FRIESLAND UND DER GESPIEGELTE MORD - Christian Dörge - E-Book

FRIESLAND UND DER GESPIEGELTE MORD E-Book

Christian Dörge

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Beschreibung

1968 in der ostfriesischen Kleinstadt Hagensmoor: Im Hotel Altstadtperle wird der Ex-Chauffeur Fred Hoferland tot aufgefunden - ermordet! Unversehens gerät Rechtsanwalt Siemen Friesland als Hauptverdächtiger ins Visier der Polizei. Friesland wird schließlich gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt und ermittelt nun auf eigene Faust in diesem undurchsichtigen Fall. Was hat der Schriftsteller Broder Joken mit der Sache zu tun? Und: Welches Geheimnis umgibt die schwer erkrankte Schauspielerin Adelheid Van Kamp? Als jedoch die Tatwaffe bei Friesland gefunden wird, fangen die Schwierigkeiten für den Rechtsanwalt erst richtig an... Der Roman FRIESLAND UND DER GESPIEGELTE MORD von Christian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien EIN FALL FÜR REMIGIUS JUNGBLUT und DIE UNHEIMLICHEN FÄLLE DES EDGAR WALLACE, ist der vierte Band einer Serie von Krimis aus Deutschlands Norden.

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CHRISTIAN DÖRGE

 

 

FRIESLAND UND DER GESPIEGELTE MORD

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Der Autor 

FRIESLAND UND DER GESPIEGELTE MORD 

Die Hauptpersonen dieses Romans 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

Vierundzwanzigstes Kapitel 

Fünfundzwanzigstes Kapitel 

Sechsundzwanzigstes Kapitel 

Siebenundzwanzigstes Kapitel 

Impressum

 

Copyright © 2023 by Christian Dörge/Signum-Verlag.

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg

Cover: Copyright © by Christian Dörge.

 

Verlag:

Signum-Verlag

Winthirstraße 11

80639 München

www.signum-literatur.com

[email protected] 

Das Buch

 

 

1968 in der ostfriesischen Kleinstadt Hagensmoor:

Im Hotel Altstadtperle wird der Ex-Chauffeur Fred Hoferland tot aufgefunden - ermordet!

Unversehens gerät Rechtsanwalt Siemen Friesland als Hauptverdächtiger ins Visier der Polizei. Friesland wird schließlich gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt und ermittelt nun auf eigene Faust in diesem undurchsichtigen Fall. Was hat der Schriftsteller Broder Joken mit der Sache zu tun? Und: Welches Geheimnis umgibt die schwer erkrankte Schauspielerin Adelheid Van Kamp?

Als jedoch die Tatwaffe bei Friesland gefunden wird, fangen die Schwierigkeiten für den Rechtsanwalt erst richtig an...

 

Der Roman Friesland und der gespiegelte Mord vonChristian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien Ein Fall für Remigius Jungblut und Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace, ist der vierte Band einer Serie von Krimis aus Deutschlands Norden. 

Der Autor

 

Christian Dörge, Jahrgang 1969.

Schriftsteller, Dramatiker, Musiker, Theater-Schauspieler und -Regisseur.

Erste Veröffentlichungen 1988 und 1989:  Phenomena (Roman), Opera (Texte).  

Von 1989 bis 1993 Leiter der Theatergruppe Orphée-Dramatiques und Inszenierung  

eigener Werke,  u.a. Eine Selbstspiegelung des Poeten (1990), Das Testament des Orpheus (1990), Das Gefängnis (1992) und Hamlet-Monologe (2014). 

1988 bis 2018: Diverse Veröffentlichungen in Anthologien und Literatur-Periodika.

Veröffentlichung der Textsammlungen Automatik (1991) sowie Gift und Lichter von Paris (beide 1993). 

