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Alle wissen, dass sie auf dieser Seite der Gleise nichts zu suchen hat. Denn hier herrschen IHRE Regeln. Während ihre Eltern mitten in einer dreckigen Scheidung stecken, irrt die 18-jährige Krisjen aus gutem Hause ziellos durchs Leben und vertreibt sich ihre Zeit mit einem der berüchtigten Jaeger-Brüder, die auf der anderen Seite der Kleinstadt – der Bucht – leben. Aber jede:r, einschließlich Krisjen, weiß, dass sie eines Tages einen reichen Mann heiraten wird, der ihr etwas bieten kann. Dennoch fühlt sich Krisjen zu der Bucht und ihren Bewohnern hingezogen. Sie verbringt mehr und mehr Zeit im Jaeger-Haus, und lernt die Brüder nacheinander kennen – und lieben ...
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Text bei Büchern ohne inhaltsrelevante Abbildungen:
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Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Nadine Lipp
© Penelope Douglas 2024
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Five Brothers«, 2024 erschienen bei Berkley, einem Imprint der Penguin Publishing Group, einer Abteilung von Penguin Random House LLC
© everlove, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2025
Redaktion: Antje Steinhäuser
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)
Covergestaltung: zero-media.net, München nach einem Entwurf von Ashlee O’Brien / Ashes & Vellichor
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Cover & Impressum
Widmung
Contentwarnung
Playlist
1 – Krisjen
2 – Krisjen
3 – Iron
4 – Krisjen
5 – Krisjen
6 – Krisjen
7 – Krisjen
8 – Trace
9 – Krisjen
10 – Krisjen
11 – Krisjen
12 – Army
13 – Krisjen
14 – Army
15 – Krisjen
16 – Dallas
17 – Krisjen
18 – Krisjen
19 – Krisjen
20 – Krisjen
21 – Krisjen
22 – Macon
23 – Krisjen
24 – Macon
25 – Krisjen
26 – Macon
27 – Krisjen
28 – Macon
29 – Krisjen
30 – Macon
31 – Krisjen
32 – Macon
33 – Krisjen
34 – Macon
Epilog – Krisjen
Vier Jahre später
Dank
Bonuskapitel
Die Bonusszene findet nach dem Bug Jam statt.
Dallas
Contentwarnung
Anmerkungen
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für 1438 Garfield Avenue
LIEBE LESERINNEN UND LESER,
Dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Um euch das bestmögliche Leseerlebnis zu ermöglichen, findet ihr deshalb am Buchende[1] eine Contentwarnung.
Euer everlove-Team
»Afterlife« von Avenged Sevenfold
»Blood in the Water« von Ayron Jones
»Careless Whisper« von Seether
»Coming Down« von Five Finger Death Punch
»Happy Together« von Filter
»Heron Blue« von Sun Kil Moon
»High Enough« von Damn Yankees
»In the Woods Somewhere« von Hozier
»Raise Hell« von Brandi Carlile
»Shout« von Tears for Fears
»Shout 2000« von Disturbed
»Something in the Way« von MXMS
»Take the World« von She Wants Revenge
»Twist of Fate« von Olivia Newton-John
»Waking Up Beside You« von Stabbing Westward
»Where the River Flows« von Collective Soul
»Whispers in the Hall« von Chromatics
»Your Woman« von GYM
Geh nachts nicht allein durch die Dunkelheit.
Ich greife an den Saum meines karierten Rocks und schaue hinter mich. Die dunkle, leere Straße löst sich in einem schwarzen Nichts auf, das unter dem Blätterdach der Bäume wie ein Tunnel wirkt. Der Mitternachtsmond reflektiert nur so viel Licht, dass die Blätter bläulich wirken, und der Oktoberwind weht mir ein paar Haarsträhnen über die Wange.
Ich schaue wieder nach vorn und gehe weiter. Mein Herz pocht.
Geh nachts nicht allein durch die Dunkelheit.
Ich glaube zwar nicht, dass meine Eltern mir jemals diesen Satz gesagt haben, aber ich habe ihn vollkommen verinnerlicht. Überall auf der Welt lauern Gefahren, wir sind stets dem Risiko ausgesetzt, dass Männer uns wehtun. Sie tun es, weil sie es können, weil wir es ihnen leicht machen.
Es heißt, Frauen sollten nicht zu muskulös sein. Wir sollten nicht zu klug sein und müssten nicht wissen, wie man mit Geld umgeht. Wir bräuchten keinen Orientierungssinn, um uns in einer fremden Stadt, einer Menschenmenge oder am Flughafen zurechtzufinden, und müssten nicht wissen, nach welchen Kriterien man ein Auto aussucht. Wenn ein Mann mit im Auto sitzt, sollte er auch fahren, und die Tischreservierung erfolgt selbstverständlich immer auf seinen Namen.
All das haben mir meine Eltern beigebracht.
Alles im Leben dreht sich um Macht. Sie haben mir zwar nicht gesagt, dass ich keine hätte, aber dass Männer mich lieber mögen, wenn ich sie nicht zeige.
Die Straße ist auf beiden Seiten von Wald umschlossen, und ich spüre, dass da unsichtbare Wesen sind, die sich hinter den Bäumen verstecken und mich beobachten. Es ist, als ob die Gefahr immer weiß, wann wir schutzlos sind, um genau in dem Moment zuzuschlagen. Wie der Serienmörder im Ferienlager immer dann zur Stelle ist, wenn sich ein Mädchen von ihrer Gruppe entfernt hat.
Aber ich habe keine Angst. Ich schaue zum Himmel und erfreue mich an der klaren Nacht und an den hellen Sternen. Ich bin froh, dass ich auf dieser dunklen Straße unterwegs bin, weit entfernt von den Lichtern der Stadt.
In drücke den Saum meines Schulrocks fester; mein Hemd klebt an meiner feuchten Haut, und meine Brüste reiben sich an dem Stoff.
Venus und Jupiter werden in ein paar Monaten sichtbar sein. Ich habe vergessen, welche Konstellationen man zurzeit sehen kann, aber es ist schön, egal, was es ist. Denn in der Hurrikan-Saison ist es in den Küstenstädten Floridas immer bewölkt.
Ich höre den Motor hinter mir nicht.
Plötzlich ruft jemand: »Willst du mitfahren?«
Ich zucke zusammen, mein Herz macht einen Sprung. Ich schaue in die Richtung, aus der die Stimme kommt, und treffe auf grüne Augen, die mich aus einem Truck anstarren. Er fährt näher an mich heran, und ich weiche von der Straße auf den Schotter aus.
Sein Arm hängt über der Tür, sein Oberkörper ist nackt. Jeder Zentimeter Haut, den ich auf seiner Brust, seinem Hals und seinen muskulösen Oberarmen sehe, ist gebräunt.
Er muss draußen arbeiten. Und, wie es aussieht, oft mit nacktem Oberkörper, denn er hat keine hellen Streifen.
Er ist von der anderen Seite der Gleise.
Sein schwarzes Haar steckt unter einem Baseballcap, und seine Augen glänzen auf die Art, die ich inzwischen kenne. Schon lange bevor sie es hätten tun sollen, haben Männer mich so angeschaut.
Ich schlucke. »Nein danke.«
Ich gehe weiter und warte darauf, dass er Gas gibt und weiterfährt, aber er tut es nicht. Die Muskeln in meinen Oberschenkeln spannen sich an, mein Körper bereitet sich darauf vor wegzurennen. Während ich weitergehe, spüre ich seine Blicke auf meinem Rücken.
»Weißt du, was du brauchst?«, fragt er, und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie sein Truck wieder neben mir auftaucht. »Ein Mädchen wie du sollte einen Freund haben.«
Eine Strähne meines kastanienbraunen Haars wird kurz vom Wind aufgewirbelt und fällt mir dann wieder ins Gesicht. Ich nestle weiter an meinem Rock herum, die Enden meines weißen Hemds hängen fast bis zum Saum herunter.
»Jemand, der auf dich aufpasst und dich fährt«, sagt er. »Hättest du gerne einen Mann?«
Seine Worte gehen mir unter die Haut. Ich blicke nach vorn auf die Straße. Dunkelheit und Leere. Keiner weiß, dass ich hier draußen bin.
»Komm her«, sagt er beinahe im Flüsterton.
Mein Mund wird trocken.
Es ist keine Bitte.
Ich höre, wie sich die Autotür knarrend öffnet, und bleibe stehen. Ich drehe mich langsam um und beobachte, wie er aus dem Truck springt.
Lauf.
Er lässt die Tür offen, senkt das Kinn und kommt langsam auf mich zu, als sei ich ein Hund, den er an die Leine nehmen muss, bevor er wegläuft.
Lauf, sage ich mir.
Ich weiche einen Schritt zurück, aber er streckt die Hand aus und fängt die lose Haarsträhne ein.
Er sieht sie aber nicht an. Er sieht mir in die Augen.
