Hedwig Courths-Mahler Collection 15 - Sammelband - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler Collection 15 - Sammelband E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

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Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück. Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.


Dieser fünfzehnte Sammelband enthält die Folgen 43 - 45:

DIANA, DIE JUNGE HERRIN VON DORNECK

Diana von Dorneck ist sehr früh Waise geworden. Ihr gehören grosse Ländereien und ein wunderschönes Herrenhaus. Doch Reichtum und Luxus bedeuten ihr nichts. Das Einzige, wonach sie sich sehnt, ist Liebe - Liebe, die von ganzem Herzen kommen soll.

Aber echte Zuneigung findet sie nur bei ihrem Vormund Hermann von Steinach. Als Diana plötzlich schwer erkrankt und glaubt, nun sterben zu müssen, hat sie nur einen einzigen Wunsch: Sie möchte Hermann von Steinach uneingeschränktes Wohnrecht auf Gut Dorneck sichern. Das kann sie aber nur, wenn sie Steinachs einzigen Sohn Lothar dazu bringt, sie zu heiraten ...

DU MEINE KÖNIGIN

Maria Jung hat in ihrem jungen Leben schon viel Leid erfahren. Ihr Vater wurde des Mordes an einem Kollegen beschuldigt und starb im Zuchthaus. Als Maria siebzehn war, verließ auch die Mutter sie für immer. Nun steht das junge Mädchen allein und mittellos in der Welt. Verzweifelt sucht Maria eine Stellung. Aber immer wieder scheitern ihre Bemühungen daran, dass sie die Tochter eines Zuchthäuslers ist. Deshalb kommt es ihr wie ein Geschenk des Himmels vor, als Frau von Kroneck sie als "Mädchen für alles" einstellt. Doch alles Leid, das Maria bisher erfahren hat, soll verblassen vor dem, was sie auf Gut Kroneck erleben wird ...

DIE LIEBE HÖRET NIMMER AUF

Seit dem Tod ihrer Eltern lebt Flavia Janotta bei ihrem Onkel, dem Großindustriellen Rittberg. Der Onkel und seine Frau behandeln Flavia wie ein eigenes Kind und auch Rittbergs einziger Sohn Hans ist dem Mädchen wie ein echter Bruder zugetan. Er ahnt nicht, dass Flavia ihn ganz anders liebt und dass es ihr fast das Herz bricht, als Hans in die Netze einer leichtfertigen Schauspielerin gerät. Doch die bildhübsche Steffa treibt ein schändliches Spiel mit dem stattlichen jungen Mann - ein Spiel, in das auch Flavia mit hineingezogen wird ...


Über 240 Seiten Romantik und Herzenswärme!

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Seitenzahl: 521

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: shutterstock/Forewer ISBN 978-3-7325-6935-9

Hedwig Courths-mahler

Hedwig Courths-Mahler Collection 15 - Sammelband

Inhalt

Hedwig Courths-MahlerHedwig Courths-Mahler - Folge 043Diana von Dorneck ist sehr früh Waise geworden. Ihr gehören grosse Ländereien und ein wunderschönes Herrenhaus. Doch Reichtum und Luxus bedeuten ihr nichts. Das Einzige, wonach sie sich sehnt, ist Liebe - Liebe, die von ganzem Herzen kommen soll. Aber echte Zuneigung findet sie nur bei ihrem Vormund Hermann von Steinach. Als Diana plötzlich schwer erkrankt und glaubt, nun sterben zu müssen, hat sie nur einen einzigen Wunsch: Sie möchte Hermann von Steinach uneingeschränktes Wohnrecht auf Gut Dorneck sichern. Das kann sie aber nur, wenn sie Steinachs einzigen Sohn Lothar dazu bringt, sie zu heiraten ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 044Maria Jung hat in ihrem jungen Leben schon viel Leid erfahren. Ihr Vater wurde des Mordes an einem Kollegen beschuldigt und starb im Zuchthaus. Als Maria siebzehn war, verließ auch die Mutter sie für immer. Nun steht das junge Mädchen allein und mittellos in der Welt. Verzweifelt sucht Maria eine Stellung. Aber immer wieder scheitern ihre Bemühungen daran, dass sie die Tochter eines Zuchthäuslers ist. Deshalb kommt es ihr wie ein Geschenk des Himmels vor, als Frau von Kroneck sie als "Mädchen für alles" einstellt. Doch alles Leid, das Maria bisher erfahren hat, soll verblassen vor dem, was sie auf Gut Kroneck erleben wird ...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 045Seit dem Tod ihrer Eltern lebt Flavia Janotta bei ihrem Onkel, dem Großindustriellen Rittberg. Der Onkel und seine Frau behandeln Flavia wie ein eigenes Kind und auch Rittbergs einziger Sohn Hans ist dem Mädchen wie ein echter Bruder zugetan. Er ahnt nicht, dass Flavia ihn ganz anders liebt und dass es ihr fast das Herz bricht, als Hans in die Netze einer leichtfertigen Schauspielerin gerät. Doch die bildhübsche Steffa treibt ein schändliches Spiel mit dem stattlichen jungen Mann - ein Spiel, in das auch Flavia mit hineingezogen wird ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Diana, die junge Herrin von Dorneck

Vorschau

Diana, die junge Herrin von Dorneck

Roman um das Opfer eines schwerkranken Mädchens

Über den Gutshof ritt im gemächlichen Zuckeltrab Frau Brigitte von Steinach auf ihrem breit gebauten Hengst „Trumpf“. Sie schob dabei die verschossene, ehemals grüne Reitmütze aus der Stirn, so dass der Ansatz ihres grauen Haares sichtbar wurde. Trumpf kannte seinen Weg ganz genau. An der Tür seines Stalles machte er halt, vermutlich nur, weil sie verschlossen war, sonst hätte er wohl seine schwere Reiterin gleich mit bis zur Futterkrippe getragen.

Frau Brigitte zog nun eine kleine silberne Pfeife zwischen den Knöpfen ihres knapp anliegenden Reitkleides hervor und entlockte ihr einen schrillen Ton.

Als nicht gleich jemand herbeikam, stieg dunkle Röte in ihr ohnehin nicht sehr blasses Gesicht, das derbe, fast männliche Züge hatte.

Noch einmal pfiff sie mit ungeduldigem Nachdruck, und als nun schnell die Stalltür aufsprang und ein Reitknecht heraustrat, schrie sie ihn wütend an: „Faule Bande! Sitzt ihr wieder auf den Ohren, oder schlaft ihr am hellen Tag?“ Und dabei schwang sie drohend die Reitpeitsche über dem Haupt des Mannes.

Der erwiderte kein Wort. Er duckte sich nur grinsend, dass ihn die Peitsche nicht traf, und half dann seiner Herrin aus dem Sattel.

„Der Kerl lacht, als hätte ich ihm sonst was für Elogen an den dicken Kopf geschmissen“, stöhnte sie bei dem schweren Werk. Und als sie endlich glücklich auf der Erde stand, fuhr sie fort: „Ich wollte, ich hätte es so gut wie du, mein Sohn. Es muss ein Vergnügen sein, seine Tage so strohdumm und faul zu verbringen.“

Trumpf schüttelte sich, als sei er froh, seiner Last ledig zu sein, und Frau Brigitte streichelte ihm gutmütig den Hals.

„Gelt, mein Alter, du bist auch froh, zur Ruhe zu kommen?“

Und zu dem Reitknecht gewendet, sagte sie halb lachend, halb ärgerlich:

„Nun dalli, mein Sohn, sperr deine blauen Augen nicht auf, als hättest du noch nie ’nen Gaul gesehen. Führe Trumpf in den Stall und reibe ihn gut ab, sonst soll dir ein Donnerwetter in den Magen fahren, dass dir acht Tage kein Happen mehr schmeckt.“

Der Reitknecht beeilte sich, dem Befehl seiner Herrin nachzukommen. Anscheinend bekümmerte ihn der barsche Ton, durch den doch eine gute Dosis Gutmütigkeit klang, wenig.

Brigitte von Steinach raffte nun ihr wenig elegantes, aber sehr praktisches Reitkleid energisch auf, sodass die festen Lederstiefel an ihren nicht sehr zierlichen Füßen zum Vorschein kamen, und schritt, schwerfällig und steif von dem langen Ritt über die Felder, über den Hof nach der Hintertür des stattlichen Herrenhauses.

Als sie in den großen, hallenartigen Flur trat, scholl ihr aus dem Souterrain Geräusch entgegen, gemischt aus menschlichen Stimmen, Tellergeklapper und Gerassel von Wirtschaftsgegenständen.

Sie beugte sich über das Treppengeländer.

„Heda! Ihr könnt mal eben ein bisschen weniger Lärm fabrizieren!“, rief sie mit lauter Stimme hinunter. Sofort wurde es still.

„Ist Sophie da unten?“, fragte Frau von Steinach nun in gemäßigterem Ton weiter.

Man hörte einen flinken Schritt. „Ja, gnädige Frau, ich bin hier.“

„Na, dann komm herauf, aber ein bisschen plötzlich!“, rief die alte Dame zurück und stieg langsam die breite Steintreppe zum ersten Stock empor.

Hinter ihr her hastete mit schnellem Schritt ein junges, dralles Mädchen mit weißblondem Haar, blauen Augen und roten Wangen. Man sah ihm an, dass die Kost in Dorneck gut war. Sophie war in Dorneck geboren, und Frau Brigitte hatte das anstellige Mädchen zur Zofe für sich und ihre Pflegetochter Diana angelernt.