Seit 1992 erfolgreich als Komponist und Sänger seiner Projekte Syria und Borgia Disco sowie als Spoken Words-Artist im Rahmen zahlreicher Literatur-Vertonungen; Veröffentlichung von über 60 Alben, u.a. Ozymandias Of Egypt (1994), Marrakesh Night Market (1995), Antiphon (1996), A Gift From Culture (1996), Metroland (1999), Slow Night (2003), Sixties Alien Love Story (2010), American Gothic (2011), Flower Mercy Needle Chain (2011), Analog (2010), Apotheosis (2011), Tristana 9212 (2012), On Glass (2014), The Sound Of Snow (2015), American Life (2015), Cyberpunk (2016), Ghost Of A Bad Idea – The Very Best Of Christian Dörge (2017). 

Rückkehr zur Literatur im Jahr 2013: Veröffentlichung der Theaterstücke Hamlet-Monologe und Macbeth-Monologe (beide 2015) und von Kopernikus 8818 – Eine Werkausgabe (2019), einer ersten umfangreichen Werkschau seiner experimentelleren Arbeiten.

2021 veröffentlicht Christian Dörge mehrere Kriminal-Romane und beginnt drei Roman-Serien: Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace, Ein Fall für Remigius Jungblut und Friesland. 

2023 erscheinen seine neuen Alben Kafkaland und Lycia, sich entfernen. 

 

Künstler-Homepage: www.christiandoerge.de 

  FRIESLAND UND DER GESPIEGELTE MORD

 

 

 

 

  Die Hauptpersonen dieses Romans

 

Siemen Friesland: Rechtsanwalt (und ehemaliger Marine-Offizier) in Hagensmoor.

Ingmar Stutenbrinck: Kommissar bei der Polizei von Hagensmoor. 

Jan Kruskopp: Inspektor bei der Polizei von Hagensmoor. 

Philip Lohmann: Staatsanwalt in Hagensmoor. 

Berlinde Michaelis: Frieslands resolute Sekretärin. 

Oliver Eiklenborg: Ex-Anwalt und ehemaliger Chef Frieslands. 

Fred Hoferland: Chauffeur. 

Rieke Hoferland: seine Schwester. 

Broder Joken: Schriftsteller. 

Adelheid Van Kamp: ehemalige Filmschauspielerin. 

Janeke Bloch: ihre Nichte. 

Arnold Bloch: ihr Mann. 

Peter Kesselhut: ein Beamter des Bundesfinanzministeriums.

Hugo Ritter: eine zwielichtige Gestalt. 

Helene Janssen: Broder Jokens Sekretärin. 

Benedikt Harms: Privatdetektiv. 

Tjodrich Loden: Privatdetektiv. 

Frauke Habekost: Schauspielerin und Tanzlehrerin.

 

 

Dieser Roman spielt in der ostfriesischen Kleinstadt Hagensmoor im Jahre 1968.

  Erstes Kapitel

 

 

Es hat nur wenig Sinn, sich einer Verhaftung entziehen zu wollen.

Manche Polizisten haben Schlagstöcke, andere wiederum Revolver bei sich, und alle sind körperlich vortrefflich trainiert und geschult, mit störrischen Gefangenen umzugehen. Man kann einfach nicht gegen sie ankommen.

Dennoch wehrte ich mich, als Inspektor Kruskopp mich vor meiner Haustür am Mittwochabend beim Kragen packte, und ich fragte: »Welche Rechtfertigung haben Sie für dieses Verhalten, Inspektor?«

»Tut mir leid, Herr Friesland, das klären wir auf dem Revier.«

Ich begann mich auf das Recht zu berufen, was von Kruskopps Begleiter, einer jungen, muskulösen Sportskanone, kurzerhand übergangen wurde, indem er mich mit eisernem Griff am Arm packte.

