Hedwig Courths-Mahler Collection 14 - Sammelband - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler Collection 14 - Sammelband E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

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Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück. Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.


Dieser vierzehnte Sammelband enthält die Folgen 40 - 42:

HELEN JUNGS LIEBE

Helen Jung liebt ihren Vater, der als Einwanderer in Amerika sein Glück gemacht hat, über alles. Trotzdem kommt sie nun allein nach Europa, um eine Reise durch den ihr so fremden Kontinent zu machen. Ihre Begleiterin ist die attraktive Mrs. Lee, die es sich in den Kopf gesetzt hat, Helens Vater zu heiraten.

Helen schätzt Mrs. Lee nicht besonders. Sie ist davon überzeugt, dass ihre Begleiterin eine kalte, berechnende Person ist, die ihren geliebten Vater nur unglücklich machen würde. Wie böse Mrs. Lee aber in Wirklichkeit ist, das erfährt Helen erst während der gemeinsamen Reise, als Dr. Ralph Normann sich zu ihnen gesellt ...

DER STILLE SEE

Nach dem Tod seines Vaters steht Hans Rochus von Rochsberg vor dem Nichts. Schloss Rochsberg ist völlig verschuldet. Hans bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder er verlässt die Heimat, oder er heiratet eine reiche Frau.

In dieser Situation bietet ihm der Bankier Ravenport die Hand seiner Tochter Ruth. Dieses Angebot klingt sehr verlockend, aber ein schönes, reizendes Mädchengesicht taucht vor Hans auf: Hilde Sontheim. Sein Herz steht in Flammen für das schöne Geschöpf, doch Hilde ist so und so für ihn verloren, denn sie ist ebenfalls arm. So nimmt denn Hans den Vorschlag des Bankiers an, wenn auch schweren Herzens ...

DIE TESTAMENTSKLAUSEL

Armin von Leyden hat eine bittere Enttäuschung erlebt. Die Frau, die er von ganzem Herzen liebte, hat sich mit einem reichen Mann verheiratet, der ihr mehr bieten kann als der arme Assessor von Leyden.

Armin ist verzweifelt. Da trifft völlig überraschend die Nachricht ein, dass der alte, verbitterte Schlossherr von Burgwerben ihn zum Alleinerben bestimmt hat. Allerdings enthält das Testament eine Klausel: Armin muss innerhalb eines Jahres heiraten. Aber nie, so glaubt er, wird er noch einmal einer Frau vertrauen, sie lieben können. Doch da führt ihm das Schicksal die zauberhafte Eva-Maria in den Weg ...


Über 240 Seiten Romantik und Herzenswärme!

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Seitenzahl: 508

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: shutterstock/Rishiken ISBN 978-3-7325-6934-2

Hedwig Courths-mahler

Hedwig Courths-Mahler Collection 14 - Sammelband

Inhalt

Hedwig Courths-MahlerHedwig Courths-Mahler - Folge 040Helen Jung liebt ihren Vater, der als Einwanderer in Amerika sein Glück gemacht hat, über alles. Trotzdem kommt sie nun allein nach Europa, um eine Reise durch den ihr so fremden Kontinent zu machen. Ihre Begleiterin ist die attraktive Mrs. Lee, die es sich in den Kopf gesetzt hat, Helens Vater zu heiraten. Helen schätzt Mrs. Lee nicht besonders. Sie ist davon überzeugt, dass ihre Begleiterin eine kalte, berechnende Person ist, die ihren geliebten Vater nur unglücklich machen würde. Wie böse Mrs. Lee aber in Wirklichkeit ist, das erfährt Helen erst während der gemeinsamen Reise, als Dr. Ralph Normann sich zu ihnen gesellt ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 041Nach dem Tod seines Vaters steht Hans Rochus von Rochsberg vor dem Nichts. Schloss Rochsberg ist völlig verschuldet. Hans bleiben nur zwei Möglichkeiten: Entweder er verlässt die Heimat, oder er heiratet eine reiche Frau. In dieser Situation bietet ihm der Bankier Ravenport die Hand seiner Tochter Ruth. Dieses Angebot klingt sehr verlockend, aber ein schönes, reizendes Mädchengesicht taucht vor Hans auf: Hilde Sontheim. Sein Herz steht in Flammen für das schöne Geschöpf, doch Hilde ist so und so für ihn verloren, denn sie ist ebenfalls arm. So nimmt denn Hans den Vorschlag des Bankiers an, wenn auch schweren Herzens ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 042Armin von Leyden hat eine bittere Enttäuschung erlebt. Die Frau, die er von ganzem Herzen liebte, hat sich mit einem reichen Mann verheiratet, der ihr mehr bieten kann als der arme Assessor von Leyden. Armin ist verzweifelt. Da trifft völlig überraschend die Nachricht ein, dass der alte, verbitterte Schlossherr von Burgwerben ihn zum Alleinerben bestimmt hat. Allerdings enthält das Testament eine Klausel: Armin muss innerhalb eines Jahres heiraten. Aber nie, so glaubt er, wird er noch einmal einer Frau vertrauen, sie lieben können. Doch da führt ihm das Schicksal die zauberhafte Eva-Maria in den Weg ...Jetzt lesen

Helen Jungs Liebe

Mitreißender Roman um eine junge Millionärin

„Mein inniggeliebter Papsi!

Wir haben uns nicht lange in Paris aufgehalten, Mrs. Lee und ich, denn ich wollte doch nun endlich Deutschland erreichen und mich in deinem Vaterland umsehen. Paris sehe ich ja dann später auf der Rückreise mit dir. Es bleibt doch dabei, Herzenspapsi, dass wir dich Anfang August in Genua erwarten können? Bis dahin sind noch gut zwei Monate, und ich will sehr viel sehen bis zu diesem Zeitpunkt, und natürlich auch lernen. Du sollst schon sehen, dass deine Helen alles gut und recht macht. Brauchst gar keine Angst um mich zu haben. Ich weiß ja, dass du mich nicht gern allein fortgelassen hast. Obwohl ich drüben ganz selbstständig auftreten durfte, bekamst du es doch mit der Angst, als ich dir mitteilte, dass ich schon ein Vierteljahr vor dir nach Europa reisen wollte. Mit einem Mal wurdest du wieder ganz deutlich und wolltest deine Helen am liebsten in Watte wickeln. Aber ich habe außer von meinem geliebten Papsi auch von meiner Mutter allerhand geerbt, und sie war doch eine smarte Amerikanerin und hat mich so erzogen, dass ich immer und überall weiß, wie ich mich benehmen muss, auch ohne meinen Papsi. Ich habe mich darein gefügt, dass du mir Mrs. Lee mit auf die Reise gabst, aber – nicht weil ich eine so genannte Anstandsdame brauche. Ich hätte auch ohne sie meinen Reiseplan ausführen können, aber ganz offen und ehrlich, geliebter Papsi, ich hatte in der Hauptsache vor, Mrs. Lee aus deiner Nähe zu entfernen.

Ja, Papsi, die liebe Mrs. Lee hat Absichten auf deinen, oder eigentlich nur auf ‚Reichtum‘, sie ahnt nicht, dass ich allein alles erbe, was Mama hinterlassen hat, und dass du nur die Nutznießung von meinem Vermögen hast, bis ich mündig bin. Das spielt zwar zwischen uns keine Rolle, mein Papsi, denn du wirst, solange du lebst, immer der Verwalter meines Vermögens sein und immer so leben können wie bisher. Aber für Mrs. Lee würde das eine sehr große Rolle spielen, sie will zuerst deinen Reichtum, dann dich als zwar unbequeme, aber notwendige Zugabe. Ja, geliebter Papsi und so als Zugabe ist mir mein Papsi viel zu gut.

Und so lange du den mehr oder minder energischen Absichten Mrs. Lee standhaft und kalt gegenüberstandest, ließ ich die Dinge ruhig gehen. Aber in letzter Zeit merkte ich, dass mein Papsi anfing, schwach zu werden. Warum auch nicht? Sie ist ja eine sehr hübsche und interessante Vierzigerin – ich glaube allerdings, dass sie einige Jahre unterschlägt, sie ist, glaube ich, schon fünfundvierzig – und sie versteht es großartig, zu kokettieren. Und wie gesagt, sie betreibt eine Heirat zwischen dir und ihr mit solcher Entschiedenheit, dass es die höchste Zeit war, dich in Sicherheit zu bringen. Und sie hat es sehr wohl gemerkt, dass ich sie nur deshalb entführt habe. Sie hat mich stets als lästig empfunden, jetzt aber hasst sie mich, und es wird ihr sehr schwer, mir immer noch die sanfte Mütterlichkeit vorzutäuschen.

Es ist sehr lustig und lehrreich für mich, wie sie sich mir gegenüber einstellt. Erstens einmal möchte sie mir jeden Einkauf, jede Anschaffung und überhaupt jede Geldausgabe verbieten; sie tut es auch mehr oder minder deutlich und weist darauf hin, dass du sicher böse sein würdest, wüsstest du, wie ich das Geld nur so hinauswerfe. So drückt sie sich aus. Aber ich antworte darauf nur mit meinem liebenswürdigsten Lächeln. Sie ahnt ja nicht, dass ich mein eigenes Geld ausgebe und dass ich mich innerhalb der mir gesteckten Grenzen halte. Aber wenn das auch nicht der Fall ist – was geht es sie an, was ich ausgebe? Oh, ihrer Ansicht nach sehr viel! Sie betrachtet sich schon als künftige Mrs. Jung und meint, es sei ihr Geld. Ich brauchte ihr ja nun nur zu sagen, wie die Dinge liegen, aber so boshaft bin ich nicht, Papsi, ich tue es nicht. Vorläufig wenigstens nicht. Das ist mein letzter Trumpf, um sie kaltzustellen.