Er ist jung. Nicht viel älter als ich, aber definitiv größer. Breiter.
Zu nah.
Ich drehe mich um, aber bevor ich einen Schritt machen kann, packt er mich und zieht mich an seine Brust. Ich schnappe nach Luft und spüre, wie er mit einer Hand meine Brust umschließt und die andere zwischen meine Beine gleiten lässt.
Er atmet in mein Ohr aus und streichelt mich durch den Slip. »Oh, da hast du aber was Leckeres, nicht wahr?«
Er stöhnt.
Ich winde mich und wimmere: »Nein …«
Er greift in meinen Slip und streichelt mich weiter, während er durch die Zähne Luft einsaugt. »Steig in den Wagen.« Er dreht mich herum und lässt mich los, schiebt mich aber zum Auto, bevor ich weglaufen kann. »Jetzt bin ich dein Mann, Kleine«, knurrt er.
Ich schaue zur Seite, aber er schubst mich nach vorn. Die Fahrertür ist offen, also kann ich nicht nach links laufen, und rechts steht er. Ich steige in den Truck und krieche rückwärts auf die Beifahrerseite, bis ich mit dem Rücken gegen die Tür stoße.
Ich greife nach dem Griff hinter mir, aber er verriegelt die Türen, bevor ich die Beifahrertür öffnen kann. Ich ziehe dennoch am Griff, versuche zu fliehen, aber seine Augen sind auf mich gerichtet, während er ins Auto steigt und die Tür zuschlägt. Ich erstarre und spanne meine Oberschenkel an.
Sein Blick wandert meinen Körper hinunter zu meinen Beinen. Mein Rock ist hochgerutscht. Ich ziehe ihn runter.
»Heiliger Bimbam«, murmelt er und bewegt dabei seine Zunge im Mund. Er schaltet den Motor an und gibt Gas.
»Wohin bringst du mich?«
»Irgendwohin, wo ich meiner neuen Freundin ein wenig Aufmerksamkeit schenken kann«, antwortet er.
Seine Augen funkeln, während er auf die Straße schaut. Schweißtropfen laufen ihm über die Brust. Ich beobachte, wie sie über die Wölbungen seines Sixpacks gleiten.
In der Nähe seines Ohrs ist das dunkle Haar noch schwärzer, da es schweißnass ist. Er beißt sich auf die Unterlippe, während er vor sich hin starrt. Ein glatter, junger Nacken. Als er den Arm ausstreckt und das Lenkrad umklammert, sehe ich, dass jeder Muskel angespannt ist. Keine Tattoos. Er hat nur eine Narbe an der Augenbraue, ein kleiner Schlitz, wo kein Haar mehr wächst.
Ich kralle meine Fingernägel in die Sitzlehne.
Ich sollte mich mehr anstrengen, um zu entkommen. Ich sollte ihn schlagen, treten.
Er fährt von der Straße ab, einen Schotterweg hinunter und biegt dann scharf links in ein kleines, von Bäumen umsäumtes Grundstück ein. Hier kommen die Leute her, um mit ihren Quads zu spielen. Überall sind Reifenspuren.
Aber nachts ist der Platz verlassen.
Außer uns ist niemand da.
Er stellt den Motor ab, im Inneren des Trucks wird es fast stockdunkel.
Ich spüre, wie Hände mich an den Knöcheln packen, mich den Sitz entlangziehen, wie er sich zwischen meine Beine kniet und über mich beugt.
»Ich will nach Hause«, sage ich.
Er antwortet nicht.
Er greift mir unter den Rock, streift mir den Slip die Beine runter und starrt auf meine nackte Haut. »Oh, wow, du bist aber eine hübsche kleine Bitch.«
Er schiebt mein Hemd hoch, beugt sich zu mir herunter, nimmt eine Brustwarze in den Mund und saugt daran, während er mich zwischen den Beinen streichelt.
»Mmhm«, stöhnt er.
Ich umklammere sein Handgelenk und versuche, seine Hand unter meinem Rock herauszuziehen, aber seine Muskeln spannen sich unter meinen Fingern an, und die Hand bewegt sich keinen Millimeter von der Stelle. Er fährt mit der Zunge über meinen Nippel, wandert dann zur anderen Brust, und ich winde mich hin und her und versuche, mich zu befreien, aber er beachtet mich nicht, während er sich vergnügt.
Als würde er mich gar nicht sehen.
Als wäre ich hier, um Spaß zu haben.
Er nimmt meine Brustwarze zwischen die Zähne, und es durchfährt mich wie ein Stromstoß bis hinunter zwischen die Beine. Ich lasse seine Hand los und fahre mir mit den Fingern über den Bauch bis zum Rockbund.
»Deine feuchte kleine Pussy ist bereit für mich, nicht wahr?«, gurrt er.
Ja, Baby.
Ich umklammere den Griff des Messers, das in meinem Rockbund versteckt ist, ziehe den Arm hoch und drücke die Klinge an seinen Hals.
Er erstarrt.
Ich spüre mein süffisantes Lächeln.
Sein heißer Atem trifft meine Haut jetzt schneller. Ich hebe den Kopf und fühle mich, als würde ich schweben.
»Runter von mir!«, raunze ich ihn an.
Wow, wie er einfach aufgehört hat! Das war großartig.
Jetzt könnte ich mit ihm machen, was ich will.
Er setzt sich langsam in den Fahrersitz zurück. Ich folge ihm und halte ihm die Klinge an den Hals, während ich mein Bein über seine Oberschenkel gleiten lasse.
Mit gespreizten Beinen setze ich mich auf seinen Schoß. »Hände hoch ans Dach!«, befehle ich.
Er hebt die Arme, atmet immer noch ganz flach und presst die Handflächen ans Autodach.
Das Lenkrad drückt mir in den Rücken, und ich lehne mich an ihn. Meine harten Brustwarzen drücken sich durch mein Hemd gegen seine warme Brust.
Er hält den Atem an, als ich mit meiner freien Hand in seiner Hosentasche krame. Ich ziehe ein paar gefaltete Geldscheine heraus und halte sie hoch, lächle ein wenig, bevor ich sie in meine Hemdtasche stecke.
Ich drücke die Klinge fester an seinen Hals. »Hände hinter den Kopf!«
Er durchbohrt mich mit seinem Blick, aber er tut, was ich sage.
Wahrscheinlich könnte ich jetzt fliehen. Er würde vermutlich nicht nach mir greifen. Oder versuchen, mir das Messer wegzunehmen. Ein Typ wie er – gut aussehend und daran gewöhnt, jede zu haben, die er haben will – denkt wahrscheinlich, dass ich keinen weiteren Ärger wert bin.
Ich könnte gehen.
Aber ich tue es nicht.
Ich bewege mein Becken, rolle ganz langsam über die Beule in seiner Jeans und lasse meine Hand über seine Brust gleiten.
»Wenn ich es mir recht überlege …«, necke ich ihn und knie mich hin, sodass die Brust, die ein bisschen aus meinem Hemd herausragt, auf der Höhe seines Mundes schwebt. »Du bist doch fürs Spaßhaben gemacht, oder etwa nicht?«
Ich drücke mich gegen seinen Mund, und er nimmt die Einladung an, streift mir das Hemd von der Schulter und entblößt eine Brust komplett. Er nimmt sie in den Mund. Seine heiße Zunge leckt und kitzelt so sanft, und ich lege eine Hand in seinen Nacken und halte ihn fest, um sicherzugehen, dass er nicht aufhört.
Ich bücke mich zu ihm runter, küsse seinen Mund und flüstere an seine Lippen: »Öffne deine Jeans und hol ihn raus.«
Ich reibe mich an ihm, keuche und stöhne, während er an seinem Gürtel reißt und seinen Hosenschlitz öffnet.
Er will meine Hüften anfassen, aber ich presse die Klinge fester an seinen Hals. »Fass mich nicht an!«
Er zieht sich zurück, und ich stürze mich auf seinen Mund und spüre, wie sein harter, heißer Schwanz gegen meine Vulva stößt.
Ich starre ihm in die Augen. »Willst du mich immer noch?«, frage ich flüsternd.
Er nickt, sein Mund ist geöffnet, während er schwer atmet. »Ja.«
Ich kreise meine Hüften, will die Erregung steigern, aber er ist schon bereit zu kommen. Er greift hinter mich zum Handschuhfach, und ich küsse seinen Hals und wandere an seiner Wange entlang bis zu seiner Schläfe.
Aber dann wird er still und hält inne, und schließlich höre ich auf, ihn zu küssen.
Als ich hinter mich schaue, sehe ich, dass seine Hand eine Kondomschachtel umklammert. Sie steht auf dem Kopf und wirkt so, als wäre sie leer.
Er wirft sie auf den Boden und durchwühlt den Inhalt des Handschuhfachs auf der Suche nach einem Kondom, das herausgefallen sein muss. Papiere, Servietten und verschiedene Werkzeuge fallen heraus, aber als er aufhört zu wühlen, hat er immer noch nichts gefunden. Nichts.
