Gegenschlag - Isobel Starling - E-Book

Gegenschlag E-Book

Isobel Starling

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Beschreibung

Buch 4 in der preisgekrönten Shatterproof Bond-Serie von Isobel Starling. Was bisher geschah ... Nach den verheerenden Ereignissen in den schottischen Highlands entwickelte sich zwischen Sam und Declan eine ganz neue und noch intensivere Romanze. Ihre tiefe Verbundenheit zueinander steht außer Frage. In anderen Aspekte ihres Lebens allerdings gibt es noch viele offene Fragen, vorallem, was diejenigen betrifft, die ihnen noch immer nach dem Leben trachten. Sam gibt sich alle Mühe, mit den frustrierenden Einschränkungen fertigzuwerden, die infolge seiner Verletzungen seinen Alltag beeinträchtigen. Er ist beinahe vollkommen auf Declan angewiesen und hasst, wie sich das Gleichgewicht in ihrer Beziehung dadurch verschoben hat. Obwohl er eigentlich beurlaubt ist, kann Sam nicht aufhören, immer wieder in Gedanken durchzuspielen, was ihm passiert ist, und sich zu fragen, warum und wer hinter allem steckt. Declans Erleichterung darüber, Sam zu Hause zu haben, verwandelt ihn in eine Art Hausmann. Er ist froh, die Zügel in die Hand zu nehmen und sich um seinen Partner zu kümmern. Aber unter der Oberfläche kommt er nicht darüber hinweg, wie er sich in den Highlands fühlte, und dass er und Sam ausgerechnet von dem Mann verraten wurden, der ihnen hätte beistehen sollen. Einst hatte Declan Sir James Aiken geschworen, dass er dafür bezahlen würde, sollte er Sam jemals verletzen, und jetzt muss Declan sich überlegen, wie diese Abrechnung aussehen soll und wie er seine und Sams Welt wieder ins Gleichgewicht bringen kann.

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Inhaltsverzeichnis

Cover Art Design by Isobel Starling INHALT

GEGENSCHLAG

SHATTERPROOF BOND #4

Isobel Starling

Aus dem Englischen übertragen von

Betti Gefecht

WWW.DECENTFELLOWSPRESS.COM

Copyright © 2018-2023 Isobel Starling

Aus dem Englischen von Betti Gefecht

ISBN: 9783757929114

Deutsche Erstausgabe

Alle Reche vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne vorherige schriftliche Genehmigung der Autorin nachgedruckt oder anderweitig verwertet werden. Davon ausgenommen sind Rezensionen: Kurze Passagen können in einer Rezension zitiert werden und als Teil davon auch in Zeitungen oder Zeitschriften abgedruckt werden.

Die Figuren und Ereignisse, die in diesem Buch beschrieben werden, sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2017

by Isobel Starling

Alle Rechte vorbehalten.

Cover Art Design by Isobel Starling INHALT

KAPITEL 1 Dunkle Träume

KAPITEL 2 LAUREL UND HARDY

KAPITEL 3 DIE BOX

KAPITEL 4 Lügen und GeheimNisse

KAPITEL 5 RAVENWING

KAPITEL 6 ABRECHNUNG

KAPITEL 7 BIS ZUM SCHMERZ

KAPITEL 8 Was geschehen ist …

KAPITEL 9 REUE

KAPITEL 10 SCHWÜRE

KAPITEL 11 GEFÄLLIGKEITEN

KAPITEL 12 BJÖRN AGAIN

KAPITEL 13 ENTHÜLLUNGen

KAPITEL 14 DIE FALLE WIRD GESTELLT

KAPITEL 15 BRIGHTNAIL

KAPITEL 16 Der Besucher

KAPITEL 17 TEESTUNDE

KAPITEL 18 MeisterTrick

KAPITEL 19 DAS bekannte Übel

KAPITEL 20 GeheimEs Wissen

KAPITEL 21 CHIFFRE

Über die Autorin

Was bisher geschah …

Nach den verheerenden Ereignissen in den schottischen Highlands entwickelte sich zwischen Sam und Declan eine ganz neue und noch intensivere Romanze. Ihre tiefe Verbundenheit zueinander steht außer Frage. In anderen Aspekten ihres Lebens allerdings gibt es noch viele offene Fragen, vor allem, was diejenigen betrifft, die ihnen noch immer nach dem Leben trachten.

Sam gibt sich alle Mühe, mit den frustrierenden Einschränkungen fertigzuwerden, die infolge seiner Verletzungen seinen Alltag beeinträchtigen. Er ist beinahe vollkommen auf Declan angewiesen und hasst, wie sich das Gleichgewicht in ihrer Beziehung dadurch verschoben hat. Obwohl er eigentlich beurlaubt ist, kann Sam nicht aufhören, immer wieder in Gedanken durchzuspielen, was ihm passiert ist, und sich zu fragen, warum und wer hinter allem steckt.

