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Maria hatte der vaterlos aufgewachsene Pallottiner-Novize Joseph Kentenich immer schon leidenschaftlich geliebt. Ihr verdankte er nach eigenem Bekunden die Kehrtwende in seinem Leben: den Mut, sich von Gott geliebt zu wissen, eine von menschlicher Wärme geprägte Religiosität und die Offenheit für andere Menschen. Sein Werk enthält Sprengstoff und stellt eine auf Lebensgenuss, Lust und Konsum fixierte Gesellschaft ebenso in Frage wie ein verbürgertes, angepasstes Christentum.
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Seitenzahl: 191
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Christian Feldmann
Gottes sanfter Rebell
Christian Feldmann
Joseph Kentenichund seine Vision von einer neuen Welt
© by Patris Verlag GmbH, zweite verbesserte Auflage 2012Vallendar-Schönstatt, www.patris-verlag.de
Umschlaggestaltung:
Kluck, Höhr-Grenzhausen
Bearbeitung der Fotos:
Thomas Zehnder, Atelier Hostrup, Stuttgart
Hildegard Hug, Vallendar
Alle Rechte vorbehalten.eISBN 978-3-87620-402-4
Einführung
I DIE KRISE:Eine Idee von Gott kann man nicht lieben
Breschnew und die Himmelfahrtsprozession
Die Madonna und der kleine Ausreißer
Eine „Bürgerinitiative“ von Missionaren
Beinahe hätte man ihn nicht zum Priester geweiht
„Selbstvernichtung“ als Programm und die große Krise
„Wir sind Hungerkünstler auf dem Gebiet der Liebe“
Der Glaube muss im Herzen wurzeln
II DIE IDEE:Ein „Liebesbündnis“ soll die Herzen verwandeln
Lateinstunden und Zuchthausgottesdienste
„Wir müssen freie Charaktere sein!“
Eine Schülergruppe und eine langweilige Predigt
III DAS WERK:In „kleinster Kleinarbeit“ den neuen Menschen formen
Eine blutjunge „wunderbare Mutter“
„Wir brauchen neue Heilige!“
Begeisterte Arbeit als Medizin
„Nicht ängstlich, aber vernünftig“: Pater Kentenich und die Frauen
IV DER TRAUM:Eine neue Zeit braucht neue Formen von Kirche
„Werktagsheiligkeit“: Gott im ganz normalen Leben finden
Ein neues Bild von Kirche
„Oasen“ als Vorgriff auf die neue Welt
V DER MENSCH:Vor Gott gibt es nur Geschwister
Wie man den KZ-Bunker übersteht
Er bluffte, ohne rot zu werden
„Auf einmal war er ein junger Mann“
Ein Weihnachtsmann in Milwaukee
Lernfähiger Menschenführer
VI DIE VISION:Das Christentum als Seele einer neuen Weltkultur
„Eine alte Welt ist am Verbrennen“
Mutig die äußeren Bastionen schleifen
„Ich bin Gottes Lieblingsbeschäftigung“
Glaube verlangt den „Todessprung“
Bankersprache am Heiligtum – und die Poesie eines Verliebten
Maria, Gottes „konkretes Du“
VII DIE PRÜFUNG:Wie man die Hölle von Dachau zum Himmel macht
Gründungen wie am Fließband
„Hitler kann man nicht taufen“
„Ich will mich nicht drücken“
KZ-Häftling Nummer 29392
Ein Stück Menschenwürde in der Hölle
Die „Schönstatt-Internationale“: „Unser Herz gehört allen Nationen“
Eine Torte voller Briefe und ein Gedicht mit 5870 Strophen
VIII DAS EXIL:Verbannt, weil unverstanden
Gott und der amerikanische Kapitalismus
„Ich will die Bischöfe reizen!“
Das Verbannungsurteil stand schon fest
„Als habe er Gott selbst erlebt“
„Ohne das Konzil wären Sie nie verstanden worden!“
Kirche in der „Pubertätskrise“
IX DAS ERBE:Hundert kleine „Schönstatts“, um Kirche und Welt zu retten
Die Sehnsucht nach dem Unendlichen
Ich bin kein Schönstätter.