Ich schaute auf seine weißen Knöchel und meinte ruhig: »Inspektor, würden Sie Ihren eifrigen Kollegen anweisen, seine Pfoten von mir zu nehmen?«

Der Polizeibeamte packte mich nur noch fester. »Ich weiß schon, dass Sie ein wichtigtuerischer Rechtsanwalt sind, der...«

»Lass ihn los«, sagte Kruskopp. »Unser Kommissar will nicht, dass er grob behandelt wird.«

Mein Arm schmerzte, als wir zum Funkstreifenwagen hinuntergingen, der am Straßenrand parkte. Ich müsste auf dem Rücksitz Platz nehmen; Kruskopp bezog neben mir Stellung, während der andere den Wagen lenkte. Er schien es eilig zu haben. Seine Art, durch den Verkehr von Hagensmoor zu fahren und sich mit Sirenengeheul den Weg frei zu machen, war ebenso anstrengend wie beeindruckend.

»Was für ein Draufgänger«, flüsterte ich Kruskopp zu. »Der wird sich noch in echte Schwierigkeiten bringen.«

Der Inspektor schaute geradeaus und antwortete nicht.

Mit klagender Stimme fuhr ich fort: »Warum diese Geheimniskrämerei, Inspektor? Rücken Sie schon raus mit der Sprache! Was geht hier vor?«

Er schaute mich immer noch nicht an, aber er brummte: »Nur Geduld!«

Ich warf ihm einen beleidigten Blick zu: »Das ist doch keine Art! Lesen Sie denn die Zeitung nicht? Erst letzte Woche forderte unser Bürgermeister alle Polizeibeamten auf, höflich und freundlich zu sein.«

Keine Antwort. Ich hätte von früheren Gelegenheiten her wissen dürfen, dass weder Drohung noch Schmeichelei etwas nützten. Inspektor Kruskopp hatte seine Anweisungen und war durch nichts zu bewegen, davon abzugehen. Er saß neben mir wie eine große, schweigende Sphinx im Konfektionsanzug.

Als wir in die Emsmauerstraße einbogen, wusste ich, wer mich zu sehen wünschte. In dem unfreundlichen Gebäude, vor dem wir hielten, arbeitete Kommissar Ingmar Stutenbrinck.

Eine unangenehme Ahnung beschlich mich, als ich aus dem Polizeiwagen kletterte und Kruskopp voran die Treppe hinaufstieg. Ich kannte mich hier gut aus und brauchte nicht nach dem Weg zu fragen. Im ersten Stock stand die Tür zu Stutenbrincks Büro offen, und der Kommissar saß hinter dem Pult. Er schaute mich mit strenger Miene an, ohne zu lächeln. Dies seltsame Benehmen des Kommissars fiel mir gleich auf. Ich kannte ihn doch seit vielen Jahren, und im allgemeinen freute er sich immer, mich zu sehen. Diesmal kein Händedruck, kein Gruß. Nur ein scharfer Blick aus seinen tiefliegenden Augen; dann wandte er sich an Kruskopp: »Warum hat das so lang gedauert?«

»Wir haben all seine Schlupfwinkel durchstöbert und konnten ihn nirgends finden. Deshalb warteten wir vor seinem Haus. Er erschien dort erst vor einigen Minuten, und so konnten wir nicht früher hier sein.«

»Schon gut. Rufen Sie einen Stenografen herein. Ich will alles notiert haben.« Kurz blickte er zu mir herüber: »Setzen Sie sich.«

Für einige Augenblicke waren wir allein. Ich versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Vergeblich. Ingmar Stutenbrinck war ein nüchterner, ordentlicher Mensch, exakt und zuverlässig, ein Kriminalbeamter, der Karriere gemacht hatte, ohne sich bei einem Vorgesetzten anzubiedern. Seine Frau war zwei Jahre nach der Heirat gestorben, und er hatte keine Kinder. Er opferte sich für seinen Beruf auf und arbeitete vierundzwanzig Stunden am Tag. Er war nicht nur sehr anständig, sondern verfügte zudem über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Er setzte sich bis zum letzten ein, ob es nun galt, die Unschuld oder die Schuld eines Verdächtigen zu beweisen.

»Klären Sie mich doch um Himmels willen auf, Herr Kommissar«, bat ich. »Worum geht's? Was ist los? Warum bin ich...?«

Die Tür ging auf, und wir waren nicht mehr allein. Ein Stenograf setzte sich auf einen harten Stuhl, Bleistift und Block bereit. Kruskopp stützte sich auf den Fenstersims und schaute mich höhnisch an.