Declans Erleichterung darüber, Sam zu Hause zu haben, verwandelt ihn in eine Art Hausmann. Er ist froh, die Zügel in die Hand zu nehmen und sich um seinen Partner zu kümmern. Aber unter der Oberfläche kommt er nicht darüber hinweg, wie er sich in den Highlands fühlte, und dass er und Sam ausgerechnet von dem Mann verraten wurden, der ihnen hätte beistehen sollen. Einst hatte Declan Sir James Aiken geschworen, dass er dafür bezahlen würde, sollte er Sam jemals verletzen, und jetzt muss Declan sich überlegen, wie diese Abrechnung aussehen soll und wie er seine und Sams Welt wieder ins Gleichgewicht bringen kann.

****

GEGENSCHLAG

VON

Isobel Starling

Fezzik: Wir treten einander gegenüber wie von Gott vorgesehen. Wie Sportsmänner. Keine Tricks, keine Waffen, Mann gegen Mann.

Mann in Schwarz: Du meinst, du wirfst deinen Stein weg und ich mein Schwert, und wir versuchen, uns umzubringen wie zivilisierte Menschen?

Die Braut des Prinzen

von William Goldman

KAPITEL 1

Dunkle Träume

Sam Aikens Lider flatterten. Seine Augen öffneten sich und sahen nichts als stockdunkle Finsternis. Eine Woge eiskalten Grauens erfasste ihn. Er schloss die Augen wieder, öffnete sie erneut, dann blinzelte er heftig. Er hörte das Flattern seiner langen Wimpern auf seinen Wangen.

„Äh, hallo? Ich kann … äh … nichts sehen“, sagte er alarmiert mit einer Stimme, die zu hoch klang und bebte. Sam fühlte sich körperlos; er war verwirrt und verängstigt. Die frostige Luft roch klamm und erdig. Ein vertrautes Geräusch drang an sein Ohr. Er überlegte kurz, worum es sich handeln mochte. Ja, es war ein Streichholz, das über eine Schwefelfläche gezogen wurde, einmal, zweimal, dreimal. Und dann sah Sam, wie der Zündfunke zu einer Flamme erblühte. Das Streichholz schien mehrere Meter entfernt zu sein und gab gerade genug Licht ab, um die Hand zu beleuchten, die es hielt.

„Ah, Samuel, du bist endlich wach. Das ist gut, jo?“ Die Stimme hallte gespenstisch, schien von allen Seiten zu kommen, und ihr Echo klang wie in einer Höhle. Adrenalin schoss plötzlich durch Sams Blut, und sein Herz schlug vor Entsetzen im Galopp. Er kannte diese Stimme, den melodischen, schwedischen Tonfall und die spezielle, hohle Aussprache des „Ja“, die es wie „Jo“ klingen ließ. Es war eine Stimme, die stets tief in ihm Angst hervorrief. Seine Augen suchten krampfhaft nach einem anderen Orientierungspunkt, aber da war nichts außer diesem brennenden Streichholz, das auf hypnotische Weise seine Aufmerksamkeit fesselte – und sein Besitzer, der näher zu kommen schien. Es gab nur ihn selbst, ein rasch abbrennendes Streichholz und Eric Madsson.

„Neeeiiiin“, schrie Sam panisch auf. Und dann öffnete er erneut seine Augen.

****

Sam sog entsetzt die Luft ein, die nun nach herbem Eau de Cologne und schlafendem Mann roch. Er wurde sich wieder seines Körpers bewusst – seines schwitzenden, zitternden, schmerzenden Körpers. Er fühlte sich viel zu klebrig-feucht unter dem Daunenfederbett. Sein rechter Arm war ungewöhnlich schwer, genau wie sein rechtes Bein. Als Sam versuchte, sich zu bewegen, schoss ein Schmerz sein Bein hinauf bis in seine Wirbelsäule. Er kam mit einer Plötzlichkeit zurück in die Realität, als wäre sein Kopf unter Wasser gewesen und hätte soeben die Oberfläche durchbrochen. Seine Gliedmaßen waren verletzt und wurden von Nägeln und Gipsverbänden zusammengehalten. Jo … ja.

„Hey, is’ alles in Ordnung?“

Diese Stimme war anders – rau, schlaftrunken und schottisch. Zuhause. Eine warme, große Hand glitt über Sams nackte Brust und hielt über seinem Herzen an, das so hektisch flatterte wie eine Motte, die verzweifelt der Gefangenschaft eines umgestülpten Glases zu entkommen versuchte.

„Schon gut, ich pass’ auf dich auf. Du bist sicher.“

Tränen stiegen Sam in die Augen, die sich langsam an das Halbdunkel in seinem und Declans Schlafzimmer anpassten. Er atmete tief und zitternd ein und konzentrierte sich auf die große, warme Hand auf seiner Brust, die ihn in der Wirklichkeit verankerte. Dieser verwirrende Vorgang war ihm inzwischen nur allzu vertraut. Sam wandte den Kopf, und im gedämpften Licht der Morgendämmerung, das sich an den Seiten der Vorhänge ins Zimmer stahl, erkannte er Declans Umrisse. Declan lag auf seiner Seite, das Gesicht nur Zentimeter von Sams Schulter entfernt, und sein warmer Atem streifte Sams Haut. Declans andere Hand lag unter seiner bärtigen Wange auf dem Kissen. Seine Augen waren geschlossen.

