Mama ihren ganzen Kram zusammengesucht hat, den sie für Ibiza braucht. Seit heute Morgen um sieben flitzt sie in der Wohnung hin und her und ruft: »Hast du meinen Reisepass gesehen?« Oder: »Weißt du, wo ich die Sonnencreme hingelegt habe?« Außerdem müsste demnächst der »Student« von der Mitfahrzentrale unten an der Haustür klingeln und uns abholen. Mit dem fahren wir nämlich zusammen in die Alpen, um uns die Kosten für den Sprit zu teilen.
Mama rennt mit dem Handy in mein Zimmer. Sie hat noch ihr Schlaf-T-Shirt an und auch sonst ist sie noch nicht fertig. Sie guckt mich gehetzt an und drückt sich das Telefon an die Brust: »Isla-Schatz, der Student von der Mitfahrzentrale verspätet sich übrigens etwas.«
»Was heißt ›etwas‹?«
Aber da ist Mama auch schon wieder draußen und ich höre, wie sie ins Telefon sagt: »Und vergiss nicht, Papa! Isla ist Nichtschwimmerin. Das musst du der Lehrerin sagen, nicht, dass sie im Schwimmunterricht untergluckert ...«
Offenbar telefoniert Mama gerade mit meinem Opa, ihrem Papa. Den ich bisher nur ein einziges Mal in meinem Leben gesehen habe. Und zwar, als ich drei Monate alt war. Danach nie wieder, weil Mama und er sich bei der Gelegenheit dermaßen in die Haare gekriegt haben, dass danach Funkstille war. Soviel ich weiß, hat Opa noch ein paar Male versucht, Kontakt aufzunehmen, aber Mama fand, dass er jetzt mal alleine klarkommen muss. Von wegen »Ich bin nicht seine Babysitterin!«. Was ich nicht ganz verstanden habe. Schließlich ist Opa Mitte siebzig. Jetzt ist Mama jedenfalls der Ansicht, dass Opa sich mal dringend als mein Babysitter betätigen soll, bis Mama die Dinge auf Ibiza geregelt hat. Juhu! Das wird bestimmt richtig langweilig. Mama meint nämlich: »Dein Opa hat leider keine Ahnung vom Leben.«
Im Gegensatz zu Mama. Die hat ziemlich viele Erfahrungen in ihrem Leben gesammelt. Nicht nur gute. »Aber jetzt wird es aufwärts gehen!«, meint sie. Ich bin mir da nicht so sicher. Meine Mutter trifft permanent schlechte Entscheidungen. Sie sagt: »Werd erst mal so alt wie ich! Dann wirst du sehen, wie schwierig es ist, richtige Entscheidungen zu treffen.«
Mit dem Handy am Ohr läuft sie wieder an meiner offenen Zimmertür vorbei und sagt: »Keine Ahnung, warum ich meiner Tochter nicht das Schwimmen beigebracht habe? Vielleicht hatte ich einfach keine Zeit? Vielleicht musste ich Geld verdienen, damit der Kühlschrank voll ist? Ist doch toll, wenn Isla jetzt Schwimmunterricht in der Schule bekommt. Dann kann sie das Seepferdchen machen.«
Für alle, die jetzt denken, dass ich fünf Jahre alt bin: Ich bin es nicht. Ich bin elf Jahre alt und erschütternderweise tatsächlich Nichtschwimmerin. Was, wie schon eben mitgehört, daran liegt, dass meine Mutter keine Lust hatte, mit mir zum Schwimmkurs zu gehen oder es mir selber beizubringen. Ich habe ihr das neulich auch schon mal vorgeworfen, als wir mit der Klasse ins Spaßbad wollten und meine Lehrerin Frau Hase mich aus Sicherheitsgründen nicht mitnehmen wollte. Aber Mama meinte nur zu ihrer Verteidigung: »Für ein Mal Spaßbad willst du schwimmen können? Das lohnt doch überhaupt nicht! Oder siehst du hier sonst noch irgendwo Wasser?«
Rund um Ibiza wird es eine ganze Menge Wasser geben. Ich schätze, spätestens da werde ich ein Schwimmabzeichen brauchen. Das scheint Mama auch gerade klar zu werden, denn sie sagt ins Telefon: »Natürlich ist es mir wichtig, dass Isla schwimmen kann. Aber was soll ich machen? Ich bin eine alleinerziehende Mutter, die sich nun mal nicht um alles kümmern kann.«
Das ist Mamas Entschuldigung für alles. »Ich bin eine alleinerziehende Mutter und kann mich nicht um alles kümmern.« Dabei kümmert sich Mama vor allen Dingen um sich selbst. Dauernd geht es um ihre Probleme, ihre Träume und ihre Selbstverwirklichung. So nennt sie es, wenn sie wieder ein ganzes Wochenende niedergeschlagen im Bett liegt und überlegt, wie sie sich selbst verwirklichen soll. Während einer dieser Phasen ist ihr dann auch der Geistesblitz mit Ibiza gekommen. Ohne es vorher mit mir zu besprechen, hat sie einfach ihre Arbeit im Bioladen gekündigt. Um, wie sie sagt, Fakten zu schaffen!
