Hedwig Courths-Mahler Collection 13 - Sammelband - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler Collection 13 - Sammelband E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

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Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück. Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.


Dieser dreizehnte Sammelband enthält die Folgen 37 - 39:

HANS RITTER UND SEINE FRAU

Nach dem Tod ihrer Eltern findet Felicitas Wendland im Haus des Hofrats Schlüter Aufnahme. Allerdings lassen die Hofrätin und ihre Tochter das junge Mädchen immer wieder fühlen, dass es nur eine arme Waise ist.

Felicitas erträgt dies alles lächelnd, da sie weiß, dass eines Tages Harry Forst kommen wird, um sie zu seiner Frau zu machen. Doch diese Hoffnung wird jäh zerstört, als Harry um die Hand der reichen Ellen Volkmer anhält. Für Felicitas bricht eine Welt zusammen.

Verletzt und gedemütigt nimmt sie den Antrag eines anderen Mannes an. Ohne Liebe und mit Harrys Bild in ihrem Herzen wird Felicitas Hans Ritters Frau ...

OPFER DER LIEBE

Bettina Gerold wäre mit ihrer kleinen Witwenrente in große Not geraten, hätte ihr Bruder Fritz sie nicht zu sich geholt. Inzwischen hat sich die hübsche Frau an das sorglose Leben gewöhnt. Fritz ist Junggeselle, und Bettina hat nur einen Wunsch: dass er das auch in Zukunft bleibt, damit ihr Sohn Bernhard einmal die Herbig-Werke erbt.

Doch dann verliebt sich Fritz in eine junge Zeichnerin, und Bettina ist außer sich. Tag und Nacht sinnt sie darüber nach, wie sie die beiden Menschen auseinanderbringen kann. Schließlich schmiedet sie einen teuflischen Plan ...

IM WALDHOF

Auf dem Sterbebett nimmt Albert Hendrichsen seinem Bruder Klaus das Versprechen ab, sich um den Waldhof und um die kleine Anne-Dore, Alberts Tochter, zu kümmern. Das Kind ist ein unbesonnener Wildfang mit einem guten weichen Herzen und im Laufe der Jahre wächst Anne-Dore unter der Obhut ihres Onkels zu einem schönen jungen Mädchen heran.

Es ist ein friedliches Leben, das Klaus mit seiner Nichte führt, bis eines Tages ein junger Maler auf den Waldhof kommt. Anne-Dore versteht sich sehr gut mit ihm und auch Klaus findet ihn sympathisch. Aber ihn schmerzt der Gedanke, Anne-Dore an den Maler zu verlieren. Denn er selbst liebt sie. Und Anne-Dore? Noch ist ihr Herz nicht erwacht, noch weiß sie nicht, was es ist, das sie so beunruhigt ...


Über 240 Seiten Romantik und Herzenswärme!

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: shutterstock/Mykola Gomeniuk ISBN 978-3-7325-6933-5

Hedwig Courths-mahler

Hedwig Courths-Mahler Collection 13 - Sammelband

Inhalt

Hedwig Courths-MahlerHedwig Courths-Mahler - Folge 037Nach dem Tod ihrer Eltern findet Felicitas Wendland im Haus des Hofrats Schlüter Aufnahme. Allerdings lassen die Hofrätin und ihre Tochter das junge Mädchen immer wieder fühlen, dass es nur eine arme Waise ist. Felicitas erträgt dies alles lächelnd, da sie weiß, dass eines Tages Harry Forst kommen wird, um sie zu seiner Frau zu machen. Doch diese Hoffnung wird jäh zerstört, als Harry um die Hand der reichen Ellen Volkmer anhält. Für Felicitas bricht eine Welt zusammen. Verletzt und gedemütigt nimmt sie den Antrag eines anderen Mannes an. Ohne Liebe und mit Harrys Bild in ihrem Herzen wird Felicitas Hans Ritters Frau ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 038Bettina Gerold wäre mit ihrer kleinen Witwenrente in große Not geraten, hätte ihr Bruder Fritz sie nicht zu sich geholt. Inzwischen hat sich die hübsche Frau an das sorglose Leben gewöhnt. Fritz ist Junggeselle, und Bettina hat nur einen Wunsch: dass er das auch in Zukunft bleibt, damit ihr Sohn Bernhard einmal die Herbig-Werke erbt. Doch dann verliebt sich Fritz in eine junge Zeichnerin, und Bettina ist außer sich. Tag und Nacht sinnt sie darüber nach, wie sie die beiden Menschen auseinanderbringen kann. Schließlich schmiedet sie einen teuflischen Plan ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 039Auf dem Sterbebett nimmt Albert Hendrichsen seinem Bruder Klaus das Versprechen ab, sich um den Waldhof und um die kleine Anne-Dore, Alberts Tochter, zu kümmern. Das Kind ist ein unbesonnener Wildfang mit einem guten weichen Herzen und im Laufe der Jahre wächst Anne-Dore unter der Obhut ihres Onkels zu einem schönen jungen Mädchen heran. Es ist ein friedliches Leben, das Klaus mit seiner Nichte führt, bis eines Tages ein junger Maler auf den Waldhof kommt. Anne-Dore versteht sich sehr gut mit ihm und auch Klaus findet ihn sympathisch. Aber ihn schmerzt der Gedanke, Anne-Dore an den Maler zu verlieren. Denn er selbst liebt sie. Und Anne-Dore? Noch ist ihr Herz nicht erwacht, noch weiß sie nicht, was es ist, das sie so beunruhigt ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Hans Ritter und seine Frau

Vorschau

Hans Ritter und seine Frau

Roman um eine Waise und ihren Schicksalsweg

Felicitas Wendland saß in ihrem Stübchen, das Tante Laura, die Frau des Hofrats Schlüter, ihr angewiesen hatte, als sie nach dem Tod ihres Vaters bei ihren Verwandten Aufnahme fand. Hofrat Schlüter bewohnte mit seiner Familie eine Amtswohnung in einem alten Gebäude. Es sah von außen nicht sehr freundlich aus, aber die Räume, die der Familie des Hofrats zur Verfügung standen, waren groß und behaglich. Es gehörten sogar zwei Säle dazu, deren Fußböden die Frau Hofrat blitzblank hatte bohnern lassen, so dass man bei festlichen Anlässen famos darauf tanzen konnte.

Felicitas besaß aber nur das kleine Zimmer für sich. Ihre Tante hatte gemeint, die junge Dame müsse sich bescheiden lernen. Felicitas war ja jetzt nicht mehr die einst so gefeierte Tochter eines bekannten Wissenschaftlers, die im Haus des Vaters eine große Rolle gespielt hatte, sondern nur eine arme Waise, die froh sein musste, bei ihren Verwandten Aufnahme gefunden zu haben.

Ihr Vater war der Bruder der Frau Hofrat, auf den sie bei Lebzeiten sehr stolz gewesen war. Jetzt dachte sie aber nicht gern an ihn, jetzt sagte sie nur immer seufzend: „Mein Bruder hätte kein so großes Haus führen, sondern lieber ein bisschen für die Zukunft sorgen sollen, damit seine Tochter nun nicht auf uns angewiesen wäre.“

Man war nicht gerade feinfühlig Felicitas gegenüber. Am nettesten zu ihr war der Hofrat selbst, aber er war meist abwesend und spielte außerdem in seinem Haus eine ziemlich untergeordnete Rolle. Tante Laura gab den Ton an, und sie tat das mit einem kolossalen Aufwand von Stolz und Würde.

Sie behandelte Felicitas so, dass sie nicht einen Augenblick im Zweifel bleiben konnte über die Größe des Opfers, das man ihr brachte.

Auch Lorchen und Bärbchen, die beiden erwachsenen Töchter des Hofrats, waren nicht besonders liebenswürdig zu ihr. Früher war das anders gewesen. Aber damals hatte sich das auch gelohnt. Der Onkel war sehr freigiebig; und er gab immer so reizende Feste, auf denen sich die jungen Herren auch gegen die Nichten des Gastgebers sehr zuvorkommend benahmen.

Lorchen und Bärbchen waren durchaus keine hässlichen Mädchen – o nein, es waren hübsche, blonde frische Dinger. Aber ein wenig Durchschnittstypus. Sie besaßen nicht die elegante Schlankheit, die edlen Linien und die graziösen Bewegungen ihrer Kusine. Ihre wässerigen, blauen Augen mit weißblonden Wimpern waren nicht sehr ausdrucksvoll und deshalb sahen fast alle Menschen – hauptsächlich natürlich die Herren – viel lieber in die wundervollen braunen Augen der Kusine als in die von Lorchen und Bärbchen. Und das war doch nicht sehr angenehm.

Außerdem – wie sich Felicitas zu kleiden verstand! In den schlichtesten Trauerfähnchen hatte sie schon wie eine Prinzessin ausgesehen, und nun legte sie die Trauer ab, um bald wieder farbige Kleider zu tragen. Besonders in Weiß sah sie immer unerhört schön aus.

Nun sollte sie wieder mit in Gesellschaft gehen, da das Trauerjahr zu Ende war. Lorchen und Bärbchen fanden zwar, dass die arme Felicitas dazu gar nicht berechtigt sei, aber die Hofrätin meinte, der Leute wegen könne man sie nicht mehr zu Hause lassen.

Einen Trost hatten die Schwestern jetzt aber. Sie hatten für das bevorstehende große Ballfest, das Hofrats jeden Winter gaben, neue „himmlische“ Roben bekommen. Felicitas aber musste sich ein altes Kleid aufarbeiten. Sie besaß zwar aus der Glanzzeit im Haus ihres Vaters noch eine Menge sehr schöner und zum Teil auch kostbarer Toiletten, aber die waren doch nicht mehr modern.

