General Bierbein superkompensiert - Ole Wolf - E-Book

General Bierbein superkompensiert E-Book

Ole Wolf

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Beschreibung

General Bierbein ist ein Zeitgenosse im besten Sinne, er teilt unser Schicksal: Der General führt die Kämpfe, die man kennt, und hört das Gerede, mit dem sich viele herumschlagen müssen. Bierbein ist ein wandelnder Kommentar zur Pflege der Urteilskraft, ein Experte für Bella Figura, der strauchelt, aber niemals fällt. Ein äußerst fragwürdiges Vorbild für uns alle. Dieses Buch gehört zum Gesamtwerk von Ole Wolf, das als Sammelband mit dem Titel "Du musst dein Leben steigern" gebündelt erhältlich ist.

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General Bierbein ist ein Zeitgenosse im besten Sinne, er teilt unser Schicksal: Der General führt die Kämpfe, die man kennt, und hört das Gerede, mit dem sich viele herumschlagen müssen.

Bierbein ist ein wandelnder Kommentar zur Pflege der Urteilskraft, ein Experte für Bella Figura, der strauchelt, aber niemals fällt. Ein äußerst fragwürdiges Vorbild für uns alle.

Schenken als Rache – Dafür, dass jemand ihn durch ein Geschenk zur Dankbarkeit zwang, rächte sich General Bierbein immer. Zur Not mit einer größeren Gegengabe.

Meinungen kleiden – General Bierbein gewandete sich so lange in allgemeine, öffentliche Meinungen – Kleider machen Leute –, bis er genügend Ansehen erworben hatte, um sich eigene, auch exotische Meinungen umbinden zu können, da nun umgekehrt galt: Der Träger macht die Tracht.

Freund und Feind – Ein Freund von General Bierbein beteuerte, dass er nicht mehr nach dem Freund-Feind-Schema dachte. Bierbein schlussfolgerte: „Als Freund kann ich mich nicht mehr auf ihn verlassen und als potenzieller neuer Feind muss ich ihn nicht fürchten.“

Große Erzählungen – Einen großen welthistorischen Bogen spannend, erzählte General Bierbein jahrzehntelang beharrlich und leidenschaftlich, dass die Zeit der großen Erzählungen vorbei war.

Eigenanteil – Für General Bierbeins praktisches Leben in einer komplexen, wissensreichen Gesellschaft bedeutete Klugheit zunächst, zu erkennen, an welcher Stelle er selbst zu forschen und zu denken hatte und an welcher er wem vertrauen konnte oder musste.

Innere Stärke – Je weniger General Bierbein vor den anderen galt, desto mehr musste er vor sich selbst gelten.

An seine Zeit gekettet – Mit dem Zeitgeist zu hadern und ihm alternativlos ausgesetzt zu sein, war eine Selbsterkenntnis General Bierbeins, aus der er keine sinnvollen Schlüsse ziehen konnte.

Ethischer Konsum – General Bierbein war es zu anstrengend und zeitraubend, sich für seine ethischen Überzeugungen zu engagieren. Er beschränkte sich darum auf oberflächlich ethischen Konsum, der sein Gewissen ohnehin am schnellsten und günstigsten ruhigstellte, ihn in Gesellschaft renommieren ließ und stolz machte.

Liebe zur Natur – Für General Bierbein war jener Naturschutz, der nicht Menschen- oder Tierschutz war oder ästhetischem Empfinden entsprang, überteuerter, beliebiger Aktivismus im Tarn-Anzug letztbegründeter Metaphysik. „Der Natur ist unser Naturideal wahrscheinlich egal“, meinte Bierbein. „Und falls es ihr nicht egal ist, dann ist es mir egal, was sie darüber denkt.“

Geistige Trägheit der Masse – Sobald General Bierbein Anhänger hatte, zog er seine Positionen nicht mehr abrupt und radikal in Zweifel, weil er wusste, dass sie ihm die Zurückweisung ihrer Liebe und Bloßstellung ihres Verstandes nie verzeihen würden.