Bevor ich jetzt auf meinem Lillifee-Koffer schon wieder richtig sauer werde, höre ich besser auf, über Mamas doofe Selbstverwirklichung nachzudenken und stelle mir stattdessen vor, wie ich mit meiner neuen Schulklasse, die ich in den Alpen ersatzweise besuchen werde, Schwimmunterricht habe und die Einzige bin, die noch nicht schwimmen kann. Wer mit elf Jahren noch nicht schwimmen kann, hat richtig verloren.
Entschlossen erhebe ich mich von meinem rosa Kinder-Koffer, ziehe den Reißverschluss auf, hole meinen mit Bananen, Smileys und Palmen verzierten Badeanzug raus, den mir Mama gestern extra noch bei H&M gekauft hat, stopfe ihn zurück in meinen Kleiderschrank und mache den Koffer wieder zu. Leider werde ich am Schwimmunterricht nicht teilnehmen können. So was Dummes! Ich finde es sowieso übertrieben, dass ich bei meinem Opa zur Schule gehen muss. Aber das war seine Bedingung, damit ich nicht so viel verpasse und auf keinen Fall denke, dass es normal ist, die Schule zu schwänzen.
Hundert Stunden später klingelt es an der Tür und ich zucke auf meinem Koffer zusammen, weil ich vor lauter Langeweile eingenickt bin. Mama kommt mit einem Haufen blauer IKEA-Taschen ins Zimmer. Inzwischen hat sie ein bodenlanges, regenbogenfarbenes Sommerkleid an, obwohl es draußen noch ziemlich winterlich ist. »Jetzt aber zackig, Stoppersöckchen! Der Typ von der Mitfahrzentrale ist da. Es geht los!«
Ich rapple mich wieder auf, ziehe meinen Rollkoffer hinter mir her bis zur Zimmertür und drehe mich um. Andächtig lasse ich meinen Blick durch mein persönliches Reich schweifen. Hinüber zu meinem Bett mit der bunten Patchwork-Decke, die Mama und ich letztes Jahr in den Sommerferien auf dem Balkon gemeinsam genäht haben. Solchen Handarbeitskram kann Mama echt gut. Leider kommen wir nur nicht so oft dazu. Was schade ist, weil Mama dann immer total fröhlich wird und sich mit mir unterhält. Sie fragt dann, wie es in der Schule läuft, was ich später mal werden möchte und wen ich zu meinem Geburtstag einladen will. Worüber Mütter und Töchter sich eben so unterhalten. An der Wand über meinem Bett kleben unzählige Selfies von Jana und mir, die wir mit unseren Handys gemacht und bei Rossmann ausgedruckt haben. Beweise für unsere unzerstörbare Freundschaft. Glücklicherweise haben wir schon einen Plan für die Osterferien. Bevor ich für immer nach Ibiza verschwinde, wollen wir noch mal zusammen zu ihrer Oma auf den Bauernhof fahren, Hühner füttern und auf den Ponys reiten. Ich werde Jana echt vermissen. Jetzt und immer.
Bevor mir die Tränen kommen, mache ich schnell die Tür zu und renne im Schweinsgalopp hinter Mama die Treppen runter, auf die windige Straße, wo Benno, der Student, in Kapuzenpulli und Jeans neben seinem Auto steht und mich mit so einem echt freundlichen Grinsen empfängt. Ich sage es gleich: Ich mag den Typen. Der sieht sportlich aus. Als würde der ständig wandern gehen mit seinen roten Wangen und dem hellblonden Haar. Zuerst reicht er Mama die Hand, dann mir. Er sagt: »Ich bin Benno. Toll, dass ihr bei mir mitfahrt.«
Ich grinse und sage: »Find ich auch toll, dass wir mit dir fahren.«
Ich finde es wirklich toll, weil ich eigentlich einen Studenten erwartet hatte, der die ganze Zeit nur nervös in mathematischen Formeln redet oder über anderen komplizierten Hirni-Kram, den keiner versteht. Außerdem bin ich froh, dass Benno hinterm Steuer sitzt. Denn: Es gibt keinen Menschen auf der ganzen Welt, der schlechter Auto fährt als meine Mutter. Und das meine ich nicht böse. Es ist einfach die niederschmetternde Wahrheit.
