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Die Harzregion hat in der Vergangenheit zahlreiche Persönlichkeiten hervorgebracht, die Besonderes oder sogar Außergewöhnliches geleistet haben. Andere Menschen haben den Harz als ihre Heimat auserkoren und hier, mittels ihrer Schaffenskraft, Bleibendes hinterlassen. Diese Menschen möchte ich mit meinem Werk vor dem Vergessen bewahren: Sie haben es verdient. Im vierten Band sind folgende Persönlichkeiten vertreten: Thomas Müntzer, Gerhard Zucker, Johann Georg von Langen, Anna Wohlwill, Christa Johannsen, Hans Dietrich von Zanthier, Juliana Gräfin zu Stolberg, Heinrich Hauer, Fritz Nötzoldt, Theodor Löbsack, Ida Seele, Albrecht der Bär, Wilhelm und Carl Otto, Wilhelm Steuerwaldt, Gustav Ebe, Friederike von Hannover, Karl Salomon Warmholz, Paul Ernst, Wilhelm von Kügelgen, Carl Andreas Eitz, Michael Meyenburg, Friedrich Wilhelm Sporleder, Karl August Friedrich Moldenhauer, Tilman Riemenschneider. Die Lebensbilder werden durch 10 farbige und 92 schwarz-weiße zeitgenössische Abbildungen und Fotos ergänzt.
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Seitenzahl: 146
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Thomas Müntzer (1489 – 1525)
– ein Geistlicher und Bauernführer
Gerhard Zucker (1908 – 1985)
– ein Raketenpionier aus Hasselfelde
Johann Georg von Langen (1699 – 1776)
– ein Harzer Forstpionier
Anna Wohlwill (1841 – 1919)
– eine bedeutende deutsche Pädagogin
Christa Johannsen (1914 – 1981)
– eine deutsche Schriftstellerin
Hans Dietrich von Zanthier (1717 – 1778)
– ein bedeutender Harzer Forstmann
Juliana Gräfin zu Stolberg (1506 – 1580)
– die Stammmutter des Hauses Oranien
Heinrich Hauer (1763 – 1838)
– ein Pionier des Sonderschulwesens
Fritz Nötzoldt (1908 – 1987)
– ein Harzer Journalist, Autor und Schriftsteller
Theodor Löbsack (1923 – 2001)
– ein Sachbuchautor, Publizist und Journalist
Ida Seele (1825 – 1901)
– die erste Fröbelkindergärtnerin
Albrecht der Bär (um 1100 – 1170)
– der Begründer der Mark Brandenburg und des Fürstentums Anhalt
Wilhelm Otto (1871 – 1943) und Carl Otto (1875 – 1916)
– zwei Bildhauer aus Harzgerode Gastbeitrag von Julia Witt M.A.
Wilhelm Steuerwaldt (1815 – 1871)
– ein Quedlinburger Landschaftsmaler
Gustav Ebe (1834 – 1916)
– der Mitbegründer des Neostils
Friederike von Hannover (1917 – 1981)
– Königin von Griechenland
Karl Salomon Warmholz (1778 – 1853)
– Maler, Erfinder und genialer Instrumentenbauer
Paul Ernst (1866 – 1933)
– ein Schriftsteller und Journalist aus Elbingerode
Wilhelm von Kügelgen (1802 – 1867)
– ein Maler, Schriftsteller und Kammerherr
Carl Andreas Eitz (1848 – 1924)
– ein Lehrer, Entdecker und Erfinder
Michael Meyenburg (1491 – 1555)
– Reformator und Bürgermeister von Nordhausen
Friedrich Wilhelm Sporleder (1787 – 1875)
– ein Harzer Beamter und Naturforscher
Karl August Friedrich Moldenhauer (1797 – 1866)
– der Erfinder der Zündhölzer
Tilman Riemenschneider (um 1460 – 1531)
– ein genialer Bildhauer und Holzschnitzer
Alle bisherigen Lebensbilder
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
Das Ende des 15. Jahrhunderts sowie der Anfang des 16. waren in Deutschland geprägt von wirtschaftlichem Aufschwung, der aber am Volk vorbei ging. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation (HRR) zersplitterte unter den schwachen Händen der Habsburger Kaiser. Die Bauern waren das Rückgrat dieser Feudalgesellschaft und trugen den größten Teil aller Belastungen. Von deren Arbeitsleistung lebten Kaiser, Landesherren, Adel, Beamte, Patrizier sowie der Klerus und die Zahl der Nutznießer stieg ständig an. Abgaben, Steuern, Zölle und Frondienste wurden kontinuierlich erhöht, was zu einer dramatischen Verschlechterung der Lebensbedingungen beim Volk führte. Unzufriedenheit machte die Runde und führte als Resultat zu Bauernerhebungen im ganzen Reich.
