General Bierbein hängt sich für Sie rein - Ole Wolf - E-Book

General Bierbein hängt sich für Sie rein E-Book

Ole Wolf

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Beschreibung

Mit seinen Erlebnissen puzzelt General Bierbein einen Spiegel der geistigen Lage der Nation, Psychogramme von Kultur und Unkultur. Ein Panorama, das uns allzu vertraut ist. Bierbeins Erfahrungen sind ein Kompendium deutscher Gegenwart. Er ist ein Moralist, der sich der gegenwärtigen Sitten und Haltungen brutal erwehrt oder sich ihnen maßlos hingibt. Dabei entdeckt der General die eine oder andere Wahrheit über das Leben, die Gesellschaft, den Menschen. Das alles in kürzesten Prosaszenen, die den Zeitgeist an vielen Fronten aufmischen. Leichte literarische Miniaturen für zwischendurch. Dieses Buch gehört zum Gesamtwerk von Ole Wolf, das als Sammelband mit dem Titel "Du musst dein Leben steigern" gebündelt erhältlich ist.

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Mit seinen Erlebnissen puzzelt General Bierbein einen Spiegel der geistigen Lage der Nation, Psychogramme von Kultur und Unkultur. Ein Panorama, das uns allzu vertraut ist. Bierbeins Erfahrungen sind ein Kompendium deutscher Gegenwart.

Er ist ein Moralist, der sich der gegenwärtigen Sitten und Haltungen brutal erwehrt oder sich ihnen maßlos hingibt. Dabei entdeckt der General die eine oder andere Wahrheit über das Leben, die Gesellschaft, den Menschen.

Das alles in kürzesten Prosaszenen, die den Zeitgeist an vielen Fronten aufmischen. Leichte literarische Miniaturen für zwischendurch.

Sprache und Geist – General Bierbein wollte seinen Horizont erweitern, indem er eine neue Sprache erlernte, und stellte danach fest, dass er nur den Personenkreis erweitert hatte, dem er seine Beschränktheit offenbaren konnte.

Abbügeln – Nach General Bierbeins Ausführungen meldete sich ein Kritiker. Bierbein hielt ihn für einen Idioten, wollte nicht über die Sache diskutieren und antwortete lächelnd: „Ja, stimmt, das habe ich schlecht kommuniziert.“

Angriffe von beiden Seiten – General Bierbein redete von der Zukunft. Im Publikum regte sich einer auf, der das neutral Prophezeite für schlecht hielt: „Da Sie es nicht kritisieren, unterstützen Sie es!“ Ein anderer, der das Vorgestellte für gut hielt, regte sich ebenfalls auf: „Da Sie es nicht unterstützen, kritisieren Sie es!“ Der General dachte: „Wenn ich eine Meinung habe, dreht man mir daraus einen Strick. Habe ich keine, sind es zwei.“

Entschuldigungen – Menschen entschuldigten sich bei General Bierbein für alles, außer für das, was sie ihm antaten.

Vergebung des Nichts – „Sorry, tut mir leid, war keine Absicht“, stürzte der aufgelöste Freund auf General Bierbein zu, „war nicht böse gemeint!“ Der General wusste nicht, worum es ging, war sich keines durch seinen Kumpel erlittenen Schmerzes bewusst. Nach zehn Sekunden aufrichtiger Reue-Litanei schwanden Bierbeins Kräfte zur Abwiegelung rapide. Letztlich fand er die Entschuldigung angebracht und vergab seinem Freund.

Neoliberaler Ortswechsel – „Geh doch woanders hin, wenn es dir hier nicht passt!“, rief man General Bierbein zu, als er etwas verbessern wollte. Und er ging und bemerkte, dass es woanders genauso übel war. Weil alle immer gleich woanders hingingen, wenn ihnen was nicht passte.

Gesundheit – General Bierbein verkündete: „Die Gesundheit ist das wichtigste, höchste Gut!“ Die Menge stimmte zu, einer wandte sich ab. Er war unheilbar krank und gedemütigt, da er den Eindruck gewann, sein Leben könne nicht gelingen. Bisher war es ihm, wenn auch beschwerlich, annehmbar erschienen.