Menschliche Natur – Folgende Rückfragen richtete General Bierbein an alle, die glaubten, dass es eine Natur des Menschen gibt, der die Menschen zu entsprechen haben: Woher willst du wissen, dass es diese Natur gibt? Woher willst du wissen, dass es genau eine Natur für alle Menschen gibt und nicht etwa mehrere, viele, vielleicht so viele, wie es Menschen gibt? Woher willst du wissen, dass die Natur des Menschen unveränderbar ist oder jedenfalls durch uns nicht verändert werden kann? Woher willst du wissen, dass es abzulehnen ist, gegen die menschliche Natur zu leben? Für „Natur“ setzte der General, je nach Gesprächspartner, auch andere Wörter ein, etwa „Gott“ oder „Vernunft“. Die Leute hatten nie überzeugende Antworten auf diese Fragen. Waren sie ungebildet, aus Dummheit. Waren sie gebildet, aus Klugheit.

Nachlassen – Je geringer General Bierbeins Ambitionen und sein Vertrauen in seine Fähigkeiten wurden, ohne seinen Unmut zu erregen, desto größer erschienen ihm die Erfolge der Konkurrenten und desto stärker konnte er sie bewundern.

Ideologischer Gehorsam – Von seinen Anhängern verlangte General Bierbein unbedingten Gehorsam in den Grundfesten seiner Ideologie, und sobald er bei einem feststellte, dass er nur mehr bedingten leistete, dass er im Fundament differenzierte, Zuspruch selektierte, das Für und Wider ernsthaft abwog und die Entwicklungen kritisch begleitete, unternahm der General alles, um ihn zu vergraulen oder zu verstoßen und zum entschiedenen, pauschalen Gegner zu machen, weil Bierbein meinte, dass innere Zersetzung weit gefährlicher ist als ein äußerer Angriff in Bausch und Bogen.

Postmoderne Beliebigkeit – Seine postmoderne Beliebigkeit bekämpfte General Bierbein mit postmoderner Beliebigkeit: „Auch die Beliebigkeit ist beliebig!“ In des Generals geistiger Entwicklung vollendete sich die postmoderne Beliebigkeit, indem sie in ihren eigenen Strudel geriet, sich selbst hinab zog und ihr vergleichgültigendes Treiben beendete, damit – dem starken, guten Leben verpflichtet – neu gebaut, aber auch der Strudel kontrolliert in Gang gesetzt werden konnte, wenn wieder Erstarrung drohte.

Kampf der Zivilisierten – In Friedenszeiten kämpfte General Bierbein mit der Waffe der Zivilisation: das Publikum und idealerweise den Gegner selbst davon überzeugen, dass dieser schuldig ist. Sobald er sich dann aus Einsicht oder auf äußeren Druck hin entschuldigte, hatte der General gewonnen.

Lektürequalität – General Bierbeins Erfahrung als Leser: Manche Bäume muss man zu lange schütteln, bis eine reife Frucht herunterfällt.

Der feige Gute – General Bierbein war ein ordinärer Kerl, der sich aber häufig nicht traute. Man nannte ihn einen feinen Menschen.

Niveau – General Bierbein war stets so höflich, das von seinem Gegenüber vorgeschlagene Niveau akribisch einzuhalten.

Das eigene Bild nach dem Tod – Nach seinem Tod rankten sich um General Bierbein zahlreiche wilde Legenden. So wurde er zu einer Marionette der Lebenden.

Kunst der demokratischen Regierungsbildung – General Bierbeins Maßstab für Koalitionsverhandlungen: Jede Partei definiert vorab, bei welchen Themen notwendig Schritte in ihre Richtung gegangen werden müssen – wie groß und zahlreich diese „Fortschritte“ auch ausfallen mögen –, bei welchen Themen Stillstand tolerierbar und bei welchen sie bereit wäre, kleine Rückschritte hinzunehmen, um woanders etwas Wichtiges zu erreichen. Die ersten Themen und Richtungen müssen die Wähler vor der Wahl kennen, die letzten hinterher erkennen.