In dieser Zeit wurden 1483 Martin Luther in Wittenberg und 1489 Thomas Müntzer in Stolberg geboren. Verbriefte Angaben zu Müntzers Geburt und zu seiner Familie gibt es nicht. 1506 nahm Müntzer ein Studium an der Universität Leipzig auf und trug sich als „Thomas Münczer de Quedilburck“ in die Matrikel ein. Vor seiner Immatrikulation lebte Müntzer vermutlich seit 1501 in Quedlinburg. Dies ist das erste eindeutige Datum in seiner Biografie. Es folgte ab 1512 ein weiteres Studium an der Universität Frankfurt/ Oder. Ab 1514 arbeitete er dann als Hilfslehrer in kirchlichen Diensten in Halberstadt, Aschersleben, Braunschweig sowie im Damenstift Frose. Auch hielt er sich in Wittenberg auf und lernte dort Martin Luther kennen. Zu dieser Zeit zogen Mönche im Auftrag von Klerus und Papst durch das Reich, predigten Ablass und verkauften teuer ihre Ablasszettel. Dies erzürnte Luther so sehr, dass er seine 95 Thesen verfasste und der Legende nach am 31.10.1517 an die Kirchentür von Wittenberg schlug.
Zunächst war Müntzer ein engagierter Anhänger und Bewunderer von Martin Luther. Etwa 1519 hatte er auch sein Magisterexamen als Theologe abgelegt. Im Nonnenkloster Beuditz bei Weißenfels studierte er alte theologische Schriften und war zugleich Beichtvater der Zisterzienserinnen. Aus diesen Studien, sowie aus seinen praktischen Erfahrungen, gewann Müntzer seine eigenen Anschauungen zum Christentum und der Gesellschaft. Nur wer Selbstsucht und Besitzstreben in sich überwindet, würde frei sein, um Gottes Worte zu hören: Er, Müntzer, wollte sein Wirken dieser Sache widmen. Die Argumentation Luthers von 1520, in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, bestärkte den jungen Müntzer in seiner Überzeugung.
Zeitgenössischer Stich des Thomas Müntzer um 1608
Urheber: Christoph van Sichern, Kupferstecher (um 1580 in Delft geboren)
Im Mai 1520 erhielt Müntzer die Möglichkeit, in Vertretung von Johannes Sylvius Egranus, in der Marienkirche in Zwickau zu predigen. Als Egranus zurückkehrte, wechselte Müntzer an die Katharinenkirche. Dort in Zwickau hatte Müntzer jetzt ein großes Forum, das er auch nutzte. Er hatte engen Kontakt zu Nikolaus Storch, einem führenden Mitglied der Zwickauer Propheten.
Er bekam in jenem Jahr Schwierigkeiten mit dem Orden der Franziskaner und mit seinem Kollegen Egranus. Als ihn zusätzlich der Stadtrat von Zwickau des Aufruhrs verdächtigte, wurde er 1521 aus der Stadt vertrieben. Seinen letzten Sold quittierte er stolz mit „Thomas Müntzer, qui pro veritate militat in mundo“ („Thomas Müntzer, der für die Wahrheit in der Welt kämpft“).
Dann reiste er 1521 über Thüringen nach Prag, in das Königreich Böhmen, in jenes Land, von dem 100 Jahre zuvor die „Erzketzerei“ des Jan Hus ausgegangen war. Es ist wenig über diese Reise bekannt, auf jeden Fall predigte er in zwei Kirchen, in denen zuvor auch Hus gewirkt hatte. Dort verfasste er auch das Prager Manifest.