»Wo waren Sie heute Nachmittag um drei Uhr?«, verlangte Stutenbrinck zu wissen.

»Entschuldigen Sie, Herr Kommissar.« Ich schüttelte den Kopf, höflich, aber bestimmt. »Ich beantworte keine einzige Frage, bevor ich nicht weiß, aus welchem Grund ich hier bin. Erst überrumpeln mich Ihre zwei groben Kollegen, dann beginnen Sie mit einer Befragung, ohne mir den Grund meiner Verhaftung anzugeben. Dazu sind Sie aber verpflichtet. Was ist also los?«

»Sie sind nicht verhaftet. Wenigstens bis jetzt nicht.«

Mir fiel ein Stein vom Herzen. »Und für welches Verbrechen hat man mich bis jetzt nicht verhaftet?«

»In welcher Abteilung sind Sie hier?«

»Bei der Mordkommission.«

»Und welche Art von Fällen bearbeiten wir hier?«

»Mordfälle.«

»Sieh einer an.«

Ich schaute ihn an und sah, dass er es ernst meinte. »Mord... an wem?«

»An einem Mann namens Fred Hoferland.«

»Wie bitte?« Mir blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen.

»Er wurde umgebracht, als Sie sich in seinem Hotelzimmer aufhielten, zu exakt derselben Zeit.«

Ich schüttelte den Kopf. Erst vor kurzem hatte ich Hoferland noch gesehen und mit ihm gesprochen. Die Tatsache, dass er jetzt tot war, erschien mir zu endgültig und zu unwiderruflich, als dass ich sie sofort hätte erfassen können. Ich versuchte zu sprechen, aber es steckte etwas in meiner Kehle. Ich räusperte mich und sagte: »Wie wurde er ermordet?«

»Mit dem Geschoss aus einer Pistole Kaliber 32. Aus geringer Entfernung. Möchten Sie eine Aussage machen?«

»Worüber? Mein Gott, Sie glauben doch nicht, dass ich...?«

»Leugnen Sie etwa, dort gewesen zu sein?«, unterbrach er mich.

»Ja... und nein.«

»Das ist eine reichlich zweideutige Antwort. Was soll das heißen?«

»Das heißt, dass ich dort war, aber nicht, als er in meinem Beisein erschossen wurde.«

»Warum waren Sie dort?«

Ich saß ruhig da, während ich meine Worte sehr sorgfältig wählte. »Ich scheine unter Mordverdacht zu stehen. Denn Grund kenne ich nicht. Wenn ich jedoch einen Klienten in ähnlichen Schwierigkeiten hätte, würde ich zu ihm sagen: Sie sitzen in der Tinte. Halten Sie den Mund und hören Sie sich erst mal an, was die Polizei bereits herausgefunden hat. Dies... wäre ein vernünftiger Rat. Alles andere würde meiner Pflicht als Anwalt widersprechen. Und mir selbst schulde ich die gleiche Vorsicht wie einem Fremden.«

Einen Augenblick lang blieb Stutenbrincks Blick kalt und hart. Dann wandte er sich an Kruskopp. »Gut, Inspektor. Er will Beweise. Er soll sie haben. Rufen Sie den Portier.«

Kruskopp verschwand und führte dann einen schlanken Mann mit blonden Haaren und blondem Schnurrbart herein. Er blieb gleich bei der Tür stehen, drehte nervös den Hut in den Händen und leckte an den Lippen.

»Wo arbeiten Sie, Herr Mattes?«, fragte Stutenbrinck.