So saß nun Felicitas in ihrem Stübchen und bemühte sich, ein Abendkleid aus elfenbeinfarbigen Spitzen zu modernisieren; und während sie eifrig, mit glühenden Wangen an ihrem Kleid nähte, flog immer wieder ein glückliches, sehnsüchtiges Lächeln über ihr schönes Gesicht.

Wozu brauchte sie teure, glänzende Toiletten – dieses Kleid tat es auch! In kurzer Zeit würde sie doch ein ganz anderes Leben beginnen und noch mehr sparen, ein Leben, in dem es keine großen glänzenden Gesellschaften geben würde, aber dafür ein reiches, stilles Glück.

Ach, wie sie sich darauf freute, in einem eigenen kleinen Heim schalten und walten zu können!

Sie lachte glücklich in sich hinein und nahm schnell aus einem verschlossenen Kästchen, das neben ihr auf dem Tisch stand, die Fotografie eines jungen Mannes. Mit leuchtenden Augen blickte sie in das schöne Gesicht. „Harry, mein Harry! Nun werden wir uns bald, bald angehören dürfen für immer“, flüsterte sie.

Glückstrahlend legte sie das Bild wieder in das Kästchen und verschloss es. Dann nähte sie eifrig weiter.

„Schön will ich aussehen für dich, Harry! Du sollst stolz auf mich sein!“

Sie freute sich sehr auf diesen ersten Ball, den sie nach des Vaters Tod besuchen wollte. Ehrlich und tief hatte sie den Vater betrauert, der zu ihr immer liebevoll gewesen war, wenn er es auch nicht verstanden hatte, für ihre Zukunft zu sorgen. Sie wollte ihm immer ein herzliches Andenken bewahren. Aber nun regte sich doch wieder die Jugend in ihrem Herzen.

Und vor allem – sie würde Harry Forst auf diesem Fest im Haus der Tante sehen! Er war eingeladen worden und hatte zugesagt, das wusste sie von ihm selbst. Als sie ihm neulich auf der Straße begegnet war, und sie sich, anscheinend nur einige höfliche Worte wechselnd, begrüßt hatten, hatte sie ihn danach gefragt.

Ach, wie sie sich danach sehnte, einmal wieder eine Weile ungestört mit ihm plaudern zu können! Nur selten waren sie im Trauerjahr zusammengetroffen, immer nur einige verstohlene Worte wechselnd. Das würde nun anders werden. Nun würde er sein Schweigen brechen und offiziell um ihre Hand anhalten. Eigentlich war das ja gar nicht mehr nötig. Sie waren längst einig, und da sie mit ihren zweiundzwanzig Jahren mündig war, hatte ihr niemand dreinzureden. Aber der Form halber musste Harry dem Onkel und der Tante Mitteilung machen von ihrer Verlobung.

Als Felicitas die letzten Stiche an ihrem Kleid nähte, wurde die Tür geöffnet, und Bärbchen Schlüter trat ein.

„Mein Gott, Fee, du bist noch immer nicht fertig?“, rief sie missbilligend.

Felicitas hob lächelnd den Kopf. „Nur diese Falte noch festnähen, Bärbchen, dann ist es geschehen.“

Bärbchen trat näher und sah mit neugierigem, gespanntem Ausdruck auf das Kleid herab.

„Wozu du dir nur die Menge Arbeit gemacht hast? Das Kleid war doch auch ohnehin noch sehr hübsch!“

„Mir war es nicht schön genug.“

„Nun, ich an deiner Stelle hätte es lieber getragen wie es war. Am Ende verdirbst du mit der Änderung nur den guten Sitz.“

Fast übermütig blitzten Felicitas herrliche Augen in die blassblauen Bärbchens. „Keine Sorge, Kusinchen, das tue ich gewiss nicht.“

„Nun, nun, sei nur nicht so sicher! Mama sagt immer, bei Änderungen kommt nichts heraus. Zieh doch das Kleid mal an, Fee!“, forderte sie ungeduldig.

„Sofort, Bärbchen.“

„Komm, wenn du es angezogen hast, ins Wohnzimmer hinüber, damit Mama und Lorchen es auch sehen!“

„Ja, Bärbchen, ich komme“, erwiderte Felicitas.

Bärbchen verschwand missmutig.

Als Felicitas ins Wohnzimmer trat, saß ihre Tante mit einer Handarbeit am Fenster. Lorchen, das getreue Ebenbild Bärbchens, blätterte in einem Modejournal.

Felicitas trug das geänderte Spitzenkleid. Es schmiegte sich in tadellosem Sitz um die jugendschöne Brust und um die schlanken Hüften. Die Damen waren starr. Felicitas sah so wunderschön aus, dass es ihnen die Rede verschlug.

Eine Weile blieb es still. Endlich brach die Hofrätin, die sich zuerst fasste, das Schweigen. „Du hast wirklich ein unglaubliches Geschick, Fee; das muss man dir lassen. Das Kleid sieht wie neu aus“, sagte sie sauersüß.

„Mein Gott! Du müsstest Schneiderin werden bei deiner Veranlagung!“, rief Lorchen, ihr kurzes Näschen hochmütig emporhebend.

Fee wusste, dass man sie nur kränken wollte. Das war sie schon gewöhnt. Aber die Hoffnung, das Haus mit seinen „liebenswürdigen“ Besitzern bald für immer verlassen zu können, ließ alles an ihr abgleiten.

„Nun, warum nicht Schneiderin?“, fragte sie mit leiser Ironie. „Wer weiß, vielleicht nütze ich einmal mein Geschick aus und gründe einen Modesalon. Das ist nichts Neues mehr. Es gibt viele Damen, die das tun, und früher einmal ’bessere Zeiten’ kannten. Neulich habe ich sogar gelesen, dass die Witwe eines englischen Lords einen Modesalon eröffnet hat. Sie soll ein Vermögen damit verdienen.“

Die Hofrätin sah sie strafend an. „Aber Fee, solch ein Gedanke! Das mag eine sonderbare Lady sein. In den Zeitungen steht viel, was nicht wahr ist. Du solltest so etwas nicht einmal denken, viel weniger aussprechen. Immerhin bist du ja noch die Tochter eines in weiten Kreisen bekannten Mannes.“

Fee strich sinnend an ihrem Kleid herab.

„Ist denn dieser Gedanke ein Unrecht, liebe Tante? Ich muss dir sagen, dass ich mich nicht scheuen würde, ihn auszuführen, wenn – nun ja, wenn ich nicht in eurem Haus Aufnahme gefunden hätte.“

Die Hofrätin legte erregt ihre Handarbeit weg.

„Gottlob, dass wir dich davor behütet haben! Du weißt wirklich nicht, was du sprichst, Fee. Dein Vater würde sich im Grab umdrehen, könnte er dich hören.“

Fee seufzte leise. Aber dann flog ein sonniges Lächeln über ihr Gesicht.

„Ach, Tante Laura, Papa war ein Tatmensch, der eine solche Frage niemals tragisch genommen hätte. Dazu stand er viel zu sehr über den Dingen. Ich glaube nicht, dass er so entsetzt wäre, wenn er hörte, dass ich lieber mein Brot mit ehrlicher Arbeit selbst verdienen, als euch zur Last fallen möchte. Ich weiß doch, dass ich das tue – ihr seid ja selbst nicht vermögend.“

Die Hofrätin sah sehr vornehm drein, als sie erwiderte: „Beenden wir dieses Thema, Fee! Ich fühle mich in deinem Vater, meinem Bruder, gekränkt dadurch, dass du ihm derartige Ansichten andichtest. Du selbst scheinst, leider Gottes, solche zu haben. Nie wieder will ich so etwas hören. Wenn wir auch nicht reich sind – lieber schränken wir uns alle noch mehr ein, als dass wir es erlauben würden, dass du derartigen Gelüsten nachgibst.“

Fee sah auf ihre schön geformten Hände herab. Sie dachte, dass sie schwerlich diese Erlaubnis einholen würde, wenn ihr Leben nicht ohnedies bald in andere Bahnen einmündete. Aber sie schwieg. Wozu sollte sie auch mit Menschen streiten, die nicht über ihren eigenen kleinen Horizont hinwegblicken konnten?

„Sei nicht böse, Tante Laura, ich werde es ja auch nicht tun. Es war nur so ein Gedanke, weil es doch schade ist, dass ich ein Talent nicht ausnützen kann, über das ein anderer Mensch vielleicht sehr froh sein würde.“

Bärbchen lachte spöttisch auf. „Aber Fee, sprich doch nicht gleich von einem Talent! Es ist doch höchstens eine Fingerfertigkeit.“

Fee lächelte. „Gut, Bärbchen, nennen wir es so. Aber nun entschuldigt mich, bitte! Ich will das Kleid ablegen und mein Zimmer aufräumen.“

Damit ging sie hinaus.

„Fee ist ein sonderbares Geschöpf, Mama. Was die zuweilen für Einfälle hat!“, sagte Lorchen kopfschüttelnd.

„Und unverschämt ist sie obendrein. Sie spricht immer in einem so überlegenen Ton mit uns, als wären wir von ihr abhängig, nicht sie von uns. Hast du ihr mokantes Lächeln bemerkt, Mama? Ich finde, sie nimmt sich ziemlich viel heraus“, ereiferte sich Bärbchen.