Im November 1521 verließ er Prag. Seine nächsten Stationen waren Jena, Erfurt und Weimar. In der St.-Georgen-Kirche in Glaucha-Halle/Saale wirkte Müntzer 1522 einige Zeit als Kaplan. Im Frühjahr 1523 wurde er an der Johanniskirche im kursächsischen Allstedt Pastor. Dort heiratete er die ehemalige Nonne Ottilie von Gersen und am 27. März 1524 wurde ihnen ein Sohn geboren. In dieser Zeit arbeitete er an seiner Liturgiereform, deren Kernpunkt die Übersetzung der lateinischen Messetexte in die deutsche Sprache war.
Bereits im Jahr 1522 gab es für Müntzer ein aufrüttelndes Ereignis mit auslösendem Charakter. Luther veröffentlichte seine deutsche Übersetzung des Neuen Testaments. Auch das Volk konnte nun im Buch der Bücher lesen. Und es erkannte, dass die feudale Ordnung nicht Gottes Willen entsprach. Der Widerstand formierte sich. 1524 begannen sich im süddeutschen Sprachraum lokale Aufstände zu überregionalen Erhebungen auszuweiten. Der „Deutsche Bauernkrieg“ war losgebrochen.
Müntzer erkannte, dass ein Einvernehmen zwischen dem Volk und den tyrannischen Fürsten und Klerikern nicht abzusehen war und ein Kampf nahte. Seine Predigten wurden zunehmend aufrührerischer und gipfelten in der so genannten Fürstenpredigt. Als Folge dieser Predigt musste er vor einer Verhaftung fliehen. Aus der Flucht nach Mühlhausen wurde eine Reise über Nürnberg bis nach Basel sowie in den Schwarzwald.
Ausschnitt aus einem eigenhändigen Brief Thomas Müntzers an die Bürger von Allstedt von 15. August 1524.
Abb.: aus Georg Mentz, Handschriften der Reformationszeit, Bonn 1912, Tafel 19
Müntzer knüpfte Kontakte und sammelte Erfahrungen. Im Jahr 1525 kehrte er nach Mühlhausen/Thüringen zurück, wo er wieder eine Anstellung als Pfarrer fand. Müntzer und seine Anhänger bereiteten unermüdlich die bevorstehende, kämpferische Auseinandersetzung mit dem Adel vor. In jenen Tagen wurde auch die legendäre Regenbogenfahne geschaffen. In Nordthüringen wurden Einheiten aus den Aufständischen gebildet, die Haufen genannt wurden. Einer dieser Haufen stammte auch aus dem Harzgebiet. Diese Bauernhaufen, nach militärischen Prinzipien organisiert, zogen durch das Land und nahmen Adelssitze, Klöster und Dörfer in Besitz, was weltliche und geistliche Herren zur organisierten Gegenwehr veranlasste. Es kam zu zahlreichen militärischen Geplänkeln um Mühlhausen, Ebeleben, Heiligenstadt, Duderstadt und Worbis. Müntzer bündelte alle Kräfte und wollte das Land zwischen Thüringer Wald und Harz in die Hände der Aufständischen bringen. In diesem Sinne nutze er sein rhetorisches Talent: Sprachgewaltig peitschte er die Bauernhaufen auf.
Er, als gläubiger Christ, erhoffte die Hilfe Gottes für seine Sache, von deren Gerechtigkeit er zutiefst überzeugt war, für die er lebte und kämpfte. Die entscheidende Schlacht fand am 14. Mai 1525 nahe Frankenhausen statt. Die feindlichen Truppen von Graf Philipp von Hessen, den Herzögen Ernst und Heinrich von Braunschweig und Herzog Georg von Sachsen hatten sich schon Tage zuvor in Stellung gebracht. Dem anrückenden Bauernheer von etwa 8.000 Mann stand ein Adelsheer von gleichfalls 8.000 Mann gegenüber. Nach anfänglichen Erfolgen des Bauernheeres verschlechterte sich deren militärische Situation zusehends. Die Bauernhaufen wurden eingeschlossen und dann aufgefordert sich zu ergeben und Müntzer auszuliefern. Es fand eine Versammlung der Bauernkämpfer statt, bei der Müntzer nochmals alle Register seiner Predigerkunst zog.