Er hat keine Kondome.
Ich verkrampfe mich. »Es waren noch zwei übrig«, sage ich.
Er schaut mich bedauernd an und streicht dann noch einmal vergeblich durchs Fach.
Ich lasse meine Arme herunterfallen. »Trace …«
Er schaut hoch, wirft den Kopf in den Nacken und fasst sich mit den Händen ins Haar. »Scheiße«, murmelt er zum Dach.
Mir wird etwas flau im Magen. Wir waren vor drei Tagen zusammen. Da hatte er noch zwei Kondome in der Schachtel. Und seine Brüder benutzen diesen Truck nicht.
Ich versuche, ihm in die Augen zu schauen, aber er sieht mich nicht an. »Im Ernst jetzt?«
Ich warte die Antwort nicht ab, steige von ihm runter, lasse mich auf den Beifahrersitz fallen und lege das Messer ab.
»Komm schon«, sagt Trace mit sanfter Stimme. »Sei mir nicht böse, Krisjen.«
Er greift nach meiner Hand, aber ich ziehe sie weg und knöpfe die oberen Knöpfe meines Hemdes wieder zu, die ich vorhin geöffnet hatte, um auf der dunklen Straße mitten im Nirgendwo wie ein sexy Serienkiller-Köder auszusehen.
Er zögert, aber die Stimmung ist dahin. Er zieht den Reißverschluss seines Hosenschlitzes zu und schnallt den Gürtel fest, und unser kleines Rollenspiel wechselt zurück in die Realität. Ich bin wieder achtzehn, habe gerade meinen Abschluss gemacht und gehe nicht mehr auf die katholische Schule, und er ist zwanzig und versucht, sich eine der besten Freundinnen seiner Schwester nicht zum Feind zu machen, denn er weiß, dass er mir im Leben noch oft über den Weg laufen wird.
»Bitte mach mir kein schlechtes Gewissen«, sagt er leise. »Ich bin nicht davon ausgegangen, dass du nur mit mir zusammen bist. Du bist doch nicht in mich verliebt, oder? Ich bin ein Idiot.«
Ich schließe die Augen, muss aber beinahe lachen, denn er ist tatsächlich ein Idiot.
Und ich bin nicht in ihn verliebt.
Aber jetzt kann ich mich nicht mehr selbst belügen. Ich bin absolut nichts Besonderes für ihn. Wahrscheinlich bin ich nur die Einzige, die heute Abend auf seine Textnachricht geantwortet hat.
Aber ich mag ihn. Er lässt sich auf meine Rollenspielfantasien ein, in denen ich jemanden überwältige, der versucht, mich zu überwältigen.
Ich neige den Kopf und reibe mir die müden Augen.
»Krisjen, komm schon.« Er nimmt meine Hand. »Es tut mir leid. Ich habe nicht gedacht, dass es ernst ist mit uns.«
»Du musst dich nicht entschuldigen«, sage ich und ziehe meine Hand zurück. Dadurch fühle ich mich nur noch erbärmlicher. »Du hast recht. Wir werden nicht heiraten.«
Ich schaue ihm in die Augen und spreche seinen Namen in meinem Kopf aus. Trace Jaeger.
Und Milo Price. Mein Ex-Freund. Die beiden Männer, mit denen ich geschlafen habe.
Ich dachte immer, es würde nur einer sein. Als ich zwölf war, stellte ich mir die wahre Liebe so vor: Mein Kleid weht im Wind, während ich auf Klippen am Meer stehe und leidenschaftlich geküsst werde. Er ist Dichter. Und dann stellt sich heraus, dass er ein Duke ist. Und ein Schloss besitzt. Ich habe wirklich an diese Fantasie geglaubt, denn ich hatte hochfliegende Ideen und war verzweifelt auf der Suche nach Aufmerksamkeit.
Aber so ist es nicht gekommen. Ich war in der zehnten Klasse und mit ein paar Freunden zum Abschlussball eingeladen. Der Abend endete auf einer Party, wo mich mein Freund auf dem Bett eines Fremden entjungfert hat, und nach elf Minuten war alles vorbei.
Ich habe mit zwei Männern geschlafen.
Und es wird noch andere geben.
Trace wird nicht der Letzte sein.
»Es wird andere Männer geben, die das tun werden, was du mit mir tust«, murmele ich.
»Genauso wie ich?«
»Wahrscheinlich härter.«
Er schnaubt und lehnt sich in seinem Sitz zurück. »Du weißt, dass du immer noch zu mir kommen kannst, wenn du in fünf oder zehn Jahren eine Pause von deinem Ehemann brauchst. Wenn du es mal gut und dirty brauchst.«
Er versucht, mich zum Lächeln zu bringen, aber ich lächle nicht. Stattdessen schaue ich aus dem Fenster. In zehn Jahren … Werde ich ihn dann immer noch brauchen, um mich lebendig zu fühlen?
Ein Bild blitzt in meinem Kopf auf, und fast sofort wird mir klar, dass es nicht meine Mutter ist, die ich da sehe. Ich bin es. Mit ihrem Haar. In ihren Klamotten. In ihrem Leben.
Er versucht, meine Hand zu nehmen. »Komm her.«
Ich wehre mich.
»Komm her«, flüstert er.
Aber ich ziehe vorsichtig meine Hand weg.
Trace ist ein Menschenfreund. Er hasst es, wenn jemand sauer auf ihn ist. Das kommt daher, dass er jahrelang mit vier älteren Brüdern klarkommen musste, die alle Tornado-Typen sind.
Macon, Army, Iron und Dallas.
Seine Schwester Liv ist mit meiner besten Freundin Clay zusammen, aber Liv ist im Vergleich zum Rest des Jaeger-Clans ziemlich ruhig. Das kommt sicher auch daher, dass sie jahrelang mit fünf älteren Brüdern klarkommen musste, die alle Tornado-Typen sind. Aber sie liebt sie alle.
Ihre Eltern sind vor acht Jahren im Abstand von zwei Monaten gestorben. Der älteste Bruder, Macon, war gezwungen, seinen Job beim Militär aufzugeben und nach Hause zu kommen, um seine Geschwister großzuziehen. Trace kann sich fast nur an seine älteren Brüder erinnern.
»Wir könnten was trinken gehen«, sagt er. »Du hast ja mein Geld.«
»Du meinst, dein Taschengeld?« Ich ziehe die gefalteten Scheine aus meiner Brusttasche, ein Zwanziger außen, und wie ich ihn kenne, ist es innen wahrscheinlich ein Ein-Dollar-Schein. Ich gebe sie ihm zurück und ziehe meinen Slip wieder an.
Er schiebt die Scheine zurück in seine Hosentasche. »Ich bin ein Mann, der seinen Lebensunterhalt selbst verdient, danke.«
Mmhm. »Ich gehe nicht mit dir aus, nur weil du Schuldgefühle hast.«
»Ich bin auch noch für Sex zu haben«, fügt er hinzu und zeigt sein bezauberndes Lächeln. »Ich meine, das war alles deine Idee, und du hast mich ganz schön angetörnt.« Er deutet auf den Steifen in seiner Jeans. »Der Teil, wo du mich ausgeraubt hast, war ziemlich heiß.«
Ich erzwinge ein Stirnrunzeln, aber nur, weil ich wütend auf mich bin, weil mir eigentlich zum Lächeln zumute ist. Er gibt sich große Mühe, mich aufzumuntern, und aus irgendeinem Grund verspüre ich den Drang, ihn wissen zu lassen, dass seine Bemühungen gewürdigt werden.
Auch ich möchte Menschen gefallen.
»Ich habe versucht, so stark zu sein wie deine Schwester und wie Clay«, murmele ich scherzhaft.
Ich dachte, es gelingt mir, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.
Er berührt mein Gesicht. »Ich bin froh, dass du nicht aggressiv bist«, sagt er leise. »Ich mag es, dass du sanft mit Menschen umgehst. Bleib so.«
Es ist nett, dass er das sagt, aber sanft zu sein, bringt mir nichts. Es macht mich nur zu einem leichten Opfer.
»Ändere dich nicht, okay?«
Ja, okay. Wie auch immer.
»Fahr mich einfach zu dir nach Hause.« Ich schiebe meine Ärmel hoch und schnalle mich an. »Ich muss mein Auto abholen.«
»Krisjen …«
»Es ist in Ordnung, Trace.« Ich schaue ihn nicht an. »Wir sind kein Paar. Das waren wir nie.«
Ich habe mich selbst belogen. Ich habe es mir selbst angetan.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich für ihn von Anfang an ein Booty Call war. Eines Abends im letzten Frühjahr bin ich Clay über die Gleise nach Sanoa Bay gefolgt, die ursprüngliche Siedlung von St. Carmen.
