Mark Tate und das Haus in der Hölle: Gruselkrimi: Neuer Mark Tate Roman 13 - W. A. Hary - kostenlos E-Book

Mark Tate und das Haus in der Hölle: Gruselkrimi: Neuer Mark Tate Roman 13 E-Book

W. A. Hary

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Beschreibung

Verdammt, was war das denn schon wieder? Das Gesicht des Mannes war aschfahl. Es war das Gesicht eines Toten. Die Augen waren geschlossen. Erst als er die Lider hob und man das wahrhaft dämonische Glühen darin sehen konnte, war deutlich, dass der Mann noch lebte. Ein tiefer Atemzug hob und senkte seine schmale Brust. Die feingliedrigen, sehnigen Hände zitterten. Er wollte sie heben, aber es gelang ihm nicht. Ich sah das so deutlich vor mir, als würde ich direkt über ihm schweben. Und jetzt schwebte ich langsam von ihm weg. Als wollte mir jemand einen größeren Überblick verschaffen. Ja, lag ich denn nicht in Wirklichkeit gemütlich in meinem Bett und schlief tief und fest? Nur ein Traum?

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W.A.Hary

Mark Tate und das Haus in der Hölle: Gruselkrimi: Neuer Mark Tate Roman 13

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Inhaltsverzeichnis

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Mark Tate und das Haus in der Hölle: Gruselkrimi: Neuer Mark Tate Roman 13

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Mark Tate und das Haus in der Hölle: Gruselkrimi: Neuer Mark Tate Roman 13

„ Ein Haus hat viele Türen, doch keine führt hinaus“

Von W. A. Hary

Verdammt, was war das denn schon wieder?

Das Gesicht des Mannes war aschfahl. Es war das Gesicht eines Toten. Die Augen waren geschlossen. Erst als er die Lider hob und man das wahrhaft dämonische Glühen darin sehen konnte, war deutlich, dass der Mann noch lebte. Ein tiefer Atemzug hob und senkte seine schmale Brust. Die feingliedrigen, sehnigen Hände zitterten. Er wollte sie heben, aber es gelang ihm nicht.

Ich sah das so deutlich vor mir, als würde ich direkt über ihm schweben. Und jetzt schwebte ich langsam von ihm weg. Als wollte mir jemand einen größeren Überblick verschaffen. Ja, lag ich denn nicht in Wirklichkeit gemütlich in meinem Bett und schlief tief und fest?

Nur ein Traum?

*

Ich konnte mich jedenfalls nicht dagegen wehren, und eigentlich… wollte ich das auch gar nicht. Denn ich war längst viel zu neugierig geworden.

Da, seine Augen suchten. Er lag nicht etwa wie ich zur selben Zeit in einem gemütlichen Bett, sondern… auf einem langen Eichentisch, über den ein schwarzes Tuch gebreitet war.

He, woher wusste ich eigentlich, dass es sich um einen Eichentisch handelte? Er war doch komplett zugedeckt?

Ringsum jedenfalls standen schwarze Kerzen, die taumelndes Licht über die düsteren, zerrissenen Mauern warfen, die den Kellerraum umschlossen.

Aha, also ein Kellerraum. Dann war dieser Eichentisch in Wahrheit sogar… ein Altar?

Ja, sollte der Kerl etwa… hier und jetzt geopfert werden?

Und was, bitte schön, hatte das jetzt mit mir zu tun?

Neben dem Tisch jedenfalls stand eine gebeugte Gestalt. In dem alten, runzeligen Gesicht derselben waren kleine, wieselflinke Augen.

Der Alte öffnete den schmalen Mund mit den blutleeren Lippen und sprach. Wirkte auch seine Gestalt dürr und kraftlos, so erinnerte die Stimme an das Grollen von Donner.

„Du bist wichtig, Frederik Gargoyle, sehr wichtig. Nur mit deiner Hilfe können wir Mark Tate zu uns locken.“

Der liegende Mann nickte schwach.

