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Mark Tate ist der Geister-Detektiv. Mit seinem magischen Amulett, dem Schavall, nimmt er es mit den Mächten der Finsternis auf und folgt ihnen in andere Welten und wenn es sein muss, bis in die Hölle. Ihm zur Seite steht May Harris, die weiße Hexe. Dieser Band enthält folgende Romane: (399) Die Legende lebt (W.A.Hary) Blutige Stadt (W.A.Hary) Götterdämmerung in der Hölle (W.A.Hary)
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Geister Fantasy Dreierband 1018
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W. A. Hary Die Legende lebt
W. A. Hary Blutige Stadt
W. A. Hary Götterdämmerung in der Hölle
Mark Tate ist der Geister-Detektiv. Mit seinem magischen Amulett, dem Schavall, nimmt er es mit den Mächten der Finsternis auf und folgt ihnen in andere Welten und wenn es sein muss, bis in die Hölle. Ihm zur Seite steht May Harris, die weiße Hexe.
Dieser Band enthält folgende Romane:
Die Legende lebt (W.A.Hary)
Blutige Stadt (W.A.Hary)
Götterdämmerung in der Hölle (W.A.Hary)
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Alfred Bekker
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„ Er galt als Legende – bis ich ihn persönlich traf!“
Meine Aufgabe klang eindeutig: Ich war nach Detroit gekommen, um schwierige Verhandlungen einzugehen mit einem besonders harten Gesprächspartner. Für den Konzern meiner Freundin May Harris. Aber allein. Weil mein Verhandlungspartner im Ruf stand, ein absoluter Frauenfeind zu sein.
Dass er darüber hinaus sowieso ein absoluter Menschenfeind war, erkannte ich erst, als es bereits zu spät war.
Und jetzt bin ich mitten drin, im Schlamassel…
„Berett Tamingo!“, stellte sich mir der mittelalte Mann mit dem feinen Anzug vor. Eine hoch aufragende Gestalt, die wie ein Turm fünf Schritte vor mir stand und mich angrinste.
Ein irgendwie anzügliches Grinsen.
Er schielte auf meine Brust, dorthin, wo sich unter meinem Hemd der Schavall verbarg. Gleichzeitig spürte ich, wie dieses Dämonenamulett glühend heiß war.
Hier stimmte etwas nicht. Ganz gewaltig sogar. Dieser Berett Tamingo hatte nicht nur einen seltsamen Namen, sondern war überhaupt ein ziemlich seltsamer Typ.
Wollte er sich nicht unbedingt mit mir allein und vor allem persönlich treffen, von wegen wichtiger, milliardenschwerer Geschäftsverhandlungen? Mich als Gesprächspartner im Auftrag von HARRIS INDUSTRIES?
Das war in Wirklichkeit nichts weiter als eine verdammte Falle!
Ja, noch offensichtlicher konnte es nicht noch werden, als ich aus den Augenwinkeln die vielen Schusswaffen sah, die sich auf mich gerichtet hatten.
Aha, deshalb hatte er mich hier, in einem verlassenen Fabrikgelände, treffen wollen.
Berett Tamingo, ein Name, der in der Welt der Hochfinanzen durchaus Gewicht hatte. Er galt als einer der reichsten und dabei auch noch einflussreichsten Männer der Welt. Obwohl eigentlich niemand wusste, wie er überhaupt aussah.
Nun, ich wusste es jetzt. Aber was nutzte es mir?
Er deutete jetzt direkt auf meinen Schavall, den er nicht sehen, aber offenbar spüren konnte. Sein Grinsen erstarb.
„Das Ding ist ziemlich unangenehm!“, bemerkte er.
„Für schwarzmagische Kräfte, worauf das Amulett natürlich reagiert!“, belehrte ich ihn, ohne ihm zu zeigen, dass ich eine verdammte Todesangst hegte. „Er hat schon die mächtigsten Dämonen verschlungen!“
„Verschlungen? Meinen Sie wirklich… verschlungen?“
„Ja, das meine ich!“, nickte ich ihm ungerührt zu.
„Interessant – allemal!“, räumte er ein und schürzte die Lippen. „Nun, ich bin so ein mächtiger Dämon, der sich hier auf Erden ziemlich wohl fühlt, zumal es mir gelungen ist, alle Welt glauben zu lassen, ich sei einfach nur ein rücksichtsloser Finanzhai.“
„Dann haben Sie mir einfach nur eine tödliche Falle stellen wollen?“, vergewisserte ich mich. „Aber wieso ausgerechnet mir?“
Er lachte, als hätte ich einen guten Witz gemacht.
„Du bist doch dieser Teufelsjäger Mark Tate, nicht wahr?“ Bevor ich antworten konnte, winkte er lässig ab. „Natürlich bist du es. Du verbirgst ja noch nicht einmal deinen Namen. Und wie lange gehst du nun schon dem Schwarzen Adel auf die Nerven?“
„Der Schwarze Adel hat keine Nerven!“, belehrte ich ihn jetzt. „Aber gut, ich habe tatsächlich schon Mächtigere besiegt als dich.“
„Mit diesem Ding da auf deiner Brust? Wie nennst du es noch? Schavall?“
„Ja, mit diesem Ding da auf meiner Brust!“, äffte ich ihn nach.
„Das mich einfach so aufsaugen würde, nicht wahr?“
„Nahe genug bist du schon!“, drohte ich.
Er wich unwillkürlich einen Schritt weiter zurück.
„Gut, sagen wir mal, ich glaube dir das. Und in der Tat, ich merke, dass ich diesem Ding da nicht gewachsen wäre. Aber schützt es dich auch gegen Kugeln?“ Er deutete lässig in die Runde.
Ich folgte seinem Fingerzeig mit den Augen.
Ungefähr dreißig schwer bewaffnete Männer. Alle hatten mich im Visier. Wenn sie abdrückten, durchschlugen mich also gleichzeitig dreißig Kugeln. Auf Anhieb!
Sie standen leicht erhöht, was gewährleistete, dass sie sich nicht gegenseitig gefährden konnten. Also konnten sie nach Herzenslust ihre ganzen Magazine auf mich entleeren. Ich hatte nicht die geringste Chance, mich auch nur um einen Millimeter zu bewegen, weil sie sofort los geballert hätten.
Und warum warteten sie überhaupt noch? Sollte es nicht eine tödliche Falle für mich sein? Hatte dieser verfluchte Berett Tamingo mich nicht extra deshalb aus dem fernen London her kommen lassen, um mich endlich zu vernichten, um damit dann vor dem Schwarzen Adel und der Schwarzen Mafia – was beinahe dasselbe war – glänzen zu können?
Falls es ihm gelang!
„Nun, der Schavall schützt natürlich nicht vor Kugeln, sondern lediglich vor schwarzer Magie!“, gab ich kleinlaut zu.
Er lachte abermals. Ein wahrhaft teuflisches Lachen.
„Na dann… ist es ja eigentlich schon entschieden. Den Schavall kann nur ein Lebender zum Einsatz bringen. Und ich spüre, dass der Abstand groß genug ist für mich. Er wird mich noch nicht einmal gefährden können, geschweige denn aufsaugen, selbständig – mich nicht!“, betonte er, bevor er befahl:
„Feuer frei!“
Und die Waffen bellten los.