Oben in ihrem Ankleidezimmer ließ sich Frau von Steinach das graue Reitkleid und die Reitstiefel ausziehen und ein bequemes Hauskleid überwerfen. Als sie dann weiche Lederschuhe an den Füßen hatte, atmete sie wie erlöst auf.

„So, Sophie, nun ist mir wieder menschlicher zumute“, sagte sie. „Gib mir noch ein frisches Taschentuch und gieß einen Schuss Kölnisches Wasser darüber, damit ich den Geruch von Ackerbau und Viehzucht aus der Nase kriege. Hm! Das belebt! Na, nun räume hier den ganzen Kladderadatsch weg, heute reite ich nicht mehr aus.“

Sophie knickste und machte sich eifrig an die Arbeit. Trotz Frau von Steinachs barschem Ton wussten die Leute in Dorneck sehr wohl, dass es ihre Herrin gut mit ihnen meinte und ihnen immer zu ihrem Recht verhalf.

Brigitte von Steinach ging nun wieder hinab, durchkreuzte die Halle und betrat den rechts abführenden langen Korridor. Dort öffnete sie eine der Türen, die in ein helles Zimmer führte, in das Luft und Sonnenschein durch drei große Glastüren, die alle offen standen, ungehinderten Einzug halten konnten. Diese Glastüren lagen nach der breiten Veranda hinaus, auf der hübsche, weiß lackierte Holzmöbel, mit bunten Kissen belegt, standen.

Als Brigitte auf die Veranda hinaustrat, sah sie Diana von Dorneck in der Ecke neben ihrem Gatten sitzen. Hermann von Steinach saß, bequem zwischen Kissen und Decken verpackt, in seinem Rollstuhl. Er war seit drei Jahren gelähmt. Ein unglücklicher Sturz vom Pferd hatte ihm die Lähmung beider Beine eingetragen. Sooft es das Wetter gestattete, brachte man ihn hinaus auf die sonnige, windgeschützte Veranda.

Diana von Dorneck hatte ihm vorgelesen. Sie saß in einen Sessel geschmiegt und hielt das Buch in den schlanken Händen. Diana zählte siebzehn Jahre, aber sie machte noch durchaus den Eindruck eines Kindes. Die eckigen, fast hageren Glieder steckten in einem weißen Kleid, das glatt an ihr herabfiel und unter der unentwickelten Büste mit einer schwarzen Samtschleife zusammengehalten wurde. Sie war nicht schön, obwohl ihr Gesicht feine Züge hatte, denen vielleicht nur die anmutige Weichheit und Rundung fehlte, um schön zu wirken. Dickes, kastanienbraunes Haar fiel ihr über die Schultern und flimmerte mit metallischem Schimmer im Sonnenschein. Zwei große, braune Kinderaugen, in denen die Sonne gefangen zu sein schien, hoben sich empor und sahen Frau Brigitte entgegen. Sofort legte sie das Buch beiseite und erhob sich mit einem Lächeln, das einen warmen Glanz in das etwas zu herb gezeichnete Gesicht zauberte.

„Da ist Tante Brigitte!“, rief sie Herrn von Steinach zu, der sich nun ebenfalls lächelnd seiner stattlichen Gattin zuwandte.

Die eigentliche Herrin von Dorneck war Diana von Dorneck. Ihr gehörte das schöne, alte Herrenhaus und der dazugehörige sehr ausgedehnte Grundbesitz. Diana war seit sieben Jahren Waise. Sie hatte beide Eltern rasch hintereinander durch eine Typhusepidemie verloren. Zuerst starb die Mutter, und am Tage ihres Begräbnisses wurde ihr Vater auf das Krankenlager geworfen, von dem er nicht mehr aufstehen sollte.

Botho von Dorneck hatte sein Ende kommen sehen und schon am Tag, bevor er sich niederlegen musste, sein Testament gemacht. Er wusste, dass seine kleine Tochter hilflos allen Zufälligkeiten preisgegeben sein würde, wenn er nicht schnell noch für ihre Zukunft Vorsorge traf. Der große, reiche Besitz konnte nicht durch ein Kind verwaltet werden. Er besaß außer einem Vetter keine Verwandten mehr. Dieser Vetter aber war ein Mensch, dessen Charakter und Lebensführung ihm nur Verachtung einflößen konnte. Außerdem hatte er eine Dame von zweifelhaftem Ruf geheiratet. Diesem Vetter wollte er um keinen Preis sein Kind und seinen Besitz anvertrauen.

Aber Botho von Dorneck hatte einen Freund, dessen Treue, Ehrlichkeit und Güte er oft erprobt hatte. Dieser Freund war Hermann von Steinach.

Gerade kurz vor dieser Zeit hatte Hermann von Steinach sein in nächster Nähe von Dorneck gelegenes Gut Buchenau verkaufen müssen, um seine Gläubiger bezahlen zu können. Es war ihm keine Wahl gelassen worden. Hermann von Steinach hatte dieses Gut schon stark überlastet von seinem Vater übernommen und es trotz ehrlichen Ringens nicht halten können. Er war mit wenigen tausend Mark, die ihm geblieben waren, in die nächste Stadt gezogen, wo sein einziger Sohn das Gymnasium besuchte, und wollte versuchen, eine passende Stellung zu finden, um für sich und seine Familie den Unterhalt zu verdienen.

In seiner Not und in der Sorge um sein Kind gedachte Botho von Dorneck nun seines Freundes und ließ ihn nach Dorneck kommen. Vertrauensvoll legte er alles, was er im Leben zurücklassen musste, in Hermann Steinachs Hände. Er setzte ihn zum Vormund seiner einzigen Tochter ein und zum Verwalter seines Vermögens. Ehe er starb, konnte er noch mit ihm ausmachen, dass Steinach mit seiner Frau in Dorneck leben sollte, damit seiner Tochter die Heimat erhalten bliebe. Frau von Steinach war Botho von Dorneck als eine rechtliche und tüchtige Frau bekannt. Er war fest überzeugt, dass er seine Tochter keinen treueren, ehrlicheren Händen übergeben konnte.

Hermann von Steinach dankte dem Freund für das erwiesene Vertrauen mit bewegtem Herzen und versprach, sich dessen würdig zu zeigen. Herr von Dorneck setzte ihm ein festes Gehalt aus und bestimmte genau seine Rechte. Vor allem schärfte er dem Freund noch ein, jenem wenig vertrauenswürdigen Vetter nicht die Türen von Dorneck zu öffnen und Diana von ihm zurückzuhalten. Der Vertrag zwischen den beiden Freunden wurde rechtskräftig abgeschlossen und notariell beglaubigt.

Kurze Zeit darauf war Botho von Dorneck gestorben. Dianas Wohl und Wehe wie auch ihr ganzer Besitz und ihr Vermögen lagen nun in Hermann und Brigitte von Steinachs Händen.

Und es waren wirklich treue und gute Hände, denen Botho von Dorneck all seine Güter anvertraut hatte. Hermann von Steinach wurde Diana ein zweiter, liebevoller Vater, ein treuer, uneigennütziger Freund. Er dankte es seinem verstorbenen Freund von Herzen, dass er ihm einen neuen Wirkungskreis, eine lohnende Lebensstellung geschaffen hatte.

Gleich nach dem Tod des Freundes zog er mit seiner Gattin nach Dorneck und nahm die Zügel in die Hand. Seinen Sohn Lothar ließ er in der Stadt zurück, da er kurz vor seinem Abitur stand. Lothar wollte Ingenieur werden und sollte später die Hochschule besuchen.

Diana war zehn Jahre alt, als ihre Eltern starben. Ihr verwaistes, liebebedürftiges Herz erschloss sich schnell ihrem Pflegevater, der den richtigen Herzenston für das zarte, feinfühlige Kinde fand. Brigitte von Steinachs raue, derbe Art schreckte Diana zuerst nicht wenig. Ihr konnte sie sich so leicht nicht anschließen wie „Onkel Hermann“. „Tante Brigitte“ fand auch nicht den rechten Ton, um die kleine Waise an sich zu fesseln. Sie kam zwar ihren Pflichten mit großer Gewissenhaftigkeit nach, sorgte aufs Beste für Dianas leibliches Wohl und ließ es an nichts fehlen, was Diana fördern konnte. Aber im Herzen dieser Frau war alle Liebe nur für zwei Menschen verschwenderisch aufgespeichert für ihren Mann und ihren Sohn. Da blieb für andere nichts übrig.

Diana fühlte das mit dem feinen Instinkt der Kinderseele, und ihr Herz erschloss sich auch Tante Brigitte nie mit derselben Innigkeit wie Onkel Hermann gegenüber. Als nun vor drei Jahren Hermann von Steinach, infolge eines Sturzes vom Pferd, an den Rollstuhl gefesselt wurde, gestaltete sich sein Verhältnis zu Diana noch inniger als zuvor. Sie wich kaum von seiner Seite und tat alles, was sie ihm zuliebe tun konnte, um ihm sein schweres Los zu erleichtern.

Es zeigte sich nun aber auch im hellsten Licht, was für eine starke, tüchtige Persönlichkeit in Brigitte Steinach steckte. Energisch nahm sie die Zügel von Dorneck in ihre Hände.

Wie ein Mann ritt sie schon am frühesten Morgen hinaus auf die Felder. In Stall und Scheunen wusste sie Bescheid, und ihren scharfen Augen entging nicht die kleinste Unregelmäßigkeit. Mit dem Förster durchstreifte sie das große, zu Dorneck gehörige Waldgelände und wusste ganz genau, wo ausgerodet und wo neu aufgeforstet werden musste. Einen Wilddieb, den sie erwischte, hatte sie eigenhändig mit der Reitpeitsche durchgeprügelt. Angezeigt hatte sie ihn nicht, aber er musste vier Wochen lang gegen Tagelohn bei der Kartoffelernte helfen. Der Wilddieb war ein arbeitsscheuer Häusler, der sich durch Wilddieberei leichten Verdienst schaffen wollte. Er ging seitdem Frau von Steinach im weiten Bogen aus dem Weg, aber im Wald wurde er nicht mehr gesehen.