»Im Hotel Altstadtperle.« Sein Adamsapfel zitterte. »Ich bin dort Portier.«

»Schauen Sie sich diesen Mann bitte in aller Ruhe an. Haben Sie ihn schon einmal gesehen?«

»Ja, heute Nachmittag. In der Hotelhalle.«

»Um wieviel Uhr war das?«

»Genau 14.45 Uhr.«

»Warum wissen Sie das so genau?«

»Er gab mir einen Briefumschlag für Herrn Hoferland. Wir stempeln hereinkommende Post regelmäßig ab. Ich legte den Brief in Herrn Hoferlands Fach, und als ich mich umdrehte, sah ich diesen Herrn hier zum Lift gehen. Er stieg ein und fuhr hinauf.«

»Ist das der betreffende Briefumschlag?« Stutenbrinck hielt ihn in die Höhe.

»Ja.«

»Danke, das ist alles. Sie können gehen.«

Als sich die Tür geschlossen hatte, tippte Stutenbrinck auf den Umschlag: »Hier haben wir's, Friesland. Fred Hoferlands Name in Ihrer Handschrift. Leugnen Sie das?«

Ich antwortete nicht.

»Gar kein Kommentar, Rechtsanwalt Friesland?«

»Es gibt eine Zeit zum Sprechen, und es gibt eine Zeit zum Zuhören.«

»Dann hören Sie gut zu. Dies war Nummer eins. Bringen Sie Nummer zwei herein, Kruskopp.«

Diesmal führte der Wachtmeister eine kleine Frau ins Zimmer. Sie trat geschäftig ein, erblickte mich, hielt brüsk inne, machte einige Schritte rückwärts und stieß mit Kruskopps kräftiger Gestalt zusammen. Keine Frau ist bis jetzt bei meinem Anblick in Ohnmacht gefallen; einige haben bei mir allerdings eine Ähnlichkeit mit Blacky Fuchsberger entdeckt. Aber wenn diese Ähnlichkeit auch zweifellos bestand, so war mir das Verhalten dieser Frau doch unverständlich. Sie wurde bleich und starrte mich an, als ob mir plötzlich ein Paar Hörner gewachsen wäre. Angewurzelt stand sie da, eine Hand fest auf die Brust gedrückt.

Stutenbrincks Stimme war beruhigend: »Aber, Frau Ülk, hier sind Sie doch vollkommen sicher. Auf einem Polizeirevier! Wir passen auf ihn auf. Aus Ihrer Reaktion muss ich entnehmen, dass Sie diesen Mann wiedererkennen, nicht wahr?«

»Oh, ja!« Ihre Stimme war schrill und atemlos. »Das ist er – der Mann, den ich sah – der Mann, der mit Herrn Hoferland kämpfte. Er...«

»Bitte, Frau Ülk, nur immer schön langsam und der Reihe nach.«

Bebend schöpfte sie Atem und begann: »Ich wohne im Hotel Altstadtperle. Ich ging heute Nachmittag einkaufen, Handschuhe, die zu meinem neuen Mantel passten. Aber da ich um 15 Uhr einen Anruf erwartete, musste ich beizeiten zurück sein, und gerade als ich aus dem Lift stieg, hörte ich Tumult im Korridor; ein Mann versuchte, in Zimmer 705 einzudringen.« Sie holte Atem und wies mit dem Finger auf mich: »Er. Er drückte mit der Schulter gegen die Tür, und sein Gesicht war so grimmig und so böse und so hässlich! Ich kann Gewalt einfach nicht leiden, Kommissar. Sie erschreckt mich. Darum schaue ich diese schrecklichen Kriminalfilme im Fernsehen nie an. Ich kann dann nachts nicht schlafen, und am anderen Morgen bin ich völlig...«

»Ich verstehe, Frau Ülk«, unterbrach sie Stutenbrinck. »Kommen wir darauf zurück, was Sie sahen...«

Sie war ein wenig beleidigt. »Oh – nun ja. Ich eilte an ihm vorbei zu meinem Zimmer. Es ging mich ja alles nichts an, aber ich schaute noch einmal zurück und sah, dass die Tür jetzt offen war und er in Herrn Hoferlands Zimmer ging.«

»Erinnern Sie sich, wie spät es war?«

»14.45 Uhr. Ich schaute nämlich gerade auf die Uhr, um sicher zu sein, dass ich nicht zu spät war für den Anruf.« Sie warf mir einen kurzen Blick zu und schauderte. »Kann ich jetzt wieder heimgehen, Kommissar?«