Schalldämpfer wurden keine benutzt. Wir waren sowieso ganz unter uns.
Raffiniert eingefädelt und perfekt funktionierend.
Es benötigte keine dreißig Kugeln, um mich zu töten. Auch die nächsten Kugeln, die meinen halb zerfetzten Körper am Boden noch weiter zerteilten zu einem blutigen Brei, wären nicht mehr nötig gewesen.
Gottlob war der Schmerz diesmal nur kurz, weil ich beinahe sofort unter dem Kugelhagel sterben durfte.
Ja, gottlob!
*
Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich diesmal tot geblieben war. Ich kam wieder zu mir und erinnerte mich sofort daran. Meine Kleidung war zerfetzt. Sie lag unter mir, und ich lag in dem eigenen Blutmatsch, den mein vorheriger Körper hinterlassen hatte. Und ich war splitternackt. Natürlich.
Aber auch der Schavall, der von Kugeln nicht zerstört werden konnte, weil ihn nichts und niemand überhaupt zerstören konnte, lag unter mir. Er hatte sich zwar von mir gelöst, aber er glühte unangenehm heiß genau dort, wo sich mein Brustbein befand.
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass die Mordschützen ihre Waffen gesenkt hatten. Warum sollten sie auch weiter mit mir beschäftigt bleiben? War ich denn nicht längst mausetot?
Sie sahen lieber nach ihrem obersten Boss Berett Tamingo, der sich bog vor Lachen.
Zeit für mich, zu handeln!
Ich griff blitzschnell nach dem Schavall und schleuderte ihn genau in die Richtung, in der Berett Tamingo stand.
Und ich durfte mich rühmen, noch niemals mit dem Schavall ein Ziel verfehlt zu haben!
Das Amulett hatte Berett Tamingo noch nicht ganz erreicht, als es sich plötzlich mächtig aufblähte, zu einem grellrot glühenden Riesenauge wurde und zu saugen begann – mit einer Gewalt, der erfahrungsgemäß auch der stärkste aller Dämonen nichts entgegensetzen konnte.
Da hätte ihm nur noch Flucht geholfen, aber dafür war es längst zu spät.
Berett Tamingo bekam noch nicht einmal mehr mit, dass ich schon wieder von den Toten auferstanden war. Offensichtlich hatte er nicht alles gewusst über mich. Er war zumindest nicht auf dem neuesten Stand gewesen, hatte also nicht gewusst, dass ich seit meinem Aufenthalt im Daedrareich kein Mensch mehr war, sondern gewissermaßen eine Kreuzung zwischen einem Menschen und einem Daedra. Und als Daedra war ich nun einmal seitdem unsterblich.
Obwohl ich den Tod nach wie vor zu fürchten hatte. Weil es ganz einfach weh tat!
Ein so grausamer Schmerz, den ein normaler Mensch nur ein einziges Mal in seinem Leben spüren musste – wenn überhaupt! – eben bei seinem Tod. Und den ich jedes Mal spüren musste, wenn ich mal wieder starb…
Der Schavall schlürfte grausig, und der mächtige Dämon Berett Tamingo setzte sich doch tatsächlich zur Wehr. Als würde ihm das noch etwas nutzen können.
Sein grauenhaftes Geschrei verstummte erst, als der Schavall sein Werk vollendet hatte und wieder zur normalen Größe zusammenschrumpfte.
Gegen die Mordschützen ging er nicht vor. Das waren keine Besessenen und auch keine magisch versierten Menschen. Das waren einfach nur eigens zu meiner Tötung abgestellte Killer.
Als sie sahen, dass ich wieder lebte, erschossen sie mich erneut!
Und als sie mitbekamen, dass ich wieder zu neuem Leben erwachte, taten sie es abermals.
*
Das ging mindestens ein halbes Dutzend Male so, weil sie einfach nicht kapieren konnten, dass sie einen Unsterblichen vor sich hatten, und es wäre vielleicht sogar noch weiter so gegangen, während ich jedes Mal qualvoll enden musste, aber irgendwann war natürlich die Munition am Ende.
Kein Schuss mehr fiel. Ich konnte mich vollends aufrichten und mich umsehen.
Da wandten sie sich ab und ergriffen panikartig die Flucht. Sie schienen jetzt erst begriffen zu haben, dass ihr oberster Boss gar nicht mehr existierte!
Weit kamen sie allerding nicht, denn wie aus dem Nichts tauchte da noch jemand auf. Er bewegte sich mit einer Geschwindigkeit, zu der ein normaler Mensch unmöglich fähig war. Wie ein Derwisch wirbelte er durch die Reihen der Killer und tötete einen nach dem anderen, indem er ihnen einfach das Genick brach oder sogar… die Köpfe abriss. Mit einer solchen Gewalt, wie sie ebenfalls kein Mensch aufbringen konnte.
Als nur noch blutige, verstümmelte Leichname übrig waren, konnte ich ihn endlich genauer betrachten.
Er sah irgendwie seltsam aus mit seinem total kahlen Schädel, der zudem irgendwie total verformt wirkte. Sein Gesicht erschien auf den ersten Blick gesehen wie grell geschminkt. Eine Art Horrormaske. Aber das war gar keine Schminke. Der Kerl sah tatsächlich so aus!
Ich benötigte nicht den Schavall, um längst zu wissen, was ich da vor mir hatte:
Ein weiterer Dämon!
Ein Konkurrent zu Berett Tamingo? Der darauf gelauert hatte, dass ich für ihn diesen Konkurrenten nachhaltig ausschaltete?
Ich war gerade dabei, mich nach meinem Schavall zu bücken, der wie ein harmloses Amulett vor mir am Boden lag, als der Typ mir zurief:
„Lass dass, Mark Tate!“
Ich hielt tatsächlich in der Bewegung inne und hob den Blick.
Da stand er, etwas über zehn Meter von mir entfernt.
Er fuhr fort:
„Habe ich denn die Killer umsonst für dich erledigt? Eigentlich wollte ich dir damit zeigen, dass ich auf deiner Seite bin!“
Ich nahm den Schavall jetzt trotzdem auf.
