Füße in guten Händen - Christian Larsen - E-Book

Füße in guten Händen E-Book

Christian Larsen

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Beschreibung

<p><strong>Fußproblemen auf der Spur - nach dem Konzept der „Spiraldynamik“</strong></p> <p>„Füßiotherapie“ aus dem Hause Larsen – vierfarbig, mit hervorragenden Fotos.<br />Sie lernen das Untersuchen und Behandeln nach dem Konzept der „Spiraldynamik“ kennen. Ihre Patienten lernen – auch präventiv – das Schicksal Ihrer Füße in die eigenen Hände zu nehmen. Sie begreifen die Dreidimensionalität stabiler Füße, die geniale Gewölbearchitektur und die Wirkung auf die gesamte Beinstatik.</p> <p>Dieses Buch überzeugt durch eine klare Systematik in allen Kapiteln:</p> <ul> <li>3D-Anatomie und Pathomechanik</li> <li>Diagnostik, z.B. programmierte Untersuchung</li> <li>Therapiestrategien, z.B. der „Spiraldynamik“-Fußplaner</li> <li>Patienteninformationen</li> <li>zahlreiche Übungen, gezeigt in über 200 Fotos</li> <li>Prävention</li> </ul> <p>Profitieren Sie außerdem von einem zusätzlichen Kapitel zur operativen Versorgung von orthopädischen Fußproblemen mit dem Schwerpunkt der postoperativen Therapie.</p> <p>Damit die Füße Ihrer Patientinnen und Patienten wieder laufen lernen.</p>

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Seitenzahl: 576

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Füße in guten Händen

Spiraldynamik - programmierte Therapie für konkrete Resultate

Christian Larsen

Unter Mitarbeit von Peter Hende

4. unveränderte Auflage

233 Abbildungen

Peditorial

Anstelle eines Vorworts: Zwölf falsche Aussagen – und deren Konsequenzen

Fußprobleme und Problemfüße gehören „in gute Hände“. Einverstanden. Tatsache ist: Die Füße wurden und werden während Jahrzehnten von Medizin, Chirurgie und von der Therapie vernachlässigt. Sträflich vernachlässigt. Für Rückenprobleme gibt es X Konzepte und noch mehr Rezepte. Nicht so für die Füße. Testen Sie Professionalität und Aktualität Ihres „füßiologischen“ und „füßiotherapeutischen“ Verständnisses anhand von zwölf Aussagen. Alle zwölf Aussagen sind falsch! Wenn Sie versucht sind, die eine oder andere Aussage als richtig einzustufen, führt kein Weg mehr an diesem Buch „Füße in guten Händen“ vorbei.

Die Drei-Punkte-Theorie der Fußbelastung hat bis heute ihre grundsätzliche Gültigkeit behalten. Falsch! Die Drei-Punkte-Theorie ist hoffnungslos veraltet. Der Fuß wird auf seiner gesamten Bodenkontaktfläche belastet – alle fünf Zehen und alle fünf Grundgelenke tragen Gewicht (Hayafune N, 1999). Mehr zur Gewölbekonstruktion und dem ▶ „Trick mit der Spirale“; zur ▶ „Druck- und Lastverteilung im Fuß“.

Handtuchraffen und Bleistiftgreifen sind gute fußgymnastische Übungen für Kinder. Ganz falsch! Durch Handtuchraffen werden Krallenzehen angezüchtet – trainiert werden die langen Zehenbeuger statt der Mm. interossei (Larsen C, 1998). Die funktionelle Übungsvariante ▶ „Zehenraupen“. Übrigens: Ballenstand-Training zum Längsgewölbeaufbau ist genauso falsch: Sie finden die Abbildung und Übung ▶ „Plantaraponeurose“, die funktionelle Übung ▶ „Storch“.

Die Menschwerdung begann evolutionsgeschichtlich mit der Entwicklung von Hand und Hirn. Ein Irrtum der zerebrozentrischen Forschung! Die Menschwerdung begann vor 4 Millionen Jahren mit der Vermenschlichung des Fußes. Dadurch wurde der aufrechte Gang erst ermöglicht. Die Spezialisierung der Hände und die Volumenzunahme des Gehirns folgten Millionen Jahre später (Schad W, 2000). Mehr zum Thema ▶ „Evolution – am Anfang war der Fuß“.

Spreizfußdeformitäten können nur chirurgisch behandelt werden. Falsch, biologische Gewebeadaptation ist keine Einbahnstraße! Statodynamische Fehlbelastung lässt sich korrigieren, sekundäre Veränderungen sind teilweise reversibel (Larsen C, 1998). Vergleiche untenstehendes Foto. Mehr zum ▶ „Paradigmawechsel“.

Echte orthopädische Fußprobleme sind relativ selten.Grundfalsch! Fußprobleme kommen gleich nach den Rückenproblemen. Zwei Drittel der Kinder zeigen funktionelle oder strukturelle Deformierungen ihrer Füße (Jerosch J, 1998). 40 % der erwachsenen Bevölkerung leiden an Fußproblemen, 5 % der Bevölkerung erhalten Laufhilfe mit dem Skalpell (Gould N, 1980). Mehr zum Thema ▶ „Jeder zweite Fuß ein Problem“.

Rund 4 % der Überlastungsschäden beim Laufen werden mit „anatomischen Auffälligkeiten“ in Verbindung gebracht – wie z. B. Gewölbeinsuffizienz oder Beinachsenabweichungen. Auch falsch! Es sind nicht 4 %, sondern 40 %. Anatomische Fehlbelastungen sind pathomechanische und therapeutische Schlüsselfaktoren (Renström PA, 1997 g). Eine kurze Zusammenstellung der Risiken beim Laufen finden Sie bei ▶ „Risikofaktoren Konstitution und Anatomie“.

Regelmäßiges Gehtraining ist eine etablierte Therapie bei Hautdurchblutungsstörungen der Füße. Gefährlich falsch! Gehtraining fördert Kollateralkreisläufe bei Durchblutungsstörungen der Muskulatur. Bei kritischer Durchblutung der Haut ist das Gehtraining kontraindiziert. Die arbeitende Muskulatur stiehlt der Haut das Blut und gefährdet so den Fuß (Gibellini R, 2000). Mehr zur ▶ „kritischen Hautdurchblutung“.

Das pathomechanische Hauptproblem des Hallux valgus ist der Großzehen-Schiefstand. Irrtum! Die Pathomechanik des Spreizfußes steht im Vordergrund – mit transversaler und sagittaler Instabilität des ersten Mittelfußknochens (Ausnahme: juveniler Hallux valgus). Mehr zur ▶ „anteromedialen Insuffizienz“.

Die Mm. interossei sind schwache Muskeln. Falsch, die anatomische Realität wird völlig verkannt. Patienten mit Atrophie der Mm. interossei der Hand verlieren bis zu 40 % ihrer Kraft. Die kleinen Muskeln verdoppeln den Wirkungsgrad der langen Muskeln nahezu. Im Vorfuß herrschen funktionell analoge Verhältnisse. Mehr zu den ▶ „Minimuskeln mit Maxikraft“.

Cooper ist der Erfinder des Walkings – des Trendsports aus den USA. Falsch! Vor rund 2400 Jahren überraschte Hippokrates seine Mitbürger mit dem Ausspruch „Gehen ist die beste Medizin“. Kenneth Cooper ist der Begründer von Aerobics – dem aeroben Ausdauertraining durch Joggen (Cooper KH, 1970). Mehr zum ▶ „12-Minuten-Lauftest nach Cooper“, der Standard ▶ „Walking-Test“.

Die meisten Kinder gehen in ihrer Kindheit barfuß. Falsch, schön wär’s! Ein Drittel der untersuchten Kinder ist niemals barfuß gelaufen (Noszvai-Nagy M, 1999). Erwachsene, die als Kinder viel barfuß gelaufen sind, haben nachweislich hochsignifikant weniger Fußprobleme (Sachithanandam, 1995; Rao, 1992). Die nackten Fakten zu ▶ „jeder zweite Fuß ein Problem“.

Eine gute Stoßdämpfung der Schuhe ist beim Joggen entscheidend für die Schonung der großen Gelenke. Ganz falsch, gar ein Jahrhundert-Irrtum! Die effiziente Stoßdämpfung im Schuh wird vom Gehirn übersteuert und führt automatisch zu einem härteren Aufsetzen der Füße (Robbins, 1997). Das menschliche Nervensystem braucht die Aufprallintensität, um zu wissen, wo der Boden ist. Eine weiche Gangart ist die einzige Art, wie beim Joggen die Belastungskräfte im Hüftgelenk wirkungsvoll beeinflusst werden können (Bergmann, 1995). Mehr zum ▶ „unperfekten Schuh“, zum „Laufstil von Säuglingen“ und ▶ „Barfuß-Völkern“.

60-jährige Frau mit Hallux valgus beidseits. Konservative Therapie (Spiraldynamik): Verlauf nach einem Jahr.

Ich wünsche Ihnen gute Hände, damit die Füße Ihrer Patientinnen und Patienten wieder laufen lernen.

Christian Larsen, Zürich, 2003

Mein aufrichtiger Dank an Claudia Larsen (Fotografie), Evelyne Gavenda (Therapeutin), Theresa Hurni (Tänzerin), Viorel Constantinescu (Grafiken), Claus Puhlmann (Lektorat), Rosi Haarer-Becker (Thieme Verlag) und Werner Vogel für die Herausgabe des Spiraldynamik® Grundlagenbuchs „Die zwölf Grade der Freiheit“.

Zusatzfrage: Kinderfüße können jährlich um bis zu einer Schuhgröße wachsen. Auch das ist falsch! Kinderfüße können jährlich um bis zu drei Schuhgrößen wachsen! Ein Drittel aller Kinder trägt nachweislich zu kleine oder zu große Schuhe – Fuß und Zehendeformitäten sind programmiert (Maier E, 2000). Mehr zur Wachstumsfehllenkung im Spiraldynamik® Parallelwerk: „Gesunde Füße für Ihr Kind“, Stuttgart: Trias Verlag.

Dr. med. Christian Larsen

*14.7.1956, Basel

Jetzt

Ärztlicher Leiter des medizinisch-therapeutischen Med Centers Spiraldynamik® an der Privatklinik Bethanien in Zürich

Preisträger SNE Förderpreis 2002 für die Synthese von Schul- und Alternativmedizin

Familiengemeinschaft mit Künstlerin, Zwillingstöchtern, drei Katzen und zwei Hunden

Autor zahlreicher Fach- und Laienpublikationen und Bücher; Autor der Trilogie „Füße in guten Händen“ (Fachbuch), „Gut zu Fuß ein Leben lang“ (Anwenderbuch) und „Gesunde Füße für Ihr Kind“ (Elternratgeber)

Autor des wissenschaftlichen Kunstbuches „Die zwölf Grade der Freiheit“, 1995

Internationale Lehrtätigkeit; Zusammenarbeit mit Hochschulen, Berufsverbänden und Firmen

Permanente persönliche Fort- und Weiterbildung (Medizin, Bewegung, Psychologie)

Präsident des Verwaltungsrates der Spiraldynamik AG

Mitbegründer des Spiraldynamik Forschungsteams

Früher ...

Assistenzarzt im Spital: Innere Medizin, Chirurgie und Pädiatrie

Simultanübersetzer Englisch, Deutsch und Französisch

Studium der Akupunktur; einjähriger Studienaufenthalt in China und in Japan

Leitung eines Seminarzentrums für Erwachsenenbildung in Bern

Zwanzig Jahre Aikidopraxis, eigene Schule in Bern, Schwarzgurtträger

Ausgedehnte Studienreisen: Tibet, Indien, Neuseeland, Philippinen, Hawaii, Sahara

Überlebenstraining: Alaska, Schwarzwald, Transhimalaya

Berichterstattung und Diavorträge zu den einzelnen Reisen

Medizinstudium an der Universität in Basel, Staatsexamen 1984

Und davor ... NLP Ausbildung zum Practitioner; begeisterter Hobbyfotograf; Nachhilfeunterricht Mathematik und Französisch; Gitarre spielen; Japanisch lernen; Ausbildung in Shiatsu; Fechten, Reiten, Skifahren, Segeln, Judo, Fischen; Briefträger; Mitarbeit bei Hausrenovierungen und in der Landwirtschaft; Hobbymechaniker; Matura; Progymnasium; Blockflöte; Primarschüler; Kind.

Spiraldynamik Glossar

Spiraldynamik Terminologie: Ein knappes Dutzend neuer Begriffe Das Konzept der Spiraldynamik verzichtet bewusst auf die Einführung einer eigenen und neuen Terminologie. Wir greifen wenn immer möglich auf existierende Nomenklaturen und Konventionen zurück und erklären Bewegung in diesen Kategorien. Neue Begriffe tauchen nur dort auf, wo Begriffe und Konvention fehlen. Hier der Überblick:

3D-Koordination Die raumzeitlichen Qualitäten eines Bewegungsablaufes stimmen mit den anatomisch-funktionellen Grundlagen überein. >> Spiralbewegungen sind dreidimensionale Komplexbewegungen, die in allen sechs Freiheitsgraden qualitativ definiert werden:

3D-Rotation in den Gelenkebenen S, F und T

3D-Translokation entlang den drei Gelenkachsen t, s und l.