Die Hofrätin hob vornehm die Hand. „Keine Emotionen, Bärbchen! Eine Dame soll sich niemals erregen. Lassen wir Fee jetzt beiseite. Ich möchte euch nochmals ermahnen, recht vernünftig zu sein. Herr Ritter verkehrt nun schon seit einem Jahr bei uns; ich weiß ganz bestimmt, dass er in keiner anderen Familie so oft zu Gast ist. Er hat mir selbst gesagt, dass er die Absicht hat, zu heiraten. Mir scheint, er wäre nicht abgeneigt, eine von euch zur Frau zu nehmen. Also seid klug! Ihr wisst, Ritter ist ein sehr, sehr reicher Mann! Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass es für uns alle von Vorteil wäre, einen solchen Verwandten zu bekommen. Ihr seid zwanzig und einundzwanzig Jahre alt, und es wird Zeit, dass ihr heiratet.“

Die Schwestern hatten verstohlen gekichert.

„Aber Mama! Hans Ritter ist so schrecklich langweilig, so ernst und gründlich. Es ist schwer, mit ihm warm zu werden.“

„Wenn es leicht wäre, brauchte ich euch nicht erst Verhaltungsmaßregeln zu geben. Aber bedenkt, dass ihr immerhin Chancen habt, eine glänzende Partie zu machen. Ich habe beobachtet, dass er sich selten mit einer anderen Dame beschäftigt, die als Frau für ihn in Frage käme, außer mit euch. Also seid klug, nützt die Chance!“

„Und wenn uns nun Fee dazwischenkommt?“, fragte Bärbchen.

Die Hofrätin schüttelte den Kopf.

„Er hat sie ja schon öfter in unserem Haus gesehen, aber sie hat keinen Eindruck auf ihn gemacht. Er spricht nur selten ein Wort mit ihr, während er mit euch oft scherzt und lacht. Also vernünftig, Kinder!“

Damit schloss die Hofrätin ihre mütterliche Ermahnung.

***

Hans Ritter stahl sich fort aus dem geselligen Treiben, das in den beiden Festsälen des Hofrats Schlüter herrschte. Er konnte nur wenig Gefallen finden an dem bunten Durcheinander einer großen Gesellschaft. In seiner harten, entbehrungsreichen Kindheit und ersten Jugend war er im Herzen ein Einsamer geworden, ein Mensch, der in sich selbst Genüge fand, weil er es von früh auf in sich finden musste.

Früher, als er noch außerhalb des Gesellschaftskreises stand, dem er jetzt angehörte, hatte er oft Sehnsucht nach dem bunten Treiben gehabt. Aber jetzt, da er eine glänzende Lebensstellung einnahm und durch eigene Kraft reich und unabhängig geworden war, jetzt, da er sich durch anstrengendes, unermüdliches Schaffen auf eine Höhe emporgeschwungen hatte, die ihn weit über seine ursprüngliche Sphäre hinaushob – jetzt wusste er, dass er in diesem Treiben keine Erfüllung fand.

Es kostete ihn jedes Mal Überwindung, einer Einladung Folge zu leisten. Er tat es auch nur, weil er sich selbst zwingen wollte, sich in jeder Lebenslage, in jeder Gesellschaft, zurechtzufinden und zu behaupten.

Niemand hätte ihm anmerken können, dass er sich im Innern unfrei fühlte in der Gesellschaft, dass er ein Empfinden hatte, als bewege er sich auf Eis. Nur er selbst war sich bewusst, dass ihm die gesellschaftliche Sicherheit nicht aus der Kinderstube mit auf den Weg gegeben, sondern später in strenger Selbsterziehung erworben worden war.

Heute hatte er wieder einige Zeit, seine geselligen Pflichten erfüllt, und nun sehnte er sich nach einigen Minuten des Aufatmens, des Alleinseins.

Bärbchen und Lorchen hatten ihm, den Ermahnungen ihrer Mutter folgend, abwechselnd Gesellschaft geleistet, aber nun hatte die Tanzlust die jungen Damen erfasst, und sie waren untergetaucht in den fröhlichen Reigen. Hans Ritter konnte nicht tanzen, und da hielten es die tanzlustigen Mädchen an seiner Seite nicht aus.

Langsam ging er an den tanzenden Paaren vorüber. Er hätte vielleicht auch gern die eine oder die andere im Tanz geführt, wenn er nur hätte tanzen können.

Seine Augen ruhten jedoch wohlgefällig auf den Frauen und Mädchen, die so beschwingt über das Parkett dahinglitten. Er hatte schon damals eine unbeschreibliche Vorliebe für schöne, elegante Frauen gehabt, als er noch für ein bescheidenes Monatsgehalt auf dem Kontorschemel des großen Bankhauses saß. Schon damals war stets ein seltsames Sehnen in ihm erwacht, wenn er elegante Frauen, in kostbare Pelze und duftige Spitzen gekleidet, an sich vorübergehen sah oder wenn er einen schmalen, elegant beschuhten Frauenfuß auf dem Trittbrett eines Wagens erblickte. Dann hatte sein Herz geklopft, und er hatte sich in leuchtenden Farben ausgemalt, wie es sein müsse, wenn man solch ein zartes, feines Geschöpf in den Armen halten könnte.

Und wenn ihn etwas noch hätte anspornen können zu seinem rastlosen Schaffen, so wäre es wohl der Gedanke gewesen, eines Tages ein Ziel zu erreichen, das ihn gleichberechtigt an die Seite einer solchen Frau stellte. Er hatte später genug elegante Frauen kennen gelernt und gesehen, dass viele von ihnen nur hohle, gedanken- und herzlose Puppen waren. Er wollte aber eine Frau haben, die nicht nur ein schönes, elegantes Äußeres, sondern auch einen hohen inneren Wert besaß. Und die hatte er bisher nicht gefunden.

Man merkte diesem Mann nicht an, dass er auch idealistischen Träumereien nachhängen konnte. Alle, die ihn kannten, wussten, dass er ein Mann der Tat war. Er erschien entschlossen, fast hart. Er besaß eine kantige Stirn, die sich über tief liegenden, blauen Augen wölbte, ein breites Kinn und einen herben, schmallippigen Mund, der fast immer fest geschlossen war.

Seine Gestalt war gut proportioniert, seine Bewegungen drückten Beherrschung und Konzentration aus.

Meist blickten seine Augen scharf und kühl. Niemand wusste, dass diese Augen in seltenen Stunden auch weich und zärtlich blicken konnten – nur seine Mutter wusste das, aber sie verriet es niemand, denn sie stand seinen jetzigen Gesellschaftskreisen fern und kam mit keinem dieser eleganten Menschen zusammen.

Hans Ritter war der Sohn eines einfachen Handwerkers, der einem Unglück zum Opfer fiel, als sein Sohn zehn Jahre alt war. Die Mutter hatte dann für sich selbst und ihr einziges Kind Brot schaffen müssen und sich redlich bemüht, dass Hans die Realschule besuchen konnte. Schwer war es ihr manchmal geworden, aber sie hatte es durchgesetzt, weil es des Gatten und Sohnes Wunsch gewesen war.

Nachdem Hans die Schule mit vorzüglichen Zeugnissen verlassen hatte, kam er zu einem Bankier in die Lehre. Er erkannte bald die hervorragende Begabung des jungen Mannes und verschaffte ihm nach beendeter Lehrzeit eine gute Stellung in einem englischen Bankhaus. In dieser Stellung vermochte Hans durch eigene Initiative einen großen Schaden zu verhüten, der die Substanz der Bank angegriffen hätte. Man beförderte ihn und zahlte ihm eine Gratifikation von 2000 Pfund. Diese Summe war der Grundstein zu seinem jetzigen Vermögen. Nach einigen Jahren wurde ihm ein führender Posten an einer großen deutschen Bank angeboten. Er kehrte zurück und nahm diese Stellung an.

Sein Vermögen vermehrte er durch kluge Spekulationen. Sein großer Fleiß, seine eminente Tüchtigkeit, brachten ihn schließlich als Direktor an die Spitze seiner Bank.

Dann kaufte er eines Tages, als er zum Besuch seiner Mutter wieder einmal in seiner Vaterstadt weilte, ein großes, weites Wiesengelände für billiges Geld. Kurze Zeit darauf wurde dieses Gelände, in das Hans Ritter fast sein ganzes Vermögen gesteckt hatte, zu industriellen Zwecken gebraucht. Hans Ritter verkaufte es, fast für den zehnfachen Preis, und war ein reicher Mann geworden.

Seine Stellung als Bankdirektor gab er nun auf; er wollte frei sein für großzügiges Wirken und Schaffen, wozu ihm in seiner emporblühenden Vaterstadt Gelegenheit geboten wurde. Die wenigsten Menschen wussten, dass er in dieser Stadt seine Laufbahn begonnen hatte. Sein Lehrmeister, der alte Bankier, war gestorben, und sonst erkannten ihn nur wenige Menschen wieder. Er sprach auch nie von seiner Vergangenheit.

Man hatte ihn in den Aufsichtsrat verschiedener Gesellschaften gewählt, und trotzt seiner noch jungen Jahre war er schon eine einflussreiche Persönlichkeit. Niemand fragte ihn, aus welchen Kreisen er stammte; alle Türen standen ihm offen.

Er bewohnte eine schöne, vornehme Villa, die er sich hatte bauen lassen. Eine Frau für sein Haus zu finden, war sein Wunsch, aber bisher hatte er die rechte noch nicht kennen gelernt.

Dass die Hofrätin Schlüter für ihre Töchter auf seine Hand spekulierte, wusste er nicht. Er wurde von vielen Müttern und heiratsfähigen Töchtern mit begehrlichen Blicken betrachtet; es gab viele junge Damen, die gern als Herrin in seine Villa eingezogen wären.

Lorchen und Bärbchen flogen im Tanz dahin, und Hans Ritter verließ den Saal.