Diesen Zeitpunkt der Unachtsamkeit nutzte das Fürstenheer für einen Überraschungsangriff. Es kam zu einem Gemetzel, bei dem etwa 6.000 Aufständische erschlagen wurden. Die Würfel waren gefallen, das Bauernheer war vernichtet, Müntzer überlebte jedoch. Er konnte sich verstecken und wäre fast entkommen. Zum Verhängnis wurde ihm ein Beutel mit Briefen und Schriften, der auf seine Identität hinwies. Er wurde festgenommen und an seinen Todfeind, den Grafen Ernst von Mansfeld ausgeliefert. Der ließ Müntzer in das Verlies der Wasserburg Heldrungen bringen. Zusammen mit einigen Getreuen wurde er wahrscheinlich am 27.05.1525 in Mühlhausen hingerichtet. Thomas Müntzer war tot, aber seine Visionen überdauerten die Jahrhunderte. Auch nahmen sich immer wieder Wissenschaftler, Politiker und Künstler des Lebens und Wirkens Müntzers an.
Thomas Müntzer auf dem Schlachtfeld
Abb.: Kupferstich von Christoph van Sichern um 1608
Auf Schloss Allstedt widmet sich unter dem Titel „Thomas Müntzer. Ein Knecht Gottes“ eine Dauerausstellung dem Leben und Wirken Müntzers. In Mühlhausen erinnert ein Bauernkriegsmuseum auch an ihn und die damaligen Kämpfe gegen die Feudalherrschaft; des Weiteren gibt es eine Müntzer-Gedenkstätte in der Marienkirche.
Briefmarke „Thomas-Müntzer-Ehrung der DDR" 1989,
Entwurf Gerhard Schmidt, Berlin
Die 2001 gegründete Thomas-Müntzer-Gesellschaft beschäftigt sich mit dem Leben und Werk Thomas Müntzers und dessen Verhältnis zur Reformation und dem Bauernkrieg sowie mit der Rezeptionsgeschichte.
Auch in der Kunst fand das Leben des Thomas Müntzer immer aufs Neue Widerhall: Friedrich Wolf schrieb das Theaterstück Thomas Müntzer. In der DDR kam 1956 der DEFA-Film „Thomas Müntzer – Ein Film deutscher Geschichte“ in die Kinos. 1984 wurde im Volkstheater Rostock das Theaterstück „Martin Luther & Thomas Müntzer oder die Einführung der Buchhaltung“ aufgeführt.
Ein weiterer DEFA-Film „Ich, Thomas Müntzer, Sichel Gottes“ erschien 1989.
5 Mark der DDR (1975) mit dem Porträt Thomas Müntzers
Müntzers Portrait war von 1971 bis 1990 auf den 5-Mark-Banknoten der DDR abgebildet. Die „Thomas-Müntzer-Medaille“ war die höchste Auszeichnung der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe der DDR.
Der Leipziger Maler und Kunstprofessor Werner Tübke schuf von 1976 bis 1987 bei Bad Frankenhausen das Bauernkriegspanorama, das im Gedenken an den „frühen Sozialrevolutionär“ Thomas Müntzer entstand. Mit einer Fläche von 1.722 m2 gilt dieses Panorama-Gemälde als das größte Tafelbild der Welt.
In der Harzregion hat der international bekannte Südtiroler Raketenpionier Max Valier einige seiner frühen Raketenversuche Ende der 1920er Jahre unternommen. Es waren Raketenversuche auf Schienen, die Valier hier auf der Harzer Schmalspurstrecke sowie der Braunschweig-Harzer Strecke unternahm, und die alle gut dokumentiert sind. Diese Raketenversuche machten den Harz als „Raketen-Versuchsregion“ weltweit bekannt.
Jedoch gab es auch einen Harzer, der sich der Raketentechnologie zugewandt hatte, der jedoch weitgehend unbekannt blieb. Wohl auch, weil seine diesbezüglichen Unternehmungen in Betrugsverdacht gerieten.
Gerhard Zucker als 24-jähriger im März 1932
Abb.: Archiv W. Hartmann, Halberstadt
Bei diesem Harzer Raketenpionier handelte es sich um Gerhard Zucker, der am 22. November 1908 in Hasselfelde geboren wurde. Über seine Herkunft sowie Kindheit und Jugend ist nichts bekannt. Schon als junger Mann soll er vom „Raketenvirus“ infiziert worden sein. Sein Interesse galt jedoch weniger der Raumfahrt, als vielmehr dem Problem der Postbeförderung. Diesbezüglich sind erste Versuche im Harz für das Jahr 1931 überliefert.