3D-Torsion und Detorsion >> Spiralbewegung

C-Bogen Flacher Oppositionsbogen zwischen den Capita metatarsalia 1 und 5. Der C-Bogen ist beim unbelasteten Fuß nach oben konvex. Unter Belastung flacht der C-Bogen exzentrisch-stoßdämpfend und vollständig ab. Dies ermöglicht eine optimale ▶ Druckverteilung im Vorfuß.

Pol Jede >> Koordinationseinheit ist durch zwei endständige Knochensphären definiert. Beispiel: Kopf und Becken stellen die Pole des Stammes dar; Ferse und Vorfuß sind die ▶ Pole des Fußes siehe >> spiralige Verschraubung im Fußskelett; Capita metatarsalia 1 und 5 sind die ▶ Pole des Vorfußessiehe >> C-Bogen. Das dreidimensionale Bewegungsverhalten der Pole ist entscheidend für die raumzeitliche Koordination des gesamten dazwischenliegenden Körpervolumens.

Koordinationseinheit Das Bewegungssystem Mensch lässt sich in sieben funktionelle Einheiten gliedern. Jede Koordinationseinheit besteht aus zwei >> Polen und einem oder zwei >> Symmetrieprinzipien. Beispiel: Der Stamm stellt die zentrale Koordinationseinheit dar; seine >> Pole sind Kopf und Becken; dem Stamm liegen zwei >> Symmetrieprinzipien zugrunde – Spiegelsymmetrie für sogenannte „symmetrische Einroll- und Streckbewegungen“ und Achsensymmetrie für sogenannte „asymmetrische Drehbewegungen“.Die sieben Koordinationseinheiten sind:

Stamm

Hand und Fuß

Schulter und Hüfte

Arm und Bein.

Spiraldynamik-Notation Dreidimensionale Dokumentation von Bewegungsabläufen gemäß Spiraldynamikkonzept. Die Dokumentation ist auf eine definierte Anzahl fundamentaler Spiralbewegungen des Stammes und der Extremitäten beschränkt. Beispiel: Links-rechts-Verschraubung des Stammes oder Beuge-Streckbewegungen der Beine während des Laufens.

Spiralbewegung Komplexe 3D-Torsions- und Detorsionsbewegung, alle sechs Freiheitsgrade sind qualitativ definiert:

3D-Torsion konzentrisch Vorfuß-Rückfuß (▶ Abb. 7.4)

3D-Detorsion exzentrisch Vorfuß-Rückfuß (▶ Abb. 8.7)

3D-Mobilisierung Großzehengrundgelenk (▶ Abb. 10.7)

Spiralige Verschraubung >> Spiralbewegung

Spiralprinzip Das Spiralprinzip entspricht geometrisch der Helix. Zugrunde liegt das Symmetrieprinzip der Achsensymmetrie. Näheres zum ▶ Spiralprinzip.

Symmetrieprinzip Die Koordinationseinheiten des menschlichen Bewegungssystems sind nach geometrischen Symmetrieprinzipien organisiert:Spiegelsymmetrie >> C-Bogen; Beispiel: Oppositionsbogen der HandAchsensymmetrie >> Spiralprinzip; Beispiel: spiralige Links-rechts-Verschraubung im Stamm

Verzeichnis der Abkürzungen

AR 

Außenrotation

BMI 

Body-Mass-Index

CVI 

chronisch-venöse Insuffizienz

GPS 

Geo-Positioning-System

IMT 

Intermetatarsal

IR 

Innenrotation

KHK 

koronare Herzkrankheit

MTP 

Metatarsalphalanx

MT 

Metatarsale

Newton

OSG 

oberes Sprunggelenk

Phalanx

PAVK 

periphere arterielle Verschlusskrankheit

PPPPP 

Parese, Parästhesie, Pulslosigkeit, Pain (Schmerz), Palor (Blässe) – die fünf P des akuten Arterienverschlusses