Letzte Handlung – Als General Bierbein erfuhr, dass am nächsten Tag die Welt untergeht, legte er sich schlafen und wartete, auf einen Traum.

Losprügeln – General Bierbein bekam eins in die Fresse und wollte sich rächen, kündigte vergeltende Abrechnung an. Dafür erntete er Verachtung vonseiten seiner Freunde. Bierbein grollte und führte bei kommenden Gelegenheiten selbst den Erstschlag aus, ohne viel Aufhebens davon zu machen.

Kündigung – Eine Freundin erzählte General Bierbein eine Begebenheit von einer unbefristet Festangestellten Anfang zwanzig, die ihren ersten Job antrat. Sie sollte nach einem Jahr wegen als schlecht empfundener Leistung möglichst zackig gekündigt werden, und weil das für den Chef juristisch schwer durchzusetzen war und sie Widerstand leistete, begann er mit bewährtem Psychodruck, der zu einer langen Krankmeldung ihrerseits eskalierte. Die Freundin des Generals war so sehr um die Gesundheit der jungen Frau besorgt, dass sie über echte Lösungen nachdachte: Statt sich in der trügerischen Sicherheit zu wiegen, länger als ein Jahr dort arbeiten zu dürfen, um dann brutal plötzlich die Fragilität der eigenen Stellung zu erfahren, sei es doch besser, von vorn herein zu wissen: Mein Arbeitsplatz ist befristet, ich rechne damit, dass alles nach Ablauf endet. So könne man sich auf den Rauswurf viel früher innerlich vorbereiten und besser damit arrangieren. Man falle nicht, wie jetzt das arme Ding, aus allen Wolken … „sondern liegt von Anfang an am Boden, das nimmt die Fallhöhe“, spann Bierbein den Gedanken fort und taumelte etwas benommen davon. Für das Arbeitnehmer-Recht auf planbare Unsicherheit wollte er sich von da an einsetzen.

Kennen und lieben – „Kennst du sie?“, wurde General Bierbein zu seiner neuen Freundin gefragt. „‘Kennen‘ ist übertrieben“, antwortete er, „aber ich liebe sie.“ Hat je ein Mensch zuvor so geantwortet? Man glaubt zu kennen, wen man liebt, und glaubt, kennen zu müssen, um zu lieben.

Halte dich gerade – Den Plan, authentisch zu sein, gab General Bierbein nach der Lektüre entsprechender Ratgeberbücher wieder auf, weil er sich nicht verbiegen wollte.

Fremd im eigenen Verein – General Bierbein trat probeweise vielen Parteien und anderen politischen Organisationen bei und fragte sich früher oder später immer: „Bin ich eigentlich einer von uns?“

Gewiss – General Bierbein wurde für sein ständiges Selbstlob kritisiert. „Bei Komplimenten, die ich mir selber mache, weiß ich wenigstens, ob sie aufrichtig gemeint sind“, erwiderte der General schnippisch.

Gute Wünsche zur Heirat – General Bierbein wünschte einem befreundeten Paar zur Hochzeit auf seiner Karte eine gute Zukunft, indem er mit den Worten schloss: „Möge eure Ehe zu der dauerhaften Hälfte gehören.“

Spielraum für Altruismus – General Bierbein wurde als Egoist beschimpft. „Ich denke so viel an mich, dass ich auch dann viel mehr als andere an andere denke, wenn ich viel weniger an andere denke als an mich“, entgegnete er kühl.