Offiziell sind wir jetzt ein Ort, St. Carmen, aber die Leute in der Bay, wo Trace und seine Familie leben, hören das nicht gern. Sie hängen sehr an ihrem Land und wollen unabhängig bleiben.
Sie sind wild.
Wir verstecken alles.
Sie sind arm.
Wir sind es nicht.
Sie sind die Swamps, die aus dem Sumpfgebiet.
Wir sind die Saints, die Heiligen.
Clay hat sich in Liv verliebt, das böse Mädchen aus dem falschen Viertel, und ich bin mit einem der Brüder dieses bösen Mädchens dem Laster verfallen.
Aber es war nie so eine Liebe wie bei Liv und Clay. Sobald ich sein Bett verlasse, denkt Trace nicht mehr an mich, und wenn ich ehrlich bin, denke ich auch nicht viel an mich.
Er startet den Motor, und gleich darauf fährt er auf die Straße und nach links in Richtung der Swamps.
Wir fahren an den Toren meines Hauses vorbei, und ich sehe, dass die Lichter im Obergeschoss noch aus sind, bevor Trace nach rechts auf die dunkle Straße abbiegt und dann noch einmal nach links über die Brücke und die Marsch.
Ich nehme mein Handy und schreibe meinem Bruder.
Bin auf dem Weg in die Bay, mein Auto holen. Bin bald zurück.
Marshall ist fast dreizehn, aber er hat ständig seine Kopfhörer auf. Er wird Paisleigh nicht hören, wenn sie aufwacht.
Eine Nachricht kommt rein.
Woher wusstest du, dass ich das alte iPad habe?
Ich lache in mich hinein.
Weil du schlau bist, wie ich.
Ich habe alle seine technischen Geräte mitgenommen, als ich die beiden vor zwei Stunden ins Bett gebracht habe, aber ich habe nicht nach dem einen Gerät gefragt, von dem er dachte, es sei noch ein Geheimnis. Vielleicht hätte ich das tun sollen. Wenn meine Eltern strenger mit meinen Schlafenszeiten gewesen wären, wäre ich jetzt vielleicht auf dem College wie alle meine Freundinnen.
Aber ich weiß auch, dass Mars tun wird, was er tun will. Ich bin streng genug, damit er weiß, dass es mir wichtig ist, dass er genug schläft, aber nicht so streng, dass er nur noch lernt, sich vor mir zu verstecken. Es wird größere Kämpfe geben als iPads und Handys.
Wenn er so ist wie ich.
Ich hab dich lieb. Gib Jason einen Kuss von mir.
Lass mein Kissen in Ruhe.
Ich lache laut auf und sehe aus den Augenwinkeln, dass Trace mich ansieht. Mein Bruder hat ein Kissen mit einem Fotoaufdruck von Jason Momoa. Es ist ein gut aussehendes Kissen.
Mein Handy vibriert.
Schöne Blumen übrigens.
Mom hat sie aus dem Müll geholt.
Und ich habe sie sofort wieder reingeworfen.
Gute Nacht. Schlaf gut. Hab dich lieb.
Ich stecke mein Handy wieder in die Tasche und drehe die Lautstärke des Autoradios auf, während Trace mich von den weißen Rosen im Müll vor meinem Haus wegfährt.
Ich liebe es, Blumen zu bekommen, aber nicht von fremden Männern.
Ich bin kurz davor, meinem Vater und meinen Großeltern mitzuteilen, dass meine Mutter versucht, mich zu verheiraten, aber ich bin mir nicht sicher, ob es sie interessieren würde.
Und meinen Vater werde ich um nichts bitten. Er will seine Familie nicht unterstützen, also glaube ich nicht, dass es ihm etwas ausmacht, dass meine Mutter stattdessen versucht, einen Weg zu finden, mich mit einem reichen Mann zu verheiraten.
Regentropfen besprenkeln die Windschutzscheibe, aber ich öffne mein Fenster und rieche den Wind. Die sanften Lichter von St. Carmen und der weiche Schein der Gaslaternen auf der Main Street verschwinden in meinem Seitenspiegel, als Trace die Überführung verlässt. Wir hüpfen über die Gleise, und unter den Reifen wird es steinig und laut, während der Truck in die wilde Landschaft der Bay eintaucht.
In alten Hütten, die schon seit hundert Jahren hier stehen, gibt es das beste Gumbo der Gegend und frische Meeresfrüchte, und wir fahren an ungepflegten Grundstücken vorbei, wo die dunklen Veranden und versteckten Häuser aus dem Gestrüpp lugen.
Ich reibe meine Hände in meinem Schoß.
Es gibt einen Teil von mir, der schläft, bis ich hier ankomme. Vielleicht ist es die Hitze, die hier ein bisschen stärker ist, oder vielleicht ist es das Land, chaotisch und überwuchert, als ob die Bäume versuchen würden, es sich zurückzuholen.
Hunderte Jahre lang haben Seminolen und Spanier Ansprüche an dieses Land erhoben, darum gekämpft, darauf gelebt, Krieg geführt und schließlich darauf gebaut.
Und als mehr Europäer kamen und den Sumpf und die schöne Aussicht auf das Meer haben wollten, wurde die Bay zu einer Nation für sich, zu einer Mauer gegen die Welt.
Gemeinschaften hören mit der Zeit auf zusammenzuarbeiten, wenn sie es nicht mehr müssen, aber die Bay ist einzigartig. Nach fünfhundert Jahren kämpfen sie immer noch ums Überleben. Dieses eine gemeinsame Ziel hat sie zusammengeschweißt.
In St. Carmen kann es auch leidenschaftlich zugehen, aber es ist nicht annähernd so unterhaltsam.
Trace fährt die unbefestigte Straße runter, vorbei an ein paar Häusern und Geschäften auf der Hauptstraße, wendet dann und hält vor seinem Haus an. Ein halbes Dutzend Trucks und andere Fahrzeuge sind draußen geparkt, im Erdgeschoss brennt Licht.
Wir steigen aus, und ich werfe einen Blick zum Zaun und sehe, dass mein Rover immer noch dort steht, wo ich ihn abgestellt habe.
»Verdammter Mistkerl!«, brüllt jemand im Haus. »Ich hätte zerfetzt werden können!«
Ich atme tief ein. Iron Jaeger. Einer von Trace’ älteren Brüdern. Ich erkenne seine Stimme, indem ich ein Ausschlussverfahren anwende. Er ist der Einzige, den ich selten schreien höre, und ich kenne die Stimmen aller anderen. Wenn es Macon wäre, der älteste, würde ich mich wahrscheinlich einfach umdrehen und gehen.
Junge Männer stürmen aus der Haustür, rennen den Gehweg hinunter und auf die regnerische Schotterstraße hinaus. Ihre Freundinnen warten bei den Autos, lachen und schützen sich vor dem Regen.
Drinnen dröhnt Musik und lässt das Haus vibrieren, während die Seminolen-Flagge über dem Garagentor weht. Efeu und Moos klettern über den altrosa Putz des verfallenen spanischen Herrenhauses im Missionsstil, und ich atme beherzt ein, denn hier kann man die Luft essen.
Als ich durch den Bogen der schweren hölzernen Eingangstür trete, höre ich, wie einer der Fensterläden im ersten oder zweiten Stock gegen die Hausfront schlägt. Schreie durchdringen die Luft, und ich zucke zusammen, als weitere Menschen auf mich zustürmen.
Ich springe hoch, und Trace zieht mich in seine Arme und aus dem Weg. Die Musik bricht ab, während sich die Leute an mir vorbei zur Tür hinauszwängen.
»Was zum Teufel ist hier los?«, frage ich.
Army Jaeger, der Zweitälteste, antwortet: »Ein Alligator ist in den Pool geschlittert.«
Er zieht sich ein T-Shirt über. Sein schwarzes Haar ist nass, Wassertropfen gleiten über das riesige Kraken-Tattoo, das sich über seine Schulter und auf die linke Seite seiner Brust zieht. Ich dachte immer, er trüge selten ein T-Shirt, weil er weiß, wie gut er ohne aussieht, aber schließlich habe ich herausgefunden, dass er einfach Zeit sparen will. Nicht genug, dass seine Brüder ihm eine Menge Ärger machen, er muss sich auch um seinen kleinen Sohn kümmern. Mit achtundzwanzig ist er der einzige, der ein Kind hat.
»Iron ist reingefallen, als wir versucht haben, ihn herauszuziehen«, fügt er hinzu.
Natürlich ist er das. Einer der Jaeger-Brüder steht immer kurz davor, getötet zu werden.
»Geht es allen gut?«, frage ich.