ROM 

Range of motion

SIAS 

Spina iliaca anterior superior

TMT 

tarsometatarsal

TVT 

tiefe Venenthrombose

VAS 

visuell-analoge Skala

VRS 

verbal rating scale

ZNS 

zentrales Nervensystem

Inhaltsverzeichnis

Peditorial

Dr. med. Christian Larsen

Spiraldynamik Glossar

Verzeichnis der Abkürzungen

1 Fußprobleme und Problemfüße

1.1 Füße leben gefährlich

1.1.1 Risikofaktoren

1.2 Der Trick mit der Spirale

1.2.1 Konstruktionsprinzip

1.3 Füße auf Abwegen

1.3.1 Ursachen

1.4 Vom Leitsymptom zur Diagnose

1.4.1 Differenzialdiagnose

1.5 Schnellschritte in der Praxis

1.5.1 Programmierte Diagnostik

1.6 Fragen richtig stellen

1.6.1 Anamnese

1.7 Wichtige Befunde finden

1.7.1 Untersuchung

1.8 Rationelle Wahrsagerei

1.8.1 Prognose

1.9 Auf einen Blick

1.9.1 Standortbestimmung Spiraldynamik: Überblick

1.9.2 Analyseformen

1.10 Zeit sparen, Information bringen

1.10.1 Fragebogen

1.11 Krankheit als Weg

1.11.1 Bedeutung von Krankheit

1.12 Mit Kopf und Herz behandeln

1.12.1 Strategie der Therapie

1.12.2 Strategieelemente

1.13 Naturgesetze zum Anwenden

1.13.1 Therapieprinzipien

1.13.2 Konzept

1.13.3 Methode

1.13.4 Therapien

1.14 Wichtiges zuerst

1.14.1 Prioritäten setzen

1.14.2 Strategiebeispiel

1.15 Therapieerfolg in Zahlen

1.15.1 Parameter

1.16 Spiraldynamik-Fußplaner

1.16.1 Fußplaner: Strategie im Handumdrehen

1.16.2 Selbst gemacht: Fußplaner in drei Minuten

1.17 Brücken aus Worten und Taten

1.17.1 Patienteninformation

1.18 Wirkung mit Nachwirkung

1.18.1 Übungen

1.19 Eigenverantwortung fordern und fördern

1.19.1 Prävention

2 Orthopädische Fußprobleme

2.1 Jeder zweite Fuß – jeder zweite Therapeut?

2.1.1 Evidenz

2.2 Füße auf schiefer Bahn

2.2.1 Pathomechanik in zehn Schritten

2.3 Behandlung nach Maß

2.3.1 Programmierte Therapie: Priorität

2.3.2 Programmierte Therapie: Prinzip

2.3.3 Programmierte Therapie: Parameter

2.3.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

2.4 Wege zu Standfestigkeit und Leichtfüßigkeit

2.4.1 Prognostische Kriterien

2.4.2 Psychologische Erweiterung

2.4.3 Übungsqualität

2.5 Das Schicksal der Füße in die eigenen Hände nehmen

2.5.1 Präventive Biomechanik: Wohlbefinden ist käuflich

2.5.2 Medizinische Pädagogik: Ab 40 läuft der Countdown

3 Neurologische Problemfüße

3.1 Sammeltopf für neurogene Vielfalt

3.1.1 Evidenz

3.2 Damit die Füße wissen, wo sie stehen

3.2.1 Neuroanatomie

3.3 Kognitiv-funktionelle Integration

3.3.1 Programmierte Therapie: Priorität

3.3.2 Programmierte Therapie: Prinzip

3.3.3 Programmierte Therapie: Parameter

3.3.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

3.4 Füße lernen laufen

3.4.1 Prognostische Kriterien

3.4.2 Psychologische Erweiterung

3.4.3 Übungsqualität

3.5 Frühdiagnose und Frühtherapie

3.5.1 Prävention

4 Arterielle Fußprobleme

4.1 Stenosen auf leisen Sohlen

4.1.1 Evidenz

4.2 Leben bis in die Zehenspitzen

4.2.1 Anatomie der Gefäße

4.3 Gehtraining und Lebensstil

4.3.1 Programmierte Therapie: Priorität

4.3.2 Programmierte Therapie: Prinzip

4.3.3 Programmierte Therapie: Parameter

4.3.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

4.4 Füße in Lebensgefahr

4.4.1 Prognostische Kriterien

4.4.2 Psychologische Erweiterung

4.4.3 Übungsqualität

4.5 Vorbeugen ist besser als Warten

4.5.1 Prävention

5 Venöse Fußprobleme

5.1 Rückstau statt Rückfluss

5.1.1 Evidenz

5.2 Speichergefäße mit Kapazitätsgrenzen

5.2.1 Anatomie der Gefäße

5.3 Den Venen Beine machen

5.3.1 Programmierte Therapie: Priorität

5.3.2 Programmierte Therapie: Prinzip

5.3.3 Programmierte Therapie: Parameter

5.3.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

5.4 Venen auf Trab

5.4.1 Prognostische Kriterien

5.4.2 Psychologische Erweiterung

5.4.3 Übungsqualität

5.5 Wohlbefinden dank Venentraining

5.5.1 Prävention

6 Knickfüße: Fundament mit Schräglage

6.1 Von Kindesbeinen an

6.1.1 Evidenz

6.2 Das belastungsstabile Fundament

6.2.1 3D-Anatomie

6.3 Winkelmaß des Achilles

6.3.1 Programmierte Diagnostik: Knickfuß

6.3.2 Klinische Diagnostik Knickfüße

6.4 Orthograde Belastung

6.4.1 Programmierte Therapie: Priorität

6.4.2 Programmierte Therapie: Prinzip

6.4.3 Programmierte Therapie: Parameter

6.4.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

6.5 Nicht jeder Turm steht in Pisa

6.5.1 Prognostische Kriterien

6.5.2 Psychologische Erweiterung

6.5.3 Übungsqualität

6.6 Übungsprogramm: neue Wege zu einem soliden Fundament

6.6.1 Wahrnehmungsschulung: Das Fundament wahrnehmen

6.6.2 Funktionelle Mobilisation: das Fundament ausrichten

6.6.3 Funktionelle Stabilisation: Fersen 3D-stabil

6.6.4 Funktionelles Training: sattelfest auf eigenen Füßen

6.6.5 Funktionelle Integration: Sprungkraft und Sprunglandung

6.7 Trittsicherheit Schritt für Schritt

6.7.1 Prävention

7 Senk- und Plattfüße: Gewölbekollaps in Zeitlupe

7.1 Verlust der In-sich-Stabilität

7.1.1 Evidenz

7.2 Selbsttragender Kuppelbau

7.2.1 3D-Anatomie

7.3 Gewölbekollaps im Klartext

7.3.1 Programmierte Diagnostik: Senkplattfuß

7.3.2 Klinische Diagnostik Senkplattfüße

7.4 Nichtoperative Gewölberekonstruktion

7.4.1 Programmierte Therapie: Priorität

7.4.2 Programmierte Therapie: Prinzip

7.4.3 Programmierte Therapie: Parameter

7.4.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

7.5 Zeigt her eure Gewölbe

7.5.1 Prognostische Kriterien

7.5.2 Psychologische Erweiterung

7.5.3 Übungsqualität

7.6 Übungsprogramm: Gewölbebauer am Werk

7.6.1 Wahrnehmungsschulung: Gewölbekollaps rückwärts

7.6.2 Funktionelle Mobilisation: Die Verschraubung fehlt

7.6.3 Funktionelle Stabilisation: Spiralgriff der Füße

7.6.4 Funktionelles Training: Kraftpunkte der Fußsohle

7.6.5 Funktionelle Integration: Spiralfederung eingebaut

8 Hohlfüße: Grenzen des Gewölbehochbaus

8.1 Die Standfläche auf den Punkt gebracht

8.1.1 Evidenz

8.2 Die elastische Standfläche

8.2.1 3D-Anatomie

8.3 Gewölbehochbau unter der Lupe

8.3.1 Programmierte Diagnostik: Hohlfuß

8.3.2 Klinische Diagnostik Hohlfuß

8.4 Funktionelle Therapiestrategien: Füße auf den Boden zurückholen

8.4.1 Programmierte Therapie: Priorität

8.4.2 Programmierte Therapie: Prinzip

8.4.3 Programmierte Therapie: Parameter

8.4.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

8.5 Patienteninformation: Füße wie Stelzen

8.5.1 Prognostische Kriterien

8.5.2 Psychologische Erweiterung

8.5.3 Übungsqualität

8.6 Übungsprogramm: Boden unter den Füßen

8.6.1 Wahrnehmungsschulung: die Kunst des Loslassens

8.6.2 Funktionelle Mobilisation: die Muskelspindeln überlisten

8.6.3 Funktionelle Stabilisation: elastische Standfestigkeit

8.6.4 Funktionelles Training: die sanfte Kraft des Loslassens

8.6.5 Funktionelle Integration: gehen wie eine Raubkatze

8.7 Auf festem Boden bleiben

8.7.1 Prävention

9 Spreizfüße: Stoßdämpfer mit Verfallsdatum

9.1 Füße auf den Felgen

9.1.1 Evidenz

9.2 Leichtigkeit des Aufpralls

9.2.1 3D-Anatomie

9.3 Programmierte Diagnostik

9.3.1 Gespreizter Knochenfächer: Spreizfuß

9.3.2 Klinische Diagnostik Spreizfuß

9.4 Funktionelle Therapiestrategien: Kognition – Mobilisation – Innervation – Stabilisation

9.4.1 Programmierte Therapie: Priorität

9.4.2 Programmierte Therapie: Prinzip

9.4.3 Programmierte Therapie: Parameter

9.4.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

9.5 Patienteninformation: Stoßdämpfer mit Verfallsdatum

9.5.1 Prognostische Kriterien

9.5.2 Psychologische Erweiterung

9.5.3 Übungsqualität

9.6 Übungsprogramm: Stoßdämpfer mit Impulskraft

9.6.1 Wahrnehmungsschulung

9.6.2 Funktionelle Mobilisation: Feinmechanik an den Füßen

9.6.3 Funktionelle Stabilisation: muskelgefedertes Quergewölbe

9.6.4 Funktionelles Training: Vorfußtraining Schritt für Schritt

9.6.5 Funktionelle Integration: Stoßdämpfer und Impulsgeber

9.7 Stoßdämpfer auf Lebenszeit

9.7.1 Prävention

10 Hallux-Pathologien: Großzehe auf Abwegen

10.1 Großzehe auf Abwegen

10.1.1 Evidenz

10.2 Daumenzehe gibt nach

10.2.1 3D-Anatomie

10.3 Programmierte Diagnostik

10.3.1 Großzehe auf Abwegen: Halluxprobleme

10.3.2 Klinische Diagnostik Hallux

10.4 Funktionelle Therapiestrategien: Gerade, beweglich und stabil soll sie sein

10.4.1 Programmierte Therapie: Priorität

10.4.2 Programmierte Therapie: Prinzip

10.4.3 Programmierte Therapie: Parameter

10.4.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

10.5 Patienteninformation: Großzehe im X-Format

10.5.1 Prognostische Kriterien

10.5.2 Psychologische Erweiterung

10.5.3 Übungsqualität

10.6 Übungsprogramm: Fingerspitzengefühl bis in die Zehenspitze

10.6.1 Wahrnehmungsschulung: die Großzehe fest im Griff

10.6.2 Funktionelle Mobilisation: Kugelgelenk spiralig mobilisieren

10.6.3 Funktionelle Stabilisation: von der Daumenzehe zur Großzehe

10.6.4 Funktionelles Training: Vorfußtraining Schritt für Schritt

10.6.5 Funktionelle Integration: Stoßdämpfer und Impulsgeber

10.7 Beweglich, gerade und stark

10.7.1 Prävention:

11 Hüftgelenk: Angelpunkt der Aufrichtung

11.1 Kugelrund mit Dellen

11.1.1 Evidenz

11.2 Kugelgelenk mit Spirale

11.2.1 3D-Anatomie

11.3 Programmierte Diagnostik

11.3.1 3D-Mobilität auf dem Prüfstand: Hüftgelenk

11.3.2 Klinische Diagnostik Hüftgelenk

11.4 Funktionelle Therapiestrategien: runder Gang

11.4.1 Programmierte Therapie: Priorität

11.4.2 Programmierte Therapie: Prinzip

11.4.3 Programmierte Therapie: Parameter

11.4.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

11.5 Patienteninformation: Kugelgelenk braucht Bewegung

11.5.1 Prognostische Kriterien

11.5.2 Psychologische Erweiterung

11.5.3 Übungsqualität

11.6 Übungsprogramm: Kugelgelenke in Topform

11.6.1 Wahrnehmungsschulung: kugelrund und voll mobil

11.6.2 Funktionelle Mobilisation: Kugelgelenke spiralig mobilisieren

11.6.3 Funktionelle Stabilisation: lebendiges Becken

11.6.4 Funktionelles Training: Aufrichtung in Zeitraffer

11.6.5 Funktionelle Integration: Schritte der persönlichen Evolution

12 Beinachsen: der Trick mit der Spirale

12.1 Überlastung durch Fehlbelastung

12.1.1 Evidenz

12.2 Gelenk mit Spiralscharnier

12.2.1 3D-Anatomie

12.3 Programmierte Diagnostik: krumm und verdreht

12.3.1 Bein- und Fußachsen: Funktionelle Beinachsendiagnostik

12.3.2 Klinische Diagnostik Beinachsen

12.4 Funktionelle Therapiestrategien: lange Hebel gezielt nutzen

12.4.1 Programmierte Therapie: Priorität

12.4.2 Programmierte Therapie: Prinzip

12.4.3 Programmierte Therapie: Parameter

12.4.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

12.5 Patienteninformation: beide Beine beingerade

12.5.1 Prognostische Kriterien

12.5.2 Psychologische Erweiterung

12.5.3 Übungsqualität

12.6 Übungsprogramm: der Trick mit der Spirale

12.6.1 Wahrnehmungsschulung: richtig herum gewickelt

12.6.2 Funktionelle Mobilisation: den Knien auf die Beine helfen

12.6.3 Funktionelle Stabilisation: Spiraldynamik-Beinachsentraining

12.6.4 Funktionelles Training: Kraft ohne Anstrengung

12.6.5 Funktionelle Integration: gerade Beine – Schritt für Schritt

13 Walking: Gangschule für Füße – ewige Wanderschaft

13.1 Füße ohne Auslauf

13.1.1 Evidenz

13.2 Die Füße in Gang setzen

13.2.1 3D-Anatomie

13.3 Programmierte Diagnostik: gut zu Fuß

13.3.1 Ganganalyse

13.3.2 Funktionelle Diagnostik Gangstörungen

13.4 Funktionelle Therapiestrategien: Walking … aber richtig!

13.4.1 Programmierte Therapie: Priorität

13.4.2 Programmierte Therapie: Prinzip

13.4.3 Programmierte Therapie: Parameter

13.4.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

13.5 Patienteninformation: aufs Ganze gehen

13.5.1 Prognostische Kriterien

13.5.2 Psychologische Erweiterung

13.5.3 Übungsqualität

13.6 Den Füßen Beine machen

13.6.1 Übungsprogramm

13.6.2 Orthopädisches Gehtraining: Gehschule für Füße

13.6.3 Trendsport Walking: sich fit walken!

13.6.4 Angiologisches Gefäßtraining: Gehtraining für Arterien

13.6.5 Koronares Gefäßtraining: Gehtraining für Herzkranzgefäße

13.6.6 Neurologisches Synapsentraining: Gehtraining für Kreuzgänger

13.6.7 Pädiatrisches Gehtraining: Gehtraining für Kleinkinder

13.6.8 Gehmeditation: der Weg als Ziel

13.7 Bewegung ist die beste Medizin

13.7.1 Prävention

14 Jogging: Laufschule für Füße – auf dem Laufenden sein und bleiben

14.1 Wenn es schief läuft beim Laufen

14.1.1 Evidenz

14.2 Ein Leben lang für Sie im Rennen

14.2.1 3D-Anatomie

14.3 Programmierte Diagnostik: gut im Rennen

14.3.1 Laufanalyse und Risikoevaluation

14.3.2 Funktionelle Diagnostik Laufstörungen

14.4 Funktionelle Therapiestrategien: Lauf los – aber richtig!

14.4.1 Programmierte Therapie: Priorität

14.4.2 Programmierte Therapie: Prinzip

14.4.3 Programmierte Therapie: Parameter

14.4.4 Programmierte Therapie: Fußplaner

14.5 Patienteninformation: Schritt für Schritt zum Erfolg

14.5.1 Prognostische Kriterien

14.5.2 Psychologische Erweiterung

14.5.3 Übungsqualität

14.6 Den Füßen Beine machen

14.6.1 Übungsprogramm

14.7 Erfolg durch Bewegungsqualität

14.7.1 Prävention

15 Operativer Teil

15.1 Hallux valgus

15.1.1 Scarf-Osteotomie und Chevron-Osteotomie

15.1.2 Proximale Osteotomie: Opening-Wedge- und Closing-Wedge-Techniken

15.1.3 Lapidus-Arthrodese

15.1.4 McBride-Operation

15.1.5 Die Resektionsarthroplastik nach Keller-Brandes

15.1.6 Bedeutung und Reposition des Sesambeinkomplexes

15.2 Hallux rigidus

15.2.1 Cheilektomie und Exostosenabtragung

15.2.2 Arthrodese des Großzehengrundgelenkes

15.2.3 Prothesen-/Teilendoprothesen

15.3 Krallenzehen und Hammerzehen

15.3.1 Verkürzungsosteotomie nach Hohmann

15.3.2 Mittelfußköpfchen-Osteotomie nach Weil

15.4 Digitus quintus varus, Digitus quintus varus et superductus

15.4.1 Korrektureingriffe am fünften Strahl

15.5 Ganglien und Exostosen

15.5.1 Ganglienexstirpationen und Exostosenabtragungen

15.6 Morton-Neurom

15.6.1 Neurektomie und Neurolyse des Morton-Neuroms

15.7 Achillodynie

15.7.1 Operative Techniken bei Achillodynie

15.8 Haglund-Exostose und plantarer Kalkaneussporn

15.8.1 Abtragen der Haglund-Exostose

15.9 Weichteilpathologien von plantar

15.9.1 Plantarfasziitis und deren Behandlung

15.9.2 Morbus Ledderhose

15.9.3 Lipome

15.9.4 Dornwarzen

15.10 Kleiner Leitfaden der Operationsnachsorge

15.10.1 Nachsorge nach Fußoperationen

16 Anhang

16.1 Vom Leitsymptom zur Diagnose

16.1.1 Überblick: Sie finden nur, was Sie suchen

16.1.2 Dokumentation: Sie finden, was Sie suchen

17 Literatur und weiterführende Literatur

17.1 Nützliche Adressen und Links

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

1 Fußprobleme und Problemfüße

1.1 Füße leben gefährlich

1.1.1 Risikofaktoren

1.1.1.1 Risikofaktor Genetik: Evolution und Veranlagung

Während Jahrmillionen lebte der Urmensch als Nomade – auf ewiger Wanderschaft. Erst nach der letzten Eiszeit – zirka 6000 Jahre vor Christus – finden sich die ersten Zeichen der Sesshaftigkeit. Der menschliche Fuß wurde für Dauerwanderungen konzipiert und erprobt. Der jahrmillionenlange Gebrauch prägte seine Struktur und Funktion bis zum heutigen Tag. Und so will er gebraucht werden, um ein Leben lang funktionsfähig zu bleiben. Zumindest ansatzweise muss selbst der moderne Mensch Rücksicht auf die evolutionären und traditionellen Lebensgewohnheiten der Füße nehmen.

Familiäre Veranlagungen zu Spreizfüßen, Plattfüßen, Hallux valgus und anderen Fußproblemen sind häufig anzutreffen. Genaue Zahlen über die Durchschlagkraft der genetischen Veranlagung fehlen. Zudem variiert die genetische Penetranz von Krankheitsbild zu Krankheitsbild und von Familie zu Familie. Oftmals sind die Geschwister trotz familiär gleicher Konstellation völlig beschwerdefrei. Der Einfluss der Gene auf die Füße gilt nicht uneingeschränkt. Veranlagungen stellen in aller Regel Risikokonstellationen dar. Es ist eine Herausforderung, familiären Hypotheken frühzeitig durch einen gezielt präventiven Lebensstil zu begegnen.

1.1.1.2 Risikofaktor Versorgung: Zirkulation und Innervation

Das Zusammenspiel von Bewegungsfunktion, Durchblutung, Innervation ist komplex und störanfällig. Statische Dauerbelastung, arterielle Gefäßversorgung, venöser Abfluss und Innervation stellen kritische Größen dar. Der Risikofaktor Lebensstil wird meist gewaltig unterschätzt. Die Mehrheit aller Fußprobleme hängt direkt damit zusammen. Übergewicht, Bewegungsmangel, unzweckmäßiges Schuhwerk, chronische Fehlbelastung, Nikotin, Ernährungsgewohnheiten usw. sind die wichtigsten Stressfaktoren für gesunde Füße – fast immer eine Frage des persönlichen Lebensstils. Hier die häufigsten Fußprobleme im Überblick:

Knochen: statische Fuß- und Zehendeformitäten 40 %

Venen: Varizen 30 %, tiefe Thrombosen 10 %, chronisch venöse Insuffizienz 5 %

Arterien: peripher arterielle Verschlusskrankheit 10 %

ZNS: Spastizität bei Hemiparese, Diplegie (z. B. Insult, Trauma, angeboren)

Nerven peripher: Druckneuropathien, Diskopathien, Polyneuropathien (z. B. Diabetes).

1.1.1.3 Risikofaktor Missbildung: meist Spontankorrektur

Die Häufigkeit angeborener Fußdeformitäten beträgt 3–4 %. Der natürliche Verlauf ist meist gutartig. Sichelfuß und Hackenfuß gehören in diese Kategorie. Diese Deformitäten korrigieren sich durch den funktionellen Gebrauch meist spontan und stellen keinen Risikofaktor für spätere Fußprobleme dar, was mittels funktioneller und instrumentierter Nachuntersuchungen sauber belegt wurde (Widhe 1994). Auf der anderen Seite gibt es schwere angeborene Missbildungen, wie Klumpfuß und Plattfuß, die einer intensiven und multidisziplinären Behandlung bedürfen. Sie stellen einen langfristigen Risikofaktor für sekundäre Fußprobleme dar. Poliomyelitis und schwere Verletzungen gehören zu den häufigen Ursachen erworbener Fußdeformitäten. Die Therapie ist komplex und ebenfalls fachübergreifend: operative Korrektur, orthetische Versorgung, physiotherapeutische Gangschulung u. a.