Bist du nun sehr böse, Papsi? Nein, ich weiß, im Grunde magst du sie so wenig wie ich, abgesehen davon, dass sie eine sehr tüchtige und elegante Repräsentantin unseres Hauses ist, die uns alle Sorge und Mühe um den Haushalt abnimmt. Aber darauf soll sie sich beschränken. Doch das genügt ihr nicht, sie will Herrin deines Hauses werden. Eigentlich müsste man sie in ihre Enttäuschung hineinlaufen lassen, und ich glaube, es wäre sehr lustig, ihr Gesicht zu sehen, wenn sie erfährt wie die Dinge liegen, aber – mein Papsi ist mir zu gut für so etwas, er soll um keinen Preis diese Frau heiraten, denn sie würde ihn unglücklich machen. Ganz gewiss, Papsi. Du musst nicht denken, dass ich so selbstsüchtig bin, überhaupt keine Stiefmutter zu wollen. Du bist mit deinen fünfzig Jahren noch ein so rüstiger und – nicht eitel werden – interessanter Mann, dass du sehr wohl noch eine Frau glücklich machen kannst, oder von einer Frau beglückt werden kannst, aber diese Frau darf nicht Mrs. Jane Lee sein; die ist mir nicht gut genug. Wir werden gemeinsam nach einer anderen Frau für dich suchen, Papsi.

So, nun weißt du alles, und nun sei so gut und schicke mir ein Telegramm nach Berlin, wo ich im Hotel Adlon untergebracht bin. Ich gedenke einige Wochen in Berlin zu bleiben und von hier aus einige Abstecher durch Deutschland zu machen, ehe ich durch die Schweiz nach Italien weiterreise.

Denke dir, Berlin wirkt auf mich großartiger als Paris, es ist eine wunderschöne Stadt. Also bitte, geliebter Papsi – ein Telegramm, dass du nicht böse bist.

Deiner dich herzlich liebenden

Helen“

Aufatmend legte Helen Jung die Feder nieder, las den Brief nochmals durch und machte ihn postfertig. Sie war gerade damit fertig, als Mrs. Jane Lee, ihre Begleiterin, ins Zimmer trat.

„Ah, Sie sind fertig, Miss Helen? Ich wollte fragen, was Sie für heute Abend vorhaben. Haben Sie Lust, in die Oper oder in ein Schauspiel oder in eine der Revuen zu gehen? Ich glaube, im Großen Schauspielhaus werden Sie Erstklassiges zu sehen bekommen.“

Helen hatte sich ihr zugewandt und sah sie lächelnd an.

„Nichts habe ich vor, Mrs. Lee, ich denke, wir gehen heute einmal zeitig zur Ruhe.“

Sie merkte sehr wohl, dass dies durchaus nicht nach Mrs. Lees Geschmack war. Die Dame war sehr vergnügungshungrig und immer darauf aus, sich zu amüsieren. Aber sie sagte doch:

„Wie Sie wünschen, Miss Helen. Aber vielleicht wollen Sie noch am Tag eine Ausfahrt machen?“

„Auch das nicht, Mrs. Lee, ich bin schrecklich faul heute und möchte im Hotel bleiben. Aber ich brauche Sie nicht. Wenn Sie einen Spaziergang machen wollen, steht dem nichts im Weg.“

Zum Gehen hatte aber Mrs. Lee keine Lust, sie war, solange sie im Hause Jung war, immer gefahren, auch die kürzesten Wege. Etwas argwöhnisch sah sie nach dem Brief, der vor Helen lag. Unlustig, auszugehen, sagte sie ruhig:

„Dann bleibe ich auch im Hotel, Miss Helen. Aber wenn Sie länger in Berlin bleiben wollen, wie Sie mir sagten, dann müssen Sie sich wohl einen Wagen halten.“

Es blitzte übermütig in Helens Augen auf.

„So, muss ich?“

„Aber Miss Helen, Sie können doch Berlin nicht kennen lernen, ohne einen Wagen zu haben.“

Helen sah nun wieder ganz ernst aus.

„Meinen Sie? Nun, dann will ich mich darum bemühen, einen Wagen zu mieten.“

„Das kann ich Ihnen doch abnehmen, Miss Helen, ich könnte das gleich heute besorgen.“

„Nein, lassen sie nur, wir können gut bis morgen warten! Dann sparen wir schon für einen Tag die Miete. Sie prägen mir doch immer ein, dass ich sparsam sein soll.“

„Nun ja, wo das Geld unnötig ausgegeben wird. Aber ein Wagen ist doch nötig.“

„Richtig! Da Sie nicht gut zu Fuß sind, Mrs. Lee. Also morgen sehe ich mich danach um. Heute will ich sparen. Ich verzichte sogar auf das Abendessen unten im Speisesaal und lasse mir nur Tee und etwas Toast bringen. Sie leisten mir gewiss dabei Gesellschaft?“

Das war nun wieder nicht nach Mrs. Lees Geschmack. Sie selbst liebte eine üppige Tafel sehr, und die Aussicht auf Tee und Toast als Abendmahlzeit gefiel ihr durchaus nicht. Aber sie sagte mit einem Seufzer zu.

Dann fragte sie:

„Soll ich Ihren Brief gleich hinunter zur Post geben?“

Scheinbar harmlos sah Helen zu ihr auf.

„Oh, ich will Sie nicht bemühen, ich werde den Boy herbeirufen, er kann den Brief aufgeben.“

Es zuckte in Mrs. Lees Gesicht. Aber sie verneigte sich.

„So darf ich mich jetzt zurückziehen?“

„Bitte sehr! Ruhen Sie sich ein wenig aus, Mrs. Lee, wir haben ja eine anstrengende Reise hinter uns, und vor uns liegt noch eine Reihe von Anstrengungen.“

So zog sich Mrs. Lee zurück und als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, verunstaltete ein hässlicher Ausdruck ihr Gesicht. Es lag ein kalter Hass in ihren Augen. Und sie begab sich nicht in ihr Zimmer, sondern hinunter ins Vestibül, wo sie neben dem Lift wartend stehen blieb. Eine Weile später kam ein Boy im Lift herabgefahren, mit dem Brief in der Hand, der eben noch vor Helen Jung gelegen hatte. Schnell trat sie an den Boy heran.

„Geben Sie mir den Brief, den Ihnen Miss Jung übergeben hat, ich gehe gleich selbst zur Post und werde ihn mitnehmen.“

Arglos lieferte der Boy Mrs. Lee den Brief aus, denn er wusste, dass die beiden jungen Damen zusammengehörten.

Mrs. Lee begab sich nun in ihr Zimmer. Sooft sie es einrichten konnte, nahm sie in alle Briefe Einsicht, die ihre junge Herrin fortschickte, und wenn möglich auch in die, die Helen bekam. Es war also nicht das erste Mal, dass sie das Briefgeheimnis Helens verletzte, wie sie auch schon drüben in New York nach Möglichkeit die Post eingesehen hatte. Mit gefurchter Stirn öffnete sie behutsam das Kuvert. Sie zog den Brief heraus und begann zu lesen. Je weiter sie kam, umso mehr verzerrte sich ihr Gesicht.

Ja, Mrs. Lee hatte wirklich schon seit langem die Absicht, sich Mr. Jungs Gunst zu erringen, und sie rechnete unbedingt darauf, dass er sie heiratete. Sie wusste auch, dass ihr das gelingen würde, denn Mr. Jung war dem weiblichen Geschlecht gegenüber ziemlich hilflos. Aber es war ihr auch nicht entgangen, dass sie in Helen eine harte Widersacherin gefunden hatte. Aber Mrs. Lee war nicht so leicht von einem Ziel abzubringen. Ganz abgesehen davon, dass sich ihre noch sehr wachen Sinne für Mr. Jung entflammt hatten, wollte sie auch die Herrin seines Hauses und seines riesigen Vermögens werden. Daran wollte sie sich ganz gewiss durch Helen nicht hindern lassen. Und je mehr sie spürte, dass Helen ihre Gegnerin war, umso mehr wurde das junge Mädchen ihr verhasst. Sie musste leider vorläufig all ihren Groll mit einem liebenswürdigen Lächeln hinunterschlucken, aber sie gelobte sich, wenn sie ihr Ziel erreicht haben würde, alles zu tun, um Helen aus dem Herzen und dem Haus ihres Vaters zu drängen. Dann wollte sie Vergeltung üben.

Dass Helen ganz genau über ihre Gefühle orientiert war, ging aus dem Inhalt ihres Briefes an den Vater hervor, und wenige Minuten später war Mrs. Lee auch darüber im Bild, wie Helen zu ihr stand. Aber das beschäftigte sie jetzt nicht so sehr wie der übrige Inhalt des Briefes. Ganz blass und ratlos sah die ränkevolle Frau auf den Brief herab, aus dem sie so plötzlich erfuhr, dass nicht Mr. Jung der Erbe seiner Frau und somit ein sehr reicher Mann war, sondern dass er nur bis zu Helens Mündigkeit die Nutznießung an dem Vermögen hatte. Erreichte Helen also ihre Mündigkeit, was ja in knapp einem Jahr geschehen würde, dann war ihr Vater ebenso nur von ihrer Gnade abhängig, wie sie selber es war.