Natürlich stand Frau Brigitte auch noch dem Hauswesen vor, wenn ihr auch dabei eine tüchtige Mamsell zur Seite stand.

Am Anfang nach Botho von Dornecks Tod hatte sich sein Vetter in Dorneck einzudrängen versucht, aber Herr von Steinach hatte ihm, kraft seiner Vollmacht, klar gemacht, dass sein Freund weder seine Anwesenheit in Dorneck noch überhaupt einen Verkehr seiner Tochter mit ihm gewünscht hatte. Und er hatte ihm Diana so energisch fern gehalten, wie es ihr Vater von ihm verlangt hatte. Aber als Herr von Steinach vom Pferd gestürzt war, hatte jener Vetter schleunigst versucht, ihn von Dorneck zu verdrängen. Mit den unlautersten Mitteln war er vorgegangen, aber er hatte an Frau Brigitte seine Meisterin gefunden. Und seitdem hatte er nicht wieder versucht, an Diana heranzukommen, um sie gegen Steinachs und für sich zu beeinflussen.

Diana genügte es übrigens, dass ihr Vater diesen Verkehr nicht gewünscht hatte, um sich von ihm fernzuhalten. Onkel Hermann hatte ihr den von ihrem Vater eigenhändig niedergeschriebenen Wunsch gezeigt, und damit war diese Sache für sie erledigt.

Diana fühlte sich sehr glücklich unter der Obhut ihrer Pflegeeltern, seit sie die Trauer um ihre Eltern verwunden hatte. Nur wenn Lothar von Steinach in Dorneck weilte, dann hatte sie trübe Stunden. Dies geschah allerdings sehr selten, da Lothar mit großem Eifer und fieberhaftem Fleiß studierte und sich stets nur einige Tage Ferien gönnte.

Mit den geschärften Augen eines Menschen, der schon von Kind auf mit widrigen Verhältnissen hatte kämpfen müssen, blickte er in die Zukunft und sagte sich, dass er ein Ziel erreicht haben müsse, wenn Diana von Dorneck eines Tages heiratete und einen neuen Herrn über Dorneck setzte. Dann wollte und musste er so weit sein, dass er für seine Eltern zu sorgen vermochte.

Kam er einmal für kurze Zeit nach Dorneck, widmete er jede Minute seinen Eltern. Für Diana hatte er weder Zeit noch Interesse. Er beachtete das lang aufgeschossene Mädchen mit dem blassen Gesicht fast gar nicht. Nur bei Tisch wunderte er sich zuweilen über ihre seltsamen grüßen Augen, die ihn so scheu und trotzig anblickten.

Diana hätte Lothar vielleicht sehr gern leiden mögen, wenn er nicht ein so ungeduldiges Gesicht gemacht hätte, sobald sie einmal in seiner Gegenwart mit seinen Eltern sprach. Sie glaubte, er gönnte ihr deren Liebe nicht. Und da sie sehr wohl wusste, dass er ein größeres Anrecht auf diese Liebe hatte als sie, zog sie sich deshalb scheu zurück, bis er wieder fort war.

Inzwischen war Diana nun siebzehn Jahre alt geworden, und Lothar stand dicht vor der Beendigung seines Studiums.

Er plante, sofort nach bestandenem Examen nach Deutsch-Südwest zu gehen, wo ihm beim Bau einer Eisenbahn eine günstige Stellung angeboten worden war.

Für Diana bekam seine Person damit etwas Interessantes. Aber seine Eltern waren weniger entzückt von diesem Plan. Sie hätten ihren Sohn lieber in der Nähe behalten.

So standen die Verhältnisse an diesem Sommertag, da Tante Brigitte zu ihrem Gatten und Diana auf die Veranda trat. Die junge Dame ging ihr mit freundlichem Lächeln entgegen.

„Du bist gewiss müde, Tante Brigitte. Komm, setz dich und ruhe dich aus!“

Schnell schob sie einen Sessel neben den Rollstuhl des Onkels. Frau Brigitte sank hinein.

„Gott sei Dank! In diesem Sessel sitzt es sich bequemer als auf dem Pferderücken! Trumpf hat mich durcheinander geschüttelt wie einen alten Kartoffelsack. Und einen Mordshunger hab ich mit heimgebracht.“

Herr von Steinach hatte die große, derbe Hand seiner Frau ergriffen.

„Meine arme Brigitte, du hast dich wieder tüchtig plagen müssen“, sagte er zärtlich.

Sofort trat ein warmes Leuchten in Frau Brigittes Augen.

„Geplagt? Ach, warum nicht gar, mein Alter! Ich habe ja nur da und dort nachgesehen, ob alles recht getan wird. Das ist doch keine Arbeit. Nur ein wenig lahm bin ich vom Reiten geworden, das wird gleich wieder besser sein. Gottlob hat draußen alles geklappt. Aber einen Durst habe ich – Diana, klingle doch bitte einmal, ich möchte ein Glas Wasser haben.“

Diana klingelte, und als Friedrich, der Diener kam, bestellte sie das Gewünschte.

„Aber nicht etwa so ein Finkennäpfchen voll, Friedrich, sondern ein ordentliches Glas!“, rief Frau von Steinach.

Als der Diener dann mit einer Karaffe und einem Glas erschien, leerte sie zwei volle Gläser.

„Ah, das tut gut, das spülte den ganzen Straßenstaub hinunter! Wie ist es mit dem Essen, Friedrich? Wird die Suppe noch nicht aufgetragen?“

„Sofort, gnädige Frau.“

„Na schön, mein Sohn, dann ein bisschen dalli!“

„Befehlen gnädiger Herr, dass ich den Stuhl hinüberfahre ins Speisezimmer?“, fragte der Diener. Frau Brigitte sprang auf und schob ihn zur Seite.

„Lass nur, das tue ich selbst“, sagte sie schnell.

„Aber du sollst doch nicht, Brigitte, der Stuhl ist so schwer, und du bist müde“, wehrte ihr Gatte ab.

Sie streckte ihm lachend die Arme aus.

„Sollst sehen, wie leicht es mir wird, mein Alter.“

Er sah zu ihr auf mit einem leuchtenden Blick. Sein edel geschnittenes, seit seiner Lähmung etwas blasses Gesicht mit den charakteristisch festgefügten Zügen verklärte sich förmlich, als er in ihre zärtlichen Augen sah. Und doch war Brigitte weder schön noch anmutig. Einst hatte niemand begreifen können, warum der stattliche, elegante Hermann von Steinach, der damals noch ein schneidiger Offizier war, die wenig begehrte, durchaus nicht reiche und keinesfalls schöne Brigitte von Dahlhorst gefreit hatte. Er selbst aber hatte es gewusst, er hatte in den grauen Augen seiner Brigitte gelesen, wie schrankenlos ihm ihr Herz ergeben war. Und nie hatte er es bereut, dass er sie zu seiner Gattin machte.

Sanft und sorglich schob sie den Rollstuhl vor sich her ins Speisezimmer.

Diana war neben Onkel Hermann hergeschritten und half nun, ihn so mit Kissen zu stützen, dass er gleich im Krankenstuhl an die Tafel geschoben werden konnte.

Er strich liebkosend über das Haar des jungen Mädchens, das sich einen Moment zärtlich an ihn schmiegte.

Frau Brigitte sah diese gegenseitige Liebkosung der beiden, und ein leises Zucken um ihren Mund verriet, dass sie ihr unangenehm war. Sie gönnte keinem Menschen, außer ihrem Sohn, dass er teilhabe am Herzen ihres Gatten. Es war wie eine leise, heimliche Eifersucht in ihr, und sie musste sich immer sehr im Zügel halten, damit das kein Mensch merkte. Sie schalt sich selbst aus deshalb, aber ändern konnte sie es nicht.

Während Friedrich den Braten herumreichte, fragte Diana: „Bleibst du nachmittags daheim, Tante Brigitte, oder musst du wieder hinaus?“

Die alte Dame schüttelte den Kopf.

„Nein, heute bleibe ich zu Haus. Draußen ist alles im Gange. Wir sind bald fertig mit der Rübenernte, und nächste Woche kriegen wir auch die letzten Kartoffeln herein, wenn das Wetter so anhält. Aber warum fragst du, ob ich daheim bleibe?“

„Weil ich wieder einmal nach Buchenau hinüber reiten möchte. Ich habe Dora Sanders lange nicht besucht. Und wenn du bei Onkel bleibst, passt das ganz schön. Ihr habt doch immer nur von Geschäften zu reden, das interessiert mich nicht die Spur.“

„Es sollte dich aber interessieren, immerhin handelt es sich doch um deinen Besitz.“

Diana lachte: „Ach, darum brauche ich mich nicht zu kümmern, ihr beide versteht das viel besser als ich. Mach kein strenges Gesicht, Tante Brigitte, so eine tüchtige Gutsfrau wie du werde ich im Leben nicht. Also sag, darf ich nach Buchenau?“

„Natürlich, Diana. Es wird dir gut tun, dich im Freien zu tummeln, du gefällst mir schon den ganzen Morgen nicht, siehst so müde und matt aus den Augen“, sagte Herr von Steinach.