Seine Lippen bewegten sich zwar, doch kein Laut drang hervor. Erst nach mehrfachem Anlauf erzeugten sie ein ersterbendes Wispern:

„Noch - bin ich - nicht ganz zurückgekehrt - aus der Welt des Geistes. Mein Körper erscheint mir - fremd. Ich wollte dir nur mitteilen, dass es mir - endlich gelungen ist, Mark Tate auszumachen.“

Die Gestalt des Alten neben dem Tisch (Altar?) richtete sich unwillkürlich auf.

„Endlich!“, grollte er voller Triumph.

Er wandte sich von dem Tisch ab und verschwand im Hintergrund. Gern hätte ich gesehen, was er dort tat – und dann sah ich es tatsächlich:

Dort stand ein großes, altmodisches Tonbandgerät. An der Wand befand sich auch eine Steckdose, an die das Gerät angeschlossen war. Das technische Arrangement erschien, obwohl längst nicht mehr zeitgemäß, in dem düsteren Kellergewölbe mit den unruhig brennenden schwarzen Kerzen erst recht vollkommen deplaciert. Aber es gehörte dennoch offenbar zu dem, was die beiden Männer vorhatten. Obwohl ich noch nie etwas von einer Art magischem Tonbandgerät gehört hatte. Da konnte ich wirklich nur noch staunen.

„Bist du bereit, mich zu hören?“, flüsterte der Liegende. Es klang jetzt, als komme es aus einer anderen Welt.

Der Alte nickte ernst. Da erst erinnerte er sich anscheinend, dass ihn sein aufgebahrter Gesprächspartner nicht sehen konnte. Frederik Gargoyle hatte nämlich wieder die Augen geschlossen.

„Warte eine Sekunde.“ Er blickte auf seine Armbanduhr, die mindestens genauso deplaciert wirkte in dieser Szene wie das Tonbandgerät. Prompt entstand diese Armbanduhr genau vor meinen Augen: Es war exakt Mitternacht.

Ich fuhr gegen meinen Willen zurück, immer noch unsichtbar dieser Szene beiwohnend, obwohl ich gleichzeitig meinen Körper spürte, der im Bett lag, tief schlafend anscheinend. Jedenfalls träumend. Falls man das hier einen Traum nennen sollte. Denn es schien mir eher so, als würde es sich tatsächlich in derselben Zeit genauso abspielen.

Einen Augenblick lang zögerte er noch, dann drückte er entschlossen auf den Startknopf des Tonbandgerätes. Die großen Spulen begannen, sich langsam zu drehen. Das Gerät war auf Aufnahme geschaltet. Die Automatik regelte selbsttätig auf den richtigen Pegel.

Der Alte nahm das Mikrofon auf und trug es ganz dicht zu dem Kreis, den die hohen, schwarzen Kerzen bildeten. Dann stellte er sich ans Kopfende des Tisches und breitete weit die Arme aus. Der dunkle Umhang, der seine dürre Gestalt verdeckt hatte, klaffte vorn auseinander. Der Alte hatte ein mattschimmerndes Gewand darunter an, das über und über mit hebraistischen Formeln bedeckt war. Auf die Innenseite des Umhangs waren zusätzlich Zeichen aus der jüdischen Kabbala gestickt.

Der Alte konzentrierte sich und schloss die Augen.

„Mein Körper wird wieder starr und steif“, wisperte der vor ihm Liegende. „Wie lange dauert es noch, Meister?“

Anstatt einer Antwort begann der Alte mit einem monotonen Singsang, der sich schaurig an den Mauern brach und den kleinen Kellerraum bis in den letzten Winkel erfüllte.

Frederik Gargoyle versuchte ein leichtes Lächeln. Es misslang ihm. Die Gesichtsmuskeln gehorchten seinem Willen nicht mehr. Er spürte, wie sein Geist langsam entschwebte. Und ich bekam das mit, als wäre ich in seinem Kopf, während ich über ihm schwebte und ihn von oben betrachtete, genauso wie den Beschwörer an seinem Kopfende.