Aber er winkt nur ab und holt einen Baseballschläger hinter der Garderobe hervor. Sein kurzes dunkel gewelltes Haar glänzt. »Ja, haltet einfach die Augen offen. Wir haben ihn verloren, aber er könnte noch hier sein. Wir werden ihn suchen.«
Großartig. Ich schaue zu Iron und sehe, wie er ein Bier kippt. Seine Muskeln sind angespannt und die Kleidung klatschnass. Sein schwarzes Haar ist zurückgekämmt. Er hat es diesen Sommer wachsen lassen, und er ist immer noch gut gebräunt. Seine Halsader wölbt sich unter einem Tattoo.
Aber dann tritt ein anderer Jaeger vor. »Toll«, sagt Dallas in einem abfälligen Ton. »Trace ruft, und du kommst angerannt.«
Dallas’ grüne Augen sehen mich immer an, als würde er sich vorstellen, ich stünde in Flammen.
Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Überreste der Party und den Schaden im Wohnzimmer. »Wir sind mit dem Auto gefahren.«
Trace gluckst und wirft seinem Bruder eine Taschenlampe zu. »Sei vorsichtig.«
Dallas nimmt sie, schiebt sein Haar zurück und setzt sich ein Cap auf. Er ist ein Jahr älter als Trace. Einundzwanzig. Und er mag mich nicht.
Er mag mich überhaupt nicht.
Army, Iron, Dallas und Trace. Das sind vier.
Armys kleiner Sohn Dex brüllt oben.
»Warum ist das Kind noch wach?«, ruft Dallas wütend.
»Weil ihr alle verdammt noch mal zu laut seid!«, bellt Army zurück und geht zur Tür hinaus.
Ein Mädchen ruft ihm nach. »Army, im Ernst jetzt? Soll ich in Livs altem Zimmer warten, oder was?«
Ich schaue auf den hochgebundenen halben Pferdeschwanz und den knallroten Lippenstift, der zu ihrem engen Rock und der Bluse passt. Ich verschränke die Arme vor der Brust, um den Farbfleck zu verdecken, der daher stammt, dass ich heute Abend Paisleigh mit ihrer Aufgabe für Kunst geholfen habe.
Aber Army sagt ihr nur: »Bleib aus dem Zimmer meiner Schwester raus.«
Er stürmt mit Dallas aus der Tür, Iron will ihnen folgen, trinkt aber erst sein Bier aus.
»Wie geht es dir?«, frage ich ihn.
Er sieht mich nicht an, schüttelt nur den Kopf und seufzt, als er das Bier abstellt.
Mein Großvater ist der Bezirksrichter, der Iron immer wieder wegen dem einen oder anderen Delikt in seinem Gerichtssaal begrüßt. Einbruch, Diebstahl und seit Neuestem … Körperverletzung. Iron liebt es, seine Fäuste sprechen zu lassen. Mit seinen vierundzwanzig Jahren ist er dieser Art der Kommunikation immer noch nicht entwachsen.
In diesem Sommer hat ihn das Glück verlassen. Seine letzte Verhaftung hat zu einer Kaution, einem Gerichtstermin und schließlich zu einer Vereinbarung im Strafprozess geführt. Er wird seine Haftstrafe absitzen. In einer Woche muss er ins Gefängnis.
Ich bin nicht daran schuld, aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht in seinem Haus sein sollte.
»Iron, kommst du?«, ruft Dallas.
Iron wirft mir einen Blick zu, seine Augen werden weicher, der Anflug eines Lächelns liegt darin. Am Hals hat er das Tattoo einer Sanduhr mit einer Schlange, am restlichen Körper hat er weitere Tattoos. Ich habe nie genau hingesehen, aber ich weiß, dass er eine Palme mit den Längen- und Breitengraden von Sanoa Bay auf seinem Unterarm und einen riesigen Alligator unten links auf dem Rücken hat.
Er zuckt mit den Schultern. »Ich schätze, ich habe nichts Besseres zu tun, oder?«
Ich lächle halb zurück, denn ich mochte ihn schon immer. Vielleicht sogar mehr als Trace. Iron ist ganz anders, wenn es um Frauen und Kinder geht. Ich habe einmal gesehen, wie er sein Motorrad angehalten, die Einkäufe einer alten Dame in seine Satteltaschen gepackt und sie ihr vors Haus gefahren hat. Es war lustig, weil sie zuerst gedacht hat, er würde sie stehlen, und sie hat versucht, ihn zu schlagen. Jetzt duzen sie sich, und sie lässt ihn ab und zu ihren Mann und seinen Rollstuhl zur Physiotherapie fahren. Nicht auf dem Motorrad, versteht sich.
Draußen heulen Motoren auf, als Iron, Dallas und Army losfahren. Trace bleibt zurück, und ich habe keine Ahnung, wo Macon ist, aber die Garagenwerkstatt war geschlossen, als ich hier ankam. Wenn er zu Hause ist, dann hält er sich immer dort auf.
Keine Eltern.
Nur fünf Brüder.
Alle in einem Haus.
Ich glaube, ein paar von ihnen würden schon ausziehen wollen, aber sie wüssten nicht, was sie tagtäglich ohneeinander tun sollten.
»Magst du was trinken?«
Ich sehe Trace an, der die Deckel von zwei Flaschen Bier abdreht. Auf seiner Haut ruht die von einer Schlange umwickelte Sanduhr. Sie ist aus Metall geschmiedet und mit drei dünnen Lederbändern um sein rechtes Handgelenk befestigt. Alle Brüder tragen das gleiche Armband. Es ist das Familienwappen der Tryst Six, wie sie sich nennen. Tryst nach ihrer Mutter und Six, weil sie sechs Kinder sind. Ich weiß nicht, wer sich den Namen ausgedacht hat. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es nicht selbst waren.
Trace hält mir eine Flasche hin. Ich hasse Bier. Ich bin mir sicher, dass ich ihm das irgendwann schon mal gesagt habe. »Wo ist mein Schlüssel?«, frage ich.
»Du weißt, wo er ist.«
Er hält eine Flasche in jeder Hand und nimmt einen langen Schluck.
Ich blinzle ihn an. »Würdest du ihn bitte holen? Wie ein Gentleman?«
Das letzte Mal, dass ich hier war, sind wir mit ihrem Boot rausgefahren, und er hat mich dann direkt nach Hause gefahren. Jetzt brauche ich mein Auto zurück.
Aber er scherzt nur: »Vielleicht hast du noch andere Sachen vergessen. Kannst ja mal nachgucken.«
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und durchschaue seinen Trick, mich in sein Zimmer zu locken. Ich gehe die Treppe hoch. »Etwa meinen Vibrator?«, knurre ich. »Ich habe ihn hier häufiger benutzt als bei mir zu Hause.«
»Autsch, wie gemein!«
Er läuft hinter mir die Treppe hoch, und ich behalte mein Lachen für mich. Ich bin nicht oft mit Trace gekommen, aber um ehrlich zu sein, habe ich das auch nicht erwartet.
Ich glaube auch nicht, dass er sich besonders angestrengt hat.
Ich habe irgendwo gelesen, dass die meisten Frauen durch Penetration allein nicht zum Orgasmus kommen, und so habe ich angenommen, dass ich zu dieser Mehrheit gehöre.
Manchmal habe ich ihn dazu gebracht, langsamer zu werden, damit ich mich selbst zum Höhepunkt bringen konnte. Ich habe meinen Vibrator also tatsächlich oft benutzt, als ich hier war.
Aber er küsst gut. Ihn zu berühren und ihm nahe zu sein, hat sich gut angefühlt, und ich konnte meine Probleme vergessen, wenn ich ihn gespürt habe.
Zumindest für eine Weile.
Oben angekommen, gehe ich an der geschlossenen Zimmertür seiner Schwester vorbei und lächle, denn ich weiß, dass ich sie in ein paar Wochen wiedersehen werde, wenn sie zu Thanksgiving nach Hause kommt. Das Bad und Macons Zimmer sind auf der rechten Seite. Seine Tür ist ebenfalls geschlossen. Irons und Dallas’ Zimmer liegen vor mir, links von Trace’ Zimmer.
Armys Zimmer ist geschlossen, sein Sohn schreit nicht mehr, und ganz hinten in der Ecke befindet sich noch eine Tür, die immer geschlossen ist. Ich habe noch nie jemanden dort hinein- oder hinausgehen sehen.
»Warum wolltest du nicht zur Party kommen?«, fragt Trace und folgt mir in sein Zimmer, während ich direkt zu seinem Schreibtisch gehe, der ein Abladeplatz für alles Mögliche ist.
Ich hebe verschiedene Sachen hoch und suche nach meinem Autoschlüssel. »Du meinst, die von heute und im Gegensatz zu der von gestern?«
Ich schaue kurz in seine grünen Augen und sehe, wie er lächelt. Ich wende meinen Blick ab und spüre dieses vertraute Flattern im Bauch. Dieses einfache Lächeln war alles, was es gebraucht hat, damit es zu unserem One-Night-Stand vor sechs Monaten gekommen ist.
»Du bist nicht das Einzige, was ich im Leben zu tun habe, Trace.«
Unten schlagen die Türen zu, das Haus wird leiser, und die Motorengeräusche entfernen sich.