„Fühlst du dich nicht wohl, Diana?“

„Ich habe nur Kopfweh, Tante, das will ich mir bald ausreiten. Gleich nach Tisch breche ich auf. Ich darf bis zum Abend in Buchenau bleiben?“

„Vor Dunkelwerden bist du aber wieder zu Haus.“

„Der Reitknecht begleitet mich doch.“

„Gleichviel, im Dunkeln reitest du mir nicht durch den Wald. Wie leicht stürzt du dann mit dem Pferd. Wenn du länger bleiben willst, lasse ich dich im Wagen heimholen.“

„Nein, nein, ich komme dann schon vor Dunkelwerden heim.“

Als sich Diana dann nach Tisch von ihren Pflegeeltern verabschiedete, sagte Frau Brigitte:

„Bestelle Frau Sanders einen Gruß von mir und nächstens käme ich auch mal auf ein Plauderstündchen nach Buchenau.“

„Danke, Tantchen, das will ich bestellen.“

„Ich bin wirklich sehr froh, dass unser liebes, altes Buchenau in so gute Hände gekommen ist. Herr Sanders ist ein patenter Landwirt geworden, wenn er auch früher Tapeten fabriziert hat. Da sieht man, mit Lust und Liebe kann man alles.“

Diana reichte ihr die Hand. „Adieu, Tante Brigitte, adieu, Onkel Hermann!“

Der alte Herr strich ihr über die Wangen.

„Adieu, Diana! Amüsiere dich gut!“

***

Diana von Dorneck war durch den Wald nach Buchenau geritten, gefolgt von ihrem Reitknecht. Wider Erwarten hatte sich das Kopfweh auf diesem Ritt verstärkt, und sie fühlte sich gar nicht wohl.

Das idyllisch mitten im Wald gelegene Herrenhaus von Buchenau gehörte jetzt Herrn Karl Sanders, einem ehemaligen Fabrikbesitzer, der sich seit Jahren von seinen Geschäften zurückgezogen hatte, um seine Tage als Landwirt zu beschließen.

Er hatte immer eine große Vorliebe für das Landleben gehabt und seine Gattin teilte diese Vorliebe. Karl Sanders hatte Buchenau damals von Hermann von Steinach gekauft.

Das Ehepaar Sanders besaß eine einzige Tochter, die ihnen erst nach dreizehnjähriger Ehe geschenkt worden war. Karl Sanders zählte jetzt bereits sechzig und seine Frau fünfzig Jahre. Sie waren aber im Herzen beide jung geblieben, ihrem Töchterchen zuliebe, das in Buchenau zu einem reizenden, lebensfrischen Backfisch herangeblüht war.

Dora Sanders war in einem Alter mit Diana, und die beiden jungen Mädchen hatten schon als Kinder miteinander gespielt. Dora war oft in Dorneck und Diana oft in Buchenau. Herr und Frau von Steinach hatten mit Doras Eltern gute Freundschaft gehalten und verkehrten nachbarlich miteinander.

Diana war dann auch mit Dora und deren Kusine Susanna Wallner zwei Jahre in einer Genfer Pension gewesen, von wo sie Ostern wieder heimgekehrt waren.

Während Dora Sanders sich schon frühzeitig entwickelt hatte und ein sehr hübsches Mädchen mit blondem Haar und veilchenblauen Augen war, erschien Diana neben ihr unentwickelt und unfertig. Dora war lebhaft und lustig und bildete auch darin einen großen Gegensatz zu Diana, die meist still und ernst war. Aber gerade deshalb ergänzten sie sich sehr glücklich.

Im Sommer kam auch meist Susanna Wallner, Frau Sanders’ Schwesterntochter, nach Buchenau, und dann pflegte das Trio sehr vergnügt zu sein.

Als Diana heute in Buchenau eintraf und vor der breiten Steintreppe vor dem Portal hielt, kam Dora Sanders mit einem kühnen Satz über die Terrassenbrüstung gesprungen.

„Hallo, Diana! Lässt du dich endlich wieder einmal sehen? Seit einer Ewigkeit warst du nicht in Buchenau“, rief sie lebhaft.

„Genau seit sechs Tagen nicht, Dora, du bemisst die Ewigkeit kurz“, erwiderte Diana, vom Pferd springend und dem Reitknecht die Zügel zuwerfend.

„Mir hat es jedenfalls zu lange gedauert, ich war in der Zeit schon zweimal in Dorneck“, sagte Dora, ihren Arm in den der Freundin legend.

„Aber du weißt doch, Dora, dass ich Onkel nicht gern allein lasse, und Tante Brigitte kommt kaum mehr aus dem Sattel jetzt zur Erntezeit.“

„Ja doch, und deshalb kommen auf einen Besuch von dir immer zwei von mir. Aber nun freue ich mich, dass du wieder mal hier bist. Kommst gerade recht, den Tee mit uns einzunehmen. Meine Eltern kommen gleich heraus, komm, wir nehmen inzwischen Platz am Teetisch!“

Sie zog die Freundin mit sich fort. Diana folgte ihr mit seltsam schweren Gliedern und fiel müde in einen Sessel.

Gleich darauf traten Doras Eltern aus dem Haus und begrüßten Diana herzlich.

Während man dann plaudernd beim Tee saß, schauerte Diana einige Male wie vor Frost zusammen. Frau Sanders beobachtete sie prüfend, und endlich sagte sie, sich zu ihr hinüberbeugend:

„Kindchen, mir scheint, Sie sehen recht fiebrig aus den Augen. Und ich sah Sie schon einige Male zusammenschauern. Das will mir nicht gefallen.“

Diana zwang ein mattes Lächeln in ihr Gesicht.

„Ja, mir ist auch gar nicht gut, Mama Sanders“, so nannte sie die alte Dame seit ihrer Kindheit, „ich hatte schon den ganzen Tag so dummes Kopfweh und dachte, es würde besser, wenn ich ausreite. Aber es ist im Gegenteil schlimmer geworden. Und ich friere ganz jämmerlich.“

Dora sah sie erschrocken an.

„Du willst doch nicht krank werden, Diana? Mach keine Dummheiten, du, das bitte ich mir aus!“

Diana biss die Zähne zusammen, die ihr vor Frost aufeinander schlugen.

„Es ist wohl nur ein vorübergehendes Unwohlsein“, sagte sie matt.

Frau Sanders erhob sich, trat an Dianas Seite und fasste nach ihrer Hand, um den Puls zu fühlen. Sie merkte sofort, dass er im rasenden Tempo ging. Sie strich Diana mütterlich über das Haar.

„Liebes Kind, ich will Ihnen etwas sagen – Sie sind krank und haben Fieber. Keinesfalls leide ich, dass Sie zurückreiten. Ich werde Sie sofort in den Wagen packen und nach Dorneck begleiten. Der Reitknecht kann Ihr Pferd zurückbringen. Lieber Karl, du telephonierst bitte sofort nach der Stadt, dass der Arzt nach Dorneck kommt.“

Dianas Sträuben half nichts. Frau Sanders ließ sofort anspannen und kleidete sich schnell an. Sorglich hüllte sie dann Diana im Wagen in warme Decken und setzte sich zu ihr.

Dora wollte unbedingt mitfahren, aber Frau Sanders litt es nicht.

„Diana darf nicht sprechen, und du bist ganz überflüssig, Dora“, sagte sie und schob sie energisch zurück.

Die alte Dame hatte von einigen Scharlachfällen im Dorf gehört und fürchtete, dass Diana von dieser Krankheit befallen sei. Da wollte sie Dora einer möglichen Ansteckung nicht leichtsinnig aussetzen.

„Diana, werde mir nur nicht ernstlich krank!“, rief Dora noch ängstlich in den Wagen hinein.

Das junge Mädchen schüttelte matt den Kopf. Der Wagen fuhr davon. Unterwegs schlugen ihr die Zähne vor Frost aufeinander, und ihr Gesicht begann zu glühen, während die Hände sich eiskalt anfühlten.

Frau Sanders redete ihr beruhigend zu, obwohl sie im Innern ernstlich besorgt war.

Als der Wagen in Dorneck hielt, kam Frau Brigitte erstaunt herbei. Sie sah Frau Sanders aussteigen. Ehe sie aber etwas sagen konnte, hatte diese bereits das Wort ergriffen.

„Meine liebe Frau von Steinach, bitte erschrecken Sie nicht! Diana fühlt sich nicht wohl, deshalb bringe ich Sie im Wagen zurück. Sie muss wohl gleich zu Bett gebracht werden. Den Arzt habe ich schon telefonisch rufen lassen.“

Frau Brigitte hob Diana besorgt aus dem Wagen und zog sie zu sich heran.

„Wahrhaftig, Diana, mir scheint, du hast Fieber. Wie ist denn das so schnell gekommen?“

Diana schüttelte den Kopf, ihr war ganz jämmerlich zumute.

„Ich weiß nicht, Tante Brigitte. Mein Kopf, o mein Kopf!“

Frau von Steinach brachte nun Diana gleich selbst zu Bett, nachdem sie sich bei Frau Sanders herzlich bedankt und diese sich sofort wieder verabschiedet hatte, um nicht zu stören. Sorglicher und aufmerksamer hätte die zärtlichste Mutter nicht mit Diana umgehen können, als Tante Brigitte. Jetzt, da Diana krank war, hatte sie ihre Pflicht als Pflegemutter zu erfüllen, und nie hatte sich Brigitte von Steinach einer Pflicht entzogen. Sie war überhaupt am Krankenbett eine ganz andere, als im Verkehr mit gesunden Menschen. Da legte sie ihr lautes, derbes Wesen ab und versuchte sich aufzuopfern.

Als der Arzt bald darauf kam und Diana, die er schon als kleines Kind behandelt hatte, untersuchte, machte er einige beruhigende Scherze, zankte ein bisschen über leichtsinniges junges Volk, das sich nicht vor Erkältungen in Acht nähme und deckte die Decke wieder über den zarten Körper.