Der Singsang wurde höher, fiel dann schlagartig ab zu einem dumpfen Grollen, schwoll sogleich wieder an zu schrillen Klängen.

Es war, als hätte dies Auswirkungen auf die Kerzenflammen. Sie loderten plötzlich höher. Die Flammen wurden lang und dünn. In ihrem Innern tauchten verzerrte nachtschwarze Schemen auf. Obwohl ihr Leuchten nach außen hin stärker wurde, erreichte das Licht nicht mehr die Mauern. Diese versanken in absoluter Dunkelheit, während sich über dem Tisch gespenstisches Strahlen ausbreitete.

Dadurch, dass die Kerzen und das Tuch auf dem Tisch pechschwarz waren, konnte man sie nicht mehr erkennen. Frederik Gargoyle schien gleichsam frei mitten in der Luft zu schweben, ja, mitten im Nichts. Da waren nur die dreizehn Flämmchen der magischen Kerzen rings um ihn. Sie wurden von einer unsichtbaren Kraft zu ihm hin gebogen und nahmen eine dicke, tropfenförmige Gestalt an. Die Spitzen deuteten auf Frederik Gargoyle. Die eigenartige Schwärze inmitten der Flämmchen vertiefte sich noch. Es entstand der Eindruck von dämonischen Gesichtern, die von dem Feuer gefangen gehalten wurden.

Strahlenbahnen lösten sich von den Flammenspitzen und schossen auf den Kopf von Frederik Gargoyle zu, um ihn in gleißendes Licht zu tauchen.

Längst schon hallte der Singsang des Meisters nicht mehr von den Wänden wider. Eine unsichtbare Kraft fing ihn regelrecht ein und führte ihn in den magischen Lichtkreis.

Jetzt war für mich nur noch Frederik Gargoyles Gesicht zu erkennen. Auch den Meister hatte die Finsternis verschlungen.

Im nächsten Augenblick riss sein Singsang ab.

Da war das Gesicht des Mannes, der sich in tiefer Trance befand. Die schwarzen Kerzen bildeten mit ihrem Licht einen hellen Kreis um dieses Gesicht. Ihr magisches Licht schien allmählich sogar in es einzudringen.

Ich sah deutlich sein Antlitz unter mir und wusste gleichzeitig, dass es ihm gelungen war, sich teilweise von seinem Körper zu lösen.

Ich spürte, was er dabei fühlte, und das überwältigte mich schier. Das war dermaßen chaotisch, ungeordnet, aber auch irgendwie bösartig… Ich fühlte mit ihm und sah mit ihm. Aber er bemerkte mich nicht. Da war eine andere Kraft, die sich meiner bemächtigt hatte. Sie kam nicht aus mir selbst heraus. Soviel stand fest. Das war eine Kraft, die ein anderer wirken ließ.

Aber wer und wieso?

Aus dem Chaos formte sich ein dominantes Gefühl bei dem anderen, nämlich das Gefühl von Angst.

Ja, er spürte Angst. Nicht so sehr vor dem gespenstischen Vorgang, der ihm nicht mehr unvertraut war, sondern vor einem Mann Namens Mark Tate.

Meinte er denn damit tatsächlich… mich? Denn ich war Mark Tate! Definitiv sogar!

Und er konnte nicht anders. Obwohl er diese Angst davor hatte. Er musste den Kontakt zu diesem Mann suchen, weil der Meister ihn dazu zwang.

Mich verwirrte das alles zutiefst. Denn man musste sich einmal vorstellen: Ich war Zeuge des Vorgangs, wieso auch immer. Und irgendwie konnte ich nicht glauben, dass die Suche wirklich meine Person betraf. Obwohl ich in meinem Leben und in dieser Welt noch niemals einem anderen Mark Tate begegnet war, nahm ich jetzt trotzdem an, es müsste sich um einen anderen handeln.