Wütend warf sie den Brief auf den Tisch. Dass sie von Helen durchschaut war, als sei sie von Glas, ärgerte sie maßlos, und ihr Hass grub sich noch tiefer in ihre Seele. Wie lächerlich es diesem jungen Ding erschienen war, wenn sie zur Sparsamkeit ermahnt wurde von ihr! Freilich, es war ja auch lächerlich, wie die Dinge lagen. Aber natürlich durfte sie in Zukunft diese Bemühungen, sie zur Sparsamkeit anzuhalten, nicht fallen lassen, damit Helen nicht etwa daraus schließen konnte, dass sie diesen Brief gelesen hatte. Keine Ahnung durfte sie haben, dass sie nun alles wusste.

Denn Mrs. Lee dachte auch nach Einsicht in diesen Brief nicht daran, ihre Jagd nach der Gunst Mr. Jungs aufzugeben. Erstens war sie wirklich in ihn verliebt, und dann – konnte man denn wissen, ob Helen Jung noch so lange lebte, bis sie mündig war? Bei diesem Gedanken sprühte es gefährlich in den kalten, sinnlichen Augen der Frau auf. Sie sah in diesem Moment aus wie ein Raubtier auf der Lauer. Ja, Helen war doch jetzt monatelang mit ihr auf der Reise. Und sie war oft sehr unbesonnen und waghalsig; wie leicht konnte ihr etwas zustoßen! Zumal – wenn man da ein bisschen nachhelfen würde?

Hätte Helen Mrs. Lee jetzt in die Augen sehen können, sie hätte wahrscheinlich nicht mehr so amüsiert an sie gedacht, wie sie es tat.

Ja, Mrs. Lee sah sehr gefährlich aus. Weg war alle Liebenswürdigkeit, alle sonst zur Schau getragene Sanftmut. Das war eine Frau, die vor nichts zurückschreckte, um ihr Ziel zu erreichen.

Schnell steckte sie nun wieder den Brief in den Umschlag und schloss ihn mit großem Geschick, so, dass nicht zu merken war, dass er geöffnet worden war. Dann nahm sie hastig Hut und Mantel und begab sich zur nächsten Post, wo sie den Brief aufgab.

Während ihrer Abwesenheit klingelte Helen nach dem Boy. Es kam derselbe, dem sie vorher den Auftrag gegeben hatte, ihren Brief zu besorgen. Sie gab ihm einen Auftrag und fragte dann:

„Meinen Brief haben Sie doch befördert?“

Er stutzte und sah sie etwas unbehaglich an.

„Mrs. Lee sagte mir, sie wolle ihn selbst zur Post bringen, und ich glaubte, das sei in Ihrem Auftrag geschehen.“

Es zuckte leise um Helens Mund. Aber der Boy bekam keinen Tadel, nur sagte sie zu ihm:

„Bitte, halten Sie sich in Zukunft an das, was ich Ihnen sage. In diesem Fall hat es weiter nichts auf sich, aber es könnte sein, dass es mir wichtig wäre, meine Aufträge genau erfüllt zu sehen.“

„Sehr wohl, Miss Jung, aber ich habe nicht geglaubt, etwas zu tun, was Ihnen nicht zusagen würde. Ich bitte um Entschuldigung.“

Sie nickte dem erblassten Kerlchen lächelnd zu.

„Schon gut! Aber in Zukunft machen Sie das Versehen dadurch gut, dass Sie sich streng nach meinen Befehlen richten. Sagen Sie dem Pförtner, er möge alle für mich einlaufende Post unten bei sich behalten, bis ich sie selbst abhole. Niemand anderes ist berechtigt, Post für mich anzunehmen. Verstanden?“

„Ja, Miss Jung!“

Sie drückte ihm eine Silbermünze in die Hand.

„So! Damit Sie meinen Auftrag nicht vergessen!“

Der Boy verneigte sich und sah sie strahlend an, ehe er das Zimmer verließ.

Helen warf sich in einen Sessel und sah grübelnd vor sich hin.

***

Ralph Normann ging langsam unter den Linden entlang. Sein gebräuntes Gesicht hatte einen müden, abgekämpften Ausdruck, und seine Augen sahen starr ins Weite. Er schrak auf, als ein anderer Herr, der ihm entgegenkam, ihn in freudiger Überraschung anrief.

„Ralph Normann! Bist du das wirklich?“

Ralph richtete seine Augen auf den andern.

„Du bist es, Herbert? Das freut mich aber wirklich, dich einmal wiederzusehen.“

Die einstigen Jugendfreunde sahen sich eine Weile stumm an. Dann sagte Ralph aufatmend:

„Du siehst wohl und munter aus, und ich brauche dich nicht zu fragen, wie es dir geht.“

„Jetzt gottlob wieder gut, nachdem ich alle Hemmungen überwunden habe und aufs Hotelfach übergegangen bin.“

„Aufs Hotelfach? Wie meinst du das?“

Herbert Karstens Lippen zuckten ein wenig.

„Also ich weiß nicht, ob du mich nach diesem Geständnis noch kennen willst – ich habe eine Anstellung im Adlon gefunden, im Empfangsbüro, wo man die Gäste empfängt, ihnen die Schlüssel zu ihren Zimmern überreicht, ihre Zimmernummern notiert und etwaige Wünsche in liebenswürdigster Weise anhört, also sozusagen ‚Grüßaugust‘.“

Es lag eine leise Bitterkeit in den Worten Herbert Karstens. Ralph aber drückte ihm krampfhaft die Hand.

„Das wird sicher gut bezahlt, Herbert und du bist beneidenswert, dass du so eine Anstellung gefunden hast. Es ist doch ein ehrliches Brot, das du isst. Mir geht es bedeutend schlechter. Wie du habe auch ich keine Stelle als Ingenieur gefunden. Ich laufe nun mit meinem mühsam erkämpften ‚Dr. Ing.‘ herum. Die letzten Studienjahre habe ich, wie du weißt, ebenso durchgehungert wie du. Und jetzt eben überlegte ich mir, dass mir nur ein. Weg bleibt, mich vor dem Verhungern zu schützen.“

„Und was ist das für ein Weg? Aber warte, mein lieber Freund, wir wollen uns nicht hier auf der Straße aussprechen, ich habe heute meinen freien Tag und bin also Herr meiner Zeit. Komm mit mir zu Habel, da sitzen wir behaglich und ungestört!“

Ein bitteres Lächeln huschte über das interessante, aber schmale Gesicht Ralph Normanns.

„Ausgeschlossen, mein Lieber, meine letzten Barmittel gestatteten mir nicht mal, bei Aschinger ein Paar warme Würstchen zu verzehren. Ich kann dich also leider nicht begleiten.“

„Aber selbstverständlich lade ich dich ein.“

„Du würdest wahrscheinlich sehr lange auf eine Gegeneinladung warten müssen!“

„Wer denkt denn daran, Ralph! Haben wir nicht oft genug den letzten Bissen brüderlich geteilt? Ich lasse dich auf keinen Fall los, wir müssen uns mal wieder gründlich aussprechen. Wir haben uns doch bald ein Jahr nicht mehr gesehen und werden einander viel zu erzählen haben.“

Und ohne Umschweife schob Herbert Karsten seine Hand unter Normanns Arm und zog ihn mit sich fort. Sie sprachen kein Wort mehr, bis sie bei Habel an einem Tisch saßen.

Obwohl Herbert Karsten durchaus keinen Hunger hatte, bestellte er sich doch etwas zu essen, um Ralph zu veranlassen, ebenfalls etwas zu sich zu nehmen. Auch bestellte er eine Flasche Wein. Als der Kellner die Bestellung entgegengenommen hatte, fragte Karsten, seine Hand auf die des Freundes legend:

„Also was für ein Weg bleibt dir, wie du so verbissen sagtest, um dich vor dem Verhungern zu schützen?“

Ralph atmete tief auf.