„Nun müssen wir ein paar Tage im Bett stecken bleiben, kleines Fräulein, da hilft alles nichts“, sagte er jovial.

Tante Brigitte fühlte instinktiv, dass er sich sorgloser stellte, als er war, und begleitete ihn ins Nebenzimmer.

„Was ist es, Herr Doktor?“, fragte sie drüben ohne Umschweife. „Ich fürchte, es ist Scharlach, verehrte gnädige Frau. Es sind schon einzelne Fälle in meiner Praxis aufgetreten, und es ist nicht unmöglich, dass das gnädige Fräulein infiziert wurde. Ein abschließendes Urteil kann ich heute noch nicht fällen.“

Er gab Frau Brigitte genau Verhaltensmaßregeln und versprach am nächsten Morgen wiederzukommen.

***

Eine schwere Zeit begann nun für Dorneck. Diana wurde schwer krank, sie bedurfte der aufmerksamsten Pflege.

Ohne Zweifel war sie an Scharlach erkrankt, aber leider kam der Ausschlag nicht richtig zum Durchbruch, und das Fieber war unberechenbar und entwickelte sich nicht, wie es sollte. Der Arzt war in Sorge.

Oft hatte Diana so hohes Fieber, dass sie bewusstlos war, und dann fiel es wieder beängstigend, um einige Tage später wieder emporzusteigen. Bei Dianas zarter Konstitution war das doppelt bedenklich.

Brigitte von Steinach wich kaum von Dianas Bett. Wohl hatte sie es geschehen lassen, dass der Arzt eine Diakonissin nach Dorneck beorderte, aber jede Minute, die sie sich abringen konnte, verbrachte sie bei der Kranken, und sie schien keine Ermüdung zu kennen, keinen Schlaf zu brauchen.

Der Arzt hatte ihr nicht verschwiegen, dass Diana in Lebensgefahr schwebe. Und in diesen schreckenvollen Tagen durchlitt die sonst so resolute und energische Frau wahre Höllenqualen. Sie zitterte und bangte um Dianas Leben, denn sie wusste, wenn sie starb, dann waren ihre und ihres Gatten Tage in Dorneck gezählt, dann stand sie mit dem geliebten, hilflosen Mann dem Nichts gegenüber.

Der Vetter von Dianas Vater wartete ja nur auf eine Gelegenheit, sie von Dorneck entfernen zu können. Er würde sie beide erbarmungslos hinausweisen, wenn er als Dianas Erbe hier einzog. Was sollte dann aus ihnen werden?

Lothar war ja gottlob mit seinem Studium fertig, in den nächsten Tagen erwarteten. sie ihn in Dorneck. Ehe er nach Südwest ging, wollte er einige Tage in Dorneck bleiben, um von den Eltern Abschied zu nehmen. Er hatte sich für fünf Jahre nach Südwest verpflichtet. Von ihm konnten die Eltern jetzt noch keine Hilfe erwarten.

Reichtümer hatten sie sich in Dorneck auch nicht gesammelt. Nicht einen Pfennig mehr, als ihm zukam, hatte Hermann von Steinach für sich behalten. Als getreuer Verwalter hatte er Zins um Zins zu Dianas Vermögen gelegt, ohne sich jemals mit etwas zu bereichern, was ihm nicht gehörte. Und von dem, was er zu beanspruchen hatte, war ein großer Teil für Lothars Studium draufgegangen. Ihr gelähmter Mann, das wusste Brigitte, würde keine andere Stellung annehmen können, und sie selbst ach, was half es ihr, dass man von allen Seiten ihre Tüchtigkeit pries! Sie war eine Frau und als solche von vornherein beiseite gestellt im Lebenskampf. Hilflos würde sie sein mit dem hilflosen Mann.

Nicht um sich selbst sorgte sie sich, nur um ihren Mann. Schauer der Angst rannen ihr über den Leib, wenn sie sich ausmalte, dass ihr armer Mann von Dorneck fort musste. Mit allen Kräften rang sie um Dianas Leben. Und bei diesem Ringen wuchs ihr unversehens das kranke Kind mehr und mehr ans Herz.

Jetzt plagte sie kein eifersüchtiges Gefühl mehr, wenn sie in ihres Mannes trauriges, besorgtes Gesicht sah, wenn er ängstlich nach Dianas Ergehen forschte.

Still und sanft war die sonst so laute, rasche Frau, und ihre großen, sonst so kräftig zugreifenden Hände fassten zart und lind zu, wenn sie sich um das kranke Pflegetöchterchen mühte.

Und Diana fühlte instinktiv, dass sich ihr jetzt die Tür zu Tante Brigittes innerstem Wesen erschloss. Oft blickte sie, wenn sie bei Besinnung war, mit leisem Staunen in das blasse, stille Gesicht Tante Brigittes, in deren bange Augen. Wo waren ihre frischen Farben, ihr lautes, derbes Wesen geblieben? Und warum blickten ihre sonst so klaren Augen so bang und trübe?

Diana hätte am liebsten Tante Brigitte immer an ihrem Lager festgehalten. In ihrer Hut fühlte sie sich geborgen, als könnte ihr nichts geschehen. Aber sie wusste, dass unten Onkel Hermann einsam und verlassen in seinem Rollstuhl saß und dass auf Tante Brigittes Schultern noch tausend Pflichten lasteten.

So hielt sie ihre Bitte, dass die Tante bei ihr bleiben möge, zurück.

Diana war eine kleine Heldin. Aber vor der Diakonissin hatte sie eine unbestimmte, unklare Furcht. Warum, wusste sie nicht. Die Schwester war sanft und gewissenhaft und ließ es an nichts fehlen. Aber wenn Tante Brigitte da war, war es doch etwas anderes. Das unbekümmerte, ruhige und unbewegte Gesicht der Schwester bedrückte Diana.

Sobald sie mit ihr allein war, schloss sie die Augen und stellte sich schlafend.

Und eines Tages, da lag sie auch wieder wie schlafend da, als Sophie leise hereintrat und für die Pflegerin einen Imbiss brachte.

Mitleidig blickte sie nach ihrer jungen Herrin hinüber.

„Schläft das gnädige Fräulein, Schwester Martha?“, hörte Diana sie flüstern.

„Ja; Sophie, sie schläft“, antwortete die Schwester.

„Und ist es wahr, was Friedrich vom Doktor gehört hat, dass sie sterben muss?“, hörte Diana Sophie weiter fragen.

„Das steht in Gottes Hand, Sophie“, erwiderte die Schwester.

„O Gott, o Gott, wie schrecklich so jung und schon sterben müssen, das arme, arme gnädige Fräulein!“, schluchzte Sophie, während sie hinausging, leise vor sich hin.

Diana war wie gelähmt, sie vermochte sich nicht zu rühren. Es war, als läge sie in einem schweren, beklemmenden Traum.

„Ich muss sterben“, dachte sie dabei immerfort.

Und diese Worte bohrten sich in ihr Hirn, immer fester und fester und ließen sie nicht mehr los. Sie wurde unruhig und warf sich hin und her, und als Schwester Martha an ihr Bett trat, öffnete sie die Augen und schrie laut auf vor Entsetzen. Die schwarze Gestalt mit dem unbewegten Gesicht schien ins Riesenhafte zu wachsen vor ihren Augen und sie zu erdrücken.

„Onkel Hermann! Tante Brigitte!“, rief sie in höchster Not.

Als habe sie Dianas Sehnsucht herbeigezaubert, öffnete sich in diesem Augenblick die Tür zum Krankenzimmer, und Tante Brigitte trat ein.

Sie eilte an das Bett. „Was ist dir, mein liebes Kind?“, forschte sie besorgt.

Diana streckte die Hände zitternd nach ihr aus.

„Bleib bei mir – auch Onkel Hermann soll kommen“, jammerte sie. Tante Brigitte streichelte ihr beruhigend die Hände. „Mein liebes Kind, du weißt ja, Onkel Hermann kann nicht heraufkommen zu dir, so gern er möchte. Aber sobald du wohler bist, schaffen wir dich hinunter, und dann wird dir Onkel Hermann den ganzen Tag Gesellschaft leisten. Er bangt sich so nach seinem lieben Sonnenschein und jammert über seine Gebrechlichkeit, die ihn daran hindert, zu ihm zu kommen.“

Diana hielt ihre Hand krampfhaft fest. „So schicke doch die schwarze Frau fort!“, flüsterte sie furchtsam. „Es ist der Todesengel, ich fürchte mich.“

Frau von Steinach winkte hastig Schwester Martha zu, dass sie sich entfernte. Dianas Augen glänzten im Fieber.

Als die Schwester hinausgegangen war, wurde Diana ruhiger, aber sie hielt Tante Brigittes Hand fest. So dämmerte sie eine lange Zeit vor sich hin. Aber ihre Gedanken waren wach und klar.

Nach einer langen Zeit schlug sie plötzlich die Augen voll und groß zu Frau von Steinach auf.

„Tante Brigitte – ich muss sterben, nicht wahr?“, sagte sie ganz ruhig.

Die alte Dame erschrak bis ins tiefste Herz und barg ihr Gesicht in Dianas Kissen.

„Kind, Kind! Du darfst nicht sterben“, stieß sie hervor.

Diana wandte den Blick nicht von ihr.

„Es würde dir Leid tun, Tante Brigitte, nicht wahr?“

Tränen fielen heiß und schwer aus Frau von Steinachs Augen.