Und Frederik Gargoyle war auf der Suche nach Mark Tates Gedanken.

Endlich hatte Frederik Gargoyle, das telepathische Medium seines Meisters, Erfolg. Er spürte deutlich die Gegenwart der fremden Gedanken, und er wurde zu einer Art Adapter. Er formte das Wahrgenommene zu Worten, die irgendwo, fern von diesem Mark Tate, in einem unterirdischen Kellergewölbe, aus einem Mund kamen, der sich kaum bewegte. Und die Worte wurden vom Tonbandgerät des Meisters aufgenommen und festgehalten, damit sie jederzeit abhörbar waren...

Da begann ich zu begreifen. Endlich. Natürlich war das ein Mark Tate. Allerdings nicht ich hier und jetzt, sondern vor vielen Jahren. Das war schon so lange her, dass ich gar nicht mehr daran gedacht hatte. Aber wer konnte denn davon wissen? Und das war zwingend nötig, denn es musste demjenigen sogar gelungen sein, den Kontakt herzustellen über Zeit und Raum hinweg zwischen diesem Medium auf dem altarähnlich dekorierten Tisch und meinem sehr viel früheren Ich. Dafür musste dieser Jemand nicht nur dieses Kunststück fertig bringen, eine Zeitbrücke in die ferne Vergangenheit herzustellen, sondern mich auch noch in der Gegenwart hierher zu versetzen, wenngleich nur geistig im gewissen Sinne.

Verständnislos sah ich mich um. Wie ein Geist in diesem Kellergewölbe, unbemerkt bis jetzt, während mein Körper schlafend im Bett lag. Das Medium übermittelte meine Gedanken als Stimme, die ich beinahe als meine eigene wiedererkannte, und der Meister musste annehmen, es sei die Gegenwart, die da geschildert wurde.

*

Der Psychiater ist ein Dummkopf wie all die anderen. Er versteht nicht die geheimnisvollen Vorgänge. Sein Verstand ist wissenschaftlich geschult. Man hat ihn sozusagen universitätsmäßig blind gemacht für die Wirklichkeit und die Geschehnisse jenseits seines Wissenschafts-Bereiches.

Wieder einmal ist die Stunde der Dämonen angebrochen. Mitternacht ist überschritten.

Seit Wochen bin ich in diesem Irrenhaus eingeschlossen. Diesem Psychiater habe ich das zu verdanken. Aber ich hasse ihn dessentwegen nicht. Kann er etwas dafür, dass er nicht zu den Sehenden gehört?

Er nimmt an, ich sei irr. Das kann ich verstehen. Für einen solchen Mann kann ein Mensch wie ich nicht akzeptabel sein.

Ich stehe mit dem Wärter vor der Tür zu seiner Praxis. Der Arme; er ahnt nicht, was ihm bevorsteht. Der Wärter klopft, und ich höre die sonore Stimme des Psychiaters, die uns hineinbittet. Der Wärter öffnet. Wir treten ein.

Ich kenne diesen Raum. Oft genug war ich hier gewesen. Der Psychiater bat endlose Tests mit mir vorgenommen. Einmal haben es seine Helfer sogar mit Elektroschocks versucht. Eine unangenehme Erinnerung für mich.

Nach meinem letzten Fall hat man mich hier eingewiesen. Ich bin wegen groben Unfuges verhaftet worden. Man legte mir zur Last, ich hätte die Ruine eines alten Schlosses zerstört. Ich erzählte den Polizisten nur die reine Wahrheit - ebenso wie diesem Psychiater hier. Das Ergebnis: Die Zwangseinweisung!

