Hedwig Courths-Mahler Collection 5 - Sammelband - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler Collection 5 - Sammelband E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

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Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück. Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.


Dieser fünfte Sammelband enthält die Folgen 13 - 15:

VON WELCHER ART BIST DU?

Einst verliebte sich Werner Rottmann während einer Weltreise in die schöne Brasilianerin Elvira Pesato und heiratete sie. Doch schon bald nach der Geburt einer Tochter betrog Elvira ihren Gatten. Verbittert kehrte Werner Rottmann mit der kleinen Felicie nach Deutschland zurück.

Inzwischen ist aus Felicie eine junge Dame geworden. Obwohl sie ihren Vater abgöttisch liebt, sehnt sie sich danach, endlich auch die Mutter kennenzulernen. Als Felicie dann nach Brasilien reisen kann, ahnt sie nicht, dass sie einem gefährlichen Abenteuer entgegengeht...

DIE MENSCHEN NENNEN ES LIEBE

Nachdem der Globetrotter Hans von Ried von einer verführerischen Frau bitter enttäuscht worden ist, kehrt er nun endlich für immer auf sein Schloss zurück.

Der erste Sonnenstrahl, der dort wieder in seine Seele fällt, geht von der jungen, ungestümen Komtess Pia von Buchenau aus. Da Hans als Letzter seiner Familie eines Tages doch noch heiraten muss, entschließt er sich, Pia um ihre Hand zu bitten. Und sie willigt arglos ein. Was weiß sie schon von der Liebe, was von einem enttäuschten Männerherzen!

DER VERHÄNGNISVOLLE BRIEF

In einem Taxi entdeckt Hasso von Ried eine wertvolle Handtasche. Um den Namen der Besitzerin zu ermitteln, durchsucht er den Inhalt und findet einen leidenschaftlichen Liebesbrief, der seine Empfängerin auf eindeutige Weise kompromittiert. Durch eine Suchanzeige kommt die Tasche wieder in die Hände ihrer Eigentümerin.

Wenig später lernt Hasso die schöne Carry von Hartenfels kennen. Doch als er sich mit ihr verloben will, erfährt er, dass sie jene Frau ist, die die Tasche damals verloren hat. Enttäuscht und verbittert, dass Carry die Geliebte eines anderen Mannes war, flüchtet Hasso vor ihr, obwohl er sie mehr als alles andere in sein Herz geschlossen hat...


Über 240 Seiten Romantik und Herzenswärme!

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Seitenzahl: 495

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2014 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv: shutterstock/Alex Andrei ISBN 978-3-7325-5707-3

Hedwig Courths-mahler

Hedwig Courths-Mahler Collection 5 - Liebesroman

Inhalt

Hedwig Courths-MahlerHedwig Courths-Mahler - Folge 013Roman um eine gefahrvolle Liebe in einem fremden Land. Einst verliebte sich Werner Rottmann während einer Weltreise in die schöne Brasilianerin Elvira Pesato und heiratete sie. Doch schon bald nach der Geburt einer Tochter betrog Elvira ihren Gatten. Verbittert kehrte Werner Rottmann mit der kleinen Felicie nach Deutschland zurück. Inzwischen ist aus Felicie eine junge Dame geworden. Obwohl sie ihren Vater abgöttisch liebt, sehnt sie sich danach, endlich auch die Mutter kennenzulernen. Als Felicie dann nach Brasilien reisen kann, ahnt sie nicht, dass sie einem gefährlichen Abenteuer entgegengeht...Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 014Nachdem der Globetrotter Hans von Ried von einer verführerischen Frau bitter enttäuscht worden ist, kehrt er nun endlich für immer auf sein Schloss zurück. Der erste Sonnenstrahl, der dort wieder in seine Seele fällt, geht von der jungen, ungestümen Komtess Pia von Buchenau aus. Da Hans als Letzter seiner Familie eines Tages doch noch heiraten muss, entschließt er sich, Pia um ihre Hand zu bitten. Und sie willigt arglos ein. Was weiß sie schon von der Liebe, was von einem enttäuschten Männerherzen!Jetzt lesen
Hedwig Courths-Mahler - Folge 015In einem Taxi entdeckt Hasso von Ried eine wertvolle Handtasche. Um den Namen der Besitzerin zu ermitteln, durchsucht er den Inhalt und findet einen leidenschaftlichen Liebesbrief, der seine Empfängerin auf eindeutige Weise kompromittiert. Durch eine Suchanzeige kommt die Tasche wieder in die Hände ihrer Eigentümerin. Wenig später lernt Hasso die schöne Carry von Hartenfels kennen. Doch als er sich mit ihr verloben will, erfährt er, dass sie jene Frau ist, die die Tasche damals verloren hat. Enttäuscht und verbittert, dass Carry die Geliebte eines anderen Mannes war, flüchtet Hasso vor ihr, obwohl er sie mehr als alles andere in sein Herz geschlossen hat...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Von welcher Art bist du?