1.1.1.4 Risikofaktor Anatomie: Sand im Getriebe

Es gibt eine Reihe anatomisch-funktioneller Normvarianten und Besonderheiten, die mit einem erhöhten Risiko für Fußprobleme assoziiert werden. Anatomische Besonderheiten können wie Sand im Getriebe wirken: zum Beispiel akzessorische Fußknöchelchen wie dorsal das Os trigonum, medial das Os tibiale externum oder lateral das Os peroneum. Bei extremer Dauerbelastung wie im klassischen Ballett kann es zu lokalen Problemen kommen. Anatomische Besonderheiten führen nicht zwangsläufig zu Problemen, meist handelt es sich um asymptomatische Zufallsbefunde.

1.1.1.5 Risikofaktor Schuhwerk: der unperfekte Schuh

Kinderschuhe! Kinderfüße weisen ein Rekordwachstum von bis zu drei Schuhgrößen pro Jahr auf. Ein Drittel aller Kinder trägt zu kleine Schuhe. Oder die Schuhe sind zu groß und die Kinderfüße rutschen darin haltlos hin und her. Das Resultat ist dasselbe: Vorfuß und Zehen werden gestaucht, Deformitäten sind programmiert. Modeschuhe – Designerschuhe mit Plateausohlen und Stilettos – sind Hochrisikofaktoren für die Füße. Selbst Turnschuhe sind nicht mehr über alle Zweifel erhaben (Robbins 1997). Eine superweiche Stoßdämpfung beispielsweise provoziert genau das, was sie zu verhüten vorgibt: Füße in megagepolsterten Sportschuhen prallen reflektorisch härter auf dem Boden auf. Nur so erhält die Streckmuskulatur genügend sensomotorischen Input und weiß, wo der Boden ist. Mit zunehmender Dämpfung nimmt das Risiko für akute Verletzungen und chronische Überlastung zu statt ab. Das Fazit: Neben Schuh- und Materialtechnik steht die Lauftechnik im Brennpunkt des Interesses. Die funktionell richtige Belastung der Füße ist ein entscheidender und bisher weitgehend vernachlässigter Schutzfaktor.

1.1.1.6 Risikofaktor Verletzung: Teufelskreis

Fußverletzungen sind – je nach Verletzungstyp und -schwere – Risikofaktoren für Früharthrosen, Instabilität, Deformität und Funktionseinbußen. Und umgekehrt: Deformität, Instabilität und Dysbalancen stellen ihrerseits Risikofaktoren für akute Verletzungen und chronische Überlastungen dar. Die wichtigsten intrinsischen Risikofaktoren für Verletzungen sind mangelnde Kraft und ungenügende Koordination. Die wichtigsten extrinsischen Faktoren sind falsche Schuhe, unebenes Gelände, zu weiche oder zu harte Böden. Hinzu kommen die klassischen, immer und immer wiederholten Trainingsfehler: Überlastung und Fehlbelastung führen zu Ermüdungsbrüchen, Misstritten, plantarer Faszitis, Sehnenproblemen, Muskelverspannungen u. a. Die Mehrzahl akuter Verletzungen und chronischer Überlastungsschäden ließe sich durch entsprechendes Know-how und Verhalten verhindern. Genau hier – an der Schnittstelle von Funktion, Verletzung und Überlastung – greifen therapeutisch-präventive Interventionen ein.

1.2 Der Trick mit der Spirale

1.2.1 Konstruktionsprinzip

1.2.1.1 Evolution: Am Anfang war der Fuß!

Die „Vermenschlichung“ des Fußes fand nach heutigem Erkenntnisstand vor 4 Millionen Jahren statt (Schad 2000). Erst anschließend folgten die Verlängerung der Beine, der breite Beckenbau, die charakteristische S-Form der Wirbelsäule u. a. Menschliche Proportionen wurden erst viel später erreicht. Vor 1,5 Millionen Jahren setzte die Volumenzunahme des menschlichen Gehirnes ein. Mit anderen Worten: Die Menschwerdung begann mit den Füßen (▶ Abb. 1.1). Auf den zweiten Blick schon fast logisch: Um die Hände aus dem Dienste der Fortbewegung zu befreien, musste der Urmensch ja einigermaßen auf den Füßen stehen und gehen können. Mit der Aufrichtung vom Vierbeiner zum Homo erectus verkleinerte sich die Standfläche dramatisch auf bescheidene 100 cm2. Der Körperschwerpunkt ist nicht mehr stabil zwischen vier Extremitäten aufgehängt, er balanciert jetzt labil über zwei Beinen. Das Anforderungsprofil an die Füße wurde drastisch gesteigert: stabile Standfläche, elastische Stoßdämpfung, kraftvolles Abstoßen. Keine einfache Angelegenheit! Die Natur hat das Problem mit einem altbewährten Meistertrick gelöst: der Helix.

Abb. 1.1Fossile Fußspuren: Die Entdeckung dieser Fußspuren – des Vormenschen Australopithecus afarensis bei Laetoli, Tansania, mit einem Alter von 3,8 Millionen Jahren – erbrachte den Beweis für den aufrechten Gang des frühen Menschen. Entwicklung der Hand und Größenzunahme des Gehirns folgten erst viel später – vor 1,5 Millionen Jahren.

(Schad 2000)

1.2.1.2 Helix: universaler Baustein der Natur

Die Helix weist ein Reihe bestechender Vorzüge auf: Sie ist in sich stabil und doch flexibel – genau wie eine Spiralfeder. Sie lässt sich in die Länge dehnen oder platzsparend zusammenfalten – genau wie eine Nabelschnur. Die Helix hat sich als universales Bewegungs- und Strukturelement während Jahrmillionen bestens bewährt. Spiralformen, wohin das Auge schaut: Muscheln und Schneckenhäuser, rankendes Pflanzenwachstum und spiralige Blattstellungen, Wasserstrudel und Wirbelwind, prachtvolle Geweihe und Stoßzähne. Im Makrokosmos wie im Mikrokosmos wimmelt es geradezu von Spiralen. Galaktische Spiralnebel und Wirbelstürme im Großen – DNS-Doppelhelix und Proteinstrukturen im Kleinen. Überall wird spiralig gebaut und bewegt. Kurzum: Die Helix ist ein Universalbaustein der Natur (▶ Abb. 1.2). Und stellt auch im menschlichen Bewegungssystem ein grundlegendes Strukturprinzip dar! Kreuzbänder, Hüftgelenkkapsel, muskuläre Schrägsysteme, Anordnung der Herzmuskelfasern und Gehörschnecke sind offensichtliche Beispiele. Die 3D-Verschraubung im Fuß ist eine evolutionsgeschichtliche Leistung jüngeren Datums. Menschenaffen gehen noch auf den Außenkanten ihrer Füße.

Abb. 1.2a–c Helix: Die Spirale ist ein universaler Baustein der Natur – und des menschlichen Bewegungssystems.

(modifiziert nach Larsen, 1995)

Abb. 1.2a Anordnung der Herzmuskelfasern des linken Ventrikels,

Abb. 1.2b Faserverlauf des Gehörnervs,

Abb. 1.2c muskuläre Leitstrukturen des menschlichen Beins.

1.2.1.3 Helix-Geometrie: Rotation, C-Bogen und S-Bogen

Bereits der urmenschliche Fuß weist die charakteristischen Merkmale einer Helix auf, die ihn vom Affen und vom Vormenschen klar unterscheiden: die parallel angelegte Großzehe, das in sich torquierte Fußgewölbe und den großen vertikal ausgerichteten Fersenknochen. Am besten, Sie probieren es gleich selber aus, nehmen ein Frotteehandtuch in beide Hände und drehen die beiden Enden in entgegengesetzte Richtungen. Die Verschraubung erfolgt zunächst „eindimensional“ um die Handtuchlängsachse. Von einem bestimmten Grad der Verwringung an wird sich das Handtuch in der Mitte zusammenziehen und auffalten – vor Ihren Augen entsteht ein nach unten geöffneter C-Bogen. Drehen Sie weiter, und es entsteht eine Schraubenspirale mit einer charakteristischen 3D-Geometrie: Opposition der Drehrichtungen, C-Bogen nach oben konvex und – von oben betrachtet – ein S-Bogen. Die geometrische Kurzdefinition der Helix lautet: Opposition der Drehrichtungen, C-Bogen und S-Bogen. Das ist so einfach wie grundlegend. Entsprechend diesem Helix-Prinzip ist der menschliche Fuß konstruiert: Er ist dreidimensional in sich verschraubt. Von der 3D-Architektur lassen sich diagnostische Kriterien und therapeutische Maßnahmen ableiten (▶ Abb. 1.3).

Abb. 1.33D-Torsion: Der 3D-Verschraubung einer Helix liegt geometrisch eine definierte Symmetriebewegung zweier Pole zugrunde. Diese einer Helix innewohnende Dynamik war für das Bewegungs- und Therapiekonzept der Spiraldynamik namensgebend.

1.2.1.4 Handgewölbe: Kugelgewölbe mit Knochenfächer

Der vormenschliche Fuß glich vermutlich mehr einer Hand als einem Fuß. Das Konstruktionsprinzip der Hand entspricht dem eines gewölbten Knochenfächers. Die fünf Fingerstrahlen sind auf einer Kugelwölbung nebeneinander angeordnet – von den Fingerspitzen bis zu den schalenartigen Handwurzelknochen. Die Vorteile liegen auf der Hand: plastisch-mobil gewölbter Knochenfächer mit stabiler Wurzel. Für Kugelhand, Tellerhand und Faustschluss gilt: Distale Wölbung und proximale Verankerung bleiben erhalten und sorgen für Präzision, Differenzierung und Belastungsstabilität von Hand und Fingern. Der entscheidende Unterschied zwischen Hand und Fuß: Beim Fuß stehen die Fußwurzelknochen vertikal übereinander, während die Zehenstrahlen horizontal nebeneinander liegen. Das Sprungbein ruht auf dem massiv ausgebildeten Kalkaneus. Irgendwann – der evolutionsgeschichtliche Zeitpunkt ist unbekannt – hat eine spiralige 3D-Torsion des Fußskeletts stattgefunden. Dies ist das funktionelle Charakteristikum des menschlichen Fußes und das Geheimnis seiner Belastungsstabilität (▶ Abb. 1.4).

Abb. 1.4a–b

Abb. 1.4a Keilprinzip und

Abb. 1.4b Spiralprinzip gewährleisten lebenslängliche Belastungsstabilität.

1.2.1.5 Drei-Punkte-Theorie ade: der Trick mit der Spirale

Das spiralig verschraubte Fußgewölbe verläuft von „vertikal hinten-lateral“ nach „horizontal vorne-medial“. Dabei werden Keilbeine und angrenzende Mittelfußknochen plantarseitig eng zusammengelagert. Es ist genau wie beim Torbogen: Die einzelnen Elemente müssen keilförmig angeschrägt sein, um im Gewölbebogen ihren stabilen Platz einnehmen zu können. Beim Fuß erfüllen die Keilbeine diese Funktion. Dank dieses Keilprinzips erhält der Fuß eine phänomenale Belastungsstabilität: Unter zunehmender Belastung verkeilen sich die Keilbeine erst recht ineinander. Stabilität dann, wenn es darauf ankommt – ganz schön clever! Spiralige Verschraubung und Keilprinzip sind die funktionellen Schlüsselmerkmale des menschlichen Fußes. Dies ganz im Gegensatz zu den Menschenaffen. Unsere nächsten lebenden Verwandten müssen auf den Außenkanten ihrer Füße gehen. Die Verschraubung von Vor- und Rückfuß fehlt ihnen – und damit der Kontakt der Großzehe zum Boden und die funktionelle Verkeilung im Gewölbe (▶ Abb. 1.5).

Dieses Konstruktionsprinzip des menschlichen Fußskeletts ermöglicht eine optimale Druckverteilung auf die gesamte Bodenkontaktfläche. Im Ballenbereich werden alle fünf Metatarsalköpfchen und alle fünf Zehen belastet. Die Großzehe beispielsweise übernimmt ein Fünftel der Last beim Abrollen (Hayafune 1999). Anatomische Grundlagen ▶ Quergewölbe. Die klassische Drei-Punkte-Theorie „Ferse-ATPI und V“ hat definitiv ausgedient.

Abb. 1.5Skelettvergleich: Das Handskelett entspricht einem gewölbten Knochenfächer, das Fußskelett einer in sich gedrehten Knochenspirale. Bei der Hand liegen Finger und Handwurzelknochen nebeneinander; beim Fuß ist der Vorfuß horizontal und der Rückfuß vertikal strukturiert. Evolutionsgeschichtlich hat eine 3D-Torsion des Fußes stattgefunden.