„Also hör zu! Aus dem ganzen Schlamassel, der das Vermögen meines Vaters in alle Winde streute, blieb mir, wie du weißt, nur das Auto, das mein Vater in der letzten Zeit erst gekauft hatte. Es sollte in der Auktion, in der meines Vaters Nachlass verkauft wurde, einen so schäbigen Preis bringen, dass alles in mir dagegen revoltierte. Also erstand ich das Auto selbst mit dem letzten Rest, den ich noch besaß. Ich musste freilich dafür erst noch alles zu Geld machen, was ich hatte, aber ich sagte mir, für den Preis, der in der Auktion geboten wurde, könnte ich später das Auto immer noch verkaufen, denn es war im Verhältnis zum Wert des Wagens eine Kleinigkeit. Also, ich erstand den Wagen, und unser gemeinsamer Freund Halm bot mir an, ihn in seiner Garage mit einzustellen, bis ich wieder flott würde. Nun, flott bin ich leider nicht geworden, aber den Wagen habe ich noch, obwohl ich verschiedene Male drauf und dran war, wenn mich der Hunger peinigte, ihn zu verkaufen. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass mich dieser Wagen vor dem Schlimmsten behüten könnte. Und kurz und gut, so weit ist es nun, und ich habe eben den Entschluss gefasst, mir mit meinem Wagen als Chauffeur mein Brot zu verdienen.“

Er sah den Freund bei diesen Worten an, als müsse er in seinem Gesicht etwas wie Entsetzen lesen. Aber Herbert Karsten blieb ganz ruhig, nickte ihm zu und sagte:

„Eine ausgezeichnete Idee, mein Alter! Da du den Wagen besitzt, wirst du dein eigener Herr sein können. Alles, was du verdienst, gehört dir.“

„Das dachte ich mir auch. Ich werde mich also als Droschkenchauffeur anmelden. Führerschein habe ich ja, und hier in Berlin kenne ich mich aus wie nicht so leicht ein Zweiter.“

„Richtig, Ralph, aber ich würde dir raten, diesen Beruf sozusagen privat zu betreiben, nicht als Taxichauffeur, sondern als Unternehmer für eigene Rechnung. Und dabei könnte ich dir behilflich sein. Sieh mal, im Hotel kommt es oft vor, dass Autos verlangt werden, die nicht gleich als Taxameter erkannt werden. Da haben wir momentan eine junge Amerikanerin mit ihrer Gesellschaftsdame im Hotel. Die hat mir heute Morgen gesagt, dass sie ein Auto mieten will für ihren wochenlangen Aufenthalt in Berlin. Sie will damit Ausflüge außerhalb Berlins machen. Ich soll ihr eine Firma empfehlen, die ihr solch einen Wagen stellen kann. Glücklicherweise ist die Sache noch nicht abgeschlossen, und ich habe ihr gesagt, dass ich mich nach einem passenden Wagen umsehen werde. Das wäre also gleich ein günstiger Zufall für dich. Ich werde Miss Jung die Sache schon schmackhaft machen, zumal ich doch weiß, dass du ein tüchtiger Chauffeur und ein sehr gewissenhafter Mensch bist. Natürlich werde ich es ihr nicht auf ihre allerdings sehr reizende Nase binden, dass wir in einem Freundschaftsverhältnis stehen, denn dann wird sie möglicherweise misstrauisch. Kannst du morgen Vormittag gegen elf Uhr im Hotel sein?“

„Gewiss, jederzeit, Herbert.“

„Schön, dann erwarte ich dich um elf Uhr im Vestibül des Hotels.“

„Ich bin dir sehr dankbar, gleichviel, ob etwas daraus wird oder nicht.“

„Es wird schon klappen! Und dann werde ich weiter für dich sorgen. Es kommen sehr oft solche Anfragen. Lass mich nur machen, Ralph! Und du brauchst nicht schüchtern zu sein mit den Preisen – es kommt da nicht so drauf an.“

„Was meinst du, was ich verlangen soll?“

Sie berieten das gemeinsam. Karsten konnte wertvolle Winke geben.

„Natürlich muss dein Wagen gut instand sein.“

„Unbesorgt, Herbert, es ist ein erstklassiger Motor, und die Karosserie sehr elegant und tadellos erhalten. Da bin ich gar nicht bange. Der Wagen wird schon gefallen.“

Karsten lachte.

„Und der Chauffeur unbedingt auch. Obwohl du ein bisschen abgemagert bist, aber das wird sich schnell wieder ändern, wenn du nicht mehr so knapp bei Kasse bist.“

Ralph atmete tief auf.

„Ich habe mir den Brotkorb schon lange hoch hängen müssen, aber so hoch wie in den letzten Wochen hing er mir noch nie.“

„Das wird wieder besser werden, Ralph. Man muss sich in diesen Zeiten nur klar werden, dass man jede Möglichkeit, Geld zu verdienen, ausnützen muss.“

„Du musst mir nun von dir erzählen, Herbert. Wie bist du zu deiner Stellung gekommen?“

Karsten berichtete, dass es ihm genauso ergangen war wie Ralph, dass er auch keine Anstellung als Ingenieur hatte finden können und dass er schon ganz verzweifelt gewesen war, als ihm ein Freund seines verstorbenen Vaters die Stellung im Adlon besorgt hatte. Er habe sogleich mit beiden Händen zugegriffen und habe es noch nicht bereut.

Die Freunde plauderten noch eine Stunde zusammen, und Ralph begleitete Karsten nachher noch in ein Theater.

„Kannst mir alles zurückzahlen, wenn du wieder bei Kasse bist, Ralph, ich weiß schon, dass es dich bedrücken würde, etwas von mir annehmen zu müssen“, sagte Karsten lächelnd, als Ralph erst nicht mitkommen wollte.

Und so erlebten die Freunde den Abend gemeinsam, und als Ralph später sein mehr als bescheidenes Zimmer aufsuchte, legte er sich etwas hoffnungsvoller zur Ruhe als sonst.

Am nächsten Morgen stand er früh auf und begab sich nach der Garage seines Freundes, in der sein Wagen eingestellt war. Er hatte ihn schon in den letzten Tagen nachgesehen und in Ordnung gebracht. Alles war tadellos. Fast liebevoll putzte er daran herum, rieb die Scheiben noch einmal blank, entfernte das letzte Stäubchen von den Polstern und konnte nun zufrieden sein. Etwas wie Besitzerstolz kam über ihn. Gottlob, dass er den Wagen noch besaß!

Er reinigte sich nun die Hände und sah nach der Uhr.

Es war Zeit, sich nach dem Hotel zu begeben. Zwei Minuten vor elf Uhr betrat er das Vestibül.

Karsten kam ihm schon lächelnd entgegen.

„Tag, Ralph! Alles in Ordnung. Du wirst von Miss Jung erwartet. Komm schnell, wir wollen ihr mit Pünktlichkeit imponieren. Schlag elf Uhr wirst du ihren Salon betreten.“

Karsten begleitete Ralph im Fahrstuhl hinauf, gab ihm schnell noch allerlei Tipps, und punkt elf Uhr klopfte Karsten an die Tür zu Helen Jungs Salon.

Helen rief zum Eintritt. Sie befand sich mit Mrs. Lee im Zimmer.

Karsten und Ralph Normann traten ein, und Karsten sagte mit einer Handbewegung nach Ralph: „Dies ist Herr Normann, der Besitzer des Wagens, Miss Jung. Er will Ihnen sein Angebot machen.“

Helen legte das Buch beiseite, in dem sie gelesen hatte, und sah nach der Uhr. Ein leises Lächeln huschte um ihren reizenden Mund.

„Ah, Sie sind pünktlich! Das ist sehr angenehm bei einem Chauffeur. Mir wurde gesagt, dass Sie ein tüchtiger Fahrer sind und einen erstklassigen Wagen besitzen.“

So redete sie Ralph Normann an, nachdem sich Karsten mit einer Verbeugung zurückgezogen hatte.

Ralph verneigte sich. Er hatte seinen Hut draußen hängen lassen, einen Mantel besaß er schon lange nicht mehr, der war beim ersten warmen Frühlingslüftchen ins Leihhaus gewandert. Aber der dunkelblaue Anzug, der einzige, den er besaß, sah noch anständig aus, zumal Ralph zu den Männern gehörte, die immer, auch in abgetragenen Kleidern, einen vornehmen Eindruck machten. Und Helen Jung sah etwas erstaunt auf seine rassige und interessante Erscheinung.

Auch Jane Lee starrte ihn einigermaßen verwundert an. Dieser Chauffeur machte einen sehr guten Eindruck, auch auf sie.

„Ich glaube und hoffe, gnädiges Fräulein, dass ich Sie in jeder Hinsicht zufrieden stellen kann. Wenn Sie meinen Wagen besichtigen wollen, können Sie sich überzeugen, dass er tadellos in Ordnung ist, und hier – mein Führerschein.“

Sie ergriff den Führerschein und sah ihn durch. Ihre Augen flogen dann wieder prüfend über seine Erscheinung.

„Wie mir gesagt wurde, waren Sie bisher noch nirgends als Chauffeur angestellt?“

„Nein, gnädiges Fräulein, ich bin Ingenieur, kann aber als solcher keine Stellung finden. Der Wagen stammt aus dem Nachlass meines Vaters, und bis ich eine Anstellung als Ingenieur finde, will ich mir mein Brot dadurch verdienen, dass ich meinen Wagen vermiete und ihn zugleich als Chauffeur fahre.“

Das imponierte der Amerikanerin. Ihre Augen sahen etwas wärmer in sein charakteristisches Gesicht, in seine Augen. Und er hielt ihrem Blick tapfer stand, obwohl ihm das Herz wie ein Hammer in der Brust schlug. Denn diese junge Dame war so reizend, dass einem jungen Mann schon bei ihrem Anblick etwas unruhig zumute werden konnte.

Helen nickte ihm zu. Dieser Chauffeur, der eigentlich Ingenieur war und so tapfer auf irgendeine Art seinen Unterhalt zu verdienen suchte, gefiel ihr sehr. Er machte einen vertrauenserweckenden Eindruck, hatte etwas unbedingt Zuverlässiges und war ihr ja auch von Karstens aufs wärmste empfohlen worden.

„Gut“, sagte sie nach einem kurzen Überlegen, „ich werde mir Ihren Wagen ansehen. Wann kann das sein?“

„Jederzeit, gnädiges Fräulein. Ich brauche ihn nur aus der Garage zu holen.“

Sie nickte ihm mit einem so reizenden Lächeln zu, dass ihm das Blut noch schneller durch die Adern rann.