»Ja. Besten Dank, Frau Ülk. Wir benachrichtigen Sie, falls wir Sie noch brauchen. – Und nun, Kruskopp, Nummer drei.«

Stutenbrinck ordnete einige Papiere auf seinem Pult, bis sich die Tür wieder öffnete. Nummer drei war auch eine Frau, an die ich mich allerdings überhaupt nicht erinnern konnte. Sie zeigte mehr Haltung und Selbstsicherheit als ihre Vorgängerin. Offensichtlich hatte sie einen unmäßigen Appetit, der ihren Umfang derart vergrößert hatte, dass sie der Walküre in einer Wagner-Oper glich. Da sie noch nie einen Mörder gesehen zu haben schien, kam sie so nah heran, dass sie mich fast berührte, und betrachtete mich wie etwas hinter Glas.

»Ist das der Mann?«, fragte sie.

»Ja, Fräulein Theiss.«

»Hm. Er sieht gar nicht so gefährlich aus.«

»Der äußere Anschein kann trügen. Erzählen Sie ihm, wo Sie arbeiten.«

»Im Hotel Altstadtperle.«

»In welcher Eigenschaft?«

»Als Telefonistin.«

»Waren Sie heute Nachmittag um drei Uhr an der Arbeit?«

»So ist es.«

»Bekamen Sie einen Anruf aus Zimmer 705?«

»Ja.«

»Berichten Sie uns von diesem Anruf.«

Sie genoss offenkundig ihren Auftritt im Rampenlicht. »Am frühen Nachmittag ist es meistens sehr ruhig in unserer Telefonzentrale, darum nahm ich gleich die Verbindung auf, als das Licht blinkte. Ich fragte nach Herrn Hoferlands Auftrag, aber er antwortete nicht. Stattdessen hörte ich einen eigenartigen Laut, wie wenn jemand erstickt und nach Atem ringt. Ich rief: Hallo, hallo – ist dort etwas nicht in Ordnung? Herr Hoferland stöhnte. Er schien große Schmerzen zu haben. Dann brachte er die Worte hervor: Rufen Sie einen Arzt. Man hat... hat auf mich geschossen. Siemen Friesland ist gerade... er ist gerade... Und dann hörte ich ein schreckliches Gurgeln und ein dumpfes Aufschlagen und...«

Sie schrie ein wenig auf und wich zurück, als ich mich rasch erhob und mich direkt vor sie stellte. »Warten Sie mal! Was versuchen Sie denen hier weiszumachen? Das ist doch lächerlich!«

»Mäßigen Sie sich!«, brüllte Stutenbrinck. »Sie werden noch Gelegenheit bekommen, sich zu äußern. Aber erst, wenn ich Sie dazu auffordere. Zurück auf den Stuhl dort!« Er wandte sich der Frau zu. »Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Fräulein Theiss. Beenden Sie bitte Ihre Ausführungen.«

Sie schluckte und fand ihr Gleichgewicht wieder, denn schließlich war dies ein Polizeirevier, und ich wurde bewacht.

»Ich hatte furchtbare Angst, Herr Kommissar.« Sie schauderte leicht. »Ich rief den Direktor herbei, und er beauftragte mich, einen Arzt zu rufen. Er selbst ging sofort ins Zimmer 705 hinauf. Wie er mir später erzählte, öffnete er die Tür mit einem Nachschlüssel und sah Herrn Hoferland auf dem Boden liegen, tot, und Blut über dem ganzen nagelneuen...«

»Danke, Fräulein Theiss. Das ist alles. Sie können jetzt gehen.«

Sie beendete ihre Vorstellung nur widerwillig, aber Kruskopp komplimentierte sie mit Nachdruck hinaus.

Der Stenograf massierte seine Finger.