Am Ausgang, der zu den Nebenzimmern führte, streifte eine schlanke, weiß gekleidete Mädchengestalt an ihm vorüber – Felicitas Wendland.

Ihr duftiges Spitzenkleid verfing sich in einer abstehenden Klammer des schönen Brillantrings, den Hans Ritter als einzigen Schmuck trug. Ein feines Spitzenfädchen blieb in der goldenen Klammer hängen und fesselte die beiden Menschen einen Augenblick aneinander.

Mit einer Entschuldigung löste Hans Ritter behutsam das zarte Gewebe aus der Gefangenschaft und sah bittend in die braunen, sonnig leuchtenden Augen des jungen Mädchens.

Ein Lächeln huschte um ihren Mund.

„Es hat nichts zu sagen, Herr Ritter, ich bin ohne Schaden davongekommen, wie ich sehe. Im Übrigen hätte ich selbst auf mein Kleid achten müssen“, sagte sie freundlich.

Hans Ritter sah mit einem eigentümlichen Blick in das reizende Mädchengesicht. Ein seltsames Gefühl hatte ihn durchrieselt, als er den Stoff ihres Kleides festhielt und dabei zufällig ihre Hände streifte. Ganz dicht musste sie eine Weile bei ihm stehen; der feine Duft, der aus ihren Kleidern stieg, nahm ihm für einen Augenblick fast den Atem. Aber er blieb ruhig und beherrscht, wie immer.

„Nein, nein, gnädiges Fräulein, ich allein bin schuld. Mein Ring ist der Übeltäter. Ich muss ihn strafen“, sagte er und zog den Ring vom Finger, um ihn in der Westentasche zu bergen.

Sie lachte leise.

„Also lassen wir die hochnotpeinliche Schuldfrage offen“, sagte sie und ging mit einem anmutigen Neigen des goldblonden Köpfchens weiter.

Er blieb stehen und sah ihr nach. Das leise Rauschen ihres Kleides war noch einen Augenblick vernehmbar. Seine Augen folgten ihrer elastischen und graziös ausschreitenden Gestalt. Wie anmutig und stolz zugleich der schöne Kopf auf ihren Schultern ruhte! Jetzt neigte sich ihr Nacken in wahrhaft königlicher Haltung vor einem Mann mit herrlichem Adoniskopf, der mit einem Lächeln auf sie zutrat.

Hans Ritter wandte sich, wie unangenehm berührt ab, als er sah, wie der Herr seinen Arm um die schlanke Mädchengestalt legte und mit ihr davontanzte.

Mit finsterem Gesicht begab sich Ritter in das Nebengemach, in dem einige ältere Herren plaudernd beisammen saßen. Er war bekannt in den Räumen der hofrätlichen Wohnung und durchschritt schnell mehrere Zimmer. So kam er endlich in den kleinen Salon der Hausfrau, der nur durch eine rot verschleierte Lampe matt erleuchtet wurde. Dieser Salon lag so abseits, dass er hoffen konnte, eine Weile ungestört zu bleiben.

Vorsichtig ließ er sich in einer der Fensternischen nieder, in denen Sessel standen, und zog die Fensterportieren hinter sich zusammen, so dass er nun sicher in seinem Versteck ruhen konnte.

Mit einem Seufzer der Erleichterung lehnte er sich in den Sessel zurück. Den Kopf zurücklegend, schloss er die Augen.

Er dachte an Felicitas Wendland. Ganz deutlich stand ihre lichte Erscheinung vor seinem Auge. Alle Einzelheiten ihrer Person hatte er im Gedächtnis, den lockigen, goldigen Scheitel über der klaren, weißen Stirn, den fein geschwungenen Mund, der so lieblich lächeln konnte, und die stolz und zugleich gütig blickenden Sonnenaugen. Sogar das winzige, braune Mal über dem linken Mundwinkel sah er ganz deutlich vor sich.

Zum ersten Mal hatte Ritter Felicitas Wendland an einem Sommermorgen gesehen. Auf dem Reitweg des nahen Waldes war sie, an der Seite ihres Vaters, umgeben von mehreren Herren, stolz zu Ross an ihm vorbeigezogen. Er hatte sie lachen hören. Es war ein goldiges Lachen, das ihm das Herz warm machte und das er ebenso wenig vergessen konnte wie den Anblick der eleganten Reiterin in dem knapp sitzenden, schwarzen Tuchkleid.

Sie war ihm damals als eine sehr schöne und beneidenswert glückliche junge Dame erschienen.

Wenige Wochen später hörte er, dass ihr Vater gestorben sei, und abermals einige Wochen später war ihm Felicitas von der Hofrätin vorgestellt worden.

Auch in ihrem Trauerkleid machte sie ihm den Eindruck einer stolzen, unnahbaren jungen Dame. Sie sprach kaum einige Worte mit ihm und verschwand. Hier in diesem Salon war es gewesen, Hans Ritter wusste es noch ganz genau.

Die Hofrätin ahnte nicht, dass Hans Ritter ihr Haus so oft besuchte weil er hoffte, Felicitas zu begegnen. Ihr Anblick allein schon war ihm eine unbeschreibliche Wohltat. Und wenn er sie gesehen hatte – was nur selten und flüchtig geschah, weil die Hofrätin ihre Nichte klug von dem reichen Freier zurückzuhalten wusste – dann konnte er so recht vergnügt werden, als sei ihm ein großer Wunsch erfüllt worden. In solchen Momenten plauderte und scherzte er angeregt mit Bärbchen und Lorchen, was die Hofrätin dann auch zu kühnen Hoffnungen ermutigte.

Heute nun hatte er Felicitas zum ersten Mal in großer Toilette gesehen, und ein seltsam heißes, bisher unbekanntes Gefühl hatte ihn durchzuckt:

Ob sie auch eine so oberflächliche, seelenlose Puppe war, wie ihre meisten Geschlechtsgenossinnen?

Er konnte es nicht glauben. Ihr Blick war zwar stolz, aber auch gütig, und ihr Lachen verriet ein tiefes Empfinden. Viel würde er darum gegeben haben, wenn er einen Blick in ihr Inneres hätte tun können.

So saß er in tiefe Gedanken versunken, bis ihn plötzlich das leise Geräusch nahender Schritte aufschreckte. Gleich darauf vernahm er das leise, diskrete Rauschen eines Frauenkleides und zugleich die Stimme derselben jungen Dame, die seine Gedanken eben beschäftigt hatte. Durch einen Spalt in der Portiere sah er Felicitas’ Gestalt, von der Lampe rosig beleuchtet. Neben ihr aber stand der junge Herr – es war Harry Forst.

Ritter wollte sich erheben und sich bemerkbar machen, aber wie gelähmt blieb er sitzen. Felicitas Wendland hatte sich mit einem leisen, zärtlichen Ausruf in die Arme ihres Begleiters geschmiegt und sagte mit innigem Ausdruck:

„Gottlob, Harry, hier sind wir allein und ungestört! Endlich können wir uns wieder einmal aussprechen.“

Zärtlich und hingebungsvoll umfasste sie seinen Hals.

„Harry, ach Harry, wie grässlich ist dieses Heimlichtun! Es widerstrebt mir unsagbar“, fuhr Felicitas fort.

Hans Ritter war zumute, als stockte ihm der Atem. Es war ihm peinlich, Zeuge dieser intimen Szene zu sein, und doch sagte er sich, dass er jetzt unmöglich hervortreten könne, ohne der jungen Dame eine tiefe Beschämung zu bereiten. Es war wohl das Beste, er blieb reglos auf seinem Platz, bis die beiden jungen Menschen sich wieder entfernt hatten. Da er einmal ihr Geheimnis kannte, kam es nicht darauf an, ob er noch einige Worte mehr vernehmen würde. Das wider Willen erlauschte Geheimnis würde bei ihm sicher verwahrt bleiben.

Mit einem seltsam schmerzenden Gefühl sah er, wie sich das schöne Mädchen an Forst schmiegte. Und mit einem dunklen, forschenden Blick streifte Hans Ritter dessen Gesicht.

Hatte man Forst nicht in Verbindung mit der Tochter seines Geschäftsfreundes, des Kommerzienrats Volkmer gebracht? Ja doch, der Kommerzienrat selbst hatte ihm doch vor einigen Tagen eine Anspielung gemacht, dass sich seine Tochter demnächst mit Harry Forst verloben werde, der sich schon seit Monaten um sie bewerbe. Aber das konnte doch unmöglich derselbe sein, der Felicitas Wendland in den Armen hielt?

Eine merkwürdige Unruhe beherrschte den sonst so ruhigen Mann.

Forst löste jetzt Felicitas Arme von seinem Hals und sah sich ängstlich um. „Um Gottes willen, Fee, sei doch vorsichtig! Wenn uns jemand hierher folgte!“

Sie hob den Kopf und sah mit einem Blick zu ihm auf, der dem Lauscher den Herzschlag stocken ließ.