„Da hast du dir reichlich Zeit gelassen. Ich bin einige Male qualvoll gestorben, falls es dir entgangen sein sollte. War das denn nötig?“
„Natürlich war es das, denn ich musste es erst bis hierher schaffen und dabei äußerst vorsichtig sein. Zwar bezwinge ich auch stärkere Dämonen, aber diesen Berett Tamingo… Das war leider eine Nummer zu groß für mich. Und er war bereits dabei gewesen, alles das, was ich hier in Detroit mühsam an Ordnung aufgebaut hatte, wieder zu zerstören. Dabei musste ich mich auch noch feige vor ihm verkriechen – ich, den man übrigens Skull nennt.“
„Skull?“, wunderte ich mich. „Übersetzt etwa… Schädel? Wer heißt denn so?“
„Na, ich halt!“, gab er trocken zurück. „Aber gut, du hast das Recht, Mark Tate, den man den Teufelsjäger nennt, alles über mich zu erfahren. Allerdings nur, wenn du diesen scheiß Schavall von mir fern hältst. Oder willst du deinen einzigen Freund hier weit und breit damit vernichten?“
„Freund? Das ist noch nicht ganz raus. Und geholfen hast du mir eigentlich überhaupt nicht. Die hatten sowieso keine Munition mehr und wollten gerade abhauen.“
„Aber sie hätten Verstärkung gerufen“, versuchte er aufzutrumpfen. „Schneller jedenfalls als du von hier hättet fliehen können – als splitternackter Mann! Übrigens, tolle Show, wie dein Schavall diesen Berett Tamingo vernichtet hat. Nur reichlich kurz. Wo ist der jetzt eigentlich? Gibt es eine Möglichkeit, dass er irgendwann wieder hier auftaucht?“
„So mächtig ist kein Dämon, dass er das schafft!“, beruhigte ich ihn. „Und was die Hilfe betrifft: Ich sehe hier nur einen einzigen Helfer – und das bin ich! Nach wie vor. Anscheinend wolltest du doch, dass ich deinen ärgsten Konkurrenten vernichte?“
„Er war kein Konkurrent!“, begehrte Skull auf. „Aber gut, ich will es dir erklären, während du auf denen Schavall aufpasst, dass der mir ja nicht zu nahe kommt:
Ich war einmal als Mensch der mächtigste Pate in Detroit, das ich nur die Stadt des Verbrechens nenne, nicht ohne Grund. Das war damals noch ein wahrer Moloch aus Abermillionen von Menschen, die täglich vor allem um eines kämpften: Ums schiere Überleben!
Doch ich wurde alt und todkrank. Ich wusste, wenn meine Schwäche publik wurde, zersprang mein Imperium in tausend Fetzen. Denn meine Söhne und Töchter hassten sich gegenseitig bis aufs Blut. Ihre sieben Mütter lagen längst irgendwo auf dem Meeresgrund. Von ihnen war wohl kaum noch mehr übrig als die Betonschuhe, die ich ihnen mit auf den letzten Weg gegeben hatte.
Und da ging ich endgültig den Pakt mit dem Teufel ein. Ich hatte ihm ein Leben lang treu gedient und durfte endlich vom Menschen zum Dämon mutieren. Dabei jedoch, sozusagen auf halbem Wege, halb Mensch noch und bereits halb Dämon, geschah etwas, was ich mir bis heute nicht erklären kann: Ich sah endlich klar, begriff endlich, was in meinem Leben schief gegangen war. Und ich beschloss, alles zu tun, um es irgendwie wieder gut zu machen. Indem ich meine Position für immer aufgab und... Polizist wurde.“
„Polizist?“, echote ich fassungslos.
„Was bist du denn eigentlich, Mark Tate? Wieso bist du unsterblich? Das heißt: Wieso stehst du jedes Mal wieder von den Toten auf? Ich spüre keine Magie dabei. Es ist für mich also nicht begreiflich. Bist du so etwas Ähnliches wie ich? Nur noch zur Hälfte… Mensch?“
„Insofern liegst du durchaus richtig. Aber bevor ich mehr von mir preis gebe, will ich alles über dich wissen. Nur Skull? Sonst nichts?“
„Nur Skull!“, bestätigte er.
„Und darüber wundert sich niemand? Ich meine, wie konntest du Polizist werden – als Skull?“
„Ich bin halt zur Hälfte auch ein Dämon. Leider nicht so mächtig wie Berett Tamingo es war, sonst hätte ich ihn selbst erledigen können, aber immerhin mächtig genug, um Detroit von der Stadt des Verbrechens zu einer halbwegs normalen amerikanischen Großstadt werden zu lassen. Das war ein enormes Stück Arbeit, das zu erreichen, kann ich dir versichern. Aber jetzt ist Detroit vom Bösen weitgehend befreit. Das wird dank dir auch so bleiben.“
Unschlüssig betrachtete ich den Schavall in meiner Hand.
Dann lauschte ich.
„Kommt keine Polizei nach diesem Höllenlärm?“
„Nein, es wird niemand sonst kommen. Berett Tamingo war gut auf dich vorbereitet. Kein Laut drang nach draußen. Erst jetzt klingt die magische Barriere ab, die ich nur mühsam überwinden konnte. Sonst wäre ich viel früher da gewesen, ehrlich.“
Ich glaubte ihm.
Ein Dämon, der gewissermaßen von einem Saulus zum Paulus mutiert war?
Ich hatte eigentlich noch nie davor gehört, dass so etwas möglich war. Handelte es sich bei diesem Skull um eine Ausnahme? Es schien fast so…
„Also gut!“, beschloss ich. „Ich will deine Geschichte hören, aber es wäre leichter und vor allem extrem viel schneller, wenn wir das telepathisch machen würden, meinst du nicht auch?“
„Telepathisch?“, wunderte er sich.
„Ja, ich bin nicht nur unsterblich, seit ich zurück bin aus dem Daedrareich…“
„Daedrareich?“
Er kannte es anscheinend gar nicht, hatte möglicherweise noch nie davon gehört?
Das begegnete mir nicht zum ersten Mal.
Ich winkte ihm zu, dass er erst mal abwarten sollte. Dann wandte ich mich ab und suchte ein Plätzchen, an dem ich meinen Schavall ablegen konnte.
Falls Skull da war, um mich hereinzulegen, war das natürlich ein Risiko. Andererseits vertraute ich auf die Daedraenergien, die mich jedes Mal aufs Neue entstehen ließen. Selbst wenn mich eine Atombombe zerfetzt hätte…
Gut, es blieb immer noch ein gewisses Risiko. Vor allem, wenn ich daran dachte, wie schmerzhaft jeder Tod für mich war…
Trotzdem legte ich den Schavall ab und kehrte zu Skull zurück. Ich stellte mich direkt vor ihn.
Er lächelte entwaffnend.
„Dies ist nun meine Geschichte – und die Geschichte von Lucia Ferror, der ungewöhnlichsten Frau aller Zeiten…“, begann er.
Und dann nahm ich an seinen Erinnerungen teil…
„Du bist verhaftet, Giorgio Mandelini!“, sagte ich hart und stellte mich breitbeinig vor ihm auf.
Er sah überrascht auf – überrascht und vor allem amüsiert.
„Und wer sagt das?“
„Skull!“
„Und sonst?“
„Nur Skull!
„So heißt doch kein Mensch!“, sagte er abfällig.
„Wer sagt dir denn, dass ich überhaupt ein Mensch bin?“
Er verstand es falsch.
„Kein Mensch, aber ein Cop, wie? Und mit welcher Begründung willst du mich verhaften?“
„Du hast Drogen verkauft an Kinder und Jugendliche!“, warf ich ihm vor.
„Dafür gibt es keine Beweise.“ Er machte eine umfassende Geste. „Ansonsten, wie du siehst, bin ich ein seriöser Geschäftsmann. Gefällt dir meine Pizzaria nicht oder was?“
„Die hast du dir erkauft mit dem Blut und dem Elend von Kindern und Jugendlichen.“
„Noch einmal und zum letzten Mal: Dafür gibt es keine Beweise.“
„Klar, weiß ich doch. Aber es gibt nun für dich zwei Möglichkeiten, nicht mehr und nicht weniger: Erstens, du ziehst es vor, hier und jetzt zu sterben, oder zweitens, du lässt dich verhaften und legst ein umfassendes Geständnis ab.“
Er schaute erst entgeistert drein. Dann lachte er prustend los.