„Also bitte, holen Sie den Wagen! Wir wollen dann gleich eine Probefahrt machen. Danach können wir alles Nötige vereinbaren. Mrs. Lee, können Sie in einer halben Stunde zur Ausfahrt fertig sein?“

Jane Lee nickte bereitwillig.

„Ganz gewiss, Miss Helen, eine Viertelstunde genügt mir.“

„Nein, nein, sagen wir in einer halben Stunde, oder genauer – um elf Uhr dreißig. Können Sie bis dahin mit Ihrem Wagen hier sein?“

„Gewiss, gnädiges Fräulein.“

Damit war Ralph vorläufig entlassen. Helen zog sich gleich darauf in ihr Schlafzimmer zurück, um sich anzukleiden, und Mrs. Lee tat dasselbe.

Helen trat ans Fenster ihres Zimmers und spähte, von den Vorhängen verborgen, auf die Straße hinab. Sie sah Ralph aus dem Hotel treten, sah seiner schlanken, eleganten Gestalt nach und bemerkte, dass er gewandt auf eine fahrende Elektrische sprang. Schnell war er ihren Blicken entschwunden. Sie starrte eine Weile vor sich hin, in sich versunken, und dachte darüber nach, ob sie wohl gut daran tue, diesen jungen Mann als Chauffeur anzunehmen. Ihr wollte scheinen, als sei das für ihre Seelenruhe nicht ganz ungefährlich. Noch nie hatte ihr ein Mann auf den ersten Blick einen so tiefen Eindruck gemacht.

Aber dann warf sie den Kopf zurück. Lächerlich! Wie konnte sie nur auf solche Gedanken kommen! Er würde sie jedenfalls gut und sicher fahren; wenn ihr der Wagen gefiel, würde sie ihn mieten – samt dem Chauffeur, dem er gehörte. Man konnte dabei anscheinend auch ein gutes Werk tun; dieser junge Mann stand wohl in hartem Lebenskampf. Man musste ihm zu helfen versuchen.

Und nun war sie wieder ganz ruhig und sicher. Aber sie suchte ziemlich lange in ihrer Garderobe, bis sie den richtigen Anzug fand. Schnell warf sie dann ein elegantes, maulwurffarbenes Kleid über, dazu einen Mantel aus dem gleichen Stoff und ein kleines, gleichfarbiges Hütchen.

Als sie in den Salon hinübertrat, befand sich dort schon Mrs. Lee.

Helen nickte ihr zu.

„Wir können hinuntergehen, Mrs. Lee. Wenn der junge Mann so pünktlich ist wie vorhin, muss er schon da sein.“

„Ja, Miss Helen, er ist eben vorgefahren.“

Ralph Normann stand am Schlag seines Wagens und öffnete ihn diensteifrig, als die Damen aus dem Hotel traten. Er hatte Karsten schnell noch berichten können, wie weit er mit Miss Jung gekommen war, und hatte sich von ihm einige Mark geliehen, damit er erst noch tanken konnte. Er wollte doch nicht in Verlegenheit kommen, wenn die Damen etwa eine weitere Fahrt machen wollten.

Sorglich half er den Damen beim Einsteigen, und er atmete auf, als Helen ihm nach einem Blick auf den Wagen freundlich zunickte, als wolle sie sagen: „Er gefällt mir.“

Er fragte nun, wohin er die Damen fahren solle. Sie überließen es ihm, und er fuhr durch den Tiergarten davon, hinaus nach Charlottenburg und dann wieder einen anderen Weg zurück.

Helen und Mrs. Lee tauschten ihre Betrachtungen aus über den angenehm gefederten Wagen, über das ruhige, sichere Fahren Ralphs und schließlich auch über seine Persönlichkeit. Sie vermieden aber beide instinktiv, mehr Wohlgefallen an seiner Erscheinung zu verraten, als nötig war. Aber jedenfalls wurden sie sich einig, dass sie sehr gut bedient sein würden, wenn sie diesen Wagen und seinen Fahrer nahmen.

Als der Wagen wieder vor dem Hotel hielt und Ralph den Damen beim Aussteigen behilflich war, sagte Helen, lächelnd zu ihm aufsehend: „Wir sind zufrieden, und ich werde den Wagen mieten. Nur möchte ich Sie bitten, ihn hier in die Hotelgarage einzustellen, damit ich ihn jederzeit zur Verfügung habe. Bitte, wollen Sie das ordnen! Danach erwarte ich Sie wieder in meinem Salon, damit wir alles weitere vereinbaren können.“

Ralph hörte es mit großer Freude. Er wusste, das Gegenteil hätte ihn sehr betrübt – und nicht nur, weil ihm damit ein gutes Geschäft entgangen wäre.

Während Helen und Mrs. Lee sich hinaufbegaben, brachte Ralph den Wagen in die Hotelgarage.

Wenige Minuten später klopfte er wieder an die Tür zu Helens Salon und wurde zum Eintritt aufgefordert. Helen besprach nun alles Geschäftliche mit ihm, mietete ihn vorläufig auf einen Monat und ging ohne weiteres auf all seine Forderungen ein, die ihm Karsten in Vorschlag gebracht hatte. Selbstverständlich händigte ihm Helen auch sogleich eine Vorauszahlung aus, das heißt, sie gab ihm einen Scheck auf die Deutsche Bank. Und Ralph wusste nicht, ob ihn diese Anzahlung allein so glücklich machte, die den Vertrag gewissermaßen besiegelte, oder ob er nicht noch glücklicher dadurch war, dass er diese reizende junge Dame nun wochenlang jeden Tag sehen und in seinem Wagen spazieren fahren konnte.

Als er sich schon verabschieden wollte, hielt Helen ihn noch auf.

„Einen Augenblick. Wäre es Ihnen sehr unangenehm, wenn Sie hier im Hotel Wohnung nehmen würden? Ich möchte Sie immer zur Hand haben. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich Ihnen gleich ein Zimmer anweisen lassen. Sie können dann auch hier speisen. Ich werde das alles erledigen.“

Seine Stirn rötete sich ein wenig, und er sagte hastig:

„Dann bezahlen sie mich aber zu hoch, gnädiges Fräulein; wenn ich freie Station erhalte ist meine Forderung zu groß.“

Sie sah ihn kühl und stolz an.

„Oh, Sie sind kein Amerikaner! Der hätte das nicht gesagt, sondern sich nur gefreut, wenn er ein gutes Geschäft gemacht hätte. Es wird nichts geändert an unserem Abkommen. Ich bringe sie doch nur zu meiner Bequemlichkeit hier unter, damit ich immer über Sie verfügen kann. Ich weiß nie vorher, wann ich Sie brauche.“

Er verneigte sich, und nun zuckte auch um seinen Mund ein Lächeln.

„Dann will ich mich wie ein Amerikaner freuen, gnädiges Fräulein.“

Sie mussten beide lächeln, und dann sagte Helen:

„Bitte, nennen Sie mich einfach Miss Jung; an das gnädige Fräulein gewöhne ich mich schlecht.“

„Wie sie befehlen, Miss Jung.“

„Ich bitte darum!“

Sie klingelte und bestellte, dass ein Zimmer für „Herrn Normann“, bereitgehalten und dass er im Hotel speisen werde. Ralph war dann entlassen, nachdem sie ihm gesagt hatte, dass sie vor vier Uhr seiner nicht bedürfe. Nachmittags solle er sie dann nach Potsdam fahren, wo sie sich Schloss Sanssouci ansehen wolle.

Ralph benutzte diese freie Zeit, um Karsten alles zu berichten, dann seinen Scheck einzulösen, und sein kleines Zimmer aufzugeben, wo er seine wenigen Habseligkeiten zusammenpackte, die er gleich mitnehmen wollte. Er war ja jetzt auf vier Wochen im Adlon untergebracht. Nachdem er das Geld für den Scheck erhalten hatte, kaufte er sich einen Mantel, noch einen blauen Anzug und eine blaue Mütze. Die wollte er im Dienst Miss Jungs tragen, damit er doch in etwas einem Chauffeur glich. Noch einige andere Kleinigkeiten schaffte er sich an, die unbedingt nötig waren, und dann kehrte er ins Hotel zurück. Als er in dem für ihn bereiten, sehr anständigen, wenn auch bescheidenen Zimmer saß und das Mahl verzehrte, das man ihm hier auftrug, atmete er tief auf, und ein Gefühl großer Dankbarkeit gegen Karsten und vor allem gegen diese reizende Amerikanerin erfüllte sein Herz. Jetzt hatte er doch erst mal einige Wochen eine Atempause im Kampf ums Dasein! Vielleicht war das der Anfang einer gesicherten Existenz.

***

Die ersten Wochen vergingen nicht nur Ralph, sondern auch Helen wie im Flug. Sie machte täglich große Fahrten, überließ es Ralph, sie mit allem bekannt zu machen, was in Berlin und Umgegend sehenswert war, und war sehr mit ihm zufrieden.

In der ersten Zeit saß sie immer neben Mrs. Lee im Wagen. Dann überkam sie zuweilen eine ihr sonst unbekannte träumerische Ruhe, wenn sie durch die Scheibe, die Wagen und Chauffeursitz trennte, Ralph Normanns schmalen, gut geformten Hinterkopf ansah. Er gefiel ihr mit jedem Tag mehr, und sie freute sich, gerade diesen Chauffeur und diesen Wagen gefunden zu haben.