Jetzt nimmt Benno meiner Mutter die IKEA-Taschen ab und sagt: »Das ist ja mal eine sommerliche Stimmung.« Damit meint er wohl ihr regenbogenfarbenes Kleid mit den Spaghetti-Trägern, das sie mit Badelatschen kombiniert.
»Ich sage immer: Der Sommer beginnt in unseren Herzen!«, erklärt Mama und öffnet schon mal die Beifahrertür, um eilig einzusteigen. Ihr ist wohl trotz Herzenswärme ein bisschen kalt. Ich nehme meinen Koffer und stelle ihn neben mich auf die Rückbank. Benno verstaut die Taschen im Kofferraum und schon geht es los. Bis zum One-World-Café an der Straßenecke. Da fällt Mama ein: »Mist! Wir müssen umdrehen! Ich habe meinen Reisepass auf dem Küchentisch liegen gelassen.«
Hab ich’s nicht gesagt? Meine Mutter ist mit ihren Gedanken immer woanders.
Also wendet Benno und hält wieder vor unserem Haus. Während Mama oben in unserer Wohnung ist, unterhalten wir uns ein bisschen. Benno dreht sich zu mir um. Er hat echt freundliche Augen. Er grinst breit und fragt: »Warst du schon mal in den Alpen?«
Ich schüttle den Kopf: »Nee, nur mal vor hundert Jahren, als Baby. Ich kann mich aber an nichts mehr erinnern.«
»Du wirst die Berge lieben, die Tannen und die frische Luft und nie wieder weg wollen.«
Ich sage: »Wir werden sehen. Ist ja nur ein Besuch bei meinem Opa. Meine Mutter sagt, er hat richtig viele weiße Ziegen.«
»Cool.«
»Er wohnt in einer Holzhütte.«
»Ein echter Alp-Öhi, was?« Benno zieht die Augenbrauen hoch. »Und wie lange bleibt ihr?!«
»Also, nur ich besuche ihn. Für zwei Wochen. Meine Mama fliegt solange nach Ibiza und sucht uns da eine Finca.«
»Auf Ibiza? Eine Finca? Was wollt ihr denn da?«
»Meine Mutter will da ein neues Leben anfangen und Muschelketten entwerfen.«
»Muschelketten?«
Dieser Benno wiederholt alles, was ich sage. So, als würde ich ihm Unglaubliches erzählen.
»Ja, Muschelketten. Mit Muscheln, die wir am Strand suchen. Die will sie dann im Internet verkaufen und reich werden.«
»Okay, klingt nach einem tollen Plan.« Benno guckt mich zweifelnd an, so als ob ich ihm leidtue. Oder als würde er nicht an Mamas Plan glauben.
Ich lächle freundlich und gucke aus dem Fenster, hinter dem meine Mutter aus dem Haus gerannt kommt und zurückzu uns ins Auto springt. »Okay, Leute. Ich hab alles. Wir können los.«
Benno dreht wieder und dann fahren wir noch einmal die Straße mit den winterlich kahlen Bäumen hinunter und plötzlich habe ich das Gefühl, dass ich ewig nicht wiederkommen werde. Dass ich unsere Straße, das Café, den Bäcker und den Spielplatz für lange Zeit zum letzten Mal sehe. Was ja Quatsch ist. In zwei Wochen bin ich wieder da. Zur Sicherheit flüstere ich: »Auf Wiedersehen. Bis ganz bald!« In meinem Hals brennt es trotzdem, als müsste ich vor lauter Heimweh doch gleich losweinen.
»Und? Warst du schon mal auf Ibiza?« Meine Mutter bindet sich ihr langes blondes Haar zu einem Pferdeschwanz und sieht Benno interessiert von der Seite an, der jetzt mit uns über die Autobahn brettert. Über der Landschaft hängt ein grauer nebliger Schleier, als würde es gleich mächtig losregnen. Als meine Mutter mit ihrem Zopf fertig ist, legt sie ihre nackten Füße aufs Armaturenbrett. So, als sei das ihr Auto.
»Leider nicht.« Benno schüttelt seinen Kopf und überholt ein weißes Auto. Er fährt ziemlich schnell. Aber nicht unvorsichtig. Trotzdem habe ich mich erst einmal angeschnallt.
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