Stutenbrinck blickte mich missmutig an. »Sie haben die Aussagen gehört, Siemen. Sie sind selbst Anwalt. Wie klingt das für Sie?«

Immerhin hatte er meinen Vornamen nicht vergessen.

»Nicht gut«, räumte ich ein. »Aber Sie sind kein Neuling in Ihrem Job, Ingmar, und wissen, dass solche Zeugenaussagen oft nicht der Wahrheit entsprechen.«

»Drei Zeugen, Siemen. Und ein Staatsanwalt, der Sie nur allzu gern in die Finger kriegen möchte. Mein Freund, die Sache sieht böse aus für Sie. Der Staatsanwalt sucht nur noch ein Motiv.«

»Das ist nicht nötig«, stöhnte ich. »Er hat das Motiv schon in den Händen. Ich war heute schon bei ihm.«

Stutenbrinck richtete sich auf und schaute mich scharf an. »Demnach wollen Sie sich jetzt zur Sache äußern.«

»Schicken Sie den Schreiber hinaus«, sagte ich.

Stutenbrinck wies mit dem Kopf zur Tür, und der Stenograf erhob sich.

Ich lehnte mich zurück, rieb mir die Stirn, seufzte tief und begann zu sprechen: »Gestern Abend erhielt ich ein Schreiben. In selbigem wurde ich aufgefordert, heute Morgen vor dem Staatsanwalt zu erscheinen...«

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Natürlich war ich überrascht. Ich hatte keine Ahnung, warum mich der Staatsanwalt sehen wollte. Aber eine Vorladung von Philip Lohmann durfte keineswegs ignoriert werden. Als ich im Wartezimmer vor seinem Büro saß, hörte ich ihn auf einen seiner Untergebenen einreden: »Aus Sie sind ein Staatsanwalt, Jasper. Sie haben den Mann mit diesem Fall beauftragt, und Sie tragen die Verantwortung dafür. Zwei Wochen vertrödelt, und kein Resultat. Sofern er den Fall nicht übernehmen kann, informieren Sie mich entsprechend, und ich beantrage die nötigen Änderungen. Verstanden? Und jetzt bringen Sie mir Siemen Friesland herein.«

Jasper Krug steckte den Kopf durch die Tür und winkte mir mit dem Finger. Krug war schon seit langem bei der Staatsanwaltschaft tätig; er gehörte zu den zuverlässigen Leuten, die dafür sorgten, dass alles schön im Gleis lief. Wir hatten gemeinsam Jura studiert, und als ich die Vorladung erhalten hatte, heute im achten Stock des Gerichtsgebäudes zu erscheinen, hatte ich von ihm eine Erklärung zu erhalten versucht; aber er war nicht erreichbar gewesen.

Philip Lohmanns hochgewachsene Gestalt stand am Fenster. Sein scharfes, hageres, fast immer unfreundliches Gesicht mit der spitzen Nase war mir zugewandt. Er blickte mich ausgesprochen kühl an und deutete auf einen Stuhl: »Setzen Sie sich.«

Wenn ich je ein menschliches Wesen aussuchen dürfte, das die erste Atomrakete zum Mond testen sollte, würde Lohmann wahrscheinlich am Anfang meiner Liste stehen. Wir hatten einander seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen, aber er kannte meine Gefühle, und sie wurden von ihm herzlich erwidert.

»Bleiben Sie hier, Jasper«, sagte er zu Krug. »Ich möchte, dass Sie alles mitanhören.«

Krug nickte.

Lohmann ging zu seinem Pult und nahm Platz. In den vergangenen Wochen war der Hagensmoorer Morgen voll gewesen von seiner Kampagne gegen Rechtsanwälte. Er durchstöberte alte Fälle, prüfte den Richterspruch und suchte nach unzulässigen Vereinbarungen. Eine ganze Anzahl von Rechtsanwälten in Hagensmoor ging mit besorgten Gesichtern herum und hatte schlaflose Nächte.