»Oh, kommen Sie, Miss Conroy.« Er stellt eine Bierflasche ab, stellt sich hinter mich und legt eine Hand auf meine Taille. »Sie lieben es, ins Dienstbotenhaus zu kommen, um sich bedienen zu lassen.«
Ich schüttle den Kopf, hebe einen Werkzeugkasten hoch und ziehe ein verschmiertes Autoteil heraus. »Du brauchst mich nicht«, sage ich. »Es gibt genug Mädchen, die in deinem Haus rumhängen.«
Ich werfe einen Blick auf das zerwühlte Bett.
Er schmiegt sich an mein Ohr. »Ich stelle mir gerne vor, wie ich dich die nächsten fünfzig Jahre in der Stadt sehen werde, wie du vorgibst, eine süße, brave Südstaatenfrau zu sein, und ich weiß, wie du aussiehst, wenn du unter mir liegst. Ich werde dich sehen. Du wirst mich sehen«, stichelt er. »Wir werden lächeln, wenn wir auf dem Bürgersteig aneinander vorbeigehen und uns erinnern. Die Uhr tickt, Conroy. Du solltest dich amüsieren, solange du noch kannst.«
In seiner zwanzigjährigen Stimme liegt eine Unbeschwertheit, die ich liebe, die mich aber auch immer innehalten lässt. Er ist nie ernst, und nach sechs Monaten, in denen wir miteinander gespielt haben, habe ich langsam den Verdacht, dass das Absicht ist.
Ich höre auf, nach meinem Schlüssel zu suchen. »Du weißt, dass ich nicht so über dich denke, oder? Als einen Diener.«
Seine Familie hat zurzeit mehr Geld als meine. Meine Eltern sind in einen Scheidungsstreit verwickelt, und während sie den ausfechten, zahlt mein Vater uns kein Geld. Die Jaegers hingegen sind wahrscheinlich gar nicht so arm, wie sie gerne vorgeben.
Aber Trace stichelt nur: »Schhhh … schhhh … Mach die Fantasie nicht kaputt.«
Ich entdecke meinen Schlüssel auf dem Nachttisch, schnappe ihn mir und drehe mich zu ihm um. »Ich fahre nach Hause.«
»Kommst du mal wieder?«
Die Frage überrumpelt mich.
Nein.
Ich werde nicht wiederkommen.
Hier gibt es nichts, das gut für mich ist, und es wird Zeit, dass ich meinen Arsch in Bewegung setze. Ich brauche Pläne. Eine Richtung. Vielleicht gehe ich doch aufs College.
Aber eigentlich habe ich keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen will.
Ich wollte nie Anwältin, Börsenmaklerin oder Vorstandsvorsitzende werden.
Alles, was ich je wollte, war, morgens gerne aufzuwachen und dazu beizutragen, dass das Leben von jemandem besser wird.
Und ich will einen Mann, der mich auf Händen trägt.
Nichts davon werde ich in Trace’ Zimmer finden.
»Vielleicht sehen wir uns ja in der Stadt.« Ich lächle leicht. »In den nächsten fünfzig Jahren.«
Er umklammert mein Gesicht mit beiden Händen, seine Nase streift beinahe meine. »Du brauchst noch eine gute Erinnerung, von der du jahrzehntelang zehren kannst.«
Ich ziehe meinen Mund weg und will mich aus seinem Griff befreien, als jemand an die Tür klopft. »Trace?«
Es ist die Stimme einer Frau.
Die Tür öffnet sich, und ich schaue um ihn herum, während er mich loslässt. Eine brünette Frau späht ins Zimmer. Ich glaube, ich habe sie unten mit Armys Date gesehen. Ich meine, sie heißt Carissa.
Sie sieht mich, lächelt und beißt sich auf die Unterlippe. »Braucht ihr etwas?«, fragt sie uns.
Ich starre sie an. Brauchen wir etwas?
Warum sollte …?
Ich drehe mich zu ihm um, aber er sieht mich nur an.Er beugt sich runter, legt seine Hände links und rechts von mir auf den Schreibtisch und nähert sich meinem Gesicht. »Sag ihr, dass ich heute Abend dir gehöre«, sagt er.
Wie bitte?
Es dauert etwa eineinhalb Sekunden, bis ich merke, dass sie sein Ersatzplan ist. Ich stoße ihn weg und gehe zur Tür.
Oh Gott. Wenn ich ihn also nicht nehme, wird sie es tun?
Ich reiße die Tür auf, und das Mädchen springt mir aus dem Weg. »Du kannst bleiben«, sagt sie. »Wir können zusammen spielen.«
»Dafür ist Krisjen nicht mutig genug«, sagt Trace, als ob ich nicht da wäre. »Oder täusche ich mich?«
Ich lasse mich nicht von ihm ködern. »Doch, das bin ich.« Ich werfe ihm einen Blick zu. »Vielleicht werde ich das eines Tages tun. Ich werde es nur nicht mit dir tun.«
Und ich gehe hinaus und knalle die Tür hinter mir zu.
Scheißtyp. Ich bin fast versucht, seine Schwester anzurufen und ihn zu verpfeifen, aber sie wäre nicht überrascht, und außerdem habe ich noch etwas Stolz übrig.
So oder so liebt sie ihn abgöttisch.
Trace zieht sich immer aus der Verantwortung, aber im Gegensatz zu Milo war er dabei nett. Er war nicht sehr rücksichtsvoll, aber ich hatte nicht ein einziges Mal den Eindruck, dass es etwas Persönliches war. Ich habe ihn nicht geliebt, also habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht.
Aber das jetzt war persönlich. Mir ist klar, dass er mich nicht vermissen würde, wenn es zwischen uns vorbei ist, aber es ist nicht seine Art, mir so etwas unter die Nase zu reiben.
Der Regen prasselt an die Fensterscheiben, und ich gehe die Treppe hinunter. Das Haus ist still und dunkel, draußen zucken Blitze. Ich umklammere den Autoschlüssel fest und öffne die Haustür. Ich mache einen Schritt hinaus, bleibe aber sofort stehen, weil ich mich an den Alligator erinnere.
Ich schaue mich um, scanne den Hof und die unbefestigte Straße jenseits des Zauns ab, entdecke die Lichter der Feuerwache nebenan und die der Werkstatt auf der anderen Straßenseite. Aus der Bar zu meiner Linken dröhnt Musik. Aber die meisten Autos sind weggefahren, und ich sehe nichts und niemanden draußen.
Es wäre mir lieb, wenn mich jemand zum Auto begleiten würde, aber ich werde Trace nicht um Hilfe bitten. Ich springe auf den Hof hinaus, ziehe die Tür hinter mir zu und renne zum Auto. Regentropfen fallen mir auf den Kopf, als ich es umrunde, und noch bevor ich die Türen entriegle, weiß ich, dass etwas nicht stimmt. Das Auto steht nicht gerade. Ich schaue auf den Vorderreifen auf der Fahrerseite und sehe, dass er platt ist. Im Gummi prangt ein Loch. Ein Loch, schlicht und einfach.
Ich lasse meinen Kopf in den Nacken fallen und knurre. »Aargh!«
Verdammt noch mal, Aracely! Was soll das?! Sie ist nicht einmal an Trace interessiert. Was habe ich ihr nur angetan?
Ich bin mir sicher, dass sie es war. Sie hat in diesem Sommer das Gleiche mit meiner Freundin Amy gemacht, was ich gut fand, weil Amy mit Dallas und Iron zusammen war. Beides Ex-Freunde von Aracely.
Ich kann mir vorstellen, dass sie sich darüber aufregt, dass eine aus St. Carmen hier übernachtet. Und sich mit ihren Männern amüsiert (wie sie es sehen würde). Aber mit Trace war sie nie zusammen. Und ich dachte, sie mag mich.
Ich schätze, sie hat sich gedacht, sie toleriert mich, bis ich aufs College gehe, und da ich das nicht getan habe, lässt sie mich jetzt wissen, dass meine Zeit abgelaufen ist.
Der Wind frischt auf, und der Regen fällt seitlich. Ich steige ins Auto und hole mein Handy hervor.
Ich rufe beim Abschleppdienst in der Maker Street an, aber es geht keiner ran. Ich lege auf und versuche es noch einmal. Voicemail.
Ich drücke auf Clays Nummer, breche aber ab. Sie hat heute Abend gearbeitet. Und morgen hat sie Unterricht.
Ich scrolle durch meine Kontakte. Mom, Dad …
Milo würde kommen und mich abholen. Ganz sicher. Sie würden alle kommen und mich abholen, aber sie können mich alle mal. Kann ich mit einem platten Reifen fahren?
Ich glaube, das schadet den Felgen oder so, aber ich drücke den Knopf und starte den Motor. Ich schalte in den Fahrmodus, gebe Gas, falle nach vorne und stütze mich mit beiden Händen am Lenkrad ab. »Verdammt«, platzt es aus mir heraus.