Danach muss Zucker nach Hamburg gegangen sein, wo er als Konstrukteur tätig gewesen sein soll, was wohl ein Studium oder eine ähnlich hochwertige Ausbildung voraussetzt. 1933 führte er im Cuxhavener Stadtteil Duhnen entsprechende Versuche durch.
Erste Erfolge mit Versuchsraketen konnte Ing. Gerhard Zucker im April 1933 bei Duhnen am Strand verzeichnen.
Abb.: links – H. Kamp, rechts – G. Zucker, Archiv Werner Hartmann, Halberstadt
Diese sollen jedoch wenig erfolgreich verlaufen sein und grenzten teilweise an Betrug, da Zucker in einer beeindruckenden Raketenhülle lediglich herkömmliche Feuerwerksraketen verwendet haben soll. Die interessierte Presse sprang jedoch auf seine Ankündigung an und schrieb: „Der Hamburger Konstrukteur Zucker hat eine gänzlich neuartige Weltraum-Rakete erfunden, die selbsttätig in gewünschter Höhe photographische Aufnahmen machen kann und zu ihrem Abschussplatz zurückkehren kann.“ Es wurde ein eindrucksvolles Foto gezeigt, auf dem Zucker neben einer – nach Pappe aussehenden – etwa 4 Meter langen, auf einem Fahrgestell montierten, Rakete stand. Wie der Raketenstart ausging ist leider nicht überliefert, weitere Starts wurden ihm jedoch in Cuxhaven untersagt.
Erster Abschuss auf dem Duhnen-Watt am 9. April 1933.
Abb.: Archiv Werner Hartmann, Halberstadt
Gerhard Zucker erklärt seine Rakete vor dem Startversuch am Strand von Duhnen bei Cuxhaven
Abb.: Ansichtskarte Heinrich Sparr, Cuxhaven, 1933/34
Zucker ging daraufhin in den Harz zurück. Dort startete er zwischen Stiege und Hasselfelde am 31.08.1933 die erste lenkbare Postrakete Deutschlands. Sie legte in 12 Sekunden 4.000 m zurück und landete dann etwa 500 m entfernt vom Dorf Stiege. Bei diesem Postraketen-Flug wurden 430 Postsendungen befördert. Zucker hatte für diese Postbeförderung eigens Raketenmarken drucken lassen: 1 Mark für die Postkarte und 3,60 Mark für den Brief. Angeblich waren seine Raketen mit Metallblechen beplankt und wiederverwendbar und sie sollen nur mit Feuerwerksraketen als Antriebbestückung ausgestattet gewesen sein.
Zucker wiederholte seine Postraketenstarts am 4. November, am 6. November sowie am 11. November 1933. Insgesamt sollen dabei über 2.000 Postsendungen befördert worden sein. Er war dem staatlichen Postmonopol wohl ein Dorn im Auge, denn das Drucken von Postwertzeichen wurde ihm danach ausdrücklich untersagt.
Ersttagsbrief für den Nacht-Raketenstart am 4.11.1933 in Hasselfelde in Richtung Hexentanzplatz-Roßtrappe mit Unterschrift von G. Zucker
Gerhard Zucker füllt einen Postsack vor dem Postraketenstart um 1934
Am 28. Januar 1934 unternahm Zucker auf dem Hexentanzplatz bei Thale einen erneuten Postraketenstart. Zu diesem Ereignis hatten sich „Vertreter der obersten Staats- und Landesbehörden sowie der Post-, Forst- und Regierungsbehörden“ als Beobachter angesagt. „Während der Startversuche fand eine Rundfunkreportage statt und die Handlungen selbst wurden getonfilmt“, wie die Quedlinburger Zeitung vom 29. Januar 1934 berichtete. Weiterhin schrieb sie: „… Inzwischen wurde eine große Rakete in Stellung gebracht, wozu das Eisenhüttenwerk Thale eine besondere Startbahn gebaut hatte. Hierauf ruhte die 740 kg Schubrakete, die 1,50 m lang und 20 cm im Durchmesser war und von einer Duraluminium-Hülle umgeben wurde. Zwei Raketen von 700 mm Länge und gefüllt mit gepresstem Schwarzpulver, gaben dem Geschoss die gewaltige Antriebskraft. Pünktlich um 16.30 Uhr bahnte sich dieses Projektil seinen Weg nach der gegenüberliegenden Roßtrappen-Seite (960 m), einen 100 m langen Feuerstreifen hinter sich lassend. Infolge des dichten Nebels war es leider nicht möglich, die Flugrichtung der Rakete zu verfolgen. Nach Angaben des Konstrukteurs hatte die große Rakete eine Anfluggeschwindigkeit von 500 - 600 Stundenkilometern, welche alsdann auf 1.200 bis 1.400 Stundenkilometer gesteigert wurde.“
Diese Postrakete erreichte jedoch ihr Ziel nicht. Einige Tage später fanden sie Schuljungen zwischen den Felsen im Bodetal und brachten sie zur Polizei. Da Gerhard Zucker in einer Thalenser Gaststätte mehr als 1.000 Raketenbriefe zu 5 Mark das Stück verkauft haben soll, unterstellten ihm die Behörden rein finanzielle Interessen und verboten ihm alle weiteren Versuche.