Vorschau

Von welcher Art bist du?

Roman um eine gefahrvolle Liebe in einem fremden Land

In einer vornehmen Villa, inmitten eines wundervollen Parks, stand an einem offenen Fenster eine junge Dame. Sie sog in tiefen Atemzügen die köstliche Frühlingsluft ein und sah dabei mit großen Augen in die Ferne.

Die junge Dame war mittelgroß und schlank. Das Gesicht hatte feine Züge und zeigte noch eine fast kindliche Rundung. Alle Linien darin waren weich und lieblich, wie man es nur bei Menschen findet, die das Leben niemals rau angefasst hat. Nur um den Mund lag ein herber Zug.

Felicie Rottmann war das einzige Kind des Chefs der Vita-Werft, eines der bedeutendsten Werke dieser Art. Kommerzienrat Werner Rottmann hing mit aller Zärtlichkeit seiner Vaterherzens an der Tochter. Sie war der einzige Mensch, der zu ihm gehörte. Vater und Tochter waren einander alles. Was sie sich an den Augen absehen konnten, taten sie einander zuliebe.

Sonst war Werner Rottmann ein sehr willensstarker, tatkräftiger und gerechter Mensch. Heute merkte man seinem in strenger Selbstzucht gestählten Wesen nicht an, dass er sich einst, in seiner Jugend, von einer glühenden Leidenschaft hatte hinreißen lassen, etwas zu tun, das ihn nachher sein ganzes Leben lang gereut hatte. Er hatte eine Frau geheiratet, die nicht zu ihm, zu seinen Wünschen passte.

Vor dreiundzwanzig Jahren hatte ihn sein Vater auf Reisen geschickt. Er sollte sich die Welt ansehen, auf ausländischen Werften Erfahrungen sammeln und dabei Geschäftsverbindungen anknüpfen oder ausbauen. Im Verlauf dieser Reise war er auch nach Brasilien gekommen, und hier ereilte ihn sein Schicksal.

Er verliebte sich mit einer bei seinem sonst ruhigen Naturell unerklärlicher Heftigkeit in eine junge Dame – eine Kreolin.

Es half nichts, dass ihn gute Freunde zur Vernunft bringen wollten. Er hörte nicht auf ihre Warnungen. Seine Angebetete war für ihn ein Engel, ein Geschöpf ohne Fehler.

Er warb um die junge Dame, deren Vater große Plantagen besaß. Seinem Vater schrieb er, dass er die Absicht habe, sich mit Señora Elvira Pesato zu verloben, und bat um seinen Segen.

Sein Vater hatte jedoch zugleich von besorgten Geschäftsfreunden die Nachricht erhalten, dass sein Sohn eine sehr schlechte Wahl getroffen habe. Man berichtete ihm, dass Señora Elvira Pesato ein kokettes, oberflächliches, herzenskaltes Geschöpf sei, und warnte ihn, wie man Werner Rottmann selbst gewarnt hatte.