„Kein Mensch kommt hierher, Harry. Ach, und wenn auch – was wäre schließlich dabei? Wenn man uns hier überraschte, dann wäre eben mit einem Mal dieses schreckliche Heimlichtun zu Ende. Wir haben keines Menschen Blick zu scheuen!“

Harry Forst nagte an seinem dunklen Bärtchen und sah unsicher in ihre strahlenden Augen. Dann sagte er hastig und gepresst:

„Ja, Fee, ein Ende muss gemacht werden, so geht das nicht weiter. Dieser Zustand ist für dich und mich unerträglich.“

Sie lächelte glücklich. „Ach, gottlob, mein Harry! Ich habe ja schon so lang darauf gehofft, dass du ein Ende machen würdest mit diesen Heimlichkeiten. Nein, zieh deine Stirn nicht in Falten, ich will dir aus deinem Schweigen keinen Vorwurf machen; ich weiß ja, dass es nicht anders ging. Als du mir damals, vor Papas Erkrankung, deine Liebe erklärtest, da dachten wir beide, wir könnten uns schon am nächsten Tag stolz vor aller Welt als Brautpaar bekennen. Aber als du am nächsten Morgen bei meinem Vater um mich anhalten wolltest, war er über Nacht plötzlich schwer erkrankt. Du konntest ihn nicht sprechen – er starb, mein armer, lieber Papa, ehe du mich von ihm fordern konntest. Während des Trauerjahrs konntest und wolltest du dann nicht mit deiner Werbung hervortreten. Aber nun – nun wirst du Onkel und Tante alles sagen, nicht wahr? Ach, Harry, ich habe dieses Jahr im Haus meiner Verwandten nur ertragen in der Hoffnung auf unsere gemeinsame Zukunft! Glaube mir, es lebt sich nicht gut bei Tante Laura als arme, lästige Verwandte. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass du mich bald erlösen würdest, wäre ich viel lieber in die Welt hinausgegangen, um mir mein Brot zu verdienen.“

Hans Ritter lauschte atemlos.

Das ist die Frau, die du lange vergeblich gesucht hast, eine Frau mit einem tapferen, warmen Herzen, mit einem tiefen Empfinden. Aber sie ist dir unerreichbar, ist dir verloren, noch ehe du sie fandest, dachte er.

Harry aber zog die Stirn immer mehr zusammen und sagte nun unsicher: „Welch ein törichter Gedanke, Fee! Du lebst doch sicher und behütet im Haus deiner Angehörigen.“

Sie lachte leise und antwortete ihm mit großer Herzlichkeit:

„Ach, dieser Gedanke scheint allen Menschen töricht zu sein, nur mir nicht. Sieh, wenn ich dich nicht hätte, ich würde ihn sofort ausführen. Aber nun blicke nicht so finster, als wollte ich dir davonfliegen, du törichter Harry! Ich bleibe hier und warte, bis du mich heimholst, mein Liebster. Lass es aber bald sein, Harry – lass es bald sein!“

Es lag ein so gläubiges Vertrauen und so viel Erwartung in dieser zärtlichen Bitte, dass Hans Ritter die Hände fest um die Lehne seines Sessels krampfte. Dieser süße, bittende Ton trieb ihm das Blut in heißen, raschen Schlägen zum Herzen. Er vergaß, dass er hier als Lauscher saß. Das junge Paar hatte sich dicht neben seinem Versteck in zwei Sesseln niedergelassen, und er konnte die beiden jungen Gesichter vor sich sehen. Er blickte in die zärtlich aufflammenden Augen des jungen Mädchens und sah den unfreien, wenig liebevollen Ausdruck in Forsts Gesicht. Ihm war, als müsse er aufspringen und mit der Faust in dieses schöne Männergesicht schlagen, in dem ein Zug von Falschheit lauerte.

Zugleich überkam ihn ein Gefühl der Bangigkeit für dieses zärtliche, hingebende Mädchen, das seinen ganzen Stolz demütig zu Füßen des Mannes legte, den es liebte. Hans musste wieder daran denken, dass man Forst mit Ellen Volkmer in Verbindung brachte.

Harry Forst hatte sich hastig über die Stirn gestrichen, als sei ihm zu heiß geworden.

„Liebe Felicitas“, sagte er etwas steif und förmlich, was sonderbar abstach gegen ihren zärtlichen Ton, „es ist gut, dass ich dich heute ungestört sprechen kann. Ich bin heute in dieser Hoffnung hierher gekommen und hätte auf jeden Fall eine Unterredung mit dir herbeiführen müssen. Schon lange Zeit liegt mir allerlei auf dem Herzen, ohne dass ich mich mit dir hätte aussprechen können. Es mag auch jetzt nicht die passende Zeit und der passende Ort sein für das, was ich dir zu sagen habe, aber es geht nicht anders. Und nun bitte ich dich inständig, höre mich ruhig an und sei vernünftig!“

Sie richtete sich hastig im Sessel empor und sah ihn befremdet, fast erschrocken an. „Harry, du sprichst so seltsam, so kalt und ruhig, so ganz anders als sonst. Vernünftig soll ich sein? Dich ruhig anhören? Was hast du mir zu sagen?“

Ihre Augen blickten ihn bang und forschend an. Er wich ihrem Blick aus. „Herrgott, Fee, es hat sich doch so vieles in unserem Verhältnis geändert seit deines Vaters Tod. Dass du das nicht von selbst begreifen kannst!“, stieß er schroff hervor.

Sie kämpfte sichtlich um ihre Fassung; ihr Gesicht wurde starr. „In unserem Verhältnis? Nein, Harry, sage das nicht! Du und ich, wir lieben uns doch so, dass daran nie etwas geändert werden kann, nicht wahr? Die äußeren Verhältnisse, ja, die haben sich geändert. Aber das kann doch auf unsere Beziehungen zueinander keinen Einfluss haben.“

Er wich ihrem angstvollen Blick aus.

„Beides ist nicht voneinander zu trennen, Fee. Als ich dir damals von meiner Liebe sprach, da – nun ja, da glaubte ich, du seiest reich. Eure ganze Lebensführung deutete darauf hin. Und dann – dein Vater hatte eine einflussreiche Stellung, er hätte wohl manches für mich tun können, wenn ich sein Schwiegersohn geworden wäre. Deshalb war ich leichtsinnig – und sagte dir, dass ich dich liebte.“

Sie sah ihn starr an.

„Deshalb – warst du leichtsinnig? Leichtsinnig? Deshalb warbst du um mich – weil du mich für reich hieltst – weil mein Vater …?“

Tonlos kam das über ihre blassen Lippen.

„Nun ja doch“, unterbrach er sie hastig. „Du weißt doch, dass ich arm bin. Nie hätte ich gewagt, dich in eine so ernste Lage zu bringen, wenn ich gewusst hätte, dass du arm bist wie ich.“

Sie atmete auf, wie von einer furchtbaren Last befreit, und lächelte tapfer.

„Ach, nur meinetwegen sorgst du dich? Oh, du weißt ja nicht, wie wenig mir das gilt, wie anspruchslos ich sein kann! Ich werde glücklich sein mit dir auch in den bescheidensten Verhältnissen; deine Liebe wird mich für alles entschädigen.“

Er rückte unruhig auf seinem Sessel hin und her.

„Das sieht alles ganz leicht aus. Aber in Wirklichkeit ist es anders. Wir sind beide nicht geschaffen, uns in kleinen Verhältnissen wohl zu fühlen. Und weil ich das klar übersehe, deshalb muss ich für uns beide vernünftig sein. Ich darf nicht leiden, dass du mir Opfer bringst. Und deshalb bitte ich dich – gib mir mein Wort zurück! Wir können uns unter den obwaltenden Umständen nicht gehören. Verzeih mir, dass ich mich damals von meiner Liebe hinreißen ließ! Hätte ich eure Verhältnisse besser gekannt, hätte ich gewusst, dass dein Vater so bald sterben würde – ich hätte meinem Gefühl keine Worte gegeben.“

Blass, mit erloschenen Augen sah sie ihn an.

„Das – kann doch – dein Ernst nicht sein – nach alledem, was zwischen uns war? Harry, mein Gott, Harry – liebst du mich denn nicht mehr?“

„Doch, Felicitas, ich liebe dich, und ich bedaure unendlich, dich aufgeben zu müssen.“

Sie presste die Hände ans Herz. „Müssen? Du musst ja nicht, du musst ja nicht! Wir können auch in bescheidenen Verhältnissen glücklich sein. Ach, du weißt ja nicht, wie gering meine Ansprüche ans Leben geworden sind! Ich kann mir ja auch so gut selbst helfen, was meine Kleider angeht. Und überhaupt will ich sparsam wirtschaften. Wir können doch gar nicht voneinander, Harry – das kann doch dein Ernst nicht sein!“

Heiße Angst lag in ihren Worten. Und dieser Ton schnitt dem Lauscher ins Herz.

Ein unbändiger Zorn auf Harry Forst erfüllte Hans Ritter. Auch Forst blieb nicht unbewegt bei Felicitas’ Flehen. Er liebte sie wirklich, so weit sein Charakter einer Liebe fähig war. Aber so, wie sich das junge Mädchen von ihm geliebt glaubte, so wie sie ihn liebte – so liebte er sie nicht. Er wollte jetzt um jeden Preis los von ihr, wollte die Fessel lösen, die er sich in falschen Voraussetzungen übergestreift hatte.

Da er nun sah, dass sie nicht verstand, was er wollte, beschloss er, schroff und rücksichtslos vorzugehen. Viel Zeit blieb ihm nicht. Er musste dieses Haus heute Abend als freier Mann verlassen – um jeden Preis. Und es war auch für sie das Beste. Sie kam so am schnellsten über die Enttäuschung hinweg.

Und so sagte er endlich nach einem hörbaren Luftholen hart und kalt:

„Liebe Felicitas, ob du in Wirklichkeit solch ein Los erträglich finden würdest, weiß ich nicht. Ich glaube es jedoch kaum. Ganz bestimmt aber weiß ich, dass ich nicht dafür geschaffen bin. Und deshalb bitte ich dich: Lass uns in Frieden auseinander gehen! Lass uns die Erinnerung an unsere Liebe wie einen schönen Traum bewahren! Wir wollen ein Verhältnis lösen, das unter anderen Voraussetzungen geschlossen wurde – das heißt, gebunden waren wir ja im Grunde beide noch nicht, nicht wahr?“

Ihre Lippen zuckten, und mit entsetzten Augen starrte sie in sein Gesicht.