„Wie kannst du das fragen, Kind? Ich weiß ja erst jetzt, wie lieb ich dich habe, jetzt, da ich um dich bangen muss. Aber denk nicht an Sterben – du darfst nicht daran denken – musst bei uns bleiben. Was soll aus uns werden – aus Onkel Hermann, wenn du uns verlassen wolltest!“

Diana machte große, unruhige Augen. „Was aus euch werden soll? Tante Brigitte – müsst ihr gar am Ende fort von Dorneck, wenn ich sterben muss?“

Frau von Steinach seufzte bang. „Ja, mein Kind, dann wären wir heimatlos.“

Dianas Augen weiteten sich vor Schreck. Ihre Hände tasteten unruhig umher. „O nein – nein! Onkel Hermann heimatlos – fort von Dorneck – mit seinen armen, lahmen Beinen! Nein – nein – das darf nicht sein – hilf mir, dass es nicht sein kann“, flehte sie außer sich.

Frau von Steinach streichelte sie beruhigend. „Sei ruhig, mein Kind, denke nicht daran, es regt dich auf und schadet dir! Sei ruhig.“

Diana stöhnte. „Ruhig? Wie kann ich ruhig sein, wenn ich denken muss, dass man Onkel Hermann und dich von Dorneck treibt. Papas Vetter wird Dorneck erben, wenn ich sterbe? Aber er soll es nicht. Mein Vater wollte es nicht, ich will es auch nicht. Ich will, dass ihr Dorneck erben sollt, ihr und Lothar. Kann ich nicht ein Testament machen, Tante Brigitte?“

Frau von Steinach schüttelte traurig den Kopf. „Das würde Herr von Dorneck, deines Vaters Vetter, sofort anfechten, und man würde uns für Erbschleicher halten. Jetzt sollst du aber ruhen, meine Diana.“

„Ach nein, ach nein! Tante Brigitte, ich werde nun keine ruhige Minute mehr haben, werde immerfort daran denken, dass mein armer Onkel Hermann aus Dorneck vertrieben wird. Hilf mir doch, meine Ruhe wiederfinden, Tante! Du bist so klug. Gibt es denn kein Mittel, euch Dorneck zu erhalten?“

Die alte Dame krampfte die Hände zusammen. Mehr als einmal hatte sie sich in den letzten unruhigen Tagen selbst die Frage vorgelegt. Und nur eine Antwort, einen Ausweg hatte sie gefunden. In ihrem tiefsten Herzenswinkel hatte sie zuweilen einen Wunsch gehegt, dessen Erfüllung zugleich die Lösung dieser Frage barg.

Sollte sie Diana diesen Ausweg zeigen?

Fast wider Willen drängten sich die Worte über ihre Lippen.

„Wir sind ja nicht verwandt mit dir, Diana. Der Vetter deines Vaters würde Dorneck erben, wenn du unvermählt sterben würdest.“

„Unvermählt?“, sagte Diana leise vor sich hin. Und dann richtete sie sich plötzlich auf. Mit großen Augen sah sie in Brigittes Gesicht und fragte hastig:

„Wenn ich verheiratet wäre dann erbte mein Gatte Dorneck?“

„Ja, Kind.“

Diana fasste ihre Hand, ihre Augen fieberten. „Dann brauchte ich mich ja nur mit Lothar zu verheiraten, um euch Dorneck zu erhalten?“

Frau Brigitte erschrak. Hatte Diana ihre Gedanken erraten? Aber zugleich erwachte wieder der heiße Wunsch nach Rettung. Und heiser vor Erregung antwortete sie:

„Ja, Diana, dann könnte uns niemand mehr von Dorneck jagen. Wir müssten nicht noch einmal heimatlos in die Welt hinaus wie damals aus Buchenau. Und diesmal wäre es tausendfach schlimmer.“

Diana hatte die Augen geschlossen und lag wie leblos. Dann sagte sie leise, wie von jenseits der Bewusstseinsschwelle:

„Dann wäre ich euer Kind wie Lothar, dann hätte ich ein Recht auf eure Liebe, und Lothar wäre wie ein rechter Bruder. Lass mich das bedenken!“

Sie schien in ihrer Herzensunschuld und Reinheit gar nicht zu begreifen, was solch eine Verbindung zu bedeuten hatte. Es erschien ihr auch nicht sehr wichtig. Nur das erschien ihr wichtig, dass Onkel Hermann in Dorneck bleiben konnte. Das Gespräch hatte sie aber sehr angestrengt. Sie schloss matt die Augen und warf sich wieder unruhig umher.

Frau von Steinach seufzte tief auf. Jetzt machte sie sich Vorwürfe, dass sie sich hatte hinreißen lassen, der Kranken von ihren Sorgen und Ängsten zu sprechen und ihr diesen Ausweg zu zeigen. Angstvoll erneuerte sie die Kompressen auf Dianas Stirn und flößte ihr etwas Limonade ein.

***

Am nächsten Vormittag kam eine Depesche von Lothar. Er teilte seinen Eltern mit, dass er das Examen glänzend bestanden habe und noch am selben Tag in Dorneck eintreffen würde.

Die Freude seiner Eltern über diese Nachricht wurde sehr beeinträchtigt durch die Sorge um Diana. Zu tief waren sie davon niedergedrückt, denn jede Stunde konnte das zarte Leben verlöschen und sie heimatlos machen.

Frau von Steinach war nur auf ein halbes Stündchen zu ihrem Gatten geeilt. Nun schlich sie sich an das Krankenbett zurück.

In den Morgenstunden war die Kranke ruhiger geworden. Der Arzt hatte abermals die Achseln gezuckt. Scheinbar steckte in dem zarten Körper doch eine zähe Kraft, sonst wäre wohl längst alles zu Ende gewesen.

Als Frau von Steinach zum Krankenbett trat, sah Diana ganz klar und ruhig zu ihr auf.

„Ich möchte mit dir allein sein, Tante Brigitte“, sagte sie leise.

Die Schwester verschwand sofort auf einen Wink der alten Dame, die sich neben das Bett setzte. „So, mein liebes Kind, nun sind wir allein. Wie fühlst du dich heute?“

„Wie alle Tage, Tante Brigitte so müde bin ich und kann doch nicht schlafen. Ich muss auch zu viel denken jetzt. Seit gestern geht es mir im Kopf herum, was wir besprochen haben.“

„Kind, denke doch nicht mehr daran – ich bitte dich, vergiss alles, nur nicht, dass du gesund werden musst.“

Diana bewegte verneinend den Kopf.

„Nein – ich werde nicht mehr gesund – ich muss sterben, das fühle ich. Aber erst muss ich Onkel Hermann in Sicherheit haben. Und all mein Hab und Gut soll Lothar gehören. Du musst mir helfen, dass es schnell geschieht.“

„Diana, mein liebes, liebes Kind – ach, mein Gott, in welche Versuchung führst du mich!“, stöhnte die alte Dame.

Ein schattenhaftes Lächeln huschte über das blasse, kindliche Gesicht. „Tante Brigitte, wir beide denken dabei nur an Onkel Hermann. Gelt, wir lieben ihn so sehr, dass wir alles tun werden, um ihm zu helfen?“

Frau Brigitte presste die Hände ans Herz. „Ja, mein Kind, ja.“

„Dann hilf mir schnell! Lothar soll ganz schnell nach Dorneck kommen, ich will ihn sehen und sprechen.“

Frau von Steinach atmete tief und schwer.

„Lothar hat vorhin eine Depesche gesandt. Er hat sein Examen bestanden und wird schon heute Nachmittag hier sein“, sagte sie leise.

Diana sah starr zur Decke empor. „Siehst du, Tante Brigitte, der liebe Gott will es haben, darum schickt er ihn gerade jetzt.“

„Was denn, Kind, was denn?“, fragte die alte Dame verwirrt.

Diana sah sie ruhig, fast heiter an. „Dass ich Lothars Frau werde, damit Dorneck ihm gehört – ihm und euch. Und ich will es auch dann kann euch niemand mehr fortschicken.“

Frau von Steinach barg ergriffen das Gesicht in den Händen und weinte.

Diana lächelte. „Nicht weinen, Tante, nun wird noch alles gut, sorg dich nicht mehr um Onkel Hermann! Ich will nicht sterben, ehe alles geschehen ist – und ich werde auch nicht. Und wenn es dann sein muss – ich habe gar keine Angst mehr davor. Du bleibst bei mir, nicht wahr, lass mich nur nicht mit der schwarzen Frau allein, wenn ich sterben muss.“

„Kind, mein Herzenskind – du zerreißt mir das Herz.“

„Nein, Tantchen – sei doch ruhig. Aber nicht wahr, du hilfst mir, dass es sehr schnell geht mit Lothar, damit ich meine Ruhe bald wiederfinde. Und nun bin ich so müde – so müde.“

Sie schloss die Augen und sprach nicht mehr, wenn sie auch nicht schlief.

Frau von Steinach saß bleich und mit starren Augen an ihrem Lager. Und alles um sie her versank vor der Möglichkeit, die Dianas Worte hatten erstehen lassen.

Aber was würde ihr Mann, was Lothar zu diesem Plan sagen?

Sie atmete tief auf. „Ich will das alles erst einmal mit Onkel Hermann besprechen, Kind“, sagte sie leise.

Diana schlug die Augen auf. „Ja – tu das, Tante, und sag ihm, dass er in alles willigen muss, wenn ich ruhig werden soll.“

Frau von Steinach rief die Pflegerin herbei und suchte ihren Gatten auf. Schonend und vorsichtig berichtete sie ihm, was zwischen ihr und Diana besprochen worden war.

Aber Hermann von Steinach wollte nichts von diesem Plan wissen. Er wurde so heftig seiner Frau gegenüber, wie sie ihn noch nie gesehen hatte.