Für Demokratie ungeeignet – General Bierbein taugte deshalb nicht für die Demokratie, weil er sich zu lange zu viel bieten ließ und dann plötzlich, von heute auf morgen, gar nichts mehr.

Mein Kind, der Engel – „Mein Sohn macht so etwas nicht!“, beharrte eine Mutter, als ihrem Spross vorgeworfen wurde, gemeinsam mit anderen Brutalos einen Mitschüler verprügelt zu haben. „Und wenn doch, dann wurde er angestiftet!“ „Manche Eltern wollen ihren Nachwuchs so dringend gut und rein erstrahlen sehen, dass sie in Kauf nehmen, ihn öffentlich als mickrigen, mitlaufenden Schwächling hinzustellen“, dachte General Bierbein.

Früh und spät ist kurze Zeit viel – In zwei Phasen seines Lebens bedeuteten wenige Jahre einen großen Unterschied für General Bierbein: als Junge und als alter Mann.

Trost des abgelehnten Aufstiegs – Verpasste Karriere-Chancen – so sehr ihre unerreichte Schönheit sein trauriges Echtleben auch entwerteten – konnten General Bierbeins Ego trösten, weil seine Phantasie die für ihn hochrealistischen Alternativen in den schillerndsten Farben malen und er sich vorstellen konnte: „Das hätte ich auch haben können, ich bin genauso gut wie alle, die das erreichten.“

Der große Geschlagene – General Bierbein ertrug es nicht, wenn jemand in seiner Gegenwart einen anderen General lobte, es sei denn, Bierbein hatte ihn einmal besiegt. Dann begann er sogar selbst damit, den Unterlegenen zu preisen, bevor er die Details des erfolgreichen Kampfes gegen ihn berichtete.

Hitler-Zitate – Um wohlfeile Aufrufe zu Authentizität und Selbstakzeptanz zu entlarven, stellte General Bierbein sie sich als Zitat von Adolf Hitler vor: „Ich bin ok, du bist ok.“ „Sei so, wie du bist.“ „Entfalte deine Individualität.“ „Alles, was in dir ist, darf da sein.“

Immer er selbst – Ein Freund von General Bierbein konnte gefahrlos so sein, wie er wirklich war. Niemand verabscheute ihn für sein wahres Selbst. Unbekümmert, arglos, ohne Hemmungen öffnete er weit die Tür zu seinem Inneren. Dort stand ein Reihenhaus.

Bröckelnde Herrenmoral – Nachdem General Bierbein sich über die Weltausbeutung und die Kriegspolitik des reichen Landes, in dem er lebte, aufgeklärt hatte, bekam er ein schlechtes Gewissen und zweifelte zunehmend daran, dass er die Grenzen zwischen sich und den Ausländern so eng ziehen durfte wie zuvor, ja, schließlich sogar daran, dass es weiterhin erlaubt ist, solche Horizonte der Zugehörigkeit zur eigenen Gruppe überhaupt noch festzulegen. Auf dem Höhepunkt dieser moralischen Schwäche forderte der General eine unterschiedslose globale Ausdehnung der Verantwortung des reichen Landes und plädierte dafür, die Notleidenden anderer Länder bereitwillig unlimitiert aufzunehmen. Später besann er sich und definierte mehrere Ringe von Wir-Gefühlszonen, in denen jeweils verschiedene Maße und Formen der Solidarität gelten, die das fluchtverursachende Elend ausmerzen, somit auch allzu große Migrationen und den finanziellen wie kulturellen Ruin des Kern-Wir verhindern.

Sei dümmer, wenn du zur Menge sprichst – General Bierbein war philosophisch intelligenter, als seine politischen Überzeugungsreden vermuten ließen.

Sinnloser Job