„Tut mir leid, dass ich dich schon wieder geweckt habe. Habe ich geschrien?“ Sams Stimme war ein verschlafenes Kratzen mit einem frustrierten Unterton. „Denkst du nicht, es wäre besser, wenn ich im Gästezimmer schliefe? Du hast keine Nacht mehr durchgeschlafen seit …“

„LASS DAS“, unterbrach Declan schroff. Sam stellte dieselbe Frage beinahe jedes Mal, wenn er von einem Alptraum geweckt wurde, das Haar verschwitzt und vor Furcht am ganzen Körper zitternd. Declan konnte nur erahnen, welche Schrecken seinen Verlobten nachts so plagten, dass er schrie. Auf keinen Fall konnte er Sam guten Gewissens allein in diesem Zustand aufwachen lassen, und er weigerte sich, auch nur in Erwägung zu ziehen, Sam woanders schlafen zu lassen. Und so blockte Declan diesen Vorschlag jedes Mal ab, sobald die Worte Sams Lippen verließen.

Declan ließ seine warme Hand abwärts gleiten und legte sie besitzergreifend über Sams Hüfte. „Du kannst mich das weiterhin fragen, aber ich werd’ nicht klein beigeben. Du gehst nirgends hin, Freundchen, comprendo?“, sagte Declan. Dann beugte er sich vor und rieb sein bärtiges Kinn in Sams Halsbeuge, bevor er ihn dort küsste. Sam schüttelte den Kopf. „Ich verdiene dich nicht“, sagte er im Flüsterton.

„Ach, quatsch keinen Scheiß, ich will so’n Mist nicht hören. Wir kriegen am Schluss alle, was wir verdienen.“, sagte er weise. „Brauchst du Hilfe, um wieder einzuschlafen?“

„Oh, Gott, keine Pillen mehr, bitte, sonst werde ich nur rappelig.“ Sam wusste nicht, was schlimmer war: die Schmerzen von seinen Verletzungen oder die Nebenwirkungen von all den Medikamenten, die er nehmen musste. Declan schnaubte ein leises Lachen, das tief aus seiner Brust kam, rollte von Sam weg und stand aus dem Bett auf. Sam schaute seiner massigen Silhouette nach, als er quer durchs Schlafzimmer und ins Bad ging, dann hörte er ihn pinkeln. Etwa eine Minute später kehrte Declan zurück und schlüpfte wieder in den warmen Platz, den er wenige Momente zuvor verlassen hatte. Er zog das Federbett von Sam herunter und erhob sich auf seine Knie.

„Mach die Augen zu. Das hier wird dir beim Schlafen helfen“, versicherte er Sam.

Sam tat, wie ihm geheißen, und lächelte, als Declans forschender Mund Küsse über seine Brust verteilte und schließlich Sams Lippen fand. Declan grinste in den Kuss, dann zog er sich zurück. Sam hörte das Schnappen eines Flaschenverschlusses und dann das schmatzende Geräusch von Declans Händen, die sich aneinander rieben. Sam schmunzelte; das war der alte Declan, dessen bevorzugtes Mittel zur Entspannung stets Sex war. Dann roch Sam den Duft von Lavendel. Lavendel? Das war nicht, was Sam erwartet hatte, als er das Geräusch schlüpfriger Hände vernommen hatte.

Declan setzte sich rittlings auf Sams Becken, legte seine warmen, eingeölten Hände auf Sams Brust, und dann ließ er sie in langen, langsamen Bewegungen auf und ab gleiten. Die Berührung war beruhigend und sinnlich. Die Zärtlichkeit darin entwaffnete Sam, und er atmete geräuschvoll aus, ein erfreuliches Schnurren. Declans geschickte Hände rieben Sams Brust, langsam und rhythmisch, auf und ab, vermieden dabei aber den Verband, der seine rechte Schulter zusammenhielt. Es erinnerte Sam an eine professionelle Massage. Er hatte nicht gewusst, dass Declan diese Art Massagetechnik in der Hinterhand hatte. „Oh, jaaa“, seufzte er. „Das fühlt sich gut an.“

Declans Fingerspitzen zogen verspielte Kreise um Sams Nippel, und Sam fühlte diesen unverwechselbaren Pfeil aus Elektrizität bis in seine Eier. „Ohhh, Butterblümchen …“ hauchte er, als er spürte, wie sich sein Schwanz in seiner Unterhose regte. Sam öffnete die Augen und starrte in das Dämmerlicht, suchte Declans Gesicht. Die Umrisse seines Geliebten hatten silberfarbene Konturen, und er leuchtete wie eine religiöse Ikone. Der Anblick war wunderschön, und die langsamen, sinnlichen Bewegungen von Declans Händen auf seiner Haut entspannten Sam und gaben ihm ein Gefühl von Sicherheit. Eine Flut von Erinnerungen und Emotionen erfüllte Sams Verstand. Die Intimität, die Fürsorge und Loyalität, die er seit seinen Verletzungen von Declan erfahren hatte, trieben ihm Tränen in die Augen. Es war überwältigend, und Sam war froh, dass sie sich im Dämmerlicht befanden, sodass Declan ihn nicht weinen sehen würde – schon wieder.