„Skull?“, gluckste er zwischendurch immer wieder. Dann, als er sich endlich wieder halbwegs beruhigt hatte: „Du schneist hier in mein Lokal herein, baust dich vor mir auf und begreifst gar nicht, dass mindestens ein Dutzend geladene und entsicherte Waffen auf dich gerichtet sind. Woher willst du denn die Armee nehmen, die du benötigst, um hier wieder lebend hinaus zu kommen?“
„Also gut!“ Ich zuckte resignierend mit den Achseln und zog meine Dienstwaffe, um die Mündung zwischen seine Augen zu richten. „Dann ziehst du also deinen Tod sogar noch vor? Ganz wie du willst.“
Er glaubte nicht daran, dass ich es wagen würde, abzudrücken. Doch ich drückte trotzdem ab. Die Kugel hinterließ auf dem Nasenbein ein hässliches Loch. Der plötzliche Innendruck bekam seinem Schädel nicht, weshalb er an der Rückseite aufplatzte. Mehr als hässlich. Doch das bekam er nicht mehr mit. Er war längst tot, noch bevor er begreifen konnte, was ihm überhaupt widerfahren war.
Nur Sekundenbruchteile danach bellten die Waffen seiner Leibwächter. Die Kugeln trafen meinen Oberkörper und hinterließen in dem sauberen T-Shirt so viele Löcher, dass es nur noch ein Stück Lumpen war.
Ich richtete die Waffe auf die Schützen. Für jeden benötigte ich genau eine Kugel. Es waren keine zwölf, wie von Giorgio Mandelini angedroht, sondern nur sieben. Das war auch besser so, denn ich hatte nur insgesamt acht Patronen im Magazin. Ein wenig leichtsinnig, dass ich nicht mit mehr gerechnet hatte, aber halt nur ein wenig, denn das Kalkül ging trotzdem auf. Mit der letzten Patrone erledigte ich den Letzten seiner Leibwächter.
Noch während sie einer nach dem anderen starben, brach die Panik aus im Lokal. Erst warfen sich die in vorderster Front in Deckung. Dann, als sie checkten, dass ich sie gar nicht meinte, folgten sie den anderen, die bereits Hals über Kopf nach draußen flohen. Auch die im Hintergrund, allesamt treue Mittäter des angeblich so großen Giorgio Mandelini, suchten ihr Heil in der übereilten Flucht.
Am Ende war ich allein mit acht Leichen.
Ich schaute an mir herab. Das T-Shirt war im Grunde genommen nur noch Fetzen. Auf mehr Kleidung hatte ich verzichtet. Zumindest am Oberkörper. Aus gutem Grund, wie man jetzt sah. Ich hatte vorher sogar mein Schulterhalfter abgelegt. In weiser Voraussicht eben. Es wäre nämlich schade darum gewesen.
Jetzt steckte ich die Dienstwaffe einfach in die Hosentasche zurück und verließ das Lokal.
Das Dienstfahrzeug mit dem Tarnkennzeichen stand direkt vor der Tür. Meine Partnerin Lucia Ferror saß hinter dem Steuer und gaffte mich atemlos an. Sie war eine schwarzhaarige Schönheit, mit Augen, die so glutvoll waren, dass die meisten Männer dahin schmolzen, nur wenn sie mal einen Blick von ihr erhaschten. Anfangs hatte ich gedacht: „Viel zu gut ist die für den Polizeidienst. Wieso wurde sie kein Model oder so etwas?“ Doch sie hatte mir längst bewiesen, dass sie durchaus ihren Mann stehen konnte. Mehr noch als das!
Es kam Bewegung in sie, während ich mich näherte. Sie stieß die Beifahrertür auf und ließ mich hinein.
„Was – was war denn das soeben? Ich denke, du wolltest für uns nur zwei Pizzas für unterwegs holen?“
„Wollte ich ja auch, ursprünglich. Aber da sah ich diesen Dreckskerl Giorgio Mandelini hinten sitzen, inmitten seiner Bande. Sorry, aber ich konnte einfach nicht anders. Musste es einfach tun. Und jetzt wäre es besser, du würdest die Kollegen von der Spurensicherung rufen.“
„Verdammt und zugenäht, Skull, du bist doch total bescheuert. Hast du vielleicht einmal an die armen Leute gedacht, die hier gemütlich was essen wollten? Hast du auch nur eine Sekunde mit der Möglichkeit gerechnet, sie zu Tode zu erschrecken?“
„Nun, ich denke eher, die werden mir dankbar sein, weil sie jetzt ihr Essen nicht bezahlen müssen. Und es ist ihnen doch nichts passiert, nicht wahr?“
Sie schüttelte fassungslos den Kopf und bediente das Funkgerät, während ich die T-Shirt-Fetzen von meinem Oberkörper entfernte und ein frisches T-Shirt überzog. Meine Haut war makellos. Sie zeigte kein einziges Einschussloch.
„Die Kollegen sind auf dem Weg“, berichtete Lucia schließlich, obwohl ich das Funkgespräch selber mitgehört hatte. Aber sie musste das tun, um ihre Nerven einigermaßen zu beruhigen, wie es schien. „Wir sollen hier ausharren. Ich habe ihnen gesagt, hier hätte wohl ein Bandenkrieg stattgefunden, und wir wären zufällig hinzu gekommen, allerdings zu spät, um noch eingreifen zu können. Die werden sich allerdings während der Obduktion wundern, dass die Kugeln allesamt aus deiner Dienstwaffe stammen.“
„Werden sie nicht, weil ich rechtzeitig mit den Kollegen von der Gerichtsmedizin reden werde.“
„Reden nennst du das? Du meinst wohl, du wirst sie beeinflussen, nicht wahr?“
„Ist fast dasselbe“, redete ich mich heraus.
„Sag mal, hast du bei dieser unmöglichen Aktion denn nicht damit gerechnet, dass es auch mal schief gehen könnte?“
„Ach was, nur wenn man Silberkugeln verwendet hätte. Und wer tut das denn schon?“
„Und wie wäre es mit geweihten Kugeln?“
„Ein Mafioso lässt nicht mit geweihten Kugeln schießen. Die kommen gar nicht auf die Idee.“
„Bis die dir irgendwann einmal auf die Schliche kommen, Skull. Dann wehe dir. Noch mehr solche Aktionen, und du bist so gut wie enttarnt. Bislang weiß nur ich, dass du halb Mensch, halb Dämon bist. War krass genug für mich, das zu kapieren. Und denke vielleicht eine Sekunde daran beim nächsten Mal, dass du auch mir einen gehörigen Schrecken einjagst, wenn du solche Kapriolen machst.“
Die Kollegen von der Spurensicherung waren in Rekordzeit vor Ort. Wir kamen nicht mehr dazu, uns weiter zu unterhalten, meine gute Partnerin Lucia Ferror und ich.
Wir brauchten uns ansonsten nicht abzusprechen, was unsere Version der Vorgänge betraf. Wir blieben ganz einfach beim möglichen Bandenkrieg und konnten den Tatort verlassen.
„Äh, Lucia, dieser Reverend Palmer, der den Kirchenraub angezeigt hat…“
„Ja, ja, ich weiß schon: Ich soll mich allein mit dem unterhalten und auch allein die Kirche in Augenschein nehmen, weil du es nicht schaffst, dort hinein zu gehen.“
„Du weißt, dass das nicht geht, weil ich zur Hälfte eben ein Dämon bin.“
Sie brummelte nur etwas Unverständliches und fuhr endlich los.