„Nicht gebunden? Nicht gebunden? Was – was war ich dir dann, wenn nicht deine Braut?“

Er fuhr sich nervös über die Stirn. „Herrgott, sei doch vernünftig, nimm es nicht so schwer, es weiß ja kein Mensch darum, als wir beide! Ich kann nicht anders handeln. Es wäre Wahnwitz, wollten wir uns fürs Leben binden! Es ist auch schon zu spät – ich habe mir den Rückzug abgeschnitten, ich darf mich nicht in meinem Beschluss beirren lassen. Ich will es kurz machen, Felicitas. Weiß Gott, es wird mir schwer, es dir zu sagen, dass – dass ich – nun – dass ich um die Hand von Ellen Volkmer angehalten habe. Morgen Früh hole ich mir das Jawort ihres Vaters, morgen Abend soll unsere Verlobung proklamiert werden, gelegentlich der Soiree im Haus ihrer Eltern. Nur um dich schonend vorzubereiten, bin ich heute Abend hierher gekommen, denn ich weiß, du bist mit deinen Verwandten morgen dort eingeladen. Ich wollte dich nicht unvorbereitet hingehen lassen. Und ich bitte dich herzlich, sei vernünftig und beherrsche dich! Ellen weiß natürlich nichts von unseren Beziehungen – deinetwegen verschwieg ich sie ihr. Nimm es nicht tragisch, Fee; glaube mir, es ist das Beste für uns beide. Du wirst es mir noch danken. Gib mir deine Hand zum Abschied!“

Die letzten Worte sprach er bewegt; es überkam ihn nun doch etwas Weiches, Schmerzliches, als er sie so zusammengesunken vor sich sitzen sah.

Aber jetzt sprang Felicitas plötzlich mit einem Ruck auf. Ihr blasses Gesicht war erstarrt in Schmerz und Pein. Mit einem halb unterdrückten Wehlaut presste sie die Hände zusammen und wich vor ihm zurück. Und dann streckte sie abwehrend die Hand aus und rief, außer sich vor Scham und Zorn:

„Geh – geh! Du bist frei! Lass mich allein!“

Er trat zu ihr und wollte ihre Hand fassen. „Fee, um Gottes willen! Beruhige dich! Sei vernünftig!“

Sie zog ihre Hand hastig zurück und lachte schneidend auf: „Rühr mich nicht an! Geh – ich ertrage deinen Anblick nicht!“, stieß sie heiser hervor.

Er stand noch eine Weile unschlüssig. Sie zitterte am ganzen Körper und vermochte sich kaum aufrecht zu halten. Noch einmal wies sie stumm nach der Tür – da ging er langsam hinaus.

Felicitas starrte ihm eine Weile mit irren Blicken nach. In ihrem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck, in dem Zorn, Schmerz, Scham und Verachtung um die Herrschaft stritten. Dann schlug sie die Hände vor das Antlitz und brach in ihrem Sessel zusammen.

„Wie ich mich schäme, dass ich diesen Mann geliebt habe – wie ich ihn verachte!“, stieß sie zwischen den Zähnen hervor.

Sie krallte die Hände in das Polster der Sessellehne, und ein qualvolles, trockenes Schluchzen erschütterte ihre Gestalt.

„Wer löscht die Schmach, die er mir angetan hat?“, rief sie verzweifelt.

Da trat Hans Ritter, unfähig, sich länger zurückzuhalten, aus seinem Versteck hervor und stellte sich an ihre Seite.

„Ich, wenn Sie es erlauben, mein gnädiges Fräulein“, sagte er fest und ruhig.

Sie zuckte erschrocken zusammen und blickte voll Entsetzen zu ihm auf.

„Sie – Sie hier?! Was wollen Sie hier?“, stammelte sie fassungslos.

Er blickte voll warmer Teilnahme in ihr zuckendes Gesicht.

„Ich war ungewollt Zeuge Ihrer Unterredung mit Herrn Forst, mein gnädiges Fräulein. Ich konnte nicht aus jener Fensternische entweichen, ohne von Ihnen gesehen zu werden. Ihr Geheimnis wäre auf ewig in meiner Brust verschlossen gewesen, ich hätte mich nach Ihnen unbemerkt entfernt. Aber da vernahm ich Ihren Ausruf, und da hielt es mich nicht länger. Und da bin ich nun, um Sie zu fragen: Wollen Sie meine Frau werden? Wollen Sie jetzt an meinem Arm zur Gesellschaft zurückkehren – als meine Braut? Wollen Sie mit Ihrer Verlobung der Forsts zuvorkommen? Ich meine, das müsste Ihnen nach dieser Kränkung, nach dieser beispiellosen Kränkung eine kleine Genugtuung bereiten.“

Sie richtete sich langsam halb empor, die Augen in fassungslosem Staunen auf ihn gerichtet.

„Wie denn – mein Gott, bin ich denn von Sinnen? Sie wollten – nach dem, was Sie gehört haben – Sie wollten …?“

„In aller Form in diesem Augenblick um Ihre Hand anhalten – ja“, sagte er.

Sie erhob sich vollends und sah ihn mit brennenden Augen an.

„Warum? Warum wollen Sie das tun – für mich, die ich Ihnen fast fremd bin? Was bin ich Ihnen?“

„In erster Linie eine schutzbedürftige, beleidigte Frau.“

„Und deshalb, deshalb allein, bieten Sie mir Ihre Hand? Sie, der, wie ich weiß, zu den begehrtesten Partien dieser Stadt gehört?“

„Mich interessieren die anderen Damen nicht.“

Sie stützte sich schwer auf ihren Sessel, weil ihre Knie zitterten.

„Und nur weil es Ihrem ritterlichen Empfinden zuwiderläuft, dass ein anderer mich beschimpfte, wollten Sie mich zur Frau?“

Seine Augen leuchteten auf, sonst merkte man ihm keinerlei Erregung an, obwohl er wusste, was für ihn von dieser Unterredung abhing.

„Vielleicht auch, weil mich die Tapferkeit Ihres Wesens, die Tiefe Ihres Empfindens und die Opferfreudigkeit Ihrer Liebe für Sie einnahmen.“

Sie schüttelte verwirrt und verständnislos den Kopf.

„Die Opferfreudigkeit einer Liebe, die einem anderen galt? Sie waren doch Zeuge unserer Unterredung, haben sie gehört, wie ich mich an diesen anderen klammerte, wie ich mich demütigte, weil ich nicht verstand, dass er mich los sein wollte! Haben Sie nicht gehört, wie deutlich er werden musste, ehe ich begriff? Wie ich, ach, Sie wissen nicht, wie es jetzt in mir aussieht! Aber ich, liebte diesen Menschen, ja, ich liebe ihn vielleicht noch – ich weiß ja nicht, was ich jetzt empfinde – es ist alles wie zerrissen in mir. Und trotzdem wollen Sie mir Ihre Hand bieten? Oh, mein Herr, Sie sollten nicht so leichtsinnig sein! Wenn ich sie nun annähme, Ihre Hand, um mich zu rächen für diese Schmach? Wenn ich jetzt Ihre Stimmung ausnützte?“, rief sie voll Bitterkeit.

„Ich wünsche, dass Sie es tun. Es ist mir Ernst damit“, sagte er ruhig.

Sie vergaß einen Augenblick ihr Leid, in grenzenlosem Staunen über diesen Mann, den sie bisher wenig beachtet hatte. Mit großen Augen sah sie in sein ernstes Gesicht.

„Was sind Sie denn für ein Mensch? Man hat mir gesagt, Sie seien ein kühler, unbeugsamer und nüchterner Mann mit viel praktischen Tugenden. Man hat mir gesagt, dass – doch einerlei – ich habe Sie jedenfalls auch stets nur kühl, beherrscht und unempfindlich gesehen. Aus solchem Stoff sind doch keine idealistischen Schwärmer gemacht! Was sind Sie denn für ein Mensch, dass Sie einem Mädchen, an dem Sie bis heute kalt und fremd vorübergingen, ohne es zu beachten, solch ein großes Opfer bringen wollen?“

Er sah, wie die Erregung in ihr bebte, wie sein Verhalten sie von dem ersten herbsten Schmerz ablenkte. Auch jetzt im Sturm ihres Empfindens blieb sie noch anmutig. Und nie war sie ihm schöner, vornehmer erschienen wie in dieser demütigenden Lage – nie war ihm eine Frau begehrenswerter erschienen, als dieses von einem Gewissenlosen verlassene Mädchen.

Zugleich aber war auch ein gutes, weiches Empfinden für sie in seiner Brust.

Er strich sich langsam über die Stirn.

„Was für ein Mensch bin ich? Ich kann Ihnen darauf keine unparteiische Antwort geben. Wenn Sie auf meine Werbung eingehen, werden Sie es vielleicht eines Tages selbst herausfinden. Ich kann Ihnen jetzt nur sagen, dass ich von dem Wunsch durchdrungen bin, Ihnen – und auch mir zu helfen. Ich habe schon seit geraumer Zeit die Absicht, mich zu verheiraten, ohne bisher die passende Frau gefunden zu haben, deren Persönlichkeit meinen Wünschen entsprach. Ich bin hierin sehr anspruchsvoll, obwohl ich – ein Emporkömmling bin. Das wissen Sie vielleicht nicht. Mein Vater war Zimmermann; bis vor ungefähr zehn Jahren war ich ein Fremdling in der Gesellschaft. Das sage ich Ihnen, damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben.“

Es zuckte in ihrem Gesicht, und ihre Augen blickten dunkel und schmerzlich in die seinen.