„Fass mich an, bitte“, bettelte Sam. Er brauchte Declans Hände an seinem Schwanz, um sich von dieser Gefühlsaufwallung abzulenken.

„Darum geht’s hierbei nicht. Nicht jede Massage führt automatisch zu Sex, weißt du?“

Ein Laut, der halb Schluchzen, halb Lachen war, entfuhr Sams Mund.

„Was?“ Declan klang entrüstet.

„Komm schon, Massagen müssen doch ein Happy End haben, oder?“, neckte Sam.

„Oh, nein. Hast du eine Ahnung, wie einschüchternd es für ein zartes Mädchen ist, mit einem Klienten in einem Behandlungszimmer zu stecken, der einen Ständer hat? Eine meiner Ex-Freundinnen war Massagetherapeutin. Sie erzählte immer Geschichten von Patienten, die während der Behandlung einen Harten bekamen. Sie sagte dem Klienten dann, dass er sich auf den Bauch drehen sollte, aber einige der dreckigen Mistkerle fingen dann an, sich an dem verdammten Tisch zu schubbern.“

„Oh, mein Gott!“ Sam kicherte. „Was hat sie dann gemacht?“

„Weibliche Therapeuten haben die Anweisung, den Raum zu verlassen, falls der Klient einen vollen Ständer kriegt und ihnen das unangenehm ist.“

„Heißt das, ich bekomme kein Happy End?“, fragte Sam dickköpfig.

Declan stieß ein argwöhnisches Lachen aus und schüttelte den Kopf. Er wusste, wären sie in vollem Tageslicht, dann würde Sam einen Schmollmund machen und ihn mit seinen faszinierenden, grünen Augen anstarren, um ihn zum Nachgeben zu bewegen. Er konnte es beinahe vor sich sehen. Declan beugte sich herab, suchte und fand Sams Mund. Er drückte den vom Schlaf noch ganz weichen Lippen einen Kuss auf.

„Wenn ich dich ein bisschen wichse, schläfst du danach wieder?“

„Mmmmh.“

Dieses sinnliche Schnurren schaffte Declan jedes Mal. „Du bist unverbesserlich, Samuel Aiken.“

***KAPITEL 2

Laurel Und Hardy

Declan schaltete den Motor ab und warf einen besorgten Blick in den Rückspiegel. Sam lag quer auf dem Rücksitz und sah abwesend und völlig elend aus. Der Sicherheitsgurt lag schief und krumm über seiner Brust und unter seinem unverletzten, rechten Arm, und eine schwarze Schlinge hielt seine Schulter und sein gebrochenes, eingegipstes Handgelenk. Sams verschraubtes, linkes Bein wurde von einer großen, blauen Stiefelschiene gehalten und lag in einem seltsamen Winkel auf dem Sitz.

„Bist du so weit, Schatz?“, fragte Declan. Seine Augen suchten Sams im Spiegel.

„Je eher ich das hinter mich bringe, um so besser, nehme ich an“, murmelte Sam mit einem müden, resignierten Seufzen. Sam war erst vor zehn Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden, und nachdem die Seifenblase der ersten Euphorie darüber, daheim bei Declan zu sein, geplatzt war, hatten seine Verletzungen und deren Effekt auf seinen einst so geschmeidigen und nachgiebigen Körper ihn sehr verstört. Der Rehabilitationsprozess war entmutigend, und Sam wusste, dass er sich ordentlich reinknien musste, um zu seiner ehemaligen körperlichen Stärke zurückzufinden. Aber sein Verstand, das war eine ganz andere Sache. Er fühlte sich träge und erschöpft und kam sich nutzlos vor. Außerdem hatte er viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Sam hatte so viele Fragen über das Warum bezüglich der Geschehnisse in den Highlands. Wer liebt oder hasst James so sehr, dass er versuchen würde, mich umzubringen, um seine Aufmerksamkeit zu erringen?

Declan schnippte mit den Fingern. Sam kehrte mit einem Schauern in die Gegenwart zurück und hörte Declan sagen: „Aye, je eher dein Bein geheilt ist, umso eher kann ich mit dir vor den Altar treten, richtig?“

Declan hatte erwartet, dass Sam mit einer spitzen Bemerkung antworten würde, aber die kam nicht.

Sams einzige Bedingung, als er Declans Antrag angenommen hatte, war, dass sie so lange warteten, bis er wieder aus eigener Kraft laufen konnte. Er hatte gesagt, er wollte keine Hochzeitsfotos, die sein geschientes Bein, seine Krücke und die Schlinge zeigten, und für ewig die Erinnerungen daran wachhielten, wie er zu diesen Verletzungen gekommen war. Es waren Erinnerungen, die Sam lieber an einem sehr, sehr finsterem Ort vergraben hätte.