*
Wir hatten es oft genug üben können, Lucia und ich: Wir konnten uns über jegliche Entfernungen hinweg telepathisch in Verbindung setzen. Absolut abhörsicher, wie ich zu sagen pflegte. Wir mussten es nur beide wollen. Gegen ihren Willen hätte ich ihre Gedanken gar nicht lesen können. Weil sie ein Mensch mit besonders starkem Willen war. Ich hätte schon brutale Gewalt anwenden müssen, was ich bei ihr selbstverständlich nie getan hätte.
Diesmal wagte ich es nicht, mich mit ihr auf diese Weise zu verbinden, als sie ausstieg und zu dem Gotteshaus hinüber ging. Allein schon der Anblick der nicht sehr großen und irgendwie heruntergekommen wirkenden Kirche jagte mir eisige Schauer über den Rücken. Am liebsten hätte ich mich jetzt hinter das Steuer geklemmt und wäre davon gefahren. Von der Kirche ging eine regelrechte Aura aus. Keine Ahnung, ob ich mir das einbildete oder ob es wirklich so war: Es erschien sogar schlimmer als sonst. Anscheinend war dieser Reverend Palmer ein ganz besonderes Kaliber, denn ich konnte mir kaum vorstellen, dass jemand freiwillig in diese Kirche einbrach, um irgendwelche Wertgegenstände zu entwenden, sowieso.
Zumal die Kirche eben nicht gerade den besten Eindruck machte. Was würde es denn dort überhaupt an Wertvollem zu finden geben?
Lucia öffnete das Eingangsportal und verschwand nach innen. Hinter ihr donnerte die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss. Ich fuhr unwillkürlich zusammen, obwohl ich behaupten durfte, nicht gerade schreckhaft zu sein.
Mir entging, dass Lucia im Halbdunkel der Kirche erst einmal stehenbleiben musste, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten. Vorn, am Altar, hantierte eine Gestalt herum. Der Reverend?
Als Lucia Ferror näher schritt, knallten ihre hohen Abätze unangenehm laut über den Steinfußboden und hallten in der leeren Kirche wider. Der Reverend, wie Lucia anhand des Talars vermutete, den der Mann anhatte, reagierte gar nicht darauf. Er hantierte weiter an irgendetwas, was sich ihren Blicken entzog.
Erst als sie ihn fast erreicht hatte, fuhr er zu ihr herum, so blitzschnell, dass sie unwillkürlich erschrak. Dann schaute sie verständnislos auf das Kruzifix, das er ihr entgegen hielt.
„Was soll das?“, erkundigte sie sich ärgerlich.
Der Reverend lachte belustigt.
„Verzeihung, ich wollte Sie nicht erschrecken. Es war lediglich ein Test.“
„Ein Test?“
„Ob sie auf das Kruzifix reagieren.“
„Nun, ich habe reagiert, indem ich erschrak. Und was jetzt?“
„Mit wem habe ich denn überhaupt die Ehre? Sicherlich nicht mit einer armen Seele, die sich zu dieser Zeit hier im Gebet vertiefen will. Sonst wären sie nicht bis zu mir gekommen, sondern wären jetzt irgendwo im Hintergrund, unerkannt, unbemerkt betend.“
Lucia schüttelte den Kopf
„Sie sind mir ein ziemlich komischer Kauz, Reverend Palmer.“ Damit bewies sie, dass sie eine Freundin der offenen Worte war.
Der Reverend nahm es ihr nicht krumm, sondern grinste nur.
Lucia zog ihre Dienstmarke und hielt sie ihm wortlos unter die Nase.
„Ah, dann sind Sie wohl da wegen den angezeigten Diebstählen?“, vermutete der Mann im Talar.
Lucia ließ ihre Dienstmarke wieder verschwinden. Sie deutete mit dem hübschen Kinn in die Runde.
„Können Sie mir mal sagen, was es in dieser Kirche Wertvolles zu klauen gibt? Ich kann nichts dergleichen erkennen. Mir erscheint eher, die Kirche habe dringend eine fette Geldspritze nötig.“
„Ja, gewiss, hat sie“, bestätigte der Reverend ungerührt. „Und was das Wertvolle betrifft: Logisch, dass nirgendwo etwas davon zu sehen ist. Man hat es nämlich geklaut, wie Sie zu sagen belieben. Also kann es nicht mehr hier sein. Leuchtet Ihnen das einigermaßen ein?“
Jetzt lachte Lucia.
„Sie sind zwar ein ziemlich komischer Kauz, aber irgendwo scheinbar doch in Ordnung. Ihre Art gefällt mir.“
„Dito, Ihre Art mir auch!“
Sie schenkte ihm einen gekonnten Augenaufschlag, doch der Priester zeigte sich dagegen perfekt immun.
Lucia registrierte das mit Genugtuung. Sie hasst halbseidene Priester, doch dieser Reverend hier schien in der Tat echt zu sein. War seine Kirche deshalb so arm?
„Warum haben Sie die Sachen nicht verscherbelt, ehe man sie klauen konnte? Dann würde es der Kirche hier vielleicht besser gehen. Wenn da nichts passiert, ist sie über kurz oder lang sowieso nur noch eine Ruine.“
„Die entwendeten Gegenstände sind unverkäuflich, aus religiöser Sicht“, belehrte sie der Reverend. „Es handelt sich um einigermaßen seltene Kultgegenstände, die mir halfen, die Kirche gegen das personifizierte Böse zu schützen.“
„Personifizierte Böse?“, echote Lucia skeptisch.
„Ja, klar, sie halten mich jetzt für einen Spinner. Genauso wie die Sache mit dem Kruzifix. Aber auch wenn Sie mir kein einziges Wort glauben: Dies hier ist ein Hord der Zuflucht. Hier ist jeder sicher vor dem Zugriff des…“
„…personifizierten Bösen?“, vollendete Lucia respektlos den Satz. „Sie meinen damit doch nicht etwa Geister und Dämonen?“
„Schon richtig erkannt.“ Der Reverend nickte.
„Und jetzt, da jemand die Sachen… entwendet hat, funktioniert das nicht mehr?“
„Nicht mehr ganz so stark“, räumte der Reverend ein.
Lucia schaute sich suchend um.
„Aber ich sehe hier niemanden, der Zuflucht vor irgendwelchen Dämonen sucht.“
Der Reverend lachte humorlos.
„Ich sehe schon, ich muss Ihnen reinen Wein einschenken. Wie sonst sollten sie begreifen können, worum es hier wirklich geht?“
Er winkte Lucia kurz zu und ging voraus hinter den bescheidenen Altar. Er deutete auf den Boden.
„Dort ist der Zugang“, behauptete er.
„Der Zugang wohin?“
Lucia konnte beim besten Willen nichts dergleichen erkennen, und sie war sicher, auch mehr Licht hätte das nicht geändert.
Der Reverend lachte leise und trat an die Wand. Er hantierte dort irgendwo herum. Ein leises Schnappen ertönte, das seinen Ursprung am Boden hatte. Im nächsten Augenblick wich ein Teil der Bodenstruktur nach unten weg und schob sich schließlich zur Seite. Ein steiler Niedergang erschien.