Lohmann legte seine Handflächen zusammen und stützte die Ellbogen auf seinen Schreibtisch, während er mich mit Blicken maß. »Ich nehme an, dass Sie die Gesetze dieses Landes nicht sonderlich lieben, Friesland.«

»Stimmt. Aber man kann sie nicht ändern.«

»Sie können das jedenfalls nicht.« Seine Stimme hatte den tragenden Klang eines öffentlichen Redners. »Und kein Privatmann vermag das zu tun. Jede Änderung der Gesetze unterliegt ausschließlich der Legislative. Ausschließlich.«

Ich hob meine Hand. »Hören Sie, Herr Lohmann, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Was habe ich Ihrer Meinung nach ausgefressen?«

»Eine ganze Menge. Ich werde Sie des Erschleichens von Meineiden und der Bewerkstelligung falscher Zeugenaussagen in einem ungültigen Scheidungsfall anklagen.«

»Mich?«, stotterte ich, denn ich war aufrichtig verblüfft. »Ich habe doch fast gar keine Scheidungsfälle.«

»Oh, es waren schon zu viele. Vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr: Joken gegen Joken.«

»Du liebe Güte, das ist zwei Jahre her.«

»Ganz genau!« Er lächelte sardonisch. »Also... erinnern Sie sich?«

Selbstverständlich erinnerte ich mich. Ich hatte den Schriftsteller Broder Joken vertreten, dessen Roman Hagensmoor bei Nacht der Bestseller des Jahres gewesen war. Ich war ihm empfohlen worden, als er sich von seiner Frau Inka scheiden lassen wollte, und das war das einzige Mandat, das ich von ihm bekommen hatte. So viel ich wusste, war dieser Fall längst abgeschlossen. Ich schaute Jasper Krug an, doch der verschlossene Ausdruck auf seinem Gesicht gab mir keine Erklärung.

»Was meinen Sie mit Erschleichen von Meineiden?«, fragte ich Lohmann. »Die Frau hat sich der Untreue schuldig gemacht. Wir hatten einen eindeutigen Beweis dafür und zwei neutrale Zeugen. Einen von ihnen kannte ich persönlich.«

»Helene Janssen?«

»Ja. Sie war damals Broder Jokens Sekretärin, und sie empfahl mich ihm als Anwalt. Sie war bei der Einvernahme anwesend, und ich kann mich für ihre Redlichkeit verbürgen.«

»Zweifellos«, meinte er trocken. »Aber wer kann sich für Sie verbürgen?«

»Eine Menge Leute. Meine Kindergartenlehrerin, meine Grundschullehrerin, jedermann, der je mit mir in geschäftlicher Beziehung stand.«

Meine Antwort belustigte ihn keineswegs. »Sie sind in echten Schwierigkeiten, Friesland, und Leichtsinn hilft Ihnen dabei überhaupt nicht. Diese Scheidung war ein Schwindel, die Einvernahme abgekartet, alles unter kundiger Regie, und ich glaube, dass wir das beweisen können.«

»Wie?«

»Ihre Zeugen bestätigen, dass sie Joken mit einem fremden Mann in einem Hotelzimmer überraschten. Wissen Sie, wer dieser Mann war?«

»Nein. Ich war bei der Aufklärung dieses Details nicht anwesend.«

»Aber Sie sahen den Schnappschuss?«

»Welchen Schnappschuss?«

»Ich bitte Sie, Friesland.« Ein dicker Briefumschlag lag auf seinem Schreibtisch. Er nahm den Inhalt heraus, wühlte darin und schob mir dann eine Fotografie zu.

Sie zeigte ein gewöhnliches Hotelzimmer mit der üblichen Möblierung. Inka Joken saß auf der Bettkante, eine auffallend gut gebaute Frau in einem zarten Negligé. Mit aufgerissenen Augen, in kläglicher Haltung war sie auf das Bild gebannt worden. An ihrer Seite stand ein Mann in Hemdsärmeln, der über seine Schulter zurückblickte, als ob er durch ein plötzliches Geräusch an der Tür erschreckt worden sei. Die eine Hand hatte er erhoben und in drohender Gebärde geballt.

---ENDE DER LESEPROBE---