1.3 Füße auf Abwegen

1.3.1 Ursachen

1.3.1.1 Ätiologische Klassifikation: Einmaleins der Ursachen

Gemäß klassischer Krankheitslehre gibt es eine begrenzte Anzahl pathologischer Konditionen: Tumor, Entzündung, Trauma und Degeneration zum Beispiel. Diese Grundkategorien stehen miteinander in Wechselwirkung. So kann ein Trauma zu einer Entzündung führen, eine chronische Entzündung zu einem Tumor und ein Tumor zu einer Verletzung. Es gibt zahllose Unterkategorien. Hier ein kleiner Tipp zur Differenzialdiagnose: Indem Sie die möglichen Strukturen mit den ätiologischen Grundkategorien kombinieren, erhalten Sie automatisch eine breitgefächerte und vollständige Differenzialdiagnose. Mit anderen Worten: Schmerzen im Fuß können durch Knochen, Muskeln, Nerven usw. bedingt sein. In jedem dieser Struktursysteme können Tumoren, Entzündungen, Verletzungen, Degeneration u. a. die Ursache sein. Insgesamt ergibt dies eine große, aber endliche Anzahl differenzialdiagnostischer Möglichkeiten. Die Kunst besteht darin, das Häufige vom Seltenen, das Gefährliche vom Banalen und das Behandelbare vom Unheilbaren zu unterscheiden.

1.3.1.2 Funktionelle Klassifikation: Naturprinzip in Aktion

Den Bewegungsfunktionen des Fußes liegen erprobte Naturprinzipien zugrunde. So lässt sich die optimale Funktionalität der Füße qualitativ definieren. Den grundlegenden Naturprinzipien können dazu gehörige Funktionsprinzipien samt Fehlfunktionen zugeordnet werden. Hier die tabellarische Übersicht (▶ Tab. 1.1).

Tab. 1.1

 Zuordnung vom Funktionsprinzip samt Fehlfunktion zu den Naturprinzipien

Naturprinzip

Funktionsprinzip

Dysfunktion (mit Beispiel)

Spiralprinzip

3D-Torsion ganzer Fuß

3D-Hypotorsion (Senkfuß), 3D-Hypertorsion (Hohlfuß)

Keilprinzip

Verkeilung Längsgewölbe

Instabilität (Plattfuß, Instabilität erster Strahl)

Opposition

Verstrebung Quergewölbe

Inversion Vorfußquergewölbe (Spreizfuß)

Achse

axiale Belastung

Achsenfehlbelastung (Pes valgus, Pes varus)

Tonus

Muskeltonus

muskulärer Hypertonus (Hohlfuß), Hypotonus (Senkfuß)

Druck

Kraft, Stützfläche, Verteilung

plantare Hyperpression (Spreizfuß)

Flow

Zirkulation Blut und Lymphe

Stase (venöse Insuffizienz, PAVK, Lymphödem)

Reflex

Propriozeption

propriozeptives Defizit (OSG-Instabilität)

Bewusstsein

Kognition

kognitives Defizit (Fehlbelastung, Trainingsfehler)

Mobilität

funktionelle Mobilität

Hypomobilität (Hallux rigidus), Hypermobilität (Knickfuß)

Stabilität

funktionelle Stabilität

Instabilität (Hallux valgus, OSG-Instabilität)

Kraft

Propulsion, Sprungkraft

Muskelschwäche (Trainingsmangel)

Gleichgewicht

Schwerpunktkontrolle

Gleichgewichtsstörung (Ataxie)

Rhythmus

Phasensynchronisation

Fehlsynchronisation (Hinken, Parkinson)

Ökonomie

Energierückgewinnung

Störung Aufsetzen-Abrollen-Abstoßen (Spastik, Arthrodese)

Autonomie

Fortbewegung

Gehunfähigkeit (Multiple Sklerose, Verlust der Selbständigkeit)

Evolution

Persönlichkeitsentwicklung

Involution (Demenz)

1.4 Vom Leitsymptom zur Diagnose

1.4.1 Differenzialdiagnose

1.4.1.1 Differenzialdiagnose: Sie finden nur, was Sie suchen

Das Vorhandensein bestimmter Leitsymptome, Lokalisationen und charakteristischer Kombinationen ist für die Differenzialdiagnose wegweisend. Die Kombination von Dermatomschmerz bis in die Ferse und Lähmung der Wadenmuskulatur spricht für eine radikuläre Ursache, beispielsweise den Bandscheibenvorfall. Ein belastungsabhängiger lokalisierter Fersenschmerz am Ansatz der Achillessehne mit einer lokalen Schwellung lässt an ganz andere Ursachen denken. Und so weiter. Die Klassifizierung nach Leitsymptomen baut eine Brücke „vom Symptom zur Diagnose“. Die Ursache eines Fußproblems kann im Fuß selbst liegen, proximal davon oder systemisch bedingt sein. Für eine effiziente Diagnostik ist die Kenntnis der Differenzialdiagnostik Voraussetzung. Das geflügelte Wort lautet: Man findet nur, was man sucht! Die Differenzialdiagnose des Fußes ist nach zehn Leitsymptomen, aufgeführt im ▶ Anhang, gegliedert:

▶ Schmerzlokalisation

▶ Schmerzdauer

▶ Schwellungen

▶ Hautfarbe, Zehennägel

▶ Sensibilitätsstörungen

▶ Lähmungen

▶ Fußkrämpfe

▶ Gangstörungen

▶ Fußverletzungen

▶ Fußdeformitäten

1.5 Schnellschritte in der Praxis

1.5.1 Programmierte Diagnostik

1.5.1.1 Erstbeurteilung

Klinische Fußdiagnostik: Schritt für Schritt

Alarmzeichen:

Sind die ▶ „Vitalfunktionen des Fußes“ bedroht?

Ja: beidseitige Lähmung oder Sensibilitätsstörung; Miktionsstörung

Ja: arterieller Verschluss mit akutem rasendem Schmerz; Blässe, periphere Pulslosigkeit

Ja: Venenthrombose mit akuter Schwellung, zyanotisch, schmerzhaft

Ja: Amputationsgefahr bei Diabetiker mit Bagatellverletzung, Wundinfektionsgefahr

Ja: Komplexverletzung des Fußes, offene Fraktur

Nein: nächster Schritt >> Abklärungsbedarf

Abklärungsbedarf:

Besteht medizinischer Abklärungs- und Handlungsbedarf?

Ja: Lähmung und Sensibilitätsstörung in einem Bein, neu aufgetreten

Ja: Durchblutungsstörung mit Blässe, Belastungsschmerz oder Dauerschmerz

Ja: Entzündungszeichen mit Rötung, Schwellung, Schmerz, Fieber

Ja: Verletzungszeichen, Frakturverdacht, Bissverletzung, akutes Muskellogensyndrom

Ja: Schmerzen neu aufgetreten, unklare Genese

Ja: Ödeme neu aufgetreten, unklare Genese

Nein: nächster Schritt >> Grundleiden

Grundleiden:

Ist ein ▶ Grundleiden bekannt?

Ja chirurgisch: Missbildung, Trauma, Operation

Ja internistisch: Diabetes, PAVK, Rheuma, neuromuskuläres Leiden, Gicht

Ja genetisch: familiäre Belastung mit chronischem Fußleiden

Nein: nächster Schritt >> Grobanalyse Dynamik

Grobanalyse Dynamik:

Ist der ▶ Gang auffällig?

Ja: symmetrisch auffallend wie Paraspastik, Paraparese, Ataxie (▶ Tab. 16.12)

Ja: einseitiges Hinken durch Schmerz, Lähmung, Versteifung, Verkürzung (▶ Tab. 16.13)

Nein: nächster Schritt >> Grobanalyse Statik

Grobanalyse Statik:

Liegt eine grobe statische Deformität des Fußes oder der Beine vor?

Ja: Plattfuß, Hohlfuß, Spreizfuß, Hallux valgus, Hallux rigidus, Krallenzehen

Ja: Fußsohlen-Beschwielung als Zeichen lokaler Drucküberlastung

Ja: O-Beine, X-Beine, Kontraktur der großen Gelenke, Beinlängendifferenz

Nein: nächster Schritt >> vergangene Taten der Füße

Vergangene Taten:

Werden oder wurden die ▶ Füße übermäßig beansprucht?

Ja: Extremsport, Leistungssport, Laufsport, Ballett

Ja: Zeichen der chronischen Fehl- und Überlastung, Übergewicht

Nein: nächster Schritt >> Besonderheiten

Besonderheiten:

Existieren Besonderheiten von Füßen und Schuhen?

Ja: Exostosen, unausgewogene Zehenlänge, sehr schlanken Fersen

Ja: Schuhe zu kurz bei Kindern, zu eng bei Frauen, hohe Absätze, Plateausohlen

Ja: Einlagen metallhart, schmerzhaft, Verschlechterung der Statik

Nein: nächster Schritt >> Feindiagnostik

Feindiagnostik

siehe folgende Kapitel

▶ Orthopädische Fußprobleme

▶ Neurologische Fußprobleme

▶ Arterielle Fußprobleme

▶ Venöse Fußprobleme

▶ Knickfüße

▶ Senkplattfüße

▶ Hohlfüße

▶ Spreizfüße

▶ Halluxprobleme

▶ Hüftprobleme

▶ Beinachsen

▶ Gangschule

▶ Laufschule

1.6 Fragen richtig stellen

1.6.1 Anamnese

1.6.1.1 Kurzanamnese: dem Grundleiden auf der Spur

Ziel Fokussierte Kurzanamnese zur Erhebung fußrelevanter Grundkrankheiten und Risikokonstellationen. Genetische Disposition und Grundkrankheiten sind für die diagnostische Einordnung und Behandlung von Fußproblemen wesentlich.

Position Interview oder Anamnesefragebogen.

Dokumentation Die Dokumentation fußrelevanter medizinisch-chirurgischer Grundkrankheiten und familiärer Risikokonstellationen erfolgt klassisch in der Krankengeschichte oder mittels eines spezialisierten Fragebogens.

Norm Individualspezifische Vorgeschichte.

Pathologie Es können mehrere Grundleiden nebeneinander vorliegen:

Neurologisch: Spastik, Poliomyelitis, Polyneuropathie

Rheumatologisch: Polyarthritis, Psoriasis, Morbus Bechterew

Vaskulär: Diabetes, arterielle Durchblutungsstörung, venöse Insuffizienz

Orthopädisch: chronische Fußdeformität

Traumatisch: Z. n. schweren Fußverletzungen, Missbildung

Chirurgisch: iatrogene Fußdeformitäten

Familiär: Ursprungsfamilie mit chronischen Fußleiden.

1.6.1.2 Fußschmerz: Ort, Art und Dauer

Ziel Die Schmerzanamnese dient der ätiologischen und diagnostisch-funktionellen Einordnung. Darauf basiert die Einschätzung von Belastbarkeit und Gehfähigkeit, die richtige Dosierung der Therapie und eine objektive Verlaufsdokumentation.

Position Interview oder Anamnesefragebogen.

Dokumentation Die Schmerzcharakteristika werden individuell gemäß nachfolgenden Punkten erfragt und dokumentiert.

Norm Schmerzfreie, funktionstüchtige und ästhetisch ansprechende Füße.

Anamnestisch relevante Angaben

Beginn: akut, allmählich, schleichend

Auslöser: Trauma, Krankheit, Belastung, andere, keine

Intensität: in Worten, Prozentzahlen und ▶ visuell analog

Dauer: akut, subakut, chronisch (> 3 Monate), chronisch rezidivierend

Lokalisation: lokalisiert, diffus, wandernd, ausstrahlend

Schmerzcharakter: Dauerschmerz, Belastungsschmerz, brennend, elektrisierend, pulsierend

Schmerzverstärker: Belastung, Bewegung, Ruhe, Nachtruhe, Wärme, Kälte

Schmerzlinderung: Belastung, Bewegung, Ruhe, Wärme, Kälte

Begleitsymptome: Fieber, Schwellung, Farbveränderung, andere ▶ Leitsymptome

Gehzeit schmerzfrei: ▶ Gehzeit in Stunden/Minuten, bis die ersten Schmerzen kommen

Gehzeit absolut: ▶ Gehzeit in Stunden/Minuten, bis ein Weitergehen nicht möglich ist

Belastbarkeit: voll, nur mit Hinken, reduziert, gar nicht

Bisherige Therapie: Operation, Medikamente, Orthesen, Passivtherapie, Aktivtherapie

Bisheriger Verlauf: gleichbleibend, wird besser, wird schlechter, schwankend

Arbeitsfähigkeit: 0–100 %; ja oder nein

1.6.1.3 VAS – visuell analog: Leidensdruck in Zahlen

Ziel Die Schmerzbefindlichkeit Ihrer Patienten wird auf eine einfache und weltweit anerkannte Art und Weise als Zahlenwert erfasst und dokumentiert. Die visuell analoge Skala (VAS) wurde zur Evaluation analgetischer Wirkungen bei chronischen Schmerzpatienten entwickelt. Die VAS erwies sich als zuverlässige und einfache Möglichkeit, den subjektiven Verlauf zu dokumentieren. Die Skala wird von Patienten nachweislich linear verwendet. Eine Verdopplung oder eine Halbierung der Schmerzen führt zu einer Verdopplung beziehungsweise einer Halbierung des VAS-Zahlenwerts (Myles 1999). Also kein exponenzieller Anstieg am oberen Ende der Skala. VAS funktioniert unabhängig von Alter, Geschlecht oder Schmerzursache (Kelly 1998).

Hinweis Die visuell analoge Skala von eins bis zehn wird nebst Schmerzerfassung sinngemäß für andere Fragestellungen eingesetzt – zum Beispiel für die Patientenzufriedenheit. Verschiedene Anwendungsmöglichkeiten werden derzeit validiert.