Der Reverend machte eine einladende Geste.
„Ich soll da hinunter?“, vergewisserte sich Lucia, wobei sie ein leises Zittern ihrer Stimme nicht verhindern konnte.
„Vertrauen Sie mir, meine Liebe. Ich will sie einfach nur einweihen. Damit sie klar sehen und verstehen, wo Sie die Diebe suchen müssen.“
„Aber wenn das so wichtige Kultgegenstände sind, die gegen Geister und Dämonen und anderes Ungeziefer dieser Art helfen, wie konnten sie dann überhaupt von denen geklaut werden?“, begehrte Lucia ein letztes Mal auf.
„Die haben das natürlich nicht selbst gemacht, sondern haben unbeeinflusste Menschen beauftragt. Sie wissen doch selber als Cop, was Menschen für Geld alles zu machen in der Lage sind.“
Jetzt gab es keine weiteren Ausreden mehr für Lucia. Sie musste dort hinunter. Und dabei dachte sie an mich.
„Äh, Moment noch!“
Sie zog ihr Funkgerät und setzte sich darüber mit mir in Verbindung. Das hatte den Nachteil, dass wir nicht völlig abhörsicher waren. Das hieß, nicht nur Kollegen, die zufällig die gleiche Frequenz nutzten, konnten uns abhören, sondern sicherlich auch irgendwelche zwielichtigen Gesellen, für die es eine Kleinigkeit war, alle Frequenzen des Polizeifunkes zu empfangen.
Doch sie sagte nur:
„Halte die Stellung, ich brauche ein wenig länger. Und wenn ich in spätestens einer Viertelstunde mich nicht mehr gemeldet habe, rufe Verstärkung, die diesem sauberen Reverend den Arsch aufreißt!“
„Hiermit versprochen!“, funkte ich zurück.
Prompt ertönte von der Leitstelle der übliche Spruch:
„Bitte, bewahren Sie die Funkdisziplin!“
Ich zeigte dem Kollegen in der Leitstelle einen Stinkefinger, was der natürlich nicht sehen konnte.
*
Obwohl ich eine Viertelstunde zugesagt hatte, hielt ich es nicht länger als fünf Minuten aus. Die Unruhe in mir war unerträglich geworden. Und sie war inzwischen sogar noch größer als meine Scheu vor dieser vermaledeiten Kirche.
Ich sprang aus dem Wagen, nur mit meinem frischen T-Shirt bekleidet und ohne mein Schulterhalfter, die Dienstwaffe immer noch in der Hosentasche, aber mit einem neu gefüllten Magazin.
Ich brauchte viel Mut, um hinüber zu laufen zum Eingang der Kirche. Mit jedem Schritt glaubte ich, die Ausstrahlung deutlicher zu spüren. Nicht nur auf der Haut. Es drang in meinen Körper ein und schickte sich an, ihn von innen heraus glühen zu lassen. Die Hitze, die dabei entstand, ließ mich aufstöhnen.
Als ich das Portal endlich erreichte, hatte ich das Gefühl, wie eine menschliche Fackel zu brennen. Tausend Soldaten konnten mit jeglicher Waffe auf mich schießen. Ich war überzeugt davon, sogar eine Atombombe zu überstehen, irgendwie jedenfalls. Trotzdem hatte allein schon der Anblick einer Kirche eine solche Wirkung auf mich. Und das Betreten einer solchen war eigentlich völlig unmöglich.
Ich hatte keine Ahnung, woher ich die Kraft nahm, trotzdem einzutreten. Es war die Sorge um Lucia Ferror. Sie war mir dermaßen ans Herz gewachsen, obwohl ich doch eigentlich noch nie eins hatte. Oder war es nur, weil sie die einzige Mitwisserin um das Geheimnis meiner Existenz war?
„Lucia!“, brüllte ich im Innern der Kirche, jenem Ort, der so vielen Frieden und Andacht versprach, aber für mich schlimmer war als jegliche Hölle jemals hätte sein können.
Mein Gebrüll hallte von den hohen Wänden wider. Mit vor Schmerzen verschleiertem Blick erkannte ich zumindest, dass keine Menschenseele sich hier befand. Auch keine Lucia Ferror.
Und dann hielt ich überrascht inne, denn… die unerträgliche Hitze in meinem gemarterten Innern ebbte allmählich ab.
Ich konnte es nicht begreifen, aber die Kirche war nicht einmal halb so schlimm wie von außen vermutet. Hatte ich mir denn alles wirklich nur eingebildet? War meine Fantasie mit mir dermaßen durch gegangen, dass ich mir Dinge – und vor allem Schmerzen! – eingebildet hatte, die gar nicht vorhanden waren?
Es blieb ein äußerst ungutes Gefühl, das Gefühl tödlicher Bedrohung, die allein schon von den Mauern ringsum ausging. Das Kirchenschiff erschien mir wie eine Falle, die begierig darauf war, über mir zuzuschnappen. Vielleicht war deshalb diese unerträgliche Hitze aus meinem Innern zurück gewichen, die vielleicht doch keine reine Einbildung von mir gewesen war? Nur, um mich in zweifelhafter Sicherheit zu wiegen? Damit ich endlich tiefer in die Kirche hinein lief, damit ich auch ja nicht meinem Unheil entging?
Ich hatte Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen, wobei ich mit immer klarer werdendem Blick mich umschaute.
Ja, die Kirche verhielt sich wie ein schlimmer Feind. Sie wollte mich verzehren. Aber irgendwie gelang es mir trotzdem, den Dämon in mir zu zügeln und gewissermaßen den Menschen hervorzukehren. Vielleicht war es das, was mir in diesen Augenblicken half? Jedenfalls war die Kirche nicht so sehr gegen Dämonen geschützt als ich von außen hatte vermuten müssen.
Mir fiel es auf einmal wie Schuppen von den Augen. Konnte es sein, dass die entwendeten Wertgegenstände nichts anderes gewesen waren als hoch wirksame Dämonenbanner?
Das wäre eine vernünftige Erklärung für das gewesen, was ich momentan erlebte. Die Kirche war nicht mehr hundertprozentig sicher, keine uneinnehmbare Festung für das personifizierte Böse mehr. Es war nur noch ein vergleichsweise kläglicher Rest des einstigen Schutzes geblieben.
Mutiger geworden ging ich in Richtung Altar. Wo, um alles in der Welt, befand sich Lucia? Wieso hatte sie mir gefunkt, aufgehalten zu sein?
Ich erreichte den Altar und verzog schmerzlich das Gesicht angesichts der Dinge, die darauf platziert waren. Der Anblick erfüllte mich mit neuer Unruhe. Ich hätte nie und nimmer riskieren dürfen, sie mit unbewaffneter Hand zu berühren.
Und da erst fiel mir die Öffnung im Boden hinter dem Altar auf.
„Lucia?“ Es war kaum mehr als nur ein Flüstern, als ich mich der Öffnung vorsichtig näherte.
Unten war es stockfinster. Für mich normalerweise kein Problem. Ich konnte in völliger Dunkelheit die Zeitung lesen, wenn ich es darauf anlegte und mich nichts beeinträchtigte, wie beispielsweise die Atmosphäre innerhalb einer Kirche. Aber es gab auch keinerlei Geräusch.
Wo sonst jedoch konnte Lucia sein?