Er telegrafierte an seinen Sohn, er verweigere seine Zustimmung und verlange, dass Werner sofort heimkehre. Aber ehe noch der zum Telegramm folgende Protestbrief seines Vaters eintraf, hatte er sich mit Elvira Pesato verlobt. Der Verlobung folgte schnell die Hochzeit. Vater und Sohn gerieten brieflich schwer aneinander, und schließlich sagte sich der Vater von Werner los. Er schrieb ihm:

Die Frau, die du gegen meinen Willen geheiratet hast, kommt nie in mein Haus. Ich will kein fremdes Blut in meiner Familie haben. Kehrst du eines Tages ohne sie heim, wie ich hoffe und wünsche, dann steht dir das Vaterhaus wieder offen. An ihrer Seite wird es dir verschlossen sein, und wenn mein Alter noch so einsam sein wird.

Auf Elviras Wunsch wurde die Hochzeit mit großem Pomp in der am Meeresstrand gelegenen weißen Marmorvilla ihrer Eltern gefeiert.

Für das junge Paar war für die Flitterwochen auf einer Fazenda ein reizendes Landhaus als Aufenthalt eingerichtet. Später sollte es nach Rio zurückkehren, um hier zu wohnen.

Bei der Hochzeitsfeier lernte Werner Rottmann den großen Bekanntenkreis seiner Schwiegereltern kennen, und dabei beschlich ihn zum ersten Mal ein unbehagliches Gefühl. Es sah in eine Sphäre, in der nur heißer Lebensdurst und Sinnengenuss regierte, in der man nur dem Augenblick lebte und ihm ziemlich frivole Zugeständnisse machte. „Erlaubt ist, was gefällt“, war hier die Devise. Es herrschte eine Zügellosigkeit, die ihn beklommen machte.

Aber seine junge Frau schwamm in diesem Treiben wie der Fisch in seinem Element. Ehe er an seinem Hochzeitstag so recht zu klarer Besinnung kam, war es Zeit geworden, mit seiner jungen glutäugigen Frau aufzubrechen.

Lachend rang sich Elvira los aus der Schar ihrer bisherigen Verehrer und quittierte mehr oder minder delikate Anspielungen mit einem koketten Lächeln, das ihr reizend stand.

Sie legte dann ihre Hand auf den Arm ihres jungen Gatten, sah ihn mit glühender Leidenschaft an und flüsterte ihm heiße Sehnsuchtsworte zu.

Es folgten nun Wochen berauschender Glückseligkeit für Werner Rottmann. Die idyllische Fazenda wurde ihm zum Paradies. Er verlor in seinem Glücksrausch alle Bedenken, die zuweilen aufsteigen wollten, wenn ihn ein frivoles Wort, eine gefühlskalte Handlung an ihr erschreckte.

So verrauschten die Flitterwochen wie in einem heißen Strom. Was ihn zuweilen stutzig machte, wehrte er von sich ab. Er sagte sich, seine Frau sei noch ein halbes Kind, das erst reifen, das er sich erst erziehen müsse. Und er träumte von sehr reizvollen Erziehungsversuchen, mit denen er schon jetzt begann.

Wie sehr sollte er aber enttäuscht werden! Elvira wurde es langweilig, als ihre Verliebtheit zu weichen begann. Auf der Fazenda gab es keine Amüsements, keine Verehrer, keine Feste, die sie so liebte. Deshalb drängte sie unter dem Vorwand, dass sie Sehnsucht nach ihren Eltern habe, nach Rio zurück. Und er willigte gerne ein. Auf die Dauer sagte dem tatkräftigen jungen Mann das müßige Leben nicht zu. Er wollte wieder Arbeit haben, wollte schaffen und wirken. Und da sich sein Vater von ihm losgesagt hatte und er nicht mehr mit ihm und für ihn arbeiten konnte, suchte er sich einen neuen Wirkungskreis.