Als ich Bücher über spirituelle Leitfiguren unserer Zeit schrieb, Frère Roger und Madeleine Delbrêl, Edith Stein oder Papst Johannes Paul II., stieß ich zwar immer wieder einmal auf Pater Kentenich, aber er hat mich nicht sonderlich interessiert.
Ein liebenswürdiger alter Mann mit einem mächtigen weißen Bart, einer schrecklich altmodischen Sprache und merkwürdigen Vorstellungen: Maria als „amtliche Schlangenzertreterin“, der man ein „Gnadenkapital“ aus Gebeten und frommen Werken zur Verfügung stellen soll, damit sie in einem Kapellchen am Rhein „ihren Thron aufschlägt“ und von hier aus die aus der Bahn geratene Welt wieder in die Balance bringt. Was sollte man heute damit anfangen?
Dann versuchte mich Pater Rudolf Ammann vom Patris Verlag für eine Biographie des Schönstatt-Gründers zu begeistern. Um mit einer überzeugenden Begründung ablehnen zu können, befasste ich mich zum ersten Mal näher mit Joseph Kentenich – und war zunehmend fasziniert.
Ich begegnete einem leidenschaftlich in den guten Gott und gleichzeitig in alle verzweifelten, enttäuschten, um sich selbst kreisenden Menschen verliebten Priester, der die müde Hoffnungslosigkeit der zeitgenössischen Christenheit einfach mit seiner stürmischen Begeisterung überrollte. Der sich nicht mit zaghaften Plänen für heute zufrieden gab, sondern gleich vom „Übermorgen“ träumte, von einer wieder jung gewordenen Kirche mit strahlendem Gesicht, von einem neuen Menschen und einer gerechten, friedlichen Weltgesellschaft.
Wie gelang es diesem nicht sehr robusten Priester, KZ und Dunkelhaft, die demütigende Verbannung durch römische Behörden und vierzehn Jahre im Exil ohne Verbitterung zu überstehen und immer nur lächelnd vom „Vorsehungsglauben“ zu reden? Wo nahm dieser alte Mann seine Kraft her?
Dies ist die atemberaubende Liebesgeschichte zwischen Gott und dem Menschen Joseph Kentenich.
„Von jetzt ab vergiss mich!“
Das Leben des Priesters Kentenich, der vielen als Paradebeispiel eines modernen Heiligen gilt, begann mit einem ganz alltäglichen Skandal: Sein Vater ließ die Mutter sitzen, als sie schwanger geworden war. Nach den spärlichen Überlieferungen ist er kein übler Zeitgenosse gewesen, Kleinbauer, Bienenzüchter, Gemeinderat und von solidem Lebenswandel: Im Wirtshaus trank er jedes Mal nur ein Gläschen Schnaps, und pünktlich um neun Uhr abends machte er sich auf den Heimweg.
Doch heiraten wollte Matthias Joseph Koep (44) die ebenfalls aus dem Kleineleutemilieu stammende Katharina Kentenich (22) nicht; vielleicht fühlte er sich – für damalige Begriffe – auch schon zu alt für eine Ehe. Katharina gab dem am 18. November 1885 im rheinischen Gymnich geborenen Söhnchen zwar in einer zärtlichen Anwandlung den zweiten Vornamen des feigen Herrn Papa, schlug sich aber tapfer alleine durch, als Haushaltshilfe in der Kölner Gegend und in Straßburg. Um den kleinen Peter Joseph kümmerten sich derweil ihre Eltern: herzensgute Leute, die zu ihren sechs eigenen Kindern ein bettelarmes Mädchen adoptiert hatten. Der Großvater starb allerdings, als Joseph erst drei Jahre alt war.
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