Ich schalte den Motor ab, springe wieder in den Regen, laufe ums Auto herum und stelle fest, dass auch der hintere Reifen auf der Beifahrerseite platt ist.
Ich werfe meine Arme in Richtung Himmel. »Mein Gott, Aracely! Willst du, dass ich gehe, oder willst du mich hier festhalten?«, rufe ich auf die leere Straße hinaus und stelle mir vor, wie sie das alles vom Wald aus beobachtet.
Verdammt noch mal!
Ich schließe das Auto ab und laufe zurück ins Haus und die Treppe hinauf. Als ich die Tür zu Livs Zimmer aufreiße, sehe ich jemanden auf dem Bett schlafen und bleibe stehen.
Mit dem Gesicht nach unten und nacktem Oberkörper … Ich habe keine Ahnung, wer es ist, aber hier kann ich dann wohl nicht pennen. »Komm schon«, murmele ich leise vor mich hin.
Ich schnappe mir die Decke vom Fußende des Bettes, schließe die Tür und gehe die Treppe wieder hinunter. Irgendwo hinter mir ertönt Gelächter, gefolgt von Stöhnen, und ich trete gegen das Sofa, bevor ich meinen Autoschlüssel auf den Couchtisch fallen lasse, meine Sneaker ausziehe, mich auf den Rücken lege und die Decke über mich ziehe.
Das wird richtig erbärmlich wirken, wenn ich morgen früh immer noch hier bin. Ich kann nicht einmal den Reifen wechseln, wenn der Regen aufhört, denn ich brauche ja zwei davon. Hoffentlich kann ich morgen früh einen Abschleppdienst erreichen.
Ich tippe eine Nachricht an meinen Bruder.
Probleme mit dem Auto. Stecke in der Bay fest. Bin morgen früh zu Hause.
Ich greife hinter mich, finde eines der vielen Ladegeräte, die sie im Haus haben, und schließe mein Handy an.
Regentropfen fangen das Mondlicht an den Fensterscheiben ein, für eine Sekunde wird der Raum durch einen Blitz erhellt. Vereinzelte Geräusche dringen von oben zu mir runter – ein Lachen, ein dumpfer Schlag, ein Knarren –, und ich kann nicht anders, als an die Decke zu starren und zu lauschen. Jeder würde denken, dass ich mich darüber aufrege, dass all diese Geräusche wahrscheinlich von Trace stammen, aber ich frage mich nur, ob wir auch so laut waren und uns jemand hier unten gehört haben könnte.
Ich erinnere mich, dass ich Liv und Clay einmal gehört habe. Letztes Jahr, während eines Auswärtsspiels, als wir in einem Lacrosse-Team waren. Sie waren Feindinnen – sie haben sich gehasst –, aber wir waren alle im selben Team und mussten uns eines Nachts ein Hotelzimmer teilen. Ich lag mit Amy in einem Bett, und sie lagen zusammen in dem anderen Bett. Als ich aufwachte, bestätigte sich mein Verdacht, dass sie sich eigentlich überhaupt nicht hassten. Ich schwöre, ich konnte die glitschigen Geräusche zweier schweißnasser Körper hören, die es unter dem Laken miteinander trieben.
Als ich spürte, dass Amy sich neben mir zu rühren begann, löste ich den Alarm meines Handys aus und tat so, als würde ich aufwachen. Amy sollte die beiden nicht hören, denn Clay würde nicht wollen, dass alle auf diese Weise erfuhren, dass sie auf Mädchen stand.
Vielleicht steht sie auch nur auf Liv. Ihr gegenseitiges Verlangen ist immer noch so stark. Ich habe das in der Intensität noch nie erlebt.
Ich hatte noch nie das Gefühl, dass mich jemand mehr als alles andere will.
»Mehr?«
Es ist nicht Trace, der das fragt.
Aber jemand fragt.
Eine meiner vielen dummen Fantasien.
Ich weiche zurück, als er mit einem Funkeln in den Augen auf mich zustürmt.
»Nur noch ein bisschen mehr«, stichelt er.
Ich lasse meinen Blick an seiner nackten Brust hinuntergleiten, bis zu der Stelle, wo die Jeans tief auf seinen Hüften hängt, und ich kann das Wasser in seinen Haaren riechen, weil er nach dem Rasenmähen in unseren Pool gesprungen ist.
Ich schließe die Augen, atme schwer, und mir wird ein bisschen schummerig.
Er kommt näher, ich gehe rückwärts und renne in mein Zimmer.
»Müssen Sie sich nicht beim Chef melden?«, frage ich. Meine Brustwarzen drücken gegen mein Shirt, als er mein Kinn anfasst und mit dem Daumen über meine Unterlippe streicht.
»Ich werde ihm sagen, dass ich bleiben musste, um mein Trinkgeld auszuhandeln.«
Sein Trinkgeld … ähm, o ja, richtig. Ich ziehe etwas Geld aus meiner Hosentasche und halte es ihm hin, aber er grinst nur, nimmt das Geld und wirft es auf die Kommode.
Der Puls zwischen meinen Beinen pocht, und ich schiebe meine Hand unter die Decke und drücke sie auf die Stelle.
Er schiebt seine rauen Finger unter den Saum meines Shirts.
Mein Herz pocht stark in meiner Brust, als ich mit meiner Hand dasselbe tue.
Ich höre auf zu atmen, als er sie nach oben schiebt, über meine Brüste, und sie dort ruhen lässt, während meine Haut unter seinem Blick ganz warm wird.
Die kühle Luft trifft auf meine Brustwarzen, und ich spüre, wie sie sich aufrichten, während ich die Decke herunterdrücke und mich immer fester reibe.
Er packt mich hinten an den Oberschenkeln und hebt mich an seinen Körper.
»Öffne deine Beine«, knurrt er leise.
Ich öffne sie.
Ich öffne sie.
Ich schlinge sie um seine Taille, und er trägt mich zu meinem Schreibtischstuhl. Dabei streckt er seine Zunge gerade weit genug heraus, um meine Lippen immer wieder leicht zu lecken.
Mit einer Hand drücke ich eine Brust, und meine Klit pocht, während ich die Hüften an meiner Hand auf und ab rolle und meinen Kopf nach hinten neige.
Ich sitze auf ihm auf dem Stuhl, und er packt meine Hüften und zieht mich an seinen Schwanz heran.
»Jetzt mach deinen Mund auf, Mädchen, und gib mir deine Zunge, und erzähl deiner Mutter nicht, was wir gemacht haben, während sie weg war.«
Ich reite meine Hand, wie ich ihn reite. Ich spüre seine Blicke auf meinen Brüsten, und seine Faust umklammert mein Haar. Ich bewege mich schneller, spüre, wie meine Brüste hin und her schwingen und beiße mir auf die Unterlippe, um keine allzu lauten Töne von mir zu geben. Aber mein Atem wird schnell und flach.
O Gott! Ich …
Ich …
Ich reiße die Augen auf und sehe eine Gestalt, die zwischen Treppe und Wohnzimmer steht, und mir wird ganz heiß.
O shit. Ich keuche, nehme meine Hände von meinem Körper, ziehe mein Hemd wieder runter und reiße die Augen weit auf, bis er in mein Blickfeld kommt.
Was soll der Scheiß?
Er hebt eine Bierflasche an die Lippen, legt den Kopf in den Nacken und nimmt einen Schluck.
Trace?
Mein Herz klopft schnell. »O mein Gott«, murmle ich.
Ich kann nicht schlucken. Mein Hals ist so trocken.
Ich spähe durch die Dunkelheit. Es ist nicht Trace. Er ist größer, aber ich kann nicht genau sagen, wer es ist. Es ist fast stockdunkel, weil die Wolkendecke den Mond bedeckt.
Na großartig!
Es muss einer der Jaeger-Brüder sein. Jeans. Nackter Oberkörper. Genau wie in meinem Traum.
Ich ziehe die Decke über meine untere Körperhälfte, mein Rock ist immer noch hochgezogen.
Ich versuche, meinen Atem zu beruhigen, und reibe mir die Augen. »Aracely hat meine Reifen aufgeschlitzt«, sage ich. »Ich bin hier weg, sobald ich einen Abschleppwagen bekomme.«
Wer auch immer es ist, er sagt nichts, und nach einer Weile riskiere ich einen weiteren Blick. Er steht immer noch da.
Er beobachtet mich, denke ich.
Ich blinzle und versuche zu erkennen, wer es ist.