Eines Tages sagte sie, eine leichte Verlegenheit bezwingend: „Ich möchte heute neben Ihnen sitzen, Herr Normann.“

Seine Augen leuchteten verräterisch in die ihren.

„Sehr wohl, Miss Jung.“

„Ich möchte nämlich selbst gern unterwegs ein wenig fahren“, sagte Helen.

Er sah sie erstaunt an.

„Können Sie einen Wagen führen?

Sie lachte.

„Oh, ich fahre in New York meinen Wagen immer selbst. Aber Berlin kenne ich nicht genug, um das auch hier zu wagen. Aber draußen, wenn wir freie Fahrt haben, möchte ich zuweilen ein halbes Stündchen am Steuer sitzen, damit ich nicht alles verlerne“, sagte sie schelmisch.

„Dann natürlich, Miss Jung, steht dem nichts im Weg.“

Draußen auf der freien Straße überließ er ihr dann den Platz am Steuer. Sie fuhr tadellos, und Ralph konnte ihr seine Anerkennung nicht versagen und machte kein Hehl daraus.

So kam es nun sehr oft dazu, dass sie nebeneinander saßen, während Mrs. Lee sich innen im Wagen breit machte. Welche Gedanken sie dabei beseelten, ahnte Helen nicht.

Es herrschte zwischen ihr und Jane Lee ein äußerst höflicher und liebenswürdiger Ton. Der Helens war mehr höflich, als liebenswürdig und voll sanfter Mütterlichkeit, aber voll eines falschen Untertons, den Helen wohl spürte.

Jane Lee wiederum merkte, dass Helen jetzt nie mehr Post auf ihr Zimmer bekam und dass ihr auch nie Post für Helen am Postschalter des Hotels ausgeliefert wurde. Immer wurde ihr der Bescheid gegeben: „Nichts da für Miss Jung.“ Aber dann merkte sie doch eines Tages, dass Helen sich die Post selbst unten abholte. Und da wusste sie, dass Helen ihr misstraute. Sie hielt es aber für das Beste, das zu übersehen, und hütete sich, deshalb eine Frage an Helen zu richten.

Eines Tages, als die beiden Damen wieder von einer längeren Ausfahrt zurückkehrten, erhielt Helen ein Telegramm ihres Vaters. Der Boy überreichte es ihr, als sie das Vestibül betrat. Es war derselbe Boy, dem Mrs. Lee damals den Brief abgenommen hatte und der seither Mrs. Lee nicht ausstehen konnte, während er für Miss Jung eine schwärmerische Verehrung hegte. Helen steckte das Telegramm ruhig, äußerlich ruhig wenigstens, zu sich und sah sehr wohl in Jane Lees Augen das brennende Verlangen, den Inhalt dieses Telegramms zu erfahren.

Helen öffnete es aber erst, als sie allein war. Es war wirklich, wie sie angenommen hatte, von ihrem Vater, die Antwort auf ihren Brief. Es lautete:

„Alles verziehen – bin kuriert – Kuss – Papsi.“

Ihre Augen strahlten auf, und sie drückte das Papier fest an ihre Brust.

„Mein Papsi, es darf auch nicht anders sein. Das ist keine Frau für dich. Du wirst eine bessere und liebere finden, die dich glücklich macht.“

So sagte sie leise vor sich hin. Und sie zerriss das Telegramm in kleine Stückchen.

Sie schrak auf, als es an die Tür ihres Salons klopfte, und rief zum Eintritt. Ralph Normann trat ein. Er trug einen bunten Schal in der Hand und reichte ihn Helen.

„Sie haben das im Wagen liegen lassen, Miss Jung.“

Mit einem freundlichen Lächeln nahm sie ihm das zarte Gewebe aus der Hand.

„Ich danke Ihnen, Herr Normann. Also nun haben Sie einige Stunden Ruhe, bis wir heute Abend in die Oper fahren.“

„Sehr wohl, Miss Jung. Sie sind immer so freundlich. Ich danke Ihnen.“

Sie winkte hastig ab.

„Das ist doch selbstverständlich. Sie haben jetzt stundenlang am Steuer gesessen, ich kann beurteilen, was das heißt. Nun müssen Sie Ruhe haben.“

„Haben Sie sonst keine Befehle für mich?“

Mit großen Augen sah sie ihn an, mit diesen wundervollen Augen, in denen sich Sonnenfunken gefangen zu haben schienen, mit diesen Augen, die ihn mehr und mehr um seine Herzensruhe brachten.

„Befehle gibt es doch überhaupt nicht für Sie, Herr Normann. Und ich habe jetzt auch weiter keine Verwendung für Sie bis zum Abend. Heute Abend werden Sie wieder spät zur Ruhe kommen, denn die Oper wird spät zu Ende sein. Was tun Sie eigentlich immer in der Zeit, während der wir in den Theatern sind?“

„Ich fahre stets nach dem Hotel zurück und halte dann zuweilen ein Plauderstündchen mit einem Freund.“

Dass dieser Freund Karsten war, verriet er ihr natürlich nicht.

„Möchten Sie nicht auch lieber in ein Theater gehen?“

Er lächelte. Es war ein gutes, warmes Lächeln. Es machte ihr das Herz warm.

„Ich habe kein Geld für solche Vergnügungen übrig, Miss Jung.“

Sie zögerte. Wie gern hätte sie ihm gesagt, er möge sich auf ihre Rechnung eine Einlasskarte zur Oper besorgen. Aber sie wusste nun schon, dass solche Bemühungen ihrerseits, seine Lage zu verbessern, ihn beschämten und demütigten. Aber es fiel ihr ein Ausweg ein, wie sie ihm zuweilen zu einem Theaterbesuch verhelfen konnte, ohne ihn zu beschämen.

Einige Tage später, als sie wieder von einer langen Ausfahrt zurückgekommen waren, sagte Helen zu Mrs. Lee.

„Die Fahrt hat mich heute über Gebühr angestrengt, ich habe keine Lust, heute Abend ins Theater zu fahren. Wir werden hier im Hotel speisen und früh zur Ruhe gehen, denn morgen müssen wir zeitig aufstehen, da wir eine Fahrt nach Leipzig machen wollen.“

Helen hatte schon verschiedene so große Fahrten gemacht, hatte Dresden, Hannover, Kassel und Weimar besucht und wollte nur morgen nach Leipzig fahren. Ralph hatte sich auf all diesen Fahrten nicht nur als guter Chauffeur erwiesen, sondern auch als erstklassiger Reisebegleiter für die Damen. Überall fühlten sie sich unter seinem Schutz wohl aufgehoben, auch Mrs. Lee, die immer sehr viel für hübsche und interessante Männer übrig hatte. Sie wäre gar nicht abgeneigt gewesen, mit diesem Herrn Normann ein kleines galantes Abenteuer zu erleben, aber sie war zu klug dazu. Bei ihren höher fliegenden Plänen konnte so ein Spiel sehr leicht nachteilige Folgen haben. Also begnügte sie sich damit, Ralph ab und zu einen koketten Blick zuzuwerfen, den er aber mit unbewegter Miene übersah.

Mrs. Lee war nicht sehr zufrieden damit, dass man heute nicht ins Theater gehen wollte, sie verzichtete nie gern auf ein Vergnügen.

„Wir haben doch schon die Karten besorgen lassen, Miss Helen“, warf sie ein.

„Allerdings. Aber so müssen wir eben die Karten verfallen lassen, denn es ist wohl schon zu spät, um sie an der Kasse zurückzugeben. Aber halt – mir fällt da eben ein, Herr Normann könnte sie benutzen, wenigstens eine davon. Vielleicht hat er auch Verwendung für beide. Ich will ihn doch gleich fragen.“

Und sie ließ Normann rufen. Als er eintrat, sagte Helen:

„Ich möchte heute Abend lieber auf den Theaterbesuch verzichten, Herr Normann, weil wir morgen zeitig nach Leipzig aufbrechen wollen. Haben Sie vielleicht Lust, eine der Karten zu benutzen, die sonst verfallen würden?“

Ralphs Stirn rötete sich jäh. Er war ein großer Theaterliebhaber, und heute Abend spielte Paul Hartmann den Ferdinand in „Kabale und Liebe.“ Er hatte früher Paul Hartmann sehr oft gesehen und als junger Mensch sehr für ihn geschwärmt. Und nun sollte er so zufällig einen sicher sehr guten Platz bekommen, um diesen Künstler einmal wiedersehen zu können. Dass er Helen einmal sehr begeistert von diesem Schauspieler berichtet hatte, wusste er wohl noch, aber er meinte, dass sie das längst vergessen habe.

„Es wäre jammerschade, wenn die Karten verfallen würden, Paul Hartmann spielt ja heute Abend.“

„Ach, richtig – sagten Sie mir nicht neulich, dass er ein vortrefflicher Künstler ist?“

„Allerdings, Miss Jung.“

„Nun also. Lassen Sie sich unten die eine der für mich besorgten Karten geben, denn für die andere haben Sie wohl keine Verwendung?“

„Nein, Miss Jung, aber natürlich nehme ich mit großer Freude eine Karte an, wenn Sie sie doch nicht benutzen.“

„Gut, so sagen Sie bitte unten, dass die andere Karte irgendeiner der angestellten Herren, der heute Abend frei hat, benutzen kann.“

Ralph verneigte sich. Er dachte gleich daran, dass Herbert Karsten heute wieder seinen freien Abend hatte. Vielleicht hatte er für den Abend noch nichts vor, dann konnten sie zusammen ins Theater gehen. Er dankte Helen sehr ergeben und fragte, ob sie seiner noch bedürfe.