Der Raum ist geschmackvoll eingerichtet. In einer Ecke steht auch die obligatorische Couch. Der Psychiater hält sich selbst für einen Mann, der den größten Teil der Geheimnisse um den menschlichen Geist bereits gelüftet hat. Das ist sein Fehler. Aber das gibt mir auch eine Chance. Der Neugierde und der Selbstüberschätzung des Mannes ist es zu verdanken, dass er meiner ungewöhnlichen Bitte gefolgt ist. Er erklärte sich bereit, mit mir eine mitternächtliche Sitzung zu machen.

Fast spüre ich Bedauern mit dem Mann, der nicht ahnt, was passieren wird, der es einfach für die Laune eines Irren hält, wenn dieser sich um diese ungewöhnliche Stunde mit ihm in der Praxis treffen will.

Sein Gesicht zeigt ein geschickt einstudiert gütiges Lächeln, als er mich zur Couch bittet. Nein, der Mann ist nicht wirklich gütig. Dieses Lächeln ist nur Maske - eine Maske, die zu seinem Job gehört, wie er meint. Er will damit die Irren, die zu ihm kommen, beschwichtigen. Es fällt ihm mit diesem Lächeln leichter, wie ein Freund von allen zu erscheinen. In Wirklichkeit interessieren ihn seine Patienten nicht besonders. Was er für sie empfindet, ist reine Neugierde wissenschaftlicher Natur.

Deshalb ist mein Bedauern auch nicht so stark, das ich für ihn verspüre. Er ist einfach ein Hindernis in meinem Weg, in meiner Berufung. Er muss gehen, damit ich meine Aufgabe bewältigen kann.

Ich setze mich auf die Couch und deute auf den Wärter.

„Ich möchte, dass er geht“, sagte ich ruhig. „Meine Bedingung war, dass wir allein bleiben.“

Auch das hat seinen Sinn. Ich will so wenig wie möglich Menschen mit hineinziehen. Nur das Opfer des Psychiaters wird unumgänglich sein.

Der Wissenschaftler nickt und schickt den Wärter hinaus. Die Tür schließt sich hinter dem Mann.

Ich betrachte den Chefarzt der psychiatrischen Klinik. Er ist ein Mann um die Fünfzig. Pechschwarzes, kurzgeschnittenes, korrekt gescheiteltes Haar, das sein bereits etwas faltiges Gesicht wie eine Kappe umschließt. Eine hochgewachsene Gestalt, die leicht gebeugt geht. Über den dunklen Anzug hat er einen weißen Kittel gezogen, in dessen Brusttasche ein Notizbuch und ein Kugelschreiber stecken. Er zieht beides heraus und angelt sich einen Stuhl. Sein Lächeln vertieft sich, als er sich neben das Kopfende der Ledercouch setzt.

„Aber bitte, Mister Tate, so machen Sie es sich doch bequem“, fordert er mich freundlich auf. „Oder muss ich Sie Geisterdetektiv nennen? Oder Teufelsjäger oder gar Geisterkiller? Sie sind ja nach eigenem Bekunden da durchaus flexibel, wenn ich das richtig verstanden habe...“

Ich gehe auf seine betont ernst gesprochenen Worte nicht ein, die ja sowieso nichts als schiere Ironie sind. Vielleicht sollte ich ihn wegen solcher Anspielungen auf meinen angeblichen Irrsinn und der Tatsache, dass ich hier schon so lange festsitze, hassen? Aber wie könnte ich denn, bei dem, was dem Armen bevorsteht...

Ich folge stumm seiner Aufforderung und lege mich nieder. Mein Körper entspannt sich. Ich höre undeutlich das Schaben des Schreibers über Papier, als ich mich konzentriere. Schon spüre ich, dass wir nicht mehr allein sind. Etwas schwebt in der Luft. Der Psychiater ist zu blind, um es selber zu merken.

„Ich will Ihnen meinen letzten Fall schildern“, sage ich monoton. „Sie wissen ja, dass man mich danach hier einlieferte.“

„Ja, ich weiß, und es interessiert mich brennend, alles von Ihnen zu hören.“

Du Heuchler, denke ich. Wie oft habe ich es dir erzählt, und immer habe ich in deinen Augen lesen können, was du von mir hältst.