Mein Blick suchte und fand die Tür, durch die normalerweise der Priester die Kirche betrat, um die Messe zu zelebrieren.
Nein, diese Öffnung hier im Boden erschien mir eher in Frage zu kommen. Also machte ich mich an den Abstieg, immer noch mit der gebotenen Vorsicht.
Der steile Niedergang endete in einer Art Vorraum. Dass es nur der Vorraum war zu etwas Größerem, das bewies mir die dunkel gähnende Öffnung, schräg versetzt von mir aus gesehen, so dass ich nicht viel dahinter sah. Normalerweise war sie wohl geschlossen, denn ich sah die Tür, die jemand geöffnet hatte.
Mit angespannten Sinnen näherte ich mich dem Durchgang. Seltsamerweise vergaß ich dabei, meine Dienstwaffe zu ziehen. Als würde ich von vornherein annehmen, dass sie mir hier unten sowieso nichts mehr nutzte. Das schien die Tatsache sogar noch zu beweisen, dass hier unten die für mich so schmerzhaften Ausstrahlungen deutlicher schlimmer waren als oben. Es lähmte auch total meine Dämonensinne, weshalb ich beinahe einzig und allein auf meine menschlichen Sinne angewiesen war. Daher blieb der Bereich hinter dem Durchgang auch für mich total im Dunkeln.
Bis ich ihn erreichte.
Da erschien plötzlich ein Mann im bodenlangen Talar vor mir. Der Reverend dieser Kirche? Seine Miene war verzerrt, wie von tödlichem Hass, und er hielt mir ein geweihtes Kruzifix entgegen.
Dass es geweiht war, das spürte ich sozusagen am eigenen Leib, weil es mich erstarren ließ. Ich war unfähig, auch nur noch den Finger zu rühren.
Der Reverend brüllte triumphierend, holte mit dem Kruzifix weit aus und ließ es dann auf meinen blanken Schädel niederschmettern.
Ich war völlig unfähig, auszuweichen, und der Kerl hieb mit solcher Kraft zu, dass es mir regelrecht den Schädel spaltete. Das fühlte sich nicht nur so an, sondern das war auch so.
Der grausame Schmerz pflanzte sich in meinem ganzen Körper fort und warf mich zu Boden. Ich konnte noch nicht einmal wimmern. Die Welt war nur noch dunkel. Die Feuer, die mich verzehrten, gaben kein Licht ab. Ich hätte gern geschrien, aber ich schien gar keinen Mund mehr zu haben. Und ich wusste, wenn der Kerl jetzt noch einmal auf mich Wehrlosen eindrosch mit dem geweihten Kreuz, löschte er mich aus. Für immer.
Mir entging, dass er plötzlich von Lucia Ferror zurückgerissen wurde, die unvermittelt hinter ihm aufgetaucht war. Sie prügelte den Reverend gnadenlos zu Boden. Er wollte sich zwar wehren, aber Lucia war eine ausgebildete Nahkämpferin. Gegen sie hatten stärkste Männer keine Chance. Sie hielt ihn am Boden mit einem eisernen Festhaltegriff und schob gleichzeitig das Kruzifix außer Reichweite.
Ihr Mund war ganz nah an seinem Ohr, als sie zischelte:
„Ich sollte dir die Knochen brechen, jeden einzelnen, ehe ich dich den Krähen zum Fraß hinwerfe.“
„Aber – aber…“, röchelte er und hatte offensichtlich alle Mühe, genügend Luft zu schöpfen. „Das – das ist ein Dämon.“
„Das ist Skull, mein Partner, du Pfeife! Und du hast ihn beinahe umgebracht.“
„Ein – ein Dämon!“, beharrte er.
„Skull gehört zu den Guten, du durchgeknallter Wichtigtuer von einem Priester.“
„Kein – kein Dämon kann jemals zu den Guten zählen!“
„Noch so ein Spruch und du tust deinen letzten Röchler!“, drohte sie.
Inzwischen hatte ich mich erholt, trotz der feindlichen Atmosphäre, die mich halbwegs um den Verstand brachte und meine Kräfte in einem Maße lähmte, dass ich mich schwächer fühlte denn je.
Mühsam rappelte ich mich vom Boden auf und zog meine Dienstwaffe. Ich torkelte zu Lucia und dem niedergezwungenen Reverend hinüber, beugte mich über den Kerl und hielt ihm die Dienstwaffe unter die Nase.
„Das ist meine Dienstwaffe“, erläuterte ich krächzend. „Du kannst sie in der Dunkelheit nicht sehen, aber vielleicht riechen. Damit habe ich vorhin erst genau acht der übelsten Schurken dieser Stadt erledigt. Und ich hätte dich genauso erledigen sollen, noch bevor du Gelegenheit hattest, mit diesem scheiß Kreuz auf mich los zu gehen. Was hast du dir dabei denn eigentlich gedacht, Blödmann?“
„Und was hast du dir dabei gedacht, hier einfach aufzutauchen, Skull?“, klagte mich jetzt Lucia an. „Es waren fünfzehn Minuten vereinbart, nicht fünf Minuten. Kannst du dich wenigstens einmal in deinem Leben an irgendeine Abmachung halten oder was? Es war vorgesehen, dass ich mich hier um alles kümmere, und zwar allein.“
„Ich – ich habe mir halt Sorgen um dich gemacht“, versuchte ich, mich herauszureden.
„Sorgen um mich? Und wer hat jetzt wen retten müssen?“
„Ja, ja, ich sehe es ja ein, Lucia, aber…“
„Nichts aber. Wenn hier einer der Blödmann ist, dann bist du das. Du hast uns alle im wahrsten Sinne des Wortes in Teufels Küche gebracht. Dieser durchgeknallte Reverend hier meint, er müsste allein die Welt von allem Bösen befreien. Dabei begreift er gar nicht, dass er nur ein armseliger Wichtel ist, der nicht das Geringste von dem versteht, was in der Welt vorgeht.
„Das – das ist nicht richtig!“, protestierte der Genannte schwach.
Ich sah trotz der Dunkelheit, dass er inzwischen blau angelaufen war. Wenn Lucia ihren Griff nicht endlich lockerte, tötete sie ihn.
„Schnauze!“, herrschte sie ihn stattdessen an. „Wenn ich rede, haben Wichtel Sendepause.“
Sie war wütend. Das kannte ich an ihr. Und dann war es wahrlich besser, ihr nicht zu widersprechen. Das wusste ich aus Erfahrung. Also gab ich ihr endlich voll und ganz recht:
„Äh, danke, Lucia, dass du mir das Leben gerettet hast. War wirklich scheiße von mir, hier aufzutauchen. Damit habe ich wohl alles versaut, wie?“
Ich sah, dass es tatsächlich wirkte: Sie entspannte sich sichtlich, und der Reverend, so kurz vor dem Erstickungstod, bekam endlich wieder mehr Luft.
Auch ich atmete erleichtert auf. Ich wollte ja nicht, dass der Kerl unnötig zu Schaden kam. Auch wenn er versucht hatte, mich umzubringen. Das hatte er ja in dem guten Glauben getan, einen Bösen zu treffen. Er hatte anscheinend noch nie etwas davon gehört, dass es Halbdämonen gab, die auf der Seite des Guten standen.
Wenn ich ehrlich war: Ich auch nicht!