„Das alles ist so seltsam – so seltsam. Ich weiß nicht, was ich denken, was ich tun soll. Wenn ich jetzt Ihre Hand annähme, so würde es nur geschehen, um – dem anderen zu zeigen, dass – dass ich mich nicht verzehren werde in verschmähter Liebe – nur, um ihm heimzuzahlen was er mir tat. Und dann – vielleicht dann auch noch, um aus diesem Haus zu kommen. Unter anderen Umständen hätte ich für Ihre Werbung nur ein schroffes Nein gehabt. Bedenken Sie wohl, aus welchen Gründen ich Ihre Hand annehmen würde. Wenn Sie mich trotz alledem zur Frau begehren – nun gut, ich bin in einer verzweifelten Stimmung und weiß nicht, ob ich morgen schon bereue, was ich heute tue. Auch Sie sollten sich fragen, ob Sie das nicht morgen tun werden.“

Sie sagte das alles hastig, mit unruhig flackernden Augen. Er blieb ruhig wie zuvor.

„Ich habe nichts zu bedenken und bitte Sie nochmals um Ihre Hand.“

Da streckte sie ihm ihre zitternde Rechte entgegen.

„Gut, wollen wir es versuchen!“, sagte sie, heiser vor Erregung.

Er fasste mit einem festen und doch zarten Griff nach der feinen, weißen Mädchenhand, und als er sie in der seinen fühlte, da durchrieselte ihn ein heißes Gefühl. Langsam führte er sie an seine Lippen.

„Ich danke Ihnen. Und wenn Sie nun imstande sind, wieder unter Menschen zu gehen, so gestatten Sie mir, dass ich Sie zu Ihrem Onkel führe, um ihm Mitteilung zu machen, dass wir uns – verlobt haben.“

Sie stieß einen zitternden Atemzug aus. Seine Augen hielten sie in einem seltsamen Bann. Sie wusste nicht, ob sie Furcht vor ihm empfand oder ob sie ihm vertraute. Aber eins war ihr klar: Er half ihr, diese Stunde der Verzweiflung aufrecht zu tragen und eine unsagbare Demütigung zu überwinden.

Noch einmal sah sie ihn mit großen, forschenden Augen an.

„Wenn es denn Ihr Wille ist, so lassen Sie uns gehen!“, sagte sie beklommen.

Er verneigte sich und legte ihre Hand auf seinen Arm.

So schritten sie nebeneinander in den Saal zurück.

Die Frau Hofrat hatte sich eben Bärbchen und Lorchen aus der Reihe der Tanzenden geholt und schalt sie in einer Ecke leise aus, dass sie nicht wussten, wo Ritter geblieben war.

„Da geht er, mit Fee am Arm!“, rief Bärbchen jetzt erleichtert und wollte den mütterlichen Ermahnungen entfliehen.

„Bleib!“, rief die Hofrätin gebieterisch.

Sie sahen nun alle drei mit unruhigem Staunen dem stolz aufrecht schreitenden Paar nach. Auch Forst, der unweit des Eingangs zum Saal mit einem Bekannten zusammenstand, sah Hans Ritter mit Fee an sich vorüberschreiten.

Betroffen blickte er in ihr blasses, starres Gesicht. Ihre Augen schweiften stolz und kalt über ihn hinweg.

Und da standen sie vor Hofrat Schlüter, der sie mit seinen schwarzen Augen befremdet anstarrte.

Kurz und bündig teilte ihm Ritter mit, dass er sich soeben mit Felicitas verlobt habe, und bat ihn, dies seinen Gästen bekannt zu geben.

Hofrat Schlüter blickte sich beklommen nach seiner Gattin um. Er kannte ihre Pläne und befand sich in einer unbehaglichen Verfassung, obwohl er Felicitas die gute Partie von Herzen gönnte.

Kaum hatte er einen etwas gequälten Glückwunsch hervorgestammelt, als auch schon neben ihm seine Gattin auftauchte.

Als sie hörte, was geschehen war, verlor sie einen Augenblick ihre Fassung und bekam einen beängstigend roten Kopf vor Arger. Aber sie fasste sich sofort wieder und brachte es fertig, eine mütterlich liebevolle Miene zu zeigen.

Wenige Minuten später verkündete Hofrat Schlüter der aufhorchenden Gesellschaft, dass seine Nichte Felicitas Wendland sich soeben mit Herrn Hans Ritter verlobt habe.

Diese Nachricht rief allseitige Überraschung hervor. Am meisten überrascht aber war Harry Forst. Er war zusammengezuckt wie unter einem Schlag, als er diese Ankündigung vernahm. Blass, mit forschenden Augen sah er zu Felicitas hinüber, die dem Sturm von Glückwünschen stolz und ruhig standhielt und deren Arm Ritter so selbstverständlich in dem seinen hielt.

***

Am nächsten Morgen saß die Familie Schlüter in ziemlich erregter Stimmung am Frühstückstisch. Heute war die sonst wenig beachtete Felicitas die Hauptperson, um die sich alles drehte. Noch gestern Abend, ehe Felicitas ihr Zimmer hatte aufsuchen dürfen, hatte Tante Laura die junge Dame einem peinlichen Verhör unterzogen, wie es denn gekommen sei, dass Ritter sich um sie beworben habe.

Felicitas hatte mit blassem Gesicht vor ihr gestanden und ihr gesagt, dass Ritter in Tante Lauras Salon plötzlich vor ihr gestanden und um ihre Hand angehalten habe. Mehr brachte die Hofrätin nicht aus ihrer Nichte heraus. Lorchen und Bärbchen hatten auch noch vor dem Schlafengehen einen Krach bekommen und waren ziemlich verzagt in ihr gemeinsames Schlafzimmer geschlichen.

Über Nacht schien aber die Hofrätin die Enttäuschung, dass nicht eine ihrer Töchter an der Stelle ihrer Nichte war, verwunden zu haben. Sie war am Morgen etwas weniger ungnädig zu ihren Töchtern und befleißigte sich Felicitas gegenüber eines liebenswürdigen Tons.

So herrschte eine leidlich erträgliche Stimmung unter den Familienmitgliedern. Der Hofrat war nur zu froh, dass sich die Zorneswolken auf der Stirn seiner Gattin verzogen. Er gönnte Fee die gute Partie von Herzen.

Bärbchen und Lorchen entwarfen während des Frühstücks schon ein Programm für Fees Hochzeitsfeier, als hätten einzig sie und ihre Mutter darüber zu bestimmen. Die Hofrätin thronte dabei wie das Schicksal selbst in ihrem Sessel und verwarf oder lobte, was ihre Töchter vorbrachten.

Fee saß mit blassem Gesicht und ernsten, matten Augen dabei, als gehe sie das alles nichts an. Ihre Gedanken weilten ganz woanders. Sie hatte in der vergangenen Nacht keinen Schlaf finden können. In ihrem Herzen hatten die widerstreitendsten Gefühle miteinander gerungen. Wie es kam, dass sie Hans Ritters Braut geworden war, wusste sie heute kaum noch zu sagen. Sie wusste nur, dass sie in der Verzweiflung nach seiner Hand wie nach einem Rettungsanker gegriffen hatte, damit sie nicht versank in Scham und Schmerz. Sie musste an jene Tage zurückdenken, da Harry Forst ihr mit heißen, innigen Worten von seiner Liebe gesprochen, sie in seine Arme genommen und sie geküsst hatte mit einem Feuer und einer Innigkeit, dass sie an seine Liebe glauben musste.

Über all das Schwere – den Tod ihres Vaters und das Gefolge von Bitterkeiten und Entbehrungen – hatte das Bewusstsein, von ihm geliebt zu werden, sie hinweggetragen.

Und nun?

Nun wusste sie, dass er, während sie auf eine glückliche Zukunft an seiner Seite hoffte, um eine andere geworben hatte, um Ellen Volkmer, deren Vater seiner einzigen Tochter ein großes Vermögen als Mitgift geben konnte. Nun wusste sie, dass er sie belogen und betrogen hatte. Jetzt konnte sie sich sein langes Schweigen erklären, das sie mit seinem Zartsinn entschuldigt hatte. Während sie glaubte, dass er erst das Trauerjahr um ihren Vater vorübergehen lassen wollte, freite er schon um eine andere!

Wie das schmerzte!

Und dann musste sie an Hans Ritter denken, wie er plötzlich vor ihr gestanden hatte, ein Zeuge ihrer Erniedrigung – und zugleich ihr großmütiger Helfer in der Not, der mit ruhiger Selbstverständlichkeit um ihre Hand angehalten hatte, als könne es nicht anders sein. Was war das nur für ein Mensch, von dem ihre Kusinen behauptet hatten, er habe statt eines Herzens eine Rechenmaschine in der Brust?

Bis zum hellen Morgen quälte sie sich mit ihren Gedanken herum. Und auch jetzt, während sie am Frühstückstisch zwischen den anderen saß, musste sie an Hans Ritter denken. Sie wusste nicht, was sie für ihn empfand – ob Abneigung und Grauen oder, eine leise, dankbare Zuneigung. So fremd erschien er ihr und doch zugleich so vertraut, als sei er ihr bester Freund, dem sie alles sagen konnte. Der Gedanke an Harry Forst trat zurück vor dem an Hans Ritter.