„Nein, wir speisen im Hotel und gehen zeitig zur Ruhe. Also viel Vergnügen heute Abend. Sie werden mir morgen berichten, wie die Vorstellung war.“

Mit einer tiefen Verbeugung verabschiedete sich Ralph.

Und zu seiner Freude hatte Herbert Karsten wirklich noch nichts vor für den Abend, und die Freunde gingen zusammen ins Theater.

Helen aber war sehr froh, dass sie Normann auf diese Weise einen seltenen Genuss verschafft hatte.

***

Am nächsten Morgen setzte sich Helen wieder neben den Chauffeur, weil sie, wie sie sagte, unterwegs wieder den Wagen eine Strecke steuern wollte.

So freundlich sie auch immer zu Ralph Normann war, hielt sie sich doch in einer bestimmten Grenze, und so entging es selbst der immer wachsamen Mrs. Lee, dass in aller Stille in Helens Herzen ein durchaus nicht harmloses Gefühl für diesen jungen Mann emporkeimte. Jane Lee hatte sich oft schon im Stillen über Helens Fischblut den jungen Herren gegenüber gewundert. Sie, die durchaus nicht fischblütig war, hatte nie verstehen können, dass Helen allen Bewerbungen um ihre Gunst so unberührt hatte gegenüberstehen können. Wie hätte sie jetzt ahnen können, dass das Herz ihrer jungen Herrin durchaus nicht mehr ruhig schlug, wenn sie neben Ralph Normann am Steuer saß oder wenn er gar bei solchen Gelegenheiten ihre Hand mit der seinen berührte. Nein, Helen Jung war ganz gewiss nicht fischblütig, wenn sie in Ralphs Augen blickte. Aber das merkte Jane Lee nicht.

Heute, auf der Fahrt nach Leipzig, musste Ralph nun Helen von dem gestrigen Theaterabend berichten, und er tat es mit so warmer Beredsamkeit, mit so jugendlichem Feuer, dass sie nur eins bedauerte – dass sie nicht zusammen mit ihm diese Vorstellung hatte besuchen dürfen. Er berichtete ihr auch freimütig, dass Herbert Karsten die andere Karte mit Freuden benutzt hatte und dass er Miss Jung seinen ergebenen Dank dafür übermitteln lasse.

Helen lächelte ein wenig.

„Nun, so sind doch die Karten in gute Hände gekommen.“

Und während sie auf der Straße nach Leipzig dahinfuhren, einmal Ralph am Steuer und einmal für kürzere Zeit freilich, Helen, plauderten sie lebhaft über Theater und Literatur, und sie erkannten wechselseitig, wie gut sie über solche Dinge Bescheid wussten.

Drinnen im Wagen saß Jane Lee mit einem spöttischen Lächeln. Sie spottete innerlich immer ein wenig über Helens Literaturschwärmereien, die sie bei sich überspannt nannte, denn sie selbst hatte wenig Sinn dafür. Sie konnte nicht begreifen, dass die sonst so stolze Helen sich mit einem Chauffeur über solche Fragen unterhalten konnte. Und zuweilen flog dann ihr Blick mit einem tiefen Hass zu Helen hinüber, als müsse dieser Hass fähig sein, das junge Geschöpf, das ihren Plänen so im Weg war, zu vernichten.

Sie langten sehr bald in Leipzig an, durchfuhren das berühmte „Rosenthal“, umkreisten die breite Lindenallee, die die innere Stadt begrenzt, speisten in einem Hotel zu Mittag, nahmen am Nachmittag den Tee bei Felsche und fuhren dann wieder nach Berlin zurück. Was Helen an Leipzig interessieren konnte, hatte ihr Ralph gezeigt. Befriedigt von diesem Ausflug kamen sie am Abend wieder in Berlin an.

Und wie so oft bedauerte Helen auch heute, dass Ralph Normann nicht mit ihr und Mrs. Lee zusammen im Speisesaal das Abendessen einnehmen konnte. Warum ging das eigentlich nicht? So fragte sie sich. Und zugleich wurde sie sich mit Schrecken bewusst, dass sie nicht mehr lange in Berlin bleiben konnte. Damit war dann auch die Zeit vorbei, wo sie sich von Ralph Normann im Auto herumfahren lassen konnte. Sie merkte an dem zuckenden Schmerz, der bei diesem Gedanken ihr Herz befiel, wie teuer ihr dieser Mann bereits geworden war. Sie fürchtete sich vor der Trennung von ihm und wusste doch nicht, wie sie diese Trennung verhindern konnte. Denn keine Ahnung kam ihr, dass er ihr durchaus nicht gleichgültiger gegenüberstand und dass er sich wohl noch mehr vor der Trennung von ihr fürchtete.

Hätte sie es gewusst, dann wäre ihr alles leichter gewesen, denn es gab für sie kein anderes Hindernis zwischen ihr und ihm, als dass er sie nicht liebte. So nahm sie wenigstens an. Für sie gab es keine Standesunterschiede, kein reich und arm, für sie galt nur der Mann.

Als sie an diesem Abend zur Ruhe gegangen war und mit ihrem Trennungsschmerz rang, kam ihr plötzlich ein Gedanke, der sie mit einem Ruck in die Höhe trieb. Erst sah sie im Dunkeln vor sich hin, dann schaltete sie das Licht ein, als müsse sie sich diesen neu emporgeschossenen Gedanken auch bei Licht besehen. Und dann drückte sie erregt die Handflächen gegen das Gesicht und atmete tief auf.

„Warum denn nicht? Warum soll das denn nicht gehen? Dann brauche ich mich doch nicht von ihm zu trennen!“

Gleich morgen wollte sie mit ihm sprechen, wollte ihn fragen, ob er auf ihren Vorschlag eingehen würde. Und sie betete darum, dass er es tun würde.

Nachdem sie eine Weile vor sich hingeträumt hatte, schlief sie endlich ein, mit einem glücklichen erlösten Lächeln um den Mund.

***

Als Ralph am nächsten Morgen den Salon betrat, saß Helen am Fenster. Sie nickte ihm freundlich zu und sagte mit ihrem reizenden Lächeln:

„Bitte nehmen Sie Platz, Herr Normann, ich habe etwas Geschäftliches mit Ihnen zu besprechen, was nicht mit wenigen Worten erledigt werden kann.“

Es war das erste Mal, dass sie ihn in ihrem Salon zum Sitzen aufforderte, und er fühlte sehr wohl, dass dies eine Auszeichnung war. Mit einer artigen Verbeugung ließ er sich in den nächststehenden Sessel nieder und behielt auch jetzt seine blaue Mütze in der Hand. Sie sah etwas unsicher auf diese Mütze, die ihr zum ersten Mal auffiel und ihr klar machte, dass er damit betonen wollte, dass er eben nur ihr Chauffeur war. Sie sah auch in sein ruhiges Gesicht, in dem nur ein leises Zittern seiner Muskeln verriet, dass er innerlich nicht so ruhig war, wie er scheinen wollte. Diese Beobachtung machte wiederum Helen unsicher, und sie musste sich einen Ruck geben, um ihre Überlegenheit wiederzufinden.

„Ich habe mich entschlossen, meine Reise durch Europa im Auto fortzusetzen“, begann sie, „und da ich in diesen Wochen Ihre Zuverlässigkeit und Besonnenheit erprobt habe, habe ich beschlossen, Sie zu fragen, ob Sie vielleicht gesonnen wären, noch weiter in meinen Diensten zu bleiben. Wir gedenken von hier aus nach Wien und Budapest zu fahren, dann an der Donau entlang bis Passau, dann südlich durch Tirol und von da nach der Schweiz. Danach wollen wir nach Italien, vielleicht die oberitalienischen Seen besuchen, und müssen dann Anfang August in Genua sein, wo mein Vater von Amerika aus zu uns stoßen wird. Wahrscheinlich wird mein Vater auch die Reise im Auto vorziehen, und wir werden dann an der Riviera entlang nach Frankreich fahren, erst nach Marseille, dann nach Paris, und wie es dann weitergehen soll, wird von meines Vaters Geschäften abhängen. Jedenfalls aber möchte ich Sie bis Genua, also bis Anfang August, fest verpflichten. Würden Sie dazu Lust haben?“

Ralph hatte ihr mit strahlenden Augen zugehört. Natürlich war er sofort Feuer und Flamme. Er wäre nach dem Nordpol mit Helen gefahren, nur um sich nicht schon von ihr trennen zu müssen. Und der Ausdruck seiner Augen verriet ihr in dieser Minute mehr von seinem inneren Empfinden als bisher, obwohl er sich auch jetzt so viel wie möglich in der Gewalt behielt. Seine Stimme klang aber ziemlich erregt, als er nun erwiderte:

„Sie fragen mich, ob ich Lust habe, Miss Jung. Wie könnte ich diese Frage anders als mit ja beantworten? Ihr Anerbieten ist sehr verlockend für mich, und ich bitte, mir zu glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich alles, was in meiner Macht steht, tun werde, um Sie zufrieden zu stellen. Ich – ich betrachte es als ein großes Glück, dass Sie mich für wert halten, Sie auf dieser weiten Reise zu fahren.“

Sie spürte seine freudige Erregung, und wurde dabei selbst sehr unruhig und erregt. Ihr reizendes Gesicht überzog sich mit einer tiefen Röte. Sie musste erst eine Weile um Fassung ringen, ehe sie weitersprach.