Ich vergesse den Psychiater und versinke mit meinen Gedanken in der Vergangenheit. Ich erlebe es noch einmal...

*

Der Meister stand in der Dunkelheit und zitterte vor Erregung. Die Spulen auf dem Tonbandgerät drehten sich fast geräuschlos.

„Jetzt wird sich herausstellen, ob Mark Tate wirklich der ist, den wir suchen“, murmelte der Meister vor sich hin. Verhaltene Spannung schwang in seiner Stimme mit. Er fieberte den nächsten Worten entgegen.

Und während ich als Mark Tate von damals auf der Liege des Psychiaters erzählte, kamen dieselben Worte synchron aus dem Mund des telepathischen Mediums Frederik Gargoyle. Und gleichzeitig mit den Aufzeichnungen des Wissenschaftlers, der ununterbrochen Notizen in seinem Notizbuch machte, wurde das Tonbandgerät unbestechlicher Zeuge der Erzählung...

*

Seit Stunden bin ich mit meinem schrottreifen Morris unterwegs. Weiter vorn sehe ich einen dunklen Wald, der bis zur Straße stößt. Der bleiche Mond übergießt die Landschaft mit silbrigem Schein. Es ist dürftiges Licht, das nicht viel erkennen lässt. Es entrückt die Landschaft auf seltsame Weise der Realität.

Die Scheinwerfer meines Wagens zerstören das Gespenstische. Sie beleuchten hohe Bäume, die sich im sanften Wind wiegen, tasten sich über den schwarzen Asphalt meinem Ziel entgegen.

Ich habe den Wald erreicht. Die Strecke ist kerzengerade. Ich weiß, dass es nicht mehr allzu weit sein kann. Baumkronen neigen sich über die Straße - wie schwarze Geisterhände, die nach mir greifen wollen.

Ich lächle über diesen Vergleich.

Immer bizarrer scheint die Umgebung zu werden. Das schmale Fahrbahnband verliert sich weit vor mir in der Dunkelheit - einer Dunkelheit, die das Licht aus den Scheinwerfern noch nicht erreichen kann.

Plötzlich quietschen die Reifen. Ein unangenehm schrilles Geräusch. Unwillkürlich erschrecke ich. Das Auto wird mit unwiderstehlicher Gewalt nach rechts getrieben. Schon fahre ich auf der Gegenspur. Ich drehe das Steuer nach links. Mir ist, als befände ich mich in einer Kurve. Aber die Straße ist doch noch immer kerzengerade!

Ich kann das Unheil nicht aufhalten. Die Räder des kleinen, klapprigen Morris geraten auf den Randstreifen. Dreck spritzt auf. Dann gibt es einen scharfen Ruck. Die Räder können sich auf dem lockeren Untergrund nicht mehr halten. Der Wagen wird von der unsichtbaren Kraft von der Straße getragen und rumpelt über holprigen Ackerboden. Erst nach fünfzig Yards gelingt es mir endlich, ihn zum Stehen zu bringen.

Ich atme ein paarmal tief durch. Dann blicke ich über die Schulter. Ich weiß jetzt, was geschehen ist, und muss lachen.

„Ihr Bösewichter wollt mich wohl reinlegen? Sträubt euch nur. Es entspricht eurer Natur, und ihr kommt nicht dagegen an. Aber ihr wisst dennoch, dass sich Mark Tate nicht aufhalten lässt!“

Ich hole mit dem Arm aus und schlage kräftig gegen die Tür. Nur so lässt sie sich bei diesem alten Fahrzeug öffnen.

Langsam steige ich aus. Das Licht der Scheinwerfer sticht über ebenes Gelände und verliert sich in der Ferne. Die Gegend ist einsam. Nirgendwo scheint sich eine menschliche Ansiedlung zu befinden, denn nirgendwo sieht man den Schein von Lampen.