Wenn sie an Forst dachte, war alles wie tot und leer in ihr. Das Gefühl, das sie bisher für ihn gehegt hatte, war erloschen, als habe es nie ihr Herz erwärmt. Und doch schmerzte ihr ganzes Inneres wie eine einzige große, brennende Wunde, ihr war zumute, als könne sie nie mehr froh werden, als könne sie nie wieder einem Menschen vertrauen. Auch Hans Ritter nicht – nein, auch ihm nicht. Auch bei ihm musste sie nach einem egoistischen Grund für seine Handlungsweise suchen. Sie vermochte nicht zu glauben, dass er ihr aus Uneigennützigkeit die rettende Hand geboten hatte. War es denn überhaupt eine rettende Hand? Führte er sie nicht vielmehr weiter auf dem Pfad, der in völliger Selbsterniedrigung für sie enden musste? Nahm er ihr nicht auch noch die Selbstachtung, den letzten Rest von Stolz und Selbstbewusstsein? War es nicht besser, sie sagte ihm heute, wenn er kam, dass sie gestern nicht gewusst hatte, was sie tat, dass sie um keinen Preis seine Frau zu werden vermochte?

Sie atmete auf.

Ja, das wollte sie tun. Sie wollte ihm danken, dass er sich ihrer erbarmt hatte und wollte sich wieder von ihm lösen. Vielleicht war er dann froh, dass sie ihn nicht beim Wort nahm, vielleicht bereute er auch schon seine Übereilung?

Wenn sie dann wieder frei war, wollte sie hinaus in die Welt und sich auf eigene Füße stellen. Bei Tante Laura würde dann ihres Bleibens nicht mehr sein; die würden ihr nie verzeihen, dass sie eine solche Partie ausschlug. Aber selbst wenn sie ihr verzieh, Fee wollte fort aus diesem Haus, wo man sie nur ungern und nur der Leute wegen duldete. Sie wurde merklich ruhiger und wünschte nur, dass Hans Ritter nicht lange auf sich warten lassen möge.

Eine Stunde später kamen wundervolle Rosen für Fee – von ihm.

„Die kosten ein Vermögen, Fee!“, sagte die Hofrätin und stellte sie sorgsam in eine Vase. Eine schlichte Visitenkarte hatte dabei gelegen, darauf stand über seinem Namen nichts weiter als: „In treuer Ergebenheit“.

Fee blickte seltsam berührt darauf nieder. Von Neuem geriet sie in eine peinvolle Unruhe. Und bald nach seinen Blumen kam er selbst. Ruhig, ein wenig blass, aber scheinbar unbewegt trat er in den Salon der Hofrätin. Fee stand hinter dem Sessel ihrer Tante, seine Augen ruhten ernst in den ihren.

Sie trug ein schlichtes, blaues Tuchkleid ohne jeden Schmuck und sah sehr blass, aber rührend zart und lieblich aus.

Unter seinem Blick trat dunkle Röte in ihr Gesicht.

Bärbchen und Lorchen begrüßten ihn ein wenig umständlich. Sie wurden aber von der Hofrätin unter einem Vorwand bald entfernt. Dann zog sich auch die Hofrätin für einige Zeit zurück, in der Annahme, dass das Brautpaar noch allerlei zu besprechen haben würde.

Als die beiden allein waren, blieb es eine Weile still zwischen ihnen. Fee wandte ihrem Verlobten ihr blasses Gesicht zu. Ihre Lippen zuckten, und ihre Augen blickten scheu in sein Gesicht.

Einige Male setzte sie zum Sprechen an, aber die Worte, die sie sagen wollte, kamen ihr nicht über die Lippen. Endlich rangen sie sich los, hastig, stoßweise und zitternd:

„Lieber Herr Ritter, ich bin Ihnen so viel Dank schuldig – Sie haben mich durch Ihre Güte beschämt – aber – ich – ja – ich habe mich übereilt – und Sie sich sicher auch. Es kann ja nicht sein, dass ich – Ihre Frau werde, nicht wahr? Was sollten Sie von mir denken, wenn ich das annehmen würde?“

Sie ließ sich kraftlos in einen Sessel nieder.

Rasch trat er an ihre Seite.

„Was ich von Ihnen denke? Habe ich das nicht durch meine Werbung ausgedrückt? Ich denke, dass Sie ein tapferes, großherziges Geschöpf sind, dass es sich jeder Mann zur hohen Ehre anrechnen darf, wenn Sie seine Frau werden wollen.“

Sie sah mit einem langen, forschenden Blick in sein Gesicht.

„Ist das wirklich Ihre Ansicht? Sie haben doch gehört, wie es stand zwischen mir und jenem anderen.“

Er nahm mit einer zarten Bewegung ihre Hand und führte sie an die Lippen. Man merkte ihm an, dass dies keine konventionelle Geste sein sollte, keine leere, gewohnheitsmäßige Artigkeit, sondern ein Ausdruck tiefer Verehrung.

„Quälen Sie sich doch nicht mit solchen Gedanken! Nichts habe ich in Ihrem ganzen Benehmen, Ihrem Wesen diesem Mann gegenüber gefunden, das ich Ihnen nicht zur Ehre anrechnen kann. Niemand kann Ihnen einen Vorwurf daraus machen, dass Sie in Ihrer Herzensreinheit einem Menschen vertrauten, der dieses Vertrauen täuschte. Ich sage es Ihnen nochmals, dass Sie mir eine hohe Ehre erweisen würden, wenn Sie meine Frau werden wollten. Es mag seltsam erscheinen, dass ich in derselben Stunde um Sie warb, in der ich erkannte, dass Sie Ihr Herz einem anderen geschenkt hatten. Ich will Ihnen das auch gar nicht zu erklären versuchen, Sie würden mich vielleicht doch nicht verstehen. Ich bin ein sonderbarer Mensch, schwerfällig Damen gegenüber und wohl auch schwer verständlich. Vielleicht wird es Ihnen gar nicht leicht sein, an meiner Seite zu leben, obwohl ich mich bemühen werde, Ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Trotz allem bitte ich Sie jetzt nochmals, dass Sie Ihr mir gestern gegebenes Wort nicht zurücknehmen. Lassen Sie uns beide wie gute Kameraden durchs Leben gehen und versuchen Sie, in mir Ihren besten, ergebensten Freund zu sehen!“

Sie sah ihn groß und ernst an.

„Was Sie mir da sagen, berührt mich alles so seltsam. Ich weiß nicht, ob es recht ist zu tun, was Sie von mir verlangen. Aber ich muss es tun. Es ist, als hätten Sie plötzlich eine Macht über mich gewonnen, der ich mich beugen muss.“

Er schüttelte ernst den Kopf.

„Nein, so nicht. Ich betrachte die Ehe als eine Lebensgemeinschaft im besten Sinne des Wortes. Nie könnte ich eine Frau aus blinder Leidenschaft an mich fesseln. Aber das, was ich für Sie empfinde und was ich von Ihnen weiß, ist mir Gewähr, dass wir trotz allem eine harmonische Ehe führen werden, wenn Sie freiwillig mit mir gehen werden – nicht einem Zwang gehorchend, der Sie willenlos machen würde.“

Ein leises Lächeln huschte um ihren Mund, ein Lächeln, das er hätte fortküssen mögen.

„Also, so will ich freiwillig mit Ihnen gehen, Sie seltsamer Mann. Ich will mich Ihnen anvertrauen – führen Sie mich, wohin Sie wollen! Ich habe den Weg verloren und finde mich ohne einen sicheren Führer nicht mehr zurecht. Wollen Sie mir dieser Führer sein, so will ich Ihnen danken mit allem, was ich noch zu geben habe. Und Gott mag mir helfen, dass ich Ihnen einst vergelten kann, was Sie jetzt an mir tun.“

Fest und warm umschloss seine Rechte ihre Hand.

„Noch eine Frage, Felicitas. Ich brauchte nur ein Wort an rechter Stelle zu sprechen – und Forst würde heute seine Verlobung mit Ellen Volkmer nicht schließen können. Was würden Sie tun, wenn ich das Wort spräche – wenn Forst wieder frei wäre? Was würden Sie tun, wenn er plötzlich imstande wäre, auch eine vermögenslose Frau heimzuführen und wenn er reuig zu Ihnen zurückkehrte? Würden Sie dann mit ihm gehen? Ich bitte, beantworten Sie mir diese Frage offen und ehrlich!“

Sie sprang auf und warf den Kopf zurück. Ihre Stirn zog sich zusammen, und ihre Augen glühten stolz und düster.

„Nein, niemals, nach dem, was er mir angetan hatte! Das, was ich für ihn gefühlt habe, ist für immer vergessen. Ich habe nicht Forst geliebt, sondern den Mann, den mein Herz in ihm gesehen hat. Wenn ich ihm jetzt begegne, werde ich nichts mehr empfinden als brennende Scham darüber, dass ich geglaubt habe, ihn zu lieben. Ich bin zu stolz, da lieben zu können, wo ich verachten muss.“

Einen Moment strahlten die Augen Hans Ritters auf, aber dann blickten sie sofort wieder ruhig und besonnen.

Ihre Hand fassend, sagte er: „So wollen wir Seite an Seite den Lebensweg gehen, Felicitas – willst du?“

Sie errötete leise. „Ja, ich will. Und ich will Ihnen ein treuer, ehrlicher Kamerad sein.“

Er lächelte fein. „Kameraden nennen sich du!“

Ihre Lippen zuckten. Aber dann richtete sie sich auf.

„Ja, Hans, du hast Recht.“

Das Blut stürmte ihm sonderbar rasch und heiß durch die Adern, als sie diese Worte zu ihm sprach. Von ihrer Gestalt stieg ein feiner Duft zu ihm auf. Das goldene Haar flimmerte vor seinen Augen. Einen Moment verlor er Ruhe und Sicherheit und trat rasch von ihr zurück, als fürchtete er, schwach zu werden.