Krisenkommunikation in Konzernen – General Bierbein sprach über seine Erfahrungen mit der inneren Krisenkommunikation in Konzernen: „Sie ist ein vertikales Meer. Wenn unten ein Tsunami ist, kommt oben ein Wellchen an. Kommt von oben ein Wellchen, wird es unten zum Tsunami.“

Es geht uns zu gut – Nachdem General Bierbein sich in einer öffentlichen Debatte beschwert hatte, dass er sehr wenig Geld bekomme, was ungerecht sei, antwortete ihm ein Reicher, dass er zufrieden sein solle, da es den Leuten woanders noch wesentlich schlechter gehe. Danach forderte der Reiche mehr Geld für sich und wetterte gegen die Neidgesellschaft. Der General verschwand im Applaus des Publikums zur Tür hinaus, an den vielen Mittelklassewagen draußen auf dem Parkplatz vorbei. Er ging ein Stück und traf auf einen ramponierten Mann, der auf der Straße hinter einem Bettelbecher kauerte. Bierbein wusste, was zu tun ist: „Bevor Sie Forderungen stellen dürfen, müssen Sie mir erst einmal beweisen, dass Sie der ärmste Mensch des Planeten sind.“

Kulturelles Bedürfnis – Ein Kleinbürger verspürte „intellektuellen Hunger“. „Das mag das Schicksal großer Werke sein“, kommentierte General Bierbein. „Sie dienen den engen Seelen als ‚geistige Nahrung‘, ob nun leicht verdaulich oder schwer im Magen.“

Abwechslung statt Ausgewogenheit und Wahrheit – General Bierbein prangerte einen Schurken an, zählte gewissenhaft seine Missetaten auf, blieb dabei fair, verschaffte sich aber deutlich Gehör. Nach einiger Zeit gierten seine Zuhörer nach dem Gegenteil, nach allem, was zugunsten des Schurken vorlag oder wenigstens behauptet wurde. Der General war seit vielen Jahren ein stadtbekannter Wohltäter. Er wusste nun: „Für die Öffentlichkeit ist jede einzelne meiner zahlreichen großen, bisher verborgenen Schwächen ein Leckerbissen, über die ich eines Tages stolpern kann“, und begann, um sich zu schützen, mit kleinen, harmlosen Fehltritten, die er anschließend publik machte.

Asketen – Um seine ganze Verachtung für Asketen zum Ausdruck zu bringen, schimpfte General Bierbein: „Die haben sich zügellos der Enthaltsamkeit hingegeben!“

Wissensmehrung – General Bierbein konnte sich viele Fakten leicht merken, weil er sonst nichts im Kopf hatte.

Schlimme Jugend – Eine Lehrerin beschwerte sich bei Schüler Bierbein: „Ich habe dir doch gesagt, dass du deine Hausaufgaben machen sollst!“, woraufhin der spätere General fragte: „Sie springen wohl auch von einer Brücke, wenn Ihnen jemand das sagt?!“ Als Jugendlicher galt General Bierbein wegen solcher und anderer Repliken bei den Erwachsenen als altkluge Nervensäge, und seine Meinung wurde oft ohne weitere Argumente zur Sache als Kinderei abgetan. Er stellte den Erwachsenen daraufhin die Frage: „Wie grau und dünn muss mein Haar, wie dick mein Bauch und wie alt ich werden, um selber denken zu dürfen?“ Von da an galt er zudem als vorlaut, anmaßend und überheblich.

Eizellen einfrieren – Eine Kollegin von General Bierbein ließ sich auf Kosten ihres Arbeitgebers die Eizellen einfrieren, wofür sie von einer Linken kritisiert wurde. Ein Rechter hingegen belobigte sie uneingeschränkt für diesen Schritt. Bierbein dachte: „Die Krankheit der Linken ist es, dass sie eine für den Menschen gute Sache nicht gutheißen können, wenn sie zugleich für Kapitalisten und den Kapitalismus gut ist. Die Krankheit der Rechten ist es, sie nur dann zu befürworten.“

Meisterdenker – Das war ein Ziel von General Bierbein: groß rauskommen, berechtigterweise als Star am Himmel der vergangenen geistigen Neuerer geführt – aber zum Unverständnis der Nachfahren, da die gigantischen Umwälzungen, denen sein Name in pathetischen Vorträgen zugeschrieben wird, die Spätgeborenen von weiter Ferne her kaum anwehen und ihre Größe nur schemenhaft zeigen können. Denn seine Ideen sind längst selbstverständlich geworden. Klassiker sein und als banal empfunden werden, dann hätte es der General geschafft.

Medizin –