„Ich begreife dich nicht, Brigitte. Du hast in deiner Sorge um mich ein großes Unrecht begangen. Ich werde niemals darein willigen“, sagte er zum Schluss.

Seine Frau blieb ganz ruhig. Sie redete ihm gut zu, freilich ohne jedes Resultat.

Nun wartete sie sehnlichst auf Lothar. Die Hauptsache war ja, wie er sich zu der Angelegenheit stellen würde.

***

Lothar von Steinach traf am Nachmittag in Dorneck ein. Er hatte durch seine Eltern schon von Dianas Krankheit gehört, und auch ihm hatte diese Nachricht sorgenvolle Stunden bereitet. Er wusste ganz genau, wie viel für seine Eltern davon abhing, dass die junge Herrin von Dorneck am Leben blieb.

Lothar von Steinach war ein großer, schlanker Mann von sechsundzwanzig Jahren. Seine Glieder waren sehnig, wie von Stahl, und sein Schritt federnd und elastisch. Er hatte die rassigen Züge seines Vaters und auch seine stahlblauen, klugen Augen.

Die Begrüßung zwischen Sohn und Eltern war innig. Er erkundigte sich sofort nach Dianas Befinden. Die Mutter sagte ihm ohne Umschweife, dass der Arzt das Schlimmste befürchtete.

Lothar erschrak, und mit ernsten Gesichtern saßen sie sich gegenüber. Sobald dann Frau von Steinach kurze Zeit mit ihrem Sohn allein war, zögerte sie nicht mehr, ihm zu berichten, was sie mit Diana besprochen hatte.

Aber auch Lothar schreckte vor diesem Plan zurück. Wie sein Vater wehrte er sich dagegen.

„Es gäbe kein Opfer, das ich nicht willig brächte, um Vater vor dem Ärgsten zu bewahren. Aber an Diana wäre das beinahe ein Verbrechen. Sie ist krank und weiß nicht, was sie tut. Wir dürfen das nicht ausnützen, wenn wir nicht die Achtung vor uns selbst verlieren wollen.“

So sagte er ruhig und bestimmt.

Frau von Steinach machte eine ungeduldige Bewegung.

„Was soll dann mit deinem Vater werden, wenn Diana stirbt und du fern von uns bist? Bedenke das wohl! Nicht einen Augenblick bedenke ich mich, Dianas großherziges Anerbieten anzunehmen. Sie liebt deinen Vater, als sei es ihr eigener, und nur seinetwegen will sie den ungewöhnlichen Schritt tun. Dein Vater wehrt natürlich auch diese Möglichkeit von sich ab, er will für sich ein solches Opfer nicht annehmen. Aber du und ich wir würden es nicht für uns tun. Keinerlei Eigennutz ist dabei. Wie sollten wir dann die Achtung vor uns selbst verlieren, wenn wir aus edlen Motiven heraus tun, was wir müssen“, sagte sie eifrig.

Lothar schüttelte den Kopf.

„Das sind Sophistereien, Mutter – ich kann nicht, mein ganzes Gefühl sträubt sich dagegen, das hochherzige Anerbieten dieses Kindes anzunehmen. Sie ist ja noch ein Kind und weiß nicht, was sie tun will.“

Vorläufig sah seine Mutter ein, dass ihre Reden nutzlos sein würden. Sie seufzte auf.

„Geh jetzt wieder hinüber zum Vater, ich muss zu Diana hinauf. Und gehe mit dir zu Rate, ob du es über dich gewinnen kannst, durch deine Weigerung uns diesen Ausweg aus Not und Sorge abzuschneiden!“

Damit ließ Frau, Brigitte ihren Sohn allein.

Langsam, mit müden Schritten ging sie die Treppe hinauf.

Als sie ins Krankenzimmer trat, sah ihr Diana unruhig entgegen. „Ist Lothar angekommen, Tante Brigitte?“

„Ja, Kind. Schwester Martha bitte lassen Sie uns allein, ruhen Sie inzwischen ein wenig!“

Die Schwester entfernte sich mit einem Neigen des Kopfes.

Frau von Steinach setzte sich neben die Kranke.

Diana sah sie fragend an, und da Tante Brigitte nichts sagte, sondern nur leise seufzte, fragte sie hastig:

„Hast du schon mit Lothar gesprochen, du weißt – über das, was wir beraten haben?“

Frau von Steinach nickte. „Ja, Diana, mit ihm und auch mit Onkel Hermann.“

„Nun – und?“

„Sie wollen beide nicht darein willigen.“

„Nicht darein willigen?“

„Nein. Sie wollen dieses große Opfer nicht von dir annehmen. Sie sagen, es sei ein Unrecht von mir, dass ich das zulassen will.“

Diana fasste ihre Hand. „Lass dich’s nicht kümmern, Tante. Geh, rufe mir Lothar herauf – er hat doch schon Scharlach gehabt, nicht wahr?“

„Ja, Diana.“

„Also gut – er soll sofort zu mir kommen, hörst du. Und dann lass mich ein Weilchen mit ihm allein. Ich will mit ihm sprechen.“

Frau von Steinach erhob sich und klingelte. Und als Sophie herbeikam, sagte sie ihr, dass sie ihren Sohn rufen möge.

Lothar folgte diesem Ruf sofort. Seine Mutter erwartete ihn an der Tür und sagte ihm, was Diana wünschte. Sie führte ihn an das Krankenbett, und dann ließ sie die beiden jungen Menschen allein und ging in ein Nebenzimmer.

Als Lothar in Dianas schmales, blasses Gesicht sah, erschrak er. Sie schien ihm sehr verändert. Das junge Mädchen hatte ihm nie viel Interesse eingeflößt, er hatte nie Zeit gehabt, sich mit ihr zu beschäftigen.

Jetzt betrachtete er sie zum ersten Mal sehr aufmerksam, und nun fielen ihm in ihrem schmalen, kleinen Gesicht die wunderschönen, großen Augen auf, die mit einem seltsamen Blick zu ihm aufsahen.

Befangen tauschten sie einen Gruß miteinander.

„Du wünschst mich zu sprechen, Diana? Wird es dich nicht zu sehr anstrengen?“, fragte er, von Mitleid erfüllt, mit weicher Stimme.

Sie schüttelte den Kopf. „Setze dich nahe zu mir, Lothar, ich kann nicht so laut sprechen.“

Er setzte sich dicht an ihr Bett und sah sie beklommen an. Ihr Gesicht bekam einen flehenden Ausdruck. Leise sagte sie: „Ich muss mich ganz kurz fassen, Lothar. Deine Mutter hat dir gesagt, dass wir ein Mittel gefunden haben, Onkel Hermann Dorneck zu erhalten, wenn ich sterben sollte.“

„Du wirst nicht sterben, Diana“, widersprach er unbehaglich.

Es zuckte ungeduldig in ihrem Gesicht.

„Doch, ich werde ganz sicher sterben“, erwiderte sie fast eigensinnig. „Lass bitte kein unnützes Wort zwischen uns fallen!“

Er richtete sich auf. „Also gut, Diana. Ja, meine Mutter hat mir alles gesagt, und ich habe ihr erklärt, dass es mir unmöglich ist, dein großherziges Opfer anzunehmen. Auch mein Vater wird es nicht tun.“

Ihre Stirn rötete sich, und ihre Augen blickten ernst zu ihm auf. „Es ist kein Opfer, was ich bringe. Ich will nur eine Schuld der Dankbarkeit abtragen. Darf ich das tun, dann wird mir leichter werden ums Herz. Einem Sterbenden soll man keinen Wunsch versagen, Lothar. Ich kann nicht ruhig sterben, ehe ich nicht für Onkel Hermann gesorgt habe. Auf dich und mich kommt es in dieser Sache wenig an, du darfst nicht an dich denken, sondern nur an deinen Vater. Bedenke doch seine hilflose Lage! Willst du, sein Sohn, weniger für ihn tun als ich? Du wärst ein schlechter Sohn, wolltest du den Vater nicht vor Elend schützen. Lass mich nicht so lange reden – tu mir den Willen! Es ist ja nur eine Formsache. Wir wollen unsere Hände nur ineinander legen, damit du mein rechtmäßiger Erbe wirst.“

Er strich sich über die Stirn, und in seinem Gesicht zuckte es seltsam.

„Diana, du weißt nicht, was du von mir forderst, ich wäre ein Elender, wollte ich das von dir annehmen.“

Sie machte eine matte, abwehrende Bewegung. „Du brauchst ja für dich nichts anzunehmen, wenn du zu stolz bist. Du kannst ruhig nach Südwest gehen, sobald die Angelegenheit geordnet ist. Deine Eltern bleiben dann bis an ihr Lebensende in Dorneck. Und willst du es dann nicht für dich behalten, dann tue damit, was du willst, stifte es den Armen oder ersinne sonst eine Verwendung. Für dich kannst du ja verzichten, aber nicht für deinen armen Vater.“

Er stützte seufzend den Kopf in die Hand und sah sie ernst an.

„Wie klug du deine Worte wählst, Diana – und wie großherzig du bist. Wahrlich, es könnte mir kleinlich erscheinen, dass ich mich sträube. Aber du vergisst eins – du hast nicht gedacht, was geschehen würde, wenn du, wie ich hoffe und sehnlichst wünsche, wieder gesund wirst. Dann wärst du an mich gebunden und würdest wohl eines Tages bereuen, dich geopfert zu haben. Du würdest dich sehnen, frei zu sein von der Fessel, die du dir selbst übergeworfen hast. Das muss ich für dich bedenken.“

Sie wehrte nervös ab. „Mein Gott, dann lassen wir uns wieder scheiden, wenn du nach Jahren von Südwest zurückkehrst, das ist doch ganz einfach“, sagte sie in kindlicher Ungeduld.