War ich denn wirklich die absolute Ausnahme?
Es schien jedenfalls so. Aus welchem Grund auch immer. Als hätte bei mir so eine Art göttliche Macht die Hände im Spiel. Sie griff rechtzeitig ein, ehe ich vollends zum Dämon mutiert war, um mich hier, auf Erden, und speziell in der Stadt des Verbrechens als ihr Werkzeug einzusetzen.
Wieso aber, zum Teufel, hatte sie dabei nicht auch dafür gesorgt, dass ich immun war gegen so ein geweihtes Kreuz?
Ich hörte auf, darüber nachzudenken, und widmete mich wieder dem Hier und Heute.
„Ich glaube, wenn der Kerl auch noch etwas gesehen hätte in dieser Dunkelheit, würde ich jetzt nicht mehr leben. Aber wieso hast du nicht sofort eingegriffen?“
„War das jetzt etwa so eine Art Beschwerde?“, rief sie erbost, und schon wieder sah ich, dass sich ihre Haltung versteifte.
„Nein, nein, Lucia“, beeilte ich mich zu versichern. „Ich meine nur: Wo sind wir hier unten überhaupt?“
„Ich habe mich weiter hinten umgesehen. Hier unten ist jede Menge Platz. Da kommen locker tausend Leute unter, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen. Und dann hat der Reverend auf einmal alles Licht ausgemacht. Mit einem Schlag. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat. Ich sah nicht mehr die Hand vor Augen. Bis er auf dich einschlug. Da wusste ich endlich, wo er sich befand. Verflixt und zugenäht, und ich sehe immer noch nicht die Hand vor Augen. Wo, zum Teufel, ist denn hier der Lichtschalter? Kerl, sage es mir oder stirb!“
Schon wieder griff sie fester zu.
„In – in meiner Tasche“, beeilte sich der Reverend panikerfüllt zu antworten. „Fernauslöser. Ich habe gemerkt, dass sich ein Dämon nähert. Ich habe ein Gespür dafür.“
Auch das noch! Der hatte mich gespürt? Das machte ihn jedenfalls noch gefährlicher für mich als er ohnehin schon war. Ich konnte von Glück sagen, dass ihn Lucia so eisern im Griff behielt.
„Sieh in seinen Taschen nach, Skull. So ein Talar hat sie in der Regel an der Seite. Falls er überhaupt Taschen hat. Wenn nicht, musst du halt unter dem Talar nachsehen. Ich will endlich wieder Licht haben.“
„Äh, im Ernst, Lucia? Ich soll…?“ Die Stimme versagte mir den Dienst.
„Sehe ich so aus, als wäre mir zum Spaßen zumute?“
„Nein, Lucia, eigentlich nicht. Also gut, ich versuche es.“
„Der Versuch allein genügt nicht!“, drohte sie mir.
Ich benötigte einige Überwindung, um den Talar nach Taschen zu untersuchen, denn allein die Berührung dieses Talars schickte neue Schmerzwellen durch meinen Leib und ließ mich erzittern. Ich hatte das Gefühl, meine Finger betasteten eine glühendheiße Herdplatte.
Aber Lucia hatte vollkommen recht. Es war zwingend nötig, dass sie wieder klar sehen konnte, und ohne Licht war das halt nicht möglich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, während der ich die gedachte glühende Herdplatte mit blanken Fingern untersuchte, fand ich endlich den kleinen Fernauslöser und konnte ihn drücken.
Sofort wurde es um uns herum hell. Nicht gerade taghell, doch es genügte, um erkennen zu lassen, dass wir uns hier in einem weiteren Vorraum befanden, nur größer als der erste.
Lucia deutete mit dem Kinn zum nächsten Durchgang.
„Dort geht es zu einem regelrechten unterirdischen Labyrinth. Der Reverend hat es mir erklärt. Hier steht schon seit Jahrhunderten eine Kirche. Nicht immer dieselbe. Wenn eine neue gebaut wurde, dann einfach auf die alte drauf, anstatt diese abzureißen. Man schüttete ringsum alles auf, da sah das keiner mehr. Deshalb steht jetzt die Kirche auf einem kleinen Hügel.“
„Es befinden sich quasi mehrere Kirchen unter der einen?“, wunderte ich mich.
„Das war damals nicht so unüblich“, belehrte sie mich.
Ich hatte keine Ahnung von diesen Dingen, denn Kirchen hatten mich schon immer mit einer gewissen Scheu erfüllt. Aus dieser Scheu war inzwischen ja sogar diese abgrundtiefe Abscheu geworden.
„So, Kerl“, wandte sie sich an den überwältigten Reverend. „Wenn du mir jetzt noch versprichst, schön artig zu sein und meinen Partner in Frieden zu lassen, überlege ich es mir noch einmal, ob ich dich leben lasse.“
„Herrjeh, er ist ein Dämon!“
„Nur zur Hälfte!“, belehrte ich ihn.
„Scheiß drauf, Dämon bleibt Dämon.“
„Aha, du willst also lieber sterben als vernünftig sein?“, schlussfolgerte Lucia.
„Nein, nein, es bleibt noch dermaßen viel zu tun. Ich…“
„Ach ja, beinahe vergessen: Du willst ja die ganze Welt vom Bösen befreien. Schon gescheitert, Blödmann, wie du siehst. Vielleicht solltest du dir doch noch einmal überlegen, ob du allein auch nur den Hauch einer Chance hast.“
„Sehe ich ja ein, aber…“
„Was aber?“
„Also gut, überredet. Ich lasse ihn in Frieden. Aber wie kannst du ihm bloß trauen? Es gibt keine Dämonen auf der Seite des Guten. Das ist in sich unmöglich.“
Sie lockerte tatsächlich den Griff und ließ ihn dann sogar los.
Ächzend und stöhnend verharrte er erst einmal noch am Boden.
Lucia reichte ihm freundlich die Hand, um ihm auf die Beine zu helfen. Ich sah dabei jedoch, dass sie ganz genau jede seiner Bewegungen verfolgte.
Ich ging lieber ein wenig auf Sicherheitsabstand und schielte nach dem Kruzifix, das aber weit genug entfernt lag, um mir noch gefährlich werden zu können.
Der Reverend nahm die Hilfe seiner Bezwingerin sogar an. Und dann stand er da, wankend, mit unnatürlich blassem Gesicht und blutunterlaufenen Augen, die mich feindselig fixierten.
Ich zeigte ihm meine Dienstwaffe.
„Ich hätte dich wirklich erschießen können. Dann wäre es schon gar nicht zu deinem Angriff gekommen. Was glaubst du wohl, wieso du noch lebst?“
Er gab keine Antwort.
Lucia sagte an meiner Stelle:
„Wir brauchen uns gegenseitig!“
Sie wandte sich an mich.
„Hier unten sind einige Leute versteckt, die Zuflucht gesucht haben vor einem Paten, den anscheinend kaum jemand kennt. Er dirigiert nur aus dem Hintergrund, gewissermaßen aus dem Unsichtbaren heraus. Die in seinem Namen agieren, tun zwar als große Mafiosi, sind in Wahrheit jedoch nur seine Marionetten. Übrigens, dieser Giorgio Mandelini, den du erledigt hast, war einer von denen. Es scheint von der Sorte Dutzende zu geben.“