Declan nahm sein Telefon aus dem Halter am Armaturenbrett und schaute noch einmal in den Spiegel. Er sah, wie Sams Mund zuckte und sein abwesend-mürrischer Gesichtsausdruck sich langsam in ein Schmunzeln verwandelte, so als wäre Declans neckende Bemerkung angekommen, wenn auch mit Verspätung. Ihre Blicke begegneten sich im Spiegel, und sie sahen einander einen Moment lang an, bevor Sam sagte: „Wir haben doch immer noch unsere Anzuganprobe bei Gieves & Hawk heute Nachmittag, ja?“

Er bewegte sich und zuckte zusammen. Dann löste er behutsam den Gurt und hielt ihn fest, damit er nicht zu schnell in die Halterung zurückschnappte und sich an seiner Schlinge verfing.

„Aye, fünf Uhr dreißig. Ich hab’ es so arrangiert, dass wir den Laden für uns allein haben.“ Declans Telefon wanderte in die Tasche seiner Jogginghose – er hatte sich nicht extra fein gemacht – dann öffnete er die Tür und stieg aus dem schwarzen Range Rover. Der frühe Maimorgen war bewölkt und grau, typisch britisches Frühlingswetter. Er warf einen misstrauischen Blick auf die Terrasse des georgianischen Gebäudes gegenüber und auf die Autos, die rechts und links neben seinem Wagen geparkt waren. Dann betrachtete er aufmerksam die Straße in beiden Richtungen. Es war niemand zu sehen. Genaugenommen war die Harley Street seltsam verlassen.

Das Isokintec Institute bot die beste Reha, die man für Geld in London bekommen konnte, und natürlich übernahm James die Kosten. Das Klappern einer überirdisch fahrenden U-Bahn auf der nahegelegenen Brücke erregte kurz Declans Aufmerksamkeit, als er die hintere Wagentür öffnete, wo Sam saß. Er griff hinein, zog Sams Krücke heraus und lehnte sie an die Seite des Wagens, dann duckte er sich erneut hinein. Sam legte seinen guten Arm über Declans breite, muskulöse Schulter, und mit vereinten Kräften hievten sie Sams Körper aus dem Auto. Als Sam stand, sein Gewicht auf sein gutes Bein gestützt und den Hintern an das kühle Metall des Wagens gelehnt, schloss Declan die Tür und reichte Sam seine Krücke.

„Gott, ich hasse dieses Ding. Ich komme mir vor wie ein verdammter Pirat“, stieß Sam uncharakteristisch scharf hervor, dann fügte er schuldbewusst hinzu: „Tut mir leid … ich …“

Declan sah Sam nachdenklich an. „Sollen wir dir ’n kleinen Papagei und ’ne Augenklappe besorgen, um den Look perfekt zu machen?“, witzelte er. Aber Sam lachte nicht, sondern starrte ihn nur finster an. „Hey, schon bald bist du wieder ganz der Alte“, tröstete Declan und streichelte mit den Fingerknöcheln wie abwesend Sams Wange.

Declans zärtliche Berührung brachte Sams Fokus wieder zurück zu seinem Partner. Er begegnete Declans Blick und wurde von Schuldgefühlen übermannt, weil es sein Fehler war, dass auch Declan nicht arbeiten konnte und stattdessen die stumpfsinnige Aufgabe hatte, sich um ihn zu kümmern. Declan war so gütig, geduldig und verständnisvoll, dass sein Verhalten an das eines Heiligen grenzte. Er hatte sich nicht ein einziges Mal beklagt, etwas anderes zu tun zu haben, etwas Wichtigeres. Sam kam für ihn an erster Stelle, und Sam kam sich ganz klein vor, weil Declan immer zuerst an seine Bedürfnisse dachte, bevor er sich um seine eigenen kümmerte. Und Declan wurde zurzeit nicht mal flachgelegt. Ich muss das bei ihm wirklich alles wieder gutmachen, wenn es mir erst besser geht, schwor Sam sich. Er konnte sein Glück kaum fassen, einen so selbstlosen Verlobten zu haben.

Sam drückte sich vom Wagen ab und lehnte sein Gewicht gegen Declans kräftigen Körper. Er hätte ihn am liebsten geküsst und sich bedankt, immer und immer wieder, aber sie waren in der Öffentlichkeit, und außerdem war ihm ein wenig schwindelig vom Aufrechtstehen. Gott, sogar die einfachsten Dinge bringen mich jetzt schon aus der Puste. Der Medikamentencocktail, den Sam einnehmen musste – Blutverdünner und starke Schmerzmittel – half zwar gegen die körperlichen Beschwerden, machten ihn aber geistig träge und beraubten ihn gewisser Eigenschaften, die Sam ausmachten: sein Humor, seine kindliche Begeisterung daran, etwas zu tun, aktiv zu sein, und vor allem seine positive Einstellung zum Leben. Egal, was ihm auch vor den Highlands zugestoßen war – irgendwie hatte er stets seine positive Sicht zurückgewonnen. Aber dieses Mal fühlte er sich einfach nur taub. Dieser Sam Aiken befand sich in einer Art Dämmerzustand, lief die meiste Zeit auf Autopilot und riss sich gerade so weit zusammen, um Declan nicht zu sehr zu beunruhigen.