„Es freut mich, dass Sie einwilligen wollen, Herr Normann, aber ich habe nun zugleich noch eine andere Bitte an Sie. Es wäre mir sehr wertvoll, wenn Sie uns nicht nur als Chauffeur Ihres Wagens begleiten, sondern auch als eine Art Reisebegleiter, unter dessen persönlichen Schutz wir uns immer und überall stellen könnten. Wir kennen Sie doch nun schon lange genug, um uns ein Urteil bilden zu können, dass Sie auf einer Bildungsstufe mit uns stehen, wahrscheinlich sogar über uns, denn wir haben uns überzeugen können, dass Sie die besten gesellschaftlichen Formen beherrschen, dass Sie also wohl überall, wo wir hinkommen, mit an unserem Tisch speisen können. Selbstverständlich werde ich in allen Hotels dafür sorgen, dass Sie dieselbe Aufmerksamkeit finden wie wir. Und ich rechne auch darauf, dass Sie uns auch außerhalb des Wagens überallhin begleiten, wo Damen am besten unter männlichen Schutz verkehren. Wollen Sie mir auch diesen Gefallen tun?“

Bei diesen Worten war das Blut in Ralphs Stirn gestiegen. Wie sehr ihn ihr Auftrag beglückte, war in seinen Augen deutlich zu lesen. Er atmete tief auf.

„Ich betrachte Ihren Auftrag als eine große Auszeichnung. Es macht mich stolz und glücklich, dass Sie sich meinem Schutz so ganz anvertrauen wollen. Bitte, verfügen Sie ganz über mich!“

Helen hatte sich nun wieder in der Gewalt und nickte ihm lächelnd zu.

„Gut, so wäre nur noch der geschäftliche Teile zu besprechen. Alle Reisekosten gehen natürlich zu meinen Lasten. Für die Abnützung Ihres Wagens zahle ich Ihnen eine entsprechende Vergütung. Im übrigen erhöhe ich den Betrag, den ich Ihnen bisher bezahlte, um die Hälfte. Außerdem bitte ich Sie, sich eine Ausstattung auch für solche Fälle anzuschaffen, wo Sie uns ins Theater oder in sonstige Lokale begleiten werden, wobei Sie natürlich unserem eigenen Auftreten angemessen gekleidet sein müssen. Bitte, beschaffen Sie sich das alles umgehend, damit Sie fertig sind, wenn wir abreisen. Die Rechnung lassen Sie bitte an mich einsenden.“

Dieser Teil von Helens Anerbieten machte ihn sehr verlegen, er hatte dabei ein peinliches Empfinden und sagte hastig abwehrend:

„Sie bezahlen mich sehr gut, Miss Jung, dass ich mir sehr wohl die nötige Ausrüstung selbst beschaffen kann. Ich bitte Sie, davon abzusehen, diese Rechnung zu bezahlen, es wäre mir peinlich.“

Sie verstand ihn nur zu gut und freute sich seines Stolzes.

„Daran merkt man, dass Sie Deutscher sind, Herr Normann; drüben würde es keinem Menschen peinlich sein, der zugunsten eines andern Aufwand treiben muss, sich diesen Aufwand bezahlen zu lassen. Aber ich sehe, dass Ihnen das Anerbieten unangenehm ist, und will Sie gewiss nicht kränken, oder verletzen. Ist das geschehen, so bitte ich um Verzeihung. Also bitte, schaffen Sie sich das Nötige an!“

Es wurden nun noch weitere Einzelheiten besprochen. Schließlich war alles nach Helens Wünschen geordnet, und es erfüllte sie ein heimliches Glücksgefühl, dass die Trennung von Ralph Normann auf unbestimmte Zeit verschoben war.

***

Die größeren und kleineren Ausflüge in die Umgebung von Berlin wurden fortgesetzt, sogar bis Hamburg fuhren sie eines Tages. Helen wollte bis zum nächsten Tag in Hamburg bleiben, und Ralph wurde gebeten, die Damen am Abend in ein elegantes Lokal zu begleiten. Helens Augen leuchteten auf, als Ralph ihnen bei der Pforte in einem tadellos sitzenden Smoking entgegentrat und sie zu ihrem Platz begleitete.

Auch Jane Lee starrte ihn fassungslos an. Er sah blendend aus. Seine schlanke, gut trainierte Gestalt nahm sich in dem Abendanzug vorzüglich aus. Und der interessante Kopf mit den charakteristischen Linien hielt sich so stolz und frei auf den breiten Schultern, dass er es mit jedem hätte aufnehmen können.

Sein Auftreten imponierte nicht nur Helen, sondern auch Jane Lee. Die Damen waren sehr zufrieden mit diesem Begleiter, der ihnen doch mehr Sicherheit im Auftreten gab, als wenn sie allein gewesen wären.

Sie speisten zusammen, Ralph übermittelte dem Kellner die Wünsche der Damen und auch seine eigenen, die ohne allzu auffallende Bescheidenheit doch zurückhaltend waren.

Man saß und plauderte, als sei es nie anders gewesen. Ralph entzückte sich mehr als je an Helens eleganter Erscheinung. Auch Mrs. Lee sah vorzüglich aus, und Ralph konnte stolz sein, zwei so gut aussehende Damen unter seinem Schutz zu haben.

Zufällig kam ein Bekannter von Ralph in das Lokal, und als er an ihm vorüberkam, begrüßte er ihn erfreut.

„Ah, Herr Doktor! Auch in Hamburg? Wie geht’s, wie steht’s? Lange nicht gesehen“, sagte er, Ralph die Hand schüttelnd und den Damen eine ehrerbietige Verbeugung machend.

Ralph hatte sich erhoben und erwiderte einige flüchtige Worte, worauf der Herr mit einer abermaligen Verbeugung weiterging. die beiden Damen hatten die Worte verstanden, und Helen sagte nun mit einem schelmischen Lächeln:

„Das haben Sie uns also unterschlagen, dass man sie mit ‚Herr Doktor‘ anreden muss.“

„Dieser Titel ist in meiner jetzigen Stellung sehr überflüssig.“

„Oh, wenn wir aber nun Wert darauf legten, Sie so zu nennen?“

Er lachte auf.

„Dann werde ich Sie gewiss nicht daran hindern, ich werde auch auf diesen Titel hören und immer den Damen ein ergebener Diener sein. Es ziert ja jeden Mann, welchen Titel er auch führt, den Damen dienstbar zu sein.“

„Nun wohl, Herr Doktor, so werden wir Sie nur noch mit diesem Titel anreden; ich weiß, dass das in Deutschland sehr wichtig genommen wird. Und ich komme mir nun sehr gehoben vor, dass ich mich so gut mit einem deutschen Doktor unterhalten kann.“

Mrs. Lee betonte ebenfalls, dass es ihr Vergnügen machen werde, ihn so anzureden, und er fügte sich dem Wunsch der Damen.

Er musste nun Ausführlicheres über sein Studium erzählen, und Helen stellte immer wieder Fragen an ihn, die ihm verrieten, wie sehr sie sich dafür interessierte. Wie gern gab er ihr jede Auskunft, und auch Mrs. Lee, die er freilich, je näher er sie kennen lernte, immer weniger sympathisch fand. Auch war ihm zuweilen schon aufgefallen, dass sie Miss Jung mit einem seltsam hasserfüllten Blick ansah. Er begann Mrs. Lee heimlich zu beobachten. Es war ein instinktives Gefühl in ihm, als müsse er Helen vor dieser Frau beschützen.

Hatte er recht beobachtet? Aber warum sollte Mrs. Lee ihre immer freundliche und gütige Herrin hassen? Er konnte sich das nicht erklären, fing aber in Zukunft immer wieder einmal diesen hassflimmernden Blick Jane Lees auf. Das beunruhigte ihn nicht wenig, wenn er auch weit davon entfernt war, zu ahnen, welches Ausmaß Jane Lees Hass gegen Helen angenommen hatte. Er glaubte nur, sie könne Helen Unannehmlichkeiten bereiten, und es war ihm ein Trost, dass er mindestens so lange bei Miss Jung bleiben würde, bis ihr Vater wieder mit ihr vereint sein würde.

Was dieser Vater für ein Mensch war, wusste er nicht. Er hörte nur zuweilen, dass Helen sehr zärtlich von ihrem „Papsi“ sprach und sehr drollig behauptete, sie müsse gut Acht geben auf ihren Papsi, damit er keine Torheiten begehe.

Dieser Ausspruch kam gerade an diesem Abend in Hamburg über Helens Lippen, kurz bevor sie das Lokal verließen. Und als Ralph dabei zu Mrs. Lee hinüber sah, merkte er, dass Helens Worte wieder diesen Hass in deren Augen auslösten. Da kam ihm eine leise Ahnung. Helen hatte doch, allerdings in zärtlicher Nachsicht, von Torheiten ihres Papsis gesprochen, vor denen sie ihn behüten müsse. War vielleicht Mrs. Lee eine von diesen Torheiten?

Nachdenklich folgte Ralph den beiden Damen hinaus, wo das Auto parkte.