»Was?«, platze ich heraus. »Warum starrst du mich an?« Ich setze mich auf, behalte die Decke auf mir und schwinge die Beine über den Rand des Sofas. »Damit kannst du prahlen, was?«, sage ich und taste im Dunkeln nach meinen Schuhen. »Eines Tages, wenn ich aussehe, mich verhalte und rieche wie ein makelloses Paar Fünfzehnhundert-Dollar-Schuhe und mit einem Anwalt oder einem Banker verheiratet bin, der nach Klebstoff schmeckt und sich jeden Sonntag in der Kirche für Familienwerte starkmacht, dann kannst du sagen, dass du mich einmal dabei beobachtet hast, wie ich mich auf deinem Sofa selbst gefickt habe.«
Es ist fast zu lustig, und ich würde es total verstehen, wenn er lachen würde. Soll ich es noch mal machen, damit er es filmen kann?
Ich schaue wieder zu ihm hoch und warte auf irgendeine Reaktion. »Wer bist du?«, frage ich.
Ich kann sein Gesicht nicht sehen. Wie lange hat er zugesehen?
»Soll ich gehen?« Ich flüstere beinahe. »Nach Hause laufen?«
Er sagt nichts. Aber sein Kopf neigt sich ein wenig zur Seite.
»Würdest du mich fahren?«, dränge ich. »Mich von deinem Sofa entfernen?«
Er steht weiterhin wie angewurzelt da.
Meine Güte! Was zum Teufel ist sein Problem?
Als ob der heutige Abend nicht schon schlimm genug gewesen wäre. Ich sitze in Trace’ Haus fest, wo ich willkommen bin, solange ich zusehe, dass ich mich morgens schnell verpisse. Aber zu Hause fühle ich mich auch nicht viel wohler.
»Trace ist oben und vögelt eine andere«, sage ich mit leiser Stimme und beobachte die Bierflasche, die zwischen seinen Fingern baumelt. »Und es ist seltsam, weil es mir egal ist.«
Ich sehe ihn an und schüttle den Kopf, während mir die Tränen in die Augen steigen. Ich habe keine Ahnung, warum ich das gesagt habe. Vielleicht bringt es ihn dazu zu gehen.
»Ich bin immer wieder hergekommen, weil ich wirklich nichts anderes zu tun hatte.« Ich lache leise, aber nur kurz.
Es fühlt sich so an, als würden mich Nadeln im Hals piksen, und ich senke den Blick, weil ich mich daran erinnere, wie Trace und ich gelacht haben. Wie ich gedacht habe, dass er, obwohl ich nicht in ihn verliebt war, mit niemandem sonst so lacht. Weil es mir so ging.
»Ich schätze …« Ich schlage mit der Faust auf die Decke. »Ich schätze, ich wollte nicht, dass es keinerlei Bedeutung hat, weißt du? Denn das würde heißen, dass ich genauso oberflächlich bin wie …«
Ich beende den Satz nicht. Mutterprobleme sind langweilig.
»Warum tue ich das?« Ich frage es mich eher selbst, aber ich spüre immer noch, dass er mich beobachtet. »Warum muss es für mich eine Bedeutung geben? Warum ist das Glas entweder voll oder leer? Warum kann ich nicht weitermachen, es lockernehmen? Warum?«
Mein Kinn zittert, und er muss denken, dass ich absolut lächerlich bin. Was für Gründe habe ich, um hier herumzuflennen? »Leer …«
Das Wort kommt als Flüstern aus mir heraus, und ich sehe nicht einmal, wie er atmet, während die Flasche an seinem Bein herunterhängt. Aber er geht nicht weg.
Ich stehe auf und falte die Decke zusammen. »Ich kann es mir nicht leisten, aufs College zu gehen«, fahre ich fort, »weil mein Vater das ganze Geld mitgenommen hat, und selbst wenn er es nicht getan hätte, die Kinder …«
Ich halte inne und starre zu Boden. Mir kommen die Tränen.
Ich stottere. »Ich kann sie nicht mit ihr allein lassen.«
Nach dem, was sie versucht hat, mir anzutun, kann ich ihr auf gar keinen Fall vertrauen. Oder meinem Vater. Ich verheimliche, dass er jetzt mit seiner Freundin nur eineinhalb Kilometer entfernt, an der Barony Lane, lebt und nicht in Atlanta, wie mein Bruder und meine Schwester denken. Wie soll ich ihnen denn sonst erklären, warum sie ihren Vater plötzlich nicht mehr sehen?
»Meine Mutter will, dass ich Jerome Watson heirate«, sage ich mit tränenerstickter Stimme. »Einen zweiunddreißigjährigen Steueranwalt, den ich einmal getroffen habe. Er sucht eine Frau, die hübsch ist, damit er sie immer wieder ficken will, die gesund ist, damit sie sich um den Haushalt kümmern und noch jahrelang schwanger werden kann, und die zudem jung, dumm und naiv ist, um ihn nicht allzu sehr herauszufordern.«
Mir laufen weiter Tränen übers Gesicht, aber eigentlich bin ich nicht traurig. »Ich habe Angst«, hauche ich. »Ich hätte nicht gedacht, dass es dazu kommen würde, dass ich gezwungen bin, mein Leben mit jemandem zu verbringen, den ich nicht liebe, um das Leben meiner Familie zu verbessern.«
Ich blinzle lange und intensiv.
»Aber was soll das Gejammer, nicht wahr?« Ich lache gezwungen. »Wer bin ich schon? Und was habe ich schon für Pläne? Ich kann genauso gut meiner Familie helfen und mir zum Trost schöne Schuhe und Handtaschen kaufen.«
Als ob mich Shopping von dem Wissen ablenken könnte, dass ich verkauft wurde … Im Gegensatz dazu, wie Jerome und meine Mutter über mich und meine Zukunft reden, bin ich weder dumm noch naiv.
Ich werfe die Decke zur Seite und wische mir die Tränen weg. Scheiß drauf. Ich werde in meinem Auto schlafen.
Aber dann steht er plötzlich hinter mir, drückt seinen Körper an meinen Rücken, und seine Hände umschließen meine Taille.
Ich schnappe nach Luft. »Nein«, sage ich und versuche, seine Hände wegzuschieben.
Nein, nicht. Ich lasse meinen Kopf zurückfallen und versuche, mich gegen ihn zu stemmen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich kämpfe, um mich zu befreien, oder ob ich kämpfe, weil ich jemanden schlagen will. Tränen laufen mir übers Gesicht, und ich atme stoßweise.
Aber dann spüre ich es.
Sein Atemhauch streift meine Schläfe. Seine Arme legen sich langsam um meinen Körper und halten mich.
Langsam. Eng. Stark. Warm.
Ich werde still, seine Wärme umhüllt meinen Rücken, ich spüre, wie sich seine Brust hebt und senkt, und ich entspanne mich. Ich merke, dass er mich hochhebt. Ein Arm liegt um meinen Bauch, eine Hand umfasst mein Kinn, und sein Mund streift mir übers Haar.
»Wir sind noch nicht tot«, murmelt er an meiner Schläfe.
Und dann dreht er meinen Kopf zu sich, und bevor ich sein Gesicht sehen kann, bedecken seine Lippen die meinen und schlucken mein Wimmern. Seine Zungenspitze taucht in meinen Mund, und ich kann nicht atmen, während er mich festhält und an seinen Körper presst.
Fuck …
Meine Lunge schreit Alarm, meine Haut brennt. Ich schnappe nach Luft, ziehe mich zurück und atme ein, aber es dauert nur eine Sekunde, bis er mich an den Haaren packt und mir in den Hals beißt.
Ich schreie auf, ein Stromstoß fließt mir die Oberschenkel hinunter und dann wieder hinauf bis zur Kopfhaut. Ich schließe die Augen. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als er meine Arme hochreißt und mir das Hemd mit einem Ruck über den Kopf zieht.
Seine Lippen lassen kurz von meiner Haut ab. Mit einer Hand hält er meinen Bauch fest, mit der anderen öffnet er den Reißverschluss meines Rocks, und ich schaue nach unten und beobachte seine Hand in der Dunkelheit. An seinem Handgelenk erkenne ich das Jaeger-Armband, das sie alle tragen – drei dünne braune Lederbänder und die Schlange, die sich um eine Sanduhr windet.
Mein Rock fällt runter, und er nimmt meine Hand und führt sie zwischen meine Beine, während er meinen Slip sanft herunterzieht und meine Fingerspitzen meine feuchte Klit berühren.
»Mach weiter«, flüstert er und küsst mein Haar.
Ein leichter Schweißfilm steht auf meiner Stirn, und ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nicht einmal denken.
Er verschlingt meinen Hals und knetet meine Brust, während die Hitze zwischen meinen Beinen aufsteigt und sich nach und nach in meinem ganzen Körper verteilt. Ich keuche und wimmere. »O Gott«, stöhne ich. »Hör auf, bitte, hör auf. Ich kann nicht atmen. Ich kann nicht atmen.«
Aber er stößt von hinten gegen mich, seine Jeansreibt herrlich rau an meinem Hintern. Fast berührt sie die empfindliche Haut tief in mir.
Ich beiße mir so fest auf die Unterlippe, dass ich einen scharfen Schmerz spüre.