Sams Erinnerungen an die Highlands waren zunächst undeutlich gewesen, aber sie kehrten nun in Form von Träumen und Flashbacks zu ihm zurück, die ihm vor Furcht den Magen umdrehten. Die schlimmste dieser Erinnerungen war nicht die seines eigenen Leidens, als er aufgeknüpft wie eine Marionette über dem Erdloch baumelte. Die schlimmste Erinnerung war seine Hilflosigkeit, als er zusehen musste, wie Declan – ein Kontrollfreak durch und durch – seine Männlichkeit genommen wurde und er unter seiner Emaskulation zusammenbrach. Um seinem Partner zumindest ein wenig das Gefühl der Kontrolle zurückzugeben, hatte Sam daher beschlossen, Declan während seiner Genesung vollkommen die Führung zu überlassen. Sam stellte nie Forderungen und machte nur selten Vorschläge, wie er seine Zeit verbringen wollte, während er sich erholte. Declan traf alle Entscheidungen. Und unter Declans militärischer Routine entstand ein eintöniger Kreislauf aus Schlafen, Essen, Lesen und gelegentlichen Filmen, an die er sich später kaum erinnern konnte. Alles nur, um die Zeit totzuschlagen.

Allerdings gab es eine Sache, die Sam strikt ablehnte. Declan hatte vorgeschlagen, einen Rollstuhl zu mieten, um Sam durch den Hyde Park schieben zu können, damit er an die frische Luft kam. Aber Sam war entsetzt gewesen. Ein Rollstuhl ging einen Schritt zu weit. Einen Rollstuhl zu benutzen war wie eine Entmündigung, das Eingeständnis seiner völligen Untauglichkeit, und er war nicht willens, sich dem zu unterwerfen. Sam legte seinen Kopf aufs Declans Schulter. „Sei la luce della mia vita“, flüsterte er leise. Du bist das Licht meines Lebens.

Declan stützte seinen Partner. Er wurde immer besser in Italienisch. „La mia luce brilla solo per te“, antwortete er. Mein Licht scheint nur für dich. Er wusste bis in sein tiefstes Inneres, dass es die Wahrheit war. Für einen langen Moment standen sie aneinander gelehnt in der menschenleeren Londoner Straße, als existierten sie in ihrer ganz eigenen, undurchdringlichen Blase der Intimität.

Declan hörte ein Geräusch und drehte den Kopf zu den gläsernen Eingangstüren der Klinik. Ein Pfleger in einer pastellblauen Uniform verließ das Gebäude durch die Doppeltür und blieb auf der obersten Treppe stehen. Mit einem Rollstuhl. Scheiße! Declan zuckte zusammen, denn er wusste, der Stuhl würde Sam unangenehm sein. Aber es ging nicht anders.

„Ich kann verdammt noch mal auf meinen Beinen die Klinik betreten“, beharrte Sam stur.

„Einen Scheiß kannst du. Du weißt, dass du mit dem linken Bein nicht auftreten kannst“, widersprach Declan. Declan wusste, dass Sam nicht die Energie besaß, sich mit ihm zu streiten. Er legte seinen Arm um Sams Taille, und Sam stützte sich auf seine Krücke. Mit langsamen, humpelnden Schritten bewegten sie sich auf den Pfleger zu, der den Stuhl die Rampe neben den Stufen hinunterschob.

„Schön, Sie zu sehen, Mr. Hardy“, sagte der Pfleger freundlich mit leicht amerikanischem Akzent. „Wie fühlen Sie sich heute?“

Sam warf dem Pfleger einen vernichtenden Blick zu und biss sich auf die Lippe, um nicht zu antworten: Was zum Teufel denken Sie wohl, wie ich mich fühle? Er sog vor Schmerzen scharf den Atem ein und verzog das Gesicht, als Declan ihm in den Rollstuhl half. Sam war es so leid, von Leuten gefragt zu werden, wie es ihm ging. Er sah scheiße aus und fühlte sich scheiße, aber der britische Sinn für Anstand ließ ihn automatisch jedes Mal antworten: „Gut.“ Aber es ging Sam nicht gut. Es ging ihm gar nicht gut. Heute war sein erster Termin in der Reha-Klinik nach der OP, der erste schmerzhafte Schritt, um seinen Körper wieder zurückzubekommen und gebrauchen zu können. So sehr, wie er es nötig hatte, so sehr graute ihm auch davor.

„Bist du sicher, dass ich nicht hier auf dich warten soll?“, wollte Declan wissen.

„Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln, um Himmels willen. Ich komme zurecht, ehrlich“, entgegnete Sam schnippisch, dann sagte er: „Tut mir leid, tut mir leid. Ich bin nur …“ Der Pfleger warf Declan einen verlegenen Blick zu.