Alternativ Zur visuell analogen Skala werden verbale Referenzskalen verwendet – allen voran die „verbal rating scale“ oder kurz VRS. Der Patient beantwortet die Fragen auf einer Skala von 0–10 oder auf einer Prozentskala von 0–100 %. Das Prinzip ist immer das gleiche: Das Resultat ergibt einen Zahlenwert zwischen 0–10. Es besteht eine hohe Korrelation zwischen VAS und VRS. Heute wird die VAS weltweit bevorzugt. Offensichtlich ist es einfacher, mit dem Finger auf ein Band der Empfindungsbreite zu zeigen, als dieses Empfinden in ein digitales Zahlensystem umzusetzen.

Position Interview. Eine visuell analoge Skala kann mit Filzstift auf Papier oder im Computer selbst hergestellt werden: ein 10 cm breites Band ohne Unterteilung. Das linke Ende ist der Nullwert „kein Schmerz“, das rechte Ende steht für „maximal möglichen Schmerz“.

Dokumentation Der Patient beantwortet die Frage nach seiner Schmerzbefindlichkeit auf der visuell analogen Skala. Er zeigt mit dem Finger auf die subjektiv zutreffende Stelle des 10-cm-Bands. Der visuell analoge Wert wird in Zentimetern vom linken Ende an gemessen und als ganzzahliger Wert zwischen 0–10 angegeben. Anfänglichen Schwierigkeiten des Patienten, sein Problem grafisch zu lokalisieren, ist mit geduldiger Wiederholung der Anweisung zu begegnen.

Norm VAS und VRS sind subjektive Verlaufsparameter – individuell und situativ. Die intraindividuelle Reproduzierbarkeit liegt unter 1 cm auf einer 10-cm-Bandbreite.

Interpretationshilfen Verbürgte Erfahrungs- und Eckwerte (Kelly 1998; Mantha 1993) lassen sich sinngemäß auf den Fuß übertragen:

Leidensdruck gering: VAS 0–3

Leidensdruck hoch: VAS ≥ 7

Erfolgsnachweisgrenze: VAS ≥ 1 (95 % Konfidenzintervall: 6–13 mm)

Endresultat befriedigend: VAS 0–3.

1.6.1.4 Gehzeit: aktuelle Gehzeit und Trainingszeit

Ziel Die Gehzeit ist ein aussagekräftiger Verlaufsparameter. Zwei Zeiten werden erhoben: die schmerzfreie Gehzeit, bis zum Auftreten von Schmerzen und die absolute Gehzeit, bis der Patient stehen bleiben muss.

Position Interview.

Dokumentation Die Gehzeit wird – im Gegensatz zur ▶ Gehprobe – anamnestisch erhoben, möglichst unter wiederholbaren Bedingungen: flach, geradeaus, zwei Schritte pro Sekunde und ohne Unterbrechung. Der Patient soll zwei Zeiten mit der Uhr messen: der Zeitpunkt, zu dem Schmerzen auftreten, und der Zeitpunkt, zu dem ein Weitergehen nicht mehr möglich ist. Der erste Wert ist die schmerzfreie Gehzeit in Stunden und Minuten, der zweite die absolute Gehzeit in Stunden und Minuten. Bei Sportlern und Tänzerinnen treten viele Probleme erst unter Trainingsbedingungen auf. Die Gehzeit als solche ist nicht eingeschränkt. Die Trainingszeit wird analog zur Gehzeit definiert und protokolliert (schmerzfreie und absolute Trainingszeit).

Norm Verbindliche Normwerte existieren nicht. Die Norm ist stark abhängig vom Alter, von der Art des Fußproblems und von den individuellen Gegebenheiten. 150 Meter bis zum Einkaufsladen oder 1500 Höhenmeter in den Bergen sind grundverschiedene Perspektiven.

Pathologie

Schmerzfreie Gehzeit/Trainingszeit: subjektiv oder objektiv eingeschränkt

Absolute Gehzeit/Trainingszeit: subjektiv oder objektiv eingeschränkt.

1.6.1.5 Leistungsprofil: vergangene Taten der Füße

Ziel Abschätzung der bisherigen Beanspruchung der Füße in Beruf, Alltag und Sport.

Position Interview

Dokumentation Die Belastung der Füße durch Übergewicht wird mittels Body-Mass-Index oder kurz BMI berechnet. Körpergewicht, Körperlänge und Taschenrechner genügen. In fünf Sekunden haben Sie Ihren eigenen BMI errechnet. Einfach das Körpergewicht zweimal durch die Körpergröße in Metern teilen – und fertig ist der BMI. Zum Beispiel: Größe 180 cm, Gewicht 80 kg. Daraus errechnet sich 80 kg : 1,8 m : 1,8 m. Der BMI beträgt 24,7.

Dokumentation Dokumentiert wird die sportlich-berufliche Beanspruchung der Füße. Diese lässt sich mittels Anzahl aktiver Sport- oder Berufsjahre mal Anzahl wöchentlicher Trainingsstunden abschätzen. Relevant sind Sportarten mit Fußbelastung wie Lauf-, Sprung- und Ballsportarten, Wandern, Ballett, Gewichtheben, Karate, Aerobic. Yoga und Schwimmen fallen nicht ins Gewicht. Berufliche Belastung, wie regelmäßiges Tragen schwerer Lasten, ist den sportlichen Belastungen gleichzusetzen. Bewegungsmangel gilt ebenfalls als Risikofaktor. Hinzu kommt die Beanspruchung der Füße durch ungeeignete Schuhe.

Norm

BMI: 20–25

Fußbeanspruchung: Die Füße sind für den Dauergebrauch konstruiert. Mehrere Stunden Gehen pro Tag über Jahre stellt an sich keine Überlastung dar. Die minimale Dosis körperlicher Aktivität beträgt eine halbe Stunde täglich – lebenslänglich.

Übermäßige Beanspruchung der Füße

Übergewicht: BMI 25–30 

Fettsucht: BMI ≥ 30 

Bewegungsmangel: Bewegung ≤ 30 Minuten täglich mittlerer Intensität

Sport-Belastung: Laufsport, Marathon, Ballett, Ballsport über Jahre

Beruf-Belastung: berufliche Schwerarbeit über Jahre hinweg

Schuh-Stress: mehrmals pro Woche hohe Absätze oder zu enge Schuhe über Jahre.

1.7 Wichtige Befunde finden

1.7.1 Untersuchung

1.7.1.1 Diagnostische Effizienz: Viel Befund in kurzer Zeit

Klinische und programmierte Untersuchungsmethoden füllen dicke Wälzer. Nicht alles, was sich untersuchen und messen lässt, ist in der Praxis brauchbar. Und umgekehrt: Entscheidende Parameter, wie Globalfunktion und Langzeitprognose, lassen sich schwer messen und objektivieren. Die klinische Untersuchung konzentriert sich mit Vorteil auf unerlässliche Alarmzeichen und griffige Verlaufsparameter. Alarmzeichen (Motorik, Sensorik, Durchblutungs- und Entzündungszeichen) bedeuten medizinischen Handlungsbedarf. Hinter einem sensiblen Defizit beider Füße beispielsweise kann sich eine „harmlose“ Polyneuropathie oder ein Cauda-equina-Syndrom verstecken. Verlaufsdokumentation ist heute ein Gebot der Stunde. Sie ermöglicht Rückschlüsse auf Selbstständigkeit, Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und Erwerbsfähigkeit. Heute zählen Fakten mehr als Eindrücke – zu Recht. Wiederholte Weichteilpalpation ist interessant, aber selten entscheidend. Alltagsfunktionen sind scheinbar uninteressant, dafür meist entscheidend.

1.7.1.2 Alarmzeichen: Schwellung und Verfärbung

Ziel Ausschluss von Fußleiden mit unmittelbarem Abklärungs- oder Handlungsbedarf bei der ▶ Erstuntersuchung von Füßen.

Position Inspektion der Füße.

Dokumentation Zeichen der Entzündung, Verletzung oder Durchblutungsstörung.

Norm Normale Farbe, Kontur, Konsistenz und Bewegungsfunktion beider Füße.

Alarmzeichen

Entzündungszeichen: Rötung, Schwellung, Schmerz, Funktionsverlust, Fieber

Thrombosezeichen: schmerzhafte zyanotische Schwellung, Atemnot, Brustschmerz (Embolie)

Gefäßverschluss: akute rasende Schmerzen, blasse Beinlähmung

Verletzungszeichen: lokale Schwellung, Schmerz, Fehlstellung, Weichteildefekt

Amputationsgefahr: Bagatellverletzung bei Durchblutungsstörung, Immundefizit, Diabetes

Ödeme neu aufgetreten: bleibende Delle nach dosiertem Fingerdruck prätibial oder am Fuß.

1.7.1.3 Gangbild: Grobanalyse Symmetrie und Ablauf

Ziel Ausschluss und Einordnung einer groben Gangstörung.

Position Freies Gehen.

Dokumentation Das Gangbild wird qualitativ nach zwei Kriterien beurteilt: symmetrisch auffällig und asymmetrisch auffällig (Hinken).

Norm Symmetrisch harmonisch-flüssiges Gangbild.

Pathologie Erweiterte Ganganalyse (▶ Tab. 16.12).

Gangstörung symmetrisch: ataktisch, paraspastisch u. a. (▶ Tab. 16.12).

Gangstörung asymmetrisch: Hinken durch Lähmung, Schmerz, Verkürzung, Versteifung u. a. ▶ Tab. 16.13)

1.7.1.4 Grobmotorik: Ballengang, Fersengang, Einbeinhocke

Ziel Ausschluss eines grobmotorischen Defizits.

Position Gehen auf beiden Ballen, anschließend Gehen auf beiden Fersen. Dann auf einem Bein in die Hocke – bei Gleichgewichtsproblemen am Geländer.

Dokumentation Links-rechts-Symmetrie; bei leichten Paresen ist das subjektive Empfinden sensibler als der objektive Befund – Verlässlichkeit des Patienten vorausgesetzt.

Norm Kraftvoll symmetrischer Ballen- und Fersengang und Einbeinhocke

Pathologie Zuordnung von Muskel, peripherem Nerv und Segment (▶ Abb. 3.1):

Ballengangdefizit einseitig: Parese peripher N. tibialis; Segment S1, Bandscheibe L5-S1

Fußheberdefizit einseitig: Parese peripher N. peronaeus; Segment L5, Bandscheibe L4–5

Quadrizepsschwäche einseitig: Parese peripher N. femoralis; Segment L4, Bandscheibe L3–4

Beinparese einseitig: mehrere Nerven/Segmente betroffen, Hemiplegie beinbetont

Paraparese: Rückenmarkläsion durch Trauma, Tumor, medianen Diskusprolaps.

1.7.1.5 Oberflächensensibilität: diagnostische Feinabstimmung

Ziel Ausschluss eines groben sensorischen Defizits.

Position Sitzen mit geschlossenen Augen. Wattestäbchen zur Feinprüfung der Berührungssensibilität. Der Patient gibt an, wo er die Berührung wahrnimmt.

Dokumentation Beurteilt wird die Berührungssensibilität im Seitenvergleich an mindestens vier definierten Punkten: Ferse, lateraler und medialer Fußrand und Großzehe. Kleine streichende Bewegung mit Finger oder Wattestäbchen. Bei vermutetem sensiblem Defizit können die gleichen Areale mittels Kneifen auf ihre Schmerzsensibilität überprüft werden. Bei radikulären Syndromen wird die Aussagekraft so wesentlich verbessert, da die segmentale Überlappung geringer ist.

Norm Prompte, präzise und seitengleiche Wahrnehmung der Berührung.

Pathologie

Defizit umschrieben: peripherere Nervenläsion oder radikuläres Syndrom (Dermatome [▶ Abb. 3.1])

Medialer Fußrand: N. tibialis; Wurzel L4

Großzehe, Fußrücken: N. peronaeus; Wurzel L5

Ferse, Fußsohle: N. plantaris medialis; Wurzel S1

Lateraler Fußrand, Kleinzehe: N. plantaris lateralis, N. suralis; Wurzel S1

Globales Defizit einseitig: mehrere Nerven oder Segmente betroffen; sensibles Hemisyndrom

Globales Defizit beidseitig: periphere Polyneuropathie, sensibles Querschnittsyndrom, Polyradikulitis (Guillain-Barré-Syndrom).

Hinweis Zur Überprüfung der Sensorik am Fuß werden drei Qualitäten geprüft: Berührung, Schmerz und Vibrationssinn. Aus gutem Grund.

Bei einer peripheren Nervenläsion fallen alle sensiblen Empfindungsqualitäten im versorgten Hautareal aus. Die Grenzen des sensiblen Defizits verlaufen scharf. Nicht so bei einer radikulären Nervenläsion. Periphere Nerven beziehen ihre Nervenfasern aus mehreren Segmenten: L4-S3 für den N. tibialis, L4-S2 für den N. peronaeus.

Bei einer radikulären Läsion sorgt die ausgiebige Überlappung der Berührungssegmente dafür, dass die Grenzen des Berührungsdefizits unscharf werden. Schmerzsegmente (leichtes Kneifen) weisen viel weniger Überlappung auf und sind bei radikulären Syndromen aussagekräftiger als die Berührungsempfindlichkeit.