Er musste lächeln über den naiven Ton. „Kind – Kind – du bist wirklich noch ein Kind und übersiehst das nicht mit klaren Augen.“

„Ach – klarer als du! Ich schaue nicht rechts und links, nur auf mein Ziel. Bedenke doch – dir kann in Südwest so manches zustoßen, du kannst jedenfalls deinen Eltern vorläufig gar nicht helfen. Wie vermagst du nur zu zögern? Quäle mich doch nicht!“

Sie schloss die Augen und seufzte tief auf.

Er sah erschüttert und bis ins Innerste bewegt auf sie herab. Nach einer Weile sagte er leise:

„Diana, ich kann dich nur schrankenlos bewundern. Und ich möchte mich nicht kleinlicher zeigen, als du selbst es bist. Aber wenn ich auch einwilligen wollte, mein Vater würde es nicht tun. Und er ist dein Vormund.“

„So muss ich selbst mit ihm sprechen. Es muss gehen. Bitte, sorge dafür, dass dein Vater hier heraufgebracht wird! Ich will und muss seine Einwilligung erringen.“ Dabei blieb sie.

Man brachte den alten Herrn noch an demselben Tag herauf, an Dianas Lager.

Zuerst verweigerte er rundweg seine Einwilligung. Jedoch ließ Diana nicht nach mit Bitten und schalt ihn hart und unbeugsam. Aber er war zu rechtlich, um sich auf solche Weise einen Vorteil zu verschaffen.

Als alles umsonst war, warf sich Diana weinend in die Kissen zurück und rief:

„So wirst du mich um alle Ruhe bringen, Onkel Hermann. Wie kann ich gesund werden mit dieser Angst um dich im Herzen! Wie grausam kannst du sein, wie stolz und hochmütig! Ach, wenn du mich wahrhaft lieb hättest, würdest du mich nicht so quälen!“

Und sie weinte und war voll Unruhe und Jammer, dass man froh war, als der Arzt eben ankam.

Er verlangte ernstlich, man solle der Patientin auf jeden Fall Ruhe schaffen.

Hermann von Steinach sah sich von allen Seiten bedrängt und überstimmt. Selbst sein Sohn redete ihm zu, seine Einwilligung zu geben. Und in Sorge um Dianas Ruhe gab er schließlich, wenn auch widerstrebend, nach.

***

Es war an einem trüben, regnerischen Herbsttag. Der Wind rüttelte an den Mauern von Dorneck und trieb den Regen klatschend ans Fenster.

Man hatte ein weiß gedecktes Tischchen an Dianas Bett gedrückt. Ein Myrtenstrauß, von Dora gesandt, stand darauf, als einziges Zeichen, dass hier eine Trauung stattfand.

Tante Brigitte hatte, Tränen der Rührung bekämpfend, das junge Mädchen liebevoll hochgerichtet und mit Kissen unterstützt. Ein feines, gesticktes Nachthemd umhüllte die zarten, kraftlosen Glieder.

Nun rollte man Onkel Hermanns Stuhl herein. Neben ihm schritt Lothar von Steinach. Er trug einen schwarzen Anzug und sah kaum weniger bleich aus als seine junge Braut.

Diana unterzeichnete den Ehekontrakt. Dann wurde erst die gesetzliche, dann die kirchliche Trauung vollzogen. Der alte Dorfpastor sprach nur wenige schlichte Worte und legte die schmale Kinderhand in die warme, kraftvolle Rechte Lothars.

Hermann von Steinach biss die Zähne aufeinander und sah mit starren Augen auf das ungleiche Paar. Das zarte, kraftlose Kind und die stolze, aufrechte Männergestalt in blühender Jugendkraft – welch ein Kontrast! Dem alten Herrn war noch im letzten Augenblick zumute, als müsse er die beiden auseinander reißen, als dürfe er diese Zeremonie nicht dulden.

„Bis dass der Tod euch scheidet“, sagte der alte Pastor.

Da fühlte Lothar, wie die schmale Hand in der seinen zuckte und wie ein Schauer über den zarten Körper flog. Diana erschauerte bei dem Gedanken, dass der Tod dieses Band nur zu bald scheiden würde.

Ihre Augen blickten wie in Angst und Not in Lothars Gesicht. Der schloss warm und fest seine Hand um die ihre, als wollte er sie schützen und trösten. Sie atmete tief auf, und die wundersamen großen Kinderaugen leuchteten auf in seltsamem Glanz. Ein zartes Rot stieg in die blassen Wangen, und die Angst wich aus ihrem Herzen. Es war, als ginge ein warmer, stärkender Strom aus der lebensfrischen Männerhand in die ihre über. Nun war es geschehen. Der Pastor trat zurück, und nun legte der Notar, der mit dem Arzt als Trauzeuge fungiert hatte, Diana das vorbereitete Testament zur Unterschrift vor. Mühsam, aber mit fester Hand unterzeichnete es Diana und sank dann mit einem befreiten Aufatmen in die Kissen zurück.

„Nun ist alles gut“, sagte sie, liebevoll in Onkel Hermanns erregt zuckendes Gesicht sehend.

Lothar ergriff noch einmal Dianas Hand und presste seine Lippen darauf.

„Möge es dich nie gereuen, Diana!“, sagte er heiser vor Erregung.

Sie lächelte zu ihm auf.

„Niemals! Sei unbesorgt! Ich danke dir, dass du meinen Wunsch erfüllt hast.“

„Ach, Diana, hier gibt es nur einen Menschen, dem wir alle zu danken haben – das bist du.“

Der Arzt trieb nun alle aus dem Zimmer und verlangte unbedingte Ruhe für seine Patientin. Nur Frau Brigitte durfte bleiben. Die alte Dame hatte die Tränen nicht zurückhalten können, als die Entscheidung fiel. Nun war ihres Gatten Geschick für immer in sichere, friedliche Bahnen gelenkt. Und das hatte sie Diana zu danken.

Ein heißes, inniges Gefühl für das junge Geschöpf erfüllte ihr ganzes Wesen. Als der Arzt sich entfernt hatte, sank die große, starke Frau an Dianas Bett in die Knie, drückte ihre Lippen auf ihre Hand und sagte leise, halb erstickt vor Erregung:

„Gott lohne es dir, mein geliebtes Kind.“

Und sie sah Diana an mit dem weichen, innigen Blick, den sie sonst nur für Gatten und Sohn hatte.

Diana blickte in die warm leuchtenden grauen Augen hinein, die sie so innig anstrahlten. Und da schlang sie den Arm mit matter Bewegung um den Hals der alten Dame und sagte:

„Mutter – nun bist du meine Mutter- bis ich zu meiner rechten Mutter gehen werde.“

„Bleibe bei uns, Kind, mein teures, geliebtes Kind, bleibe bei uns!“, flüsterte Frau Brigitte inbrünstig.

Diana schloss lächelnd die Augen. Und dann lag sie lange reglos, wie in halber Ohnmacht.

Als aber einige Stunden später der Arzt noch einmal nach ihr sah er hatte mit den anderen Herren ein Diner unten im Speisesaal eingenommen –, da sah er, dass sich abermals hohes Fieber eingestellt hatte.

„Ich werde doch lieber bis zum Abend bleiben“, sagte er zu Frau von Steinach.

Das Fieber stieg höher und höher. Diana war bewusstlos und warf sich unruhig hin und her. Der Arzt telefonierte nach Hause und meldete, dass er auch die Nacht in Dorneck bleiben würde.

Es wurde eine furchtbare Nacht. Draußen in der Natur tobte der Sturm. Er riss Zweige und morsche Bäume nieder und riss wild an den Fensterläden, als suche er Einlass in das Haus, in dem ein junges Leben mit dem Tode kämpfte.

Diana schrie zuweilen auf und stieß leise wimmernde Töne aus, die Frau Brigitte ins Herz schnitten. Weder sie noch Lothar und sein Vater gingen in dieser Nacht zu Bett. Lothar stand in einem der Nebenzimmer am Fenster und starrte hinaus in die stürmische Nacht. Sein Vater saß im Rollstuhl hinter ihm. Sie waren allein.

Lothar konnte sich nicht losreißen von dem Gedanken an das junge Geschöpf, das er rückhaltlos bewundern musste und das nun, eine Beute rasenden Fiebers, da drüben lag auf seinem Schmerzenslager. Er fühlte sich bedrückt und unfrei. Nun war er Dianas Gatte, nach Recht und Gesetz, und es war ihm, als habe er nun teil an ihr, als gehöre sie jetzt unlösbar zu ihm.

Was war das für ein seltsames, wunderbares Geschöpf? Den Tod vor Augen, zwang sie sich ein so unerhörtes Opfer auf, um einen Menschen, den sie liebte, vor Not und Sorge zu bewahren. Welche reiche Liebeskraft lag in diesem kindlichen Weib!

Wie sie lächelnd ihren ganzen, reichen Besitz verschenkt hatte, als sei er eine Bagatelle! Und wie klug sie ihre Sache geführt und seine und des Vaters Bedenken zerstreut hatte! Wahrlich, diese kleine Diana, die er bisher kaum beachtet hatte, war eine Heldin, ein großherziges, edles Geschöpf.

Und dann musste er wieder daran denken, wie sie zusammengeschauert war und ihn angstvoll angeblickt hatte, als der Pastor sagte: „Bis dass der Tod euch scheide.“

„Lothar!“, rief in diesem Augenblick sein Vater.

Er wandte sich um. Vater und Sohn sahen sich eine Weile stumm an. Dann reichte Hermann von Steinach seinem Sohn die Hand.