Gerhard Zucker verließ daraufhin Deutschland und ging nach England. Dort plante er am 31. Juni 1934 eine Postraketen-Vorführung vor hohen britischen Postvertretern, die jedoch fehlschlug. Daraufhin wurde er aus Großbritannien ausgewiesen und nach Deutschland zurückgeschickt.
Ersttagsbrief 25 Jahre Raketen-Flug mit Unterschrift von G. Zucker aus dem Jahr 1960
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs diente Zucker in der Luftwaffe. Er überstand den Krieg ohne große Verletzungen.
Nach Kriegsende siedelte Zucker von Hasselfelde in den Westharz über, wo er als Möbel- und Lebensmittelhändler selbstständig tätig war. Später zog er nach Düren in Nordrhein-Westfalen.
Seine Raketenversuche konnte er nicht unterlassen und kehrte dazu in den Harz zurück. Am 7. Mai 1964 unternahm er auf dem Hasselkopf bei Braunlage eine Raketenvorführung. Dabei kam es zu einem Unfall, der zwei Menschen das Leben kostete. Die deutschen Behörden verboten daraufhin alle weiteren privaten Raketenversuche in Deutschland. In den 1970er Jahren soll er dennoch erneut einige Starts mit Postraketen durchgeführt haben.
Gerhard Zucker verstarb am 4. Februar 1985 in Düren in Nordrhein-Westfalen.
Johann Georg von Langen wurde am 22. März 1699 auf dem thüringischen Gut Oberstedt bei Hildburghausen als Sohn des Freiherrn Johann Ludwig von Langen und seiner Ehefrau Charlotte geboren.
Von Langen war also kein gebürtiger Harzer, hat jedoch in seiner beruflichen Laufbahn viel für die Harzregion bewirkt, weshalb ich ihm hier ein Lebensbild widme.
Seine Mutter war Hofdame bei der Herzogin von Sachsen-Meiningen. Der junge Johann Georg war zunächst dort als Hof-Page tätig. Nachdem die Herzogin verstorben war, gab die Mutter ihn als ältestes Geschwisterkind an den Hof ihres Bruders, Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig-Lüneburg, nach Blankenburg am Harz.
Bereits 1716 wurde er dort als Jagd-Page bezeichnet. Der junge von Langen muss in besonderer Gunst des Herzogs gestanden haben, denn dieser sandte ihn 1719 auf eine Bildungsreise an die Höfe von Stuttgart, München und Wien sowie nach Dresden. Besonders dort vervollständigte er seine Ausbildung und sammelte viel praktisches Wissen.
Als von Langen 1721 nach Blankenburg zurückkehrte, begann er mit der Errichtung eines Tiergartens. Doch schon bald nahm er sich der Taxation und Vermessung der Harzforste an. Inzwischen war auch sein jüngerer Bruder Franz Philipp als Jagd-Page nach Blankenburg gekommen. Es begann sich ein Kreis junger Forstleute zu bilden, zu denen auch von Lasberg, von Carlowitz und von Rössing gehörten, deren Namen alle mit der Begründung der Forstwissenschaft eng verbunden sind.