Bei den diffusen strumpfartigen sensiblen Defiziten der peripheren Polyneuropathie erweist sich die Überprüfung des Vibrationssinns mithilfe einer Stimmgabel als empfindlichster Parameter.

1.7.1.6 Reflexstatus: Verletzungen der Symmetrie

Ziel Objektivierung von verminderten, fehlenden, gesteigerten oder pathologischen Reflexen einseitig oder beidseitig. Neu aufgetretene Reflexasymmetrien sind immer verdächtig.

Position Eigenreflexe und Fremdreflexe werden im Sitzen geprüft (▶ Abb. 1.6). Näheres siehe Lehrbücher der Neurologie.

Dokumentation Reflexasymmetrien, Ausfälle, verminderte, gesteigerte oder pathologische Reflexe. Bei der Entscheidung, ob eine Seite verminderte bzw. die andere Seite gesteigerte Reflexe aufweist, ist der Vergleich mit den oberen Extremitäten notwendig.

Norm Symmetrische Eigenreflexe. Das physiologische Spektrum reicht von sehr lebhaft bis kaum auslösbar.

Pathologie

Einseitig vermindert: periphere Läsion oder radikulär Achillessehne (S1), Patellarsehne (L4);

Beidseitig vermindert: Querschnittsyndrom, (vorbestehendes) neurologisches Leiden

Einseitig verstärkt: Hemiplegie

Beidseitig verstärkt: Diplegie oder Tetraplegie

Pathologische Reflexe z. B. Babinski-Zeichen: zentralnervöse Läsion.

Abb. 1.6Reflexe: Die Überprüfung der Eigenreflexe mittels eines Reflexhammers und des Babinski-Zeichens ermöglicht die Grobdifferenzierung zwischen peripherer und zentraler, zwischen ein- und beidseitiger Läsion.

1.7.1.7 Lasègue-Zeichen: präzise Provokation

Ziel Die Objektivierung eines Nervendehnungsschmerzes gilt als radikuläres Zeichen.

Position Das Lasègue-Zeichen wird in Rücken- bzw. Bauchlage geprüft (▶ Abb. 1.7): Das gestreckte Bein wird langsam angehoben. Die gelenkstellungsabhängige Verlängerung des N. ischiadicus in Rückenlage bzw. des N. femoralis in Bauchlage führt zum mechanischen Zug an der Nervenwurzel. Bei Irritation wird ein charakteristischer einschießender Rückenschmerz ausgelöst.

Dokumentation Dokumentiert wird die Winkelstellung des gestreckten Beines im Hüftgelenk bei Auftreten von Rückenschmerzen oder muskulärer Abwehrspannung.

Norm Das Auftreten eines Muskeldehnungsschmerzes ischiokrural ist in der Endstellung normal.

Pathologie Lasègue Einschießende Schmerzen oder Abwehrspannung im untersuchten Bein:

Beinschmerz in Rückenlage: Lasègue-Zeichen positiv, radikuläres Symptom (Wurzel L5, S1)

Beinschmerz anderes Bein: gekreuzter Lasègue, hochverdächtig auf radikuläre Symptomatik

Rückenschmerz: Lasègue-Zeichen negativ; akute lumbale Symptomatik ohne radikuläre Ausstrahlung

Beinschmerz in Bauchlage: umgekehrtes Lasègue-Zeichen positiv, radikuläres Symptom (Wurzel L4).

Abb. 1.7Lasègue-Zeichen: Gemessen wird die Winkelstellung des gestreckten Beines im Hüftgelenk, bei der ein akut einschießender und ins Bein ausstrahlender Schmerz auftritt. Die Verlängerung des N. ischiadicus führt zum mechanischen Zug an der Nervenwurzel.

1.7.1.8 Gehprobe: der Dreiminuten-Marsch

Ziel Bei Verdacht auf eine arterielle Durchblutungsstörung ermöglicht die Gehprobe eine Objektivierung fortgeschrittener Beschwerden. Patientenangaben zur eigenen Gehfähigkeit schwanken beträchtlich in ihrer Zuverlässigkeit. Die gemessene Gehzeit ist zudem der wichtigste Verlaufsparameter eines erfolgreichen Gehtrainings.

Position Die Gehprobe wird unter standardisierten Bedingungen in einem Korridor durchgeführt. Bei einer Korridorlänge von 14 Metern entspricht die Durchlaufzeit der 14 Meter innerhalb von 10 Sekunden einem Gehtempo von 5 km/Stunde. Das entspricht zwei Schritten pro Sekunde bei normaler Schrittlänge. Dieses Gehtempo ist anzustreben und drei Minuten lang ohne Unterbrechung durchzuhalten. Den Patienten regelmäßig nach Beschwerden fragen (▶ Abb. 1.8)!

Vorsicht Bei kritischer Durchblutungsstörung mit Ruheschmerz ist die Gehprobe zu unterlassen!

Dokumentation Notiert wird in Sekunden das zeitliche Auftreten der ersten Beschwerden, des ersten Hinkens und des schmerzbedingten Anhaltens. Auf Atemnot und pektanginöse Beschwerden ist zu achten und die Gehprobe entsprechend vorzeitig abzubrechen.

Norm Gehen ohne Unterbrechung während mindestens 3 Minuten ohne Beschwerden.

Pathologie

Claudicatio intermittens: peripher arterielle Durchblutungsstörung Stadium II.

Abb. 1.8Gehprobe drei Minuten:Getestet wird die Muskeldurchblutung unter Belastung, zwei Schritte pro Sekunde nonstop während drei Minuten. Notiert werden der Beginn von Claudicatio-Beschwerden, Schonhinken und Stillstand. Bei Atemnot und pektanginösen Beschwerden ist die Gehprobe vorzeitig abzubrechen.

(mod. nach Widmer, Waibel 1965 a)

1.7.1.9 Lagerungsprobe nach Ratschow: der Zweiminuten-Test

Ziel Die Lagerungs- und Belastungsprobe nach Ratschow ist die bewährte klinische Basisuntersuchung zum Ausschluss einer schweren peripheren Durchblutungsstörung. Geprüft wird die periphere Hautdurchblutung (▶ Abb. 1.9).

Position Rückenlage, beide Beine senkrecht in die Luft. Je nach Alter und Kondition müssen die Füße in der Höhe gehalten werden. Aktive Extension – Flexion im Sprunggelenk während zwei Minuten. Im Sekundentakt, ohne Unterbrechung und ohne Absenken der Füße. Nach zwei Minuten setzt sich der Patient auf und lässt die Beine über die Untersuchungsliege hängen.

Vorsicht Bei kritischer Durchblutungsstörung PAVK III-IV mit Ruheschmerz oder manifesten Entzündungs- oder Verletzungszeichen ist die Lagerungsprobe zu unterlassen!

Dokumentation Es wird die Zeit bis zum Abblassen der Fußsohlen während des Auf- und Abwippens der Füße gemessen, unmittelbar nach dem Aufsitzen die Sekunden bis zum Einschießen der Rötung am Fußrücken und die Zeit bis zur sichtbaren Venenfüllung.

Norm

Geringes symmetrisches Abblassen von Fußsohle und Zehen während des Zweiminuten-Tests

Rötung nach dem Aufsitzen (Arterien): innerhalb 5 Sekunden und symmetrisch

Venenfüllung nach dem Aufsitzen (Venen): innerhalb 10 Sekunden und symmetrisch

Nachröte (Mikrozirkulation): symmetrisch, gering und flüchtig.

Hinweis Eine normale Lagerungsprobe nach Ratschow schließt eine Durchblutungsstörungen der Muskulatur (Claudicatio intermittens) nicht aus.

Pathologie

Abblassen von Fußsohle oder Zehen während des Zweiminuten-Tests stark oder asymmetrisch

Rötung verzögert ≥ 5 Sekunden oder asymmetrisch nach dem Aufsitzen

Venenfüllung verzögert ≥ 10 Sekunden oder asymmetrisch, Venenfüllung vor Rötung

Nachröte ≥ 2 Minuten oder asymmetrisch

Wadenschmerz während des Zweiminuten-Tests: Claudicatio intermittens.

Abb. 1.9Lagerungsprobe Ratschow:Getestet wird die Hautdurchblutung unter Belastung. So funktioniert die Lagerungsprobe: Rückenlage, Beine hoch und Flexion – Extension im OSG während zwei Minuten im Sekundentakt. Beim anschließenden Aufsitzen müssen sich die Füße in fünf Sekunden röten und die Vorfußvenen in zehn Sekunden füllen – seitengleich versteht sich.

(mod. nach Widmer, Waibel 1965 b)

1.7.1.10 Trendelenburg: venöse Insuffizienz

Ziel Klappenfunktionsprüfung der V. saphena magna und ihrer Äste (▶ Abb. 1.10). Über die Funktionstüchtigkeit des tiefen Venensystems kann mit diesem Test keine Aussage gemacht werden. Benannt nach Friedrich Trendelenburg, dem Chirurg, der auch dem Hinken mit Absinken des Beckens seinen Namen geliehen hat (1844–1924).

Position Rückenlage, Beine in die Luft strecken und das venöse Gefäßsystem von distal nach proximal ausstreichen. Am proximalen Oberschenkel wird ein venöser Stauschlauch angelegt. Anschließend zügiges Aufstehen und Beobachtung der Venenfüllung. Dann Stauschlauch lösen und wiederum den Füllungsgrad der Stammvenen beobachten.

Dokumentation Protokolliert wird die Füllung des Venensystems unmittelbar nach dem Aufstehen bzw. nach dem Lösen des Stauschlauchs.

Norm Bei dichten Mündungsklappen der großen Stammvene und ihrer Äste füllen sich die Venen nach dem Aufstehen und nach dem Lösen des Stauschlauchs nur langsam und von peripher her.

Pathologie Schlagartige Füllung der Stammvene oder eines ihrer Teilabschnitte:

Schnelle Füllung bei liegendem Stauschlauch: Nach dem Aufstehen bei noch liegendem Schlauch füllt sich ein distaler Teilabschnitt des Venensystems, während der obere Teil des Venensystems ungefüllt bleibt. Dieser Befund weist auf Klappeninsuffizienz der Verbindungsäste (oder auf eine arteriovenöse Fistelbildung) hin.

Schnelle Füllung nach Lösen des Stauschlauchs: Nach dem Lösen des Stauchschlauches füllt sich rasch der obere Abschnitt oder die gesamte Vena saphena magna von oben nach unten. Die Mündungsklappe der großen Stammvene in der Leiste ist insuffizient.

Abb. 1.10Strömungsumkehr Trendelenburg:Bein hoch lagern, Venen entleeren, Stauschlauch anlegen. Beim Aufstehen und Lösen des Stauschlauches füllen sich die Venen normalerweise nur langsam von distal her. Pathologisch sind: Sofortige Venenfüllung beim Aufstehen und liegendem Stauschlauch bedeutet insuffiziente Verbindungsvenen ins tiefe Venensystem; sofortige Venenfüllung von proximal her bei Lösen des Stauchschlauches bedeutet insuffiziente Mündungsklappe der V. saphena magna

(mod. nach Allgöwer 1976 a)

1.7.1.11 Vibrationssinn: Tiefensensibilität bis in die Spitzen

Ziel Ausschluss einer peripheren Polyneuropathie.

Position Sitzen mit geschlossenen Augen. Der Therapeut schlägt eine Stimmgabel an und testet mit dem Fuß der Stimmgabel definierte Knochenpunkte am Fuß. Die Knochenpunkte werden mal mit schwingender, mal mit nicht schwingender Stimmgabel getestet. Der Patient gibt an, ob er lediglich den Druck oder das Vibrieren wahrnimmt. Die fünf Knochenpunkte sind: Malleolus medialis und lateralis, Groß- und Kleinzehengrundgelenk, Großzehenspitze. Weichteile können nicht getestet werden, da sie schalldämpfend wirken. Im Zweifelsfall kann das Vibrationsempfinden der Finger zum intraindividuellen Vergleich herangezogen werden.

Dokumentation Beurteilt wird, ob die Stimmgabelvibration symmetrisch und bis in die Zehenspitze wahrgenommen wird. Ein Defizit wird in Verminderung oder Ausfall, Niveau und Ein- bzw. Beidseitigkeit differenziert.

Norm Vibrationsempfinden symmetrisch bis in die Zehen- und Fingerspitzen.

Pathologie

Strumpfartiges Defizit: periphere Polyneuropathie (Diabetes, Alkohol u. a.).

1.7.1.12 Ligamentäre Laxizität: konstitutionell

Ziel Objektivierung einer fraglichen „ligamentären Fußgewölbeinsuffizienz“.

Position Sitzend, Handfläche bequem auf einer Unterlage. Der Handteller wird auf der Unterlage fixiert.

Dokumentation Zur Bestimmung der Bandlaxizität existieren verschiedene Kriterien und Bewertungspunkte: Überstreckbarkeit von Ellenbogen-, Daumen-, Hand- und Fingergelenken u. a. Eine brauchbare Schnellorientierung bietet die Überstreckbarkeit im Zeigefingergrundgelenk. Ein alter tanzorthopädischer Trick übrigens, um die konstitutionelle Laxizität unter Ausschluss von Trainingseffekten bestimmen zu können. Gemessen wird die passive Extension im Zeigefingergrundgelenk der nicht dominanten Hand.