„Hey, kein Problem. Ich bin in drei Stunden wieder hier, um dich abzuholen, ja?“ Declan legte seine Hand auf Sams unverletzte Schulter und drückte sie. Sam sah Declan in die Augen und schenkte ihm einen Blick, der mehr sagte, als er hier draußen auf der Straße verbal äußern konnte. Tut mir leid, danke, ich weiß alles zu schätzen, was du für mich tust, ich liebe dich. Declan nickte verstehend, und dann schob der Pfleger Sam in die Klinik.

Als Sam durch die gläsernen Schiebetüren in das Gebäude gerollt wurde, nahm Declans Gesicht einen kalten, stählernen Ausdruck an, so als würde all die zärtliche Besorgnis von ihm abfallen und jemand anderer würde plötzlich in seiner Hülle stecken. Er drehte sich um, verengte die Augen, schaute nach links und starrte die Harley Street entlang. Dann nickte er. Das Geräusch einer zuschlagenden Autotür scheuchte auf einem nahe gelegenen Dach die Tauben auf. Aus einem schwarzen Range Rover, der etwa zweihundert Meter von Declans Parkplatz entfernt geparkt hatte, stieg eine kräftige, in einen dunklen Anzug gekleidete Gestalt und kam auf Declan zu. Der Berg von einem Mann namens Agent Brody verringerte den Abstand zwischen sich und Declan rasch und stand nach weniger als einer Minute vor dem Schotten. Declan bot ihm seine Hand an, und der Agent nahm sie und schüttelte sie mit ausdruckslosem Gesicht.

„Wie geht’s deinem Jungen?“, fragte der amerikanische Agent mit tiefer, ernster Stimme. Declan zog seine Hand zurück, die von Brodys festen Händedruck schmerzte, und begegnete dem verhaltenen Blick aus dunklen Augen.

„Nicht so besonders, um ehrlich zu sein.“

„Das braucht seine Zeit. Er bekommt die beste medizinische Versorgung, und ich lasse ihn rund um die Uhr bewachen.“ Seit er geholfen hatte, Sam und Declan aus dem Erdloch in Schottland zu befreien, tat Agent Devon Brody alles, um Sam zu beschützen – und er ließ keinen Zweifel daran, dass er nicht damit einverstanden war, wie sein Boss seinen Sohn im Stich gelassen hatte. Brody war ein Teamspieler und darauf trainiert, als Teil einer Einheit vorzugehen. James hatte den Ball fallen lassen, und Sam bezahlte den Preis nun dafür. Also hatte Agent Brody angeboten, Sam im Auge zu behalten, wenn Declan nicht da war, um auf seinen Partner aufzupassen.

Offene Fragen und Sorgen belasteten Declan, und er hatte seit Wochen keinen einzigen Moment für sich gehabt. Er brauchte irgendeine Art Ausgleich, um den Stress zu bewältigen, denn zurzeit bekam er gewiss nicht den gewohnten Ausgleich durch Sex. Sams Körper war außer Betrieb, weshalb Declan und sein Fleshlight bedauerlicherweise ihre Bekanntschaft erneuert hatten.

Das Wissen, dass Brody auf Sam aufpasste, beruhigte Declan. Brody war immerhin ein hervorragender Agent – scharfsinnig, intelligent und gebaut wie ein Schrank. James hatte Eric Madsson in Gewahrsam, aber offenbar hatten sie immer noch keine Ahnung, wer tatsächlich hinter Madssons Superschurken-Programmierung steckte, oder warum. Also war Vorsicht hier besser als Nachsicht.

„Ich werde in drei Stunden zurück sein. Falls jemand fragt – du bist Aidan Hardys Bodyguard, okay?“, sagte Declan. Brody nickte, drehte sich um und sprang die Stufen zum Eingang der Klinik hinauf.

Sobald Brody außer Sicht war, ging Declan zurück zu seinem Range Rover, aber er stieg nicht ein. Stattdessen ging er zum Heck des Fahrzeugs, öffnete den Kofferraum und holte einen kleinen Rucksack heraus. Er schloss den Wagen ab und steckte Telefon, Brieftasche und Schlüssel in den Rucksack, dann schlang er ihn sich über die Schulter. Declan schloss den Reißverschluss seines schwarzen Nike Windrunner Hoodies, sah auf seine Armbanduhr und machte sich im Laufschritt auf den Weg.

An der ersten Abzweigung bog Declan in die Weymouth Street ab und lief weiter, vorbei an Reihen von georgianischen Stadthäusern mit schwarzen, schmiedeeisernen Balkongeländern und großen Sprossenfenstern – private Wohnhäuser für Wohlhabende oder für Botschafter, wo die offiziellen Flaggen vor den Häusern in der Brise flatterten. Declan hielt an einem Zebrastreifen an, dann lief er hinüber zur Moxton Street und vorbei am Marylebone Pub. Er setzte seinen Lauf in einer Seitenstraße fort, die an den schwarzen Metallzäunen endete, die die Paddington Street Gärten umgaben. Er bog rechts ab und lief durch eine enge Seitengasse am Rande des Parks, bis er ein Eingangstor fand. Dann lief er den Asphaltweg entlang, der durch die Gärten führte. Es tat Declan gut, sich zu bewegen. Sein Herz pumpte, und sein Puls ging endlich wieder schnell. An der anderen Seite des Parks bog Declan in die Crawford Road ein, und sobald er wieder auf offener Straße war, nahm er Tempo auf.