Ich blicke nach hinten. Natürlich ist die Strecke nicht kerzengerade. Der Wald weicht plötzlich zurück und zwingt die Straße zu einer erst sanften, dann immer steiler ansteigenden Kurve, die mich hinaus bugsiert hat.

Ich bin einer Täuschung zum Opfer gefallen.

„Gebt euch nicht so viel Mühe“, rufe ich spöttisch. „Allmählich müsstet ihr wissen, dass so etwas keinen Eindruck auf mich macht.“

Der Himmel ist völlig wolkenlos. Trotzdem zuckt plötzlich, wie als Antwort auf meine Worte, ein mächtiger Blitz nieder. Er verfehlt mich, und ich spüre nur einen Teil der Elektrizität in meinen Beinen kribbeln, als sich die Energie in den obersten Bodenschichten verteilt.

Donner rollt über mich hinweg. Ich schaue empor. Nichts ist zu sehen. Die nackten Sterne glitzern kalt wie Hexenaugen. Unvermittelt rieselt eisiger Regen in mein Gesicht. Ich habe fast den Eindruck, die kalten Augen weinen.

Aber ich lasse mich nicht beeindrucken und umrunde meinen Carlos.

Der Regen hört auf. Mein Wagen ist nicht viel mehr beschädigt, als er es schon vor dem unfreiwilligen Verlassen der Straße gewesen war. Ich setze mich hinter das Steuer und lasse den Motor an, den ich bei dem Manöver abgewürgt habe. Nur zögernd kommt er. Brummend überträgt er seine Kraft auf die Räder.

Für einen Augenblick sieht es so aus, als schaffe es der Wagen, sich von dem lockeren Untergrund zu befreien. Dann aber fressen sich die Räder nur noch tiefer in den Ackerboden. Erdkrumen spritzen auf. Der Wagen hoppelt etwas. Mehr geschieht nicht.

Ich kupple aus und blicke durch die offene Tür. In der Finsternis ist kaum etwas zu erkennen - nur so viel, dass es wohl keinen Zweck haben wird, es weiter zu versuchen. Dennoch gebe ich nicht so schnell auf. Ich schalte in den ersten Gang. Wieder mahlen die Räder. Ich bremse, schalte um, gebe Gas.

Beim zweiten Mal sieht es fast so aus, als könnte ich es schaffen. Doch dann graben sich die Räder sogar noch tiefer ein. Das Fahrzeug versinkt bis zu den Achsen.

Ich unterdrücke einen deftigen Fluch und steige aus. Leichter Zorn erfüllt mich, als ich mir die Bescherung ansehe.

„Das habt ihr ja fein gemacht“, murmele ich.

Ich brauche nicht laut zu reden. Meine Freunde verstehen mich auch so.

„Es wird euch nichts nutzen. Nach meiner Berechnung dürfte es nicht mehr weit sein. Ich kann den Weg durchaus auch zu Fuß zurücklegen. Bis ein Uhr muss es zu schaffen sein. Ihr habt einen Fehler gemacht. Dadurch, dass ihr alles verzögert, wird es für euch nur noch schlimmer.“

Plötzlich höre ich hinter mir einen Dieselmotor tuckern. Ich fahre herum. Ein Lächeln umspielt meine Mundwinkel, als ich es sehe. Man hat mich erhört.

Da steht ein Traktor, wie aus dem Nichts entstanden. Nun, vielleicht ist er das tatsächlich: aus dem Nichts entstanden?

Auf dem Bock kauert eine Gestalt. Es ist zu dunkel, als dass ich sie erkennen könnte. Die Gestalt hat einen weiten Mantel mit einer Kapuze an, die ihr Gesicht beschattet. Die Ärmel sind lang und verdecken die Hände, die sich um das Lenkrad des Traktors krallen.

Ich trete einen Schritt näher.