Hinweis Bei arthrotisch-arthritischen Veränderungen von Hand oder Fingern verliert der Test seine Aussagekraft.

Norm Hypermobile Gelenke sind definitionsgemäß funktionsfähige Normvarianten. Selbst eine willkürliche Subluxation ist keine Instabilität. Ein hypermobiles Gelenk ist weder instabil noch insuffizient. Tänzerinnen und Akrobaten beispielsweise reizen durch intensives Training die natürliche Flexibilität ihrer Füße maximal aus. So erreichen sie den willkürlichen Hohlfuß – voll flexibel und maximal stabil. Als Faustregel gilt, dass laxe Bänder einer kräftigen und gut geschulten Muskulatur bedürfen, um eine effiziente Bewegungskontrolle der Gelenke zu ermöglichen.

Normvarianten

Hypolaxizität: ≤ 40°

Normale Bandlaxizität: 40–70°

Hyperlaxizität Typ Tänzerin: 70–90°

Hyperlaxizität Typ Schlangenmensch: ≥ 90° (▶ Abb. 1.11).

Abb. 1.11Ligamentäre Hyperlaxizität:Gemessen wird mittels Plurimeter die passive Extension im Zeigefinger-Grundgelenk der nicht dominanten Hand. Der Schnelltest in einem Gelenk ersetzt keine Scores zur Objektivierung der ligamentären Hyperlaxizität, ermöglicht aber eine rasche Erstorientierung. Bei arthrotischer Veränderung oder Verletzungen der Hand verliert der Test seine Aussagekraft.

1.7.1.13 Verlaufsdokumentation: Diagnose abhängiger Parameter

Ziel Ein objektiver Verlaufsparameter plus ▶ visuell analoge Schmerzskala ermöglichen eine minimale und dennoch aussagekräftige Verlaufsdokumentation. Die Aufwand-Nutzen-Relation ist exzellent. Die Auswahl des Parameters erfolgt situativ in Abhängigkeit von Diagnose und Therapieziel.

Position Situativ.

Dokumentation Mindestens ein aussagekräftiger objektiver Verlaufsparameter wird gemessen und dokumentiert.

Norm Abhängig von Alter, Art des Fußproblems und individueller Zielsetzung.

Parameter Individuell und situativ:

Gelenkmobilität ROM (Range of Motion) – klassisch gemessen in Winkelgraden

Gelenkstabilität – gemessen in Sekunden auf einer labilen Unterlage

Belastbarkeit bis zum Schmerzeintritt – gemessen in Kilogramm auf einer Personenwaage

Standsicherheit auf Wackelunterlage – gemessen in Sekunden

Gehtempo – gemessen in km pro Stunde

Anzahl Treppenstufen, die in einer Minute bewältigt werden.

usw.

1.8 Rationelle Wahrsagerei

1.8.1 Prognose

1.8.1.1 Prognose: individueller Spielraum

In Sachen Diagnose bieten ätiologische Klassifikation und funktionelle Evaluation einen klaren Rahmen für die Einordnung von Fußbeschwerden. Schwieriger wird es bei der Prognose. Lehrbuch-Meinungen und klinische Erfahrung stützen sich auf kollektive Mittelwerte. Die Schulmedizin tut sich schwer mit individualisierten Prognosen. Ein krasses Beispiel: Bei der verbleibenden Überlebenszeit von Krebspatienten verschätzen sich Ärzte um durchschnittlich 300 % (Lamont 2001). Kein Wunder – wissenschaftliche Grundlagen und Parameter für Individualprognosen fehlen. Prognosen sind in diesem Fall besonders schwierig, weil eine komplexe Situation mit vielen unbekannten Variablen durch eine einzige Zahl – die verbleibende Lebenserwartung – ausgedrückt werden soll. Die Prognose von Fußproblemen ist weniger dramatisch, umfasst aber ein breites Spektrum – von der spektakulären Verbesserung bis hin zur Gehinvalidität. Wissenschaftliche Kriterien für Individualprognosen fehlen weitgehend. Den individuellen Spielraum gilt es therapeutisch zu nutzen.

1.8.1.2 Langzeitverlauf: vier Kategorien

Unter dem Aspekt der Prognose gibt es vier Verlaufskategorien:

Heilung: kein Funktionsverlust, kein Strukturschaden (z. B. Fraktur)

Defektheilung: Funktionsfähigkeit trotz bleibenden Defekts (z. B. Arthrodese)

Rezidiv: chronisch-rezidivierender Verlauf (z. B. Gicht)

Chronisches Leiden: chronisch-stabiler oder chronisch-progredienter Verlauf (z. B. Arthrose).

Für Patientinnen und Patienten ist es wichtig zu wissen, zu welcher prognostischen Kategorie sie gehören. Das Therapieziel bei chronischen Fußleiden besteht darin, den Zustand um jeweils eine Kategorie zu verbessern, beispielsweise von langsam progredient zu chronisch-stabil.

1.9 Auf einen Blick

1.9.1 Standortbestimmung Spiraldynamik: Überblick

1.9.1.1 Problemstern: Gestalt ist kein Zufall

Die Zifferblatt-Netzgrafik ist eine clevere Sache. Sie sieht aus wie eine Zielscheibe. In der Mitte befindet sich ein zielscheibenartiges Zentrum. Es steht für gesunde Füße. Das Ziel liegt in der Mitte. Der äußere, etwas kräftige Ring symbolisiert die Grenzen der Therapie – die therapeutische Schallmauer. Therapie in diesen Randgebieten ist immer eine Gratwanderung, Erfolgserlebnisse sind rar. Zwischen dem Ziel in der Mitte und der therapeutischen Schallmauer außen wird das aktuelle Problem als dunkle Fläche dargestellt – als sogenannter Problemstern. Seine Größe und seine Gestalt sind kein Zufall. Bei therapeutisch einfacher Situation wird sich der Problemstern eng um das schwarze Zentrum herum gruppieren. Ganz anders bei anspruchsvollen und komplexen therapeutischen Herausforderungen: Der dunkle Stern wird sich in alle Richtungen ausdehnen, wie eine große dunkle Wolke. Die einzelnen Strahlen werden bis an die therapeutische Schallmauer heranreichen und so blickdiagnostisch auf die konkreten Behandlungsschwierigkeiten hinweisen. Kurzum: Der Problemstern bietet Überblick auf einen Blick (▶ Abb. 1.12).

1.9.1.2 Therapeutische Schallmauer: zwölf Endpunkte

Der Problemstern lässt sich wie ein Bilderbuch lesen. Jeder Strahl hat seine bestimmte Bedeutung. Die Zielscheibe ist wie ein Zifferblatt organisiert. Jede volle Stunde ist der Endpunkt eines Problemstrahls. Der Problemstern hat 12 Hauptstrahlen, von denen jeder einzelne einen wesentlichen Aspekt der therapeutischen Situation darstellt. 6 Uhr beispielsweise steht für den subjektiven Leidensdruck. Besitzt der Problemstern bei 6 Uhr eine kleine Zacke, wissen Sie mit einem Blick, der Leidensdruck ist gering. Eine megagroße Zacke bei 6 Uhr bedeutet massiven Leidensdruck vonseiten des Patienten. Um das Sternzentrum herum sind fünf konzentrische Netzringe organisiert. An den Schnittstellen zwischen Problemstrahlen und Netzringen ist die Intensität des jeweiligen Problems ablesbar. Innerster Ring bedeutet Wohlbefinden, hohe Motivation, günstige Vorgeschichte, wenig Schmerzen usw. Dann folgen von innen nach außen geringe, mäßige, starke und maximale Problemsituation. Diese fünffache Graduierung gilt sinngemäß für alle Strahlen.

1.9.2 Analyseformen

1.9.2.1 Vertikale Analyse: subjektiv und objektiv

Ein Blick auf die vertikale Achse erschließt Ihnen die Relation von subjektivem Empfinden und Schweregrad der objektiven Diagnose. Bei „12 Uhr“ stehen objektive Diagnose und Prognose. Darin enthalten sind Schweregrad, Chronizität und Erwerbsfähigkeit. Eine chronisch arterielle Verschlusskrankheit beim Diabetiker im Spätstadium erreicht die maximale Punktzahl, der Diagnosestrahl reicht direkt bis in den Außenbezirk der therapeutischen Schallmauer. Ein schmerzloser, kosmetisch nur wenig störender Schiefstand der Großzehe kommt knapp über den ersten Netzring hinaus. Am anderen Ende der vertikalen Achse bei „6 Uhr“ steht das Subjektive – der Leidensdruck, wie er vom Patienten empfunden wird. Schmerzintensität, Problemdruck und psychische Verfassung finden hier unzensiert Ausdruck. Ein Blick auf diese Zacke lässt Sie erahnen, was der Patient fühlt und durchmacht. Die subjektiven Parameter können mittels ▶ visuell analoger Skala erhoben werden.

1.9.2.2 Horizontale Analyse: Erwartungsdruck und Eigenmotivation

Bei „3 Uhr“ steht die Erwartungshaltung Ihres Patienten. Der explizite Wunsch nach Hilfe zur Selbsthilfe ergibt eine kleine Problemzacke. Das Verlangen nach Soforthilfe bei einem chronischen Problem ergibt eine große Zacke. Kurzum: Die Zacke signalisiert, welcher Erwartungsdruck vom Patienten ausgeht. Gegenüber bei „9 Uhr“ steht die Eigenmotivation – sozusagen der komplementäre Faktor zur Erwartung. 9 Uhr und 3 Uhr-Zacken können symmetrisch oder asymmetrisch sein. Mäßiger Erwartungsdruck bei Top-Motivationslage sieht günstig aus. Die Konstellation „hohe Erwartungen bei fehlender Eigenmotivation“ ist kein günstiges Omen. Imposante horizontale Zacken in beide Richtungen signalisieren große therapeutische Herausforderungen auf psychologischer Ebene: Die Eigenmotivation erweist sich als schwierig, der Patient als anspruchsvoll.

1.9.2.3 Hemisphären-Analyse: unabänderlich versus beeinflussbar

Es gibt zwei Arten von Faktoren: beeinflussbar und nicht mehr beeinflussbar. Die „nördliche Hemisphäre“ stellt die nicht oder nur wenig beeinflussbaren Größen dar. Eine alte schwere Verletzung beispielsweise, das jahrelange Tragen schöner Luxusschuhe oder zwanzig Jahre Laufsport können als Belastungsfaktoren nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Zu den faktisch gegebenen Parametern gehören Diagnose, Prognose, alte Verletzungen, Langzeitbelastung in Sport und Beruf, Therapieresistenz und das biologische Alter. Diagnose und Prognose stellen sozusagen den „Nordpol“ dar. Die therapeutisch beeinflussbaren Größen finden Sie auf der südlichen Hemisphäre. Funktion, Wahrnehmungsdefizite, aktuelle schmerzfreie Gehzeit, Eigenmotivation, Wahrnehmung und Lernvermögen gehören in den Bereich der therapeutisch beeinflussbaren Parameter. Schmerz, Leidensdruck und Verzweiflung bilden den „Südpol“. Nördliche und südliche Hemisphäre sind durch den Äquator getrennt. Die äquatorielle Grenzlinie zwischen „Süd- und Nordhalbkugel“ – zwischen veränderlich und unveränderbar – entspricht sinnigerweise der horizontalen psychologischen Achse von Erwartungshaltung und Eigenmotivation.

1.9.2.4 Quadranten-Analyse: Grenzen verschieben

Der Therapie sind natürliche Grenzen gesetzt: biografische, symptomatische, psychologische und biologische. Jede Kategorie ist in einem Quadranten angesiedelt.

Im ersten Quadranten rechts-oben finden sich die biografischen Grenzen: Vorschäden und Altlasten stellen einen verbindlichen Rahmen für die Therapieziele dar. Auch Traumen und Missbildungen gehören hierher.

Im zweiten Quadranten finden Sie Leitsymptome wie Belastungsschmerz, Ruheschmerzen, Gehstrecke, Fehlfunktionen und dadurch bedingte strukturelle Veränderungen. Akute und chronische Symptome setzen der Therapie Grenzen und diktieren das Tempo.

Dritter Quadrant: Zu den psychologischen Schranken gehören Wahrnehmungsdefizite, Übergewicht und Motivationsprofil. Bei der Fremdmotivation muss der Therapeut ständig anschieben, bei der Negativmotivation konzentriert sich der Patient darauf, Unangenehmes meiden zu wollen. Ganz im Gegensatz zur Positivmotivation mit bejahender Grundhaltung und konkreten Zielen im Visier.

Vierter Quadrant – die biologischen Grenzen. Gegen das Überschreiten des geriatrischen Zenits oder gegen ausbleibende Therapieerfolge ist kein Kraut gewachsen.

1.9.2.5 Zifferblatt-Netzgrafik: Problemlösung im Visier

Der dunkle Stern in der feinen Zifferblatt-Netzgrafik ermöglicht eine rasche Standortbestimmung. In der Praxis ist das sehr nützlich – als Orientierungshilfe und als Kommunikationshilfe. Für viele Menschen ist die bildhafte Konfrontation mit der eigenen Situation Anlass, sich mehrdimensional damit auseinanderzusetzen. Mittels Problemstern