Nach weiteren fünfzehn Minuten bog Declan um eine Ecke, überquerte die Kanalbrücke nahe der Paddington Station, dann nach links auf den Sheldon Square. Vor dem P.K.M. Center hielt er kurz an, um zu Atem zu kommen, dann spazierte er hinein.

„Dan Laurel. Ich habe eine private Unterrichtsstunde bei Viktor Petrow“, informierte Declan den metrosexuellen, jungen Farbigen an der Rezeption.

„Oh, richtig, ein’ Moment, Kumpel“, sagte der mit auffälligem East End Akzent. Der Junge, dessen Namensschild ihn als Daryl Chapman auswies, ging die Booking-Liste durch und sagte schließlich: „Raum sechs, gerade ’n Flur runter, dritte Tür links.“ Declan nickte und machte sich über den quietschenden Linoleum-Boden auf den Weg.

Declan klopfte an die Tür mit der Nummer sechs, dann betrat er den rechteckigen Trainingsraum, wo seine Einzelstunde in Krav Maga stattfinden würde. Er sah einen gedrungenen, kahlköpfigen Weißen mittleren Alters, der Liegestütze machte und bei jedem einzelnen kurz in die Hände klatschte. Schweiß glitzerte auf seiner Haut, die Muskeln in den tätowierten Armen des Mannes spannten sich an, und seine Venen traten hervor. Er sah imposant und gefährlich aus.

„Hi. Victor?“, fragte Declan.

„Dan, ja? Herzlich willkommen.“ Victor stieß sich vom Boden ab und kam auf die Füße wie eine große Katze. Die Männer schüttelten einander die Hand, und wieder einmal zuckte Declan zusammen, als er einen weiteren knochenbrecherisch festen Händedruck empfing.

„Dein erstes Mal, oder hast du schon mal Martial Arts oder Kampftraining gemacht?“, fragte Victor, während er sich sein Handtuch schnappte, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu reiben. Sein Englisch war sehr gut, aber mit seinem russischen Akzent hörte er sich an wie ein Mann, mit dem man sich besser nicht anlegte, außer, man war nicht bei Verstand.

„Ja, ich habe ein bisschen Selbstverteidigung trainiert. Ich kann auf mich aufpassen.“ Declans Tonfall hatte die schottische Färbung verloren, und er klang jetzt, als käme er aus Südengland.

„Ah, wir werden sehen“, antwortete Victor lachend. „Und was machst du beruflich? Trainierst du für den Job? Oder einfach nur, um fit zu bleiben?“

„Beides. Ich möchte mich verteidigen können und schwierige Situation deeskalieren können, sollte ich in Gefahr geraten.“

Victor nickte zu der kryptischen Antwort. „Okay, Dan. Ich gehe davon aus, dass du keine irgendwie gearteten Verletzungen hast, ja?“ Victor umkreiste Declan, dann drückte er plötzlich mit der flachen Hand gegen Declans Brust, schlug ihm leicht auf den Bauch und packte seinen Bizeps. „Gut, du hast Muskeln … und einen kräftigen Oberkörper. Leg dein Zeug da drüben auf den Stuhl, und dann wärmen wir uns ein wenig auf. Eine Minute lang Hampelmänner.“

Es verwirrte Declan, so befummelt zu werden, aber er nahm an, es würde noch jede Menge Körperkontakt geben, während er lernte, wie man schmutzig kämpfte. Er stellte seine Tasche auf den Stuhl, zog seinen Hoodie, die Sportschuhe und Socken aus, streckte sich, rollte seinen Nacken ein paarmal und nahm dann seine Position auf der Matte ein. Sie machten Hampelmänner, Liegestütze und am Schluss Sit-ups, bei denen Victor einen Sandsack hielt und Declan jedes Mal, wenn er den Oberkörper hob, den Sandsack schlagen musste.

Nach zwanzig Minuten verschiedener Übungen mit dem Sandsack fühlte sich Declan rundum aufgewärmt. Die beiden Männer stellten sich einander gegenüber – Declan in militärischer Haltung mit den Händen hinter dem Rücken und Victor mit den Händen in die Hüften gestemmt.

„Beim Krav Maga geht es nicht darum, ein harter Kerl zu sein, okay?“, begann Victor seine Standardansprache. „Und es geht nicht darum zu lernen, wie man im Ring kämpft. Es geht darum, auf der Straße zu kämpfen und lebend nach Hause zu kommen, wie die Situation auch immer aussehen mag.“ Victors Blick war ernst und durchdringend. „Krav Maga basiert auf instinktiven Selbstverteidigungs-Taktiken und trainiert Aggressivität, Kampfgeist, die Fähigkeit, eine Situation richtig einzuschätzen, sowie Wege, einen Konflikt verbal zu deeskalieren.

---ENDE DER LESEPROBE---