Er wollte sich auf den Werften in Rio eine Stelle als Schiffsbauingenieur suchen und auf diese Weise wenigstens das verdienen, was er für sich selbst brauchte. Das sagte er auch seiner jungen Frau und seinen Schwiegereltern, als sie nach Rio zurückgekehrt waren. Aber sie wollten nichts davon hören. Das habe er nicht nötig, sagten sie ihm. Er verdiene damit doch nur eine Bagatelle, und es sei gescheiter, er nähme von ihnen an, was er brauche, und widme seine Zeit seiner jungen Frau, die doch nun mit ihm ausgehen und Feste feiern wolle.

Werner Rottmann war nicht dazu geschaffen, sich von seiner Frau oder doch deren Eltern erhalten zu lassen. Er sagte ruhig und bestimmt, dass er das nicht wolle und dass er Arbeit brauche, um sich wohl fühlen zu können.

So fühlen man ihm schließlich den Willen lassen, und Werner fand auch bald eine Stellung auf einer Werft. Er hatte nun freilich nicht mehr so viel Zeit für seine junge Frau, die aber bald genug andere ihr zusagende Gesellschaft fand, die jedoch ihrem Gatten sehr wenig gefiel.

Das führte zu allerhand Meinungsverschiedenheiten, und dabei hatte Werner Gelegenheit, seine junge Frau in einer erschreckenden Weise kennen zu lernen. Sie ließ sich nun völlig gehen und zeigte sich ihm in ihrer wahren Gestalt. Bald musste er erkennen, dass das Glück, das er mit der Trennung von seinem Vater bezahlt hatte, nur ein Scheinglück war.

Elvira ging ihre eigenen Wege. Sie genoss, unbekümmert um seine Enttäuschung, die Freiheit, die sie sich als verheiratete Frau nahm.

Eine Weile musste sie aber dann zurückgezogen leben, weil sie ein Kind erwartete. Die Zurückhaltung, die ihr dadurch auferlegt wurde, erschien ihr wie eine Tortur. In dieser Zeit hasste sie ihren Mann geradezu und quälte ihn bis aufs Blut mit ihren Launen. In ihrer oberflächlichen Seele war längst jedes Gefühl für ihn verloschen.

Und doch versuchte Werner gerade in dieser Zeit noch einmal, seinen häuslichen Frieden zu retten, damit sein Kind in einer gedeihlichen Umgebung aufwachsen konnte.

Aber all seine Bemühungen prallten an der Gefühlskälte seiner Frau ab.

Und dann wurde das Kind geboren – ein kleines Mädchen. es erhielt den Namen Felicie.

Werner Rottmann liebte das Kind zärtlich. Vom ersten Tag an behielt er es unter seiner Obhut, da Elvira es vernachlässigte und als eine Last empfand.

Und Elvira war froh darüber. Nun konnte sie doch umso ungebundener ihrem Vergnügen nachgehen. Mit einem wahren Heißhunger stürzte sie sich in den Strudel des geselligen Lebens. Sie war schöner als je und war nach wie vor von Anbetern umringt.

Was kommen musste, kam. Eines Tages fand Werner Rottmann, als er unvermutet nach Hause kam, seine Frau in den Armen eines jungen Kreolen, Señor Amadeo Torada.

Werner züchtige ihn in seinem Zorn mit der Reitpeitsche und warf ihn aus dem Haus. Als er mit seiner Frau abrechnen wollte, war sie verschwunden. Sie hatte sich heimlich davongeschlichen zu ihren Eltern in die weiße Marmorvilla am Strand.

Mit einer eisigen Ruhe ging er dorthin. Er sprach mit ihrem Vater und teilte ihm mit, dass er die Scheidung beantragen würde. Mit seiner Tochter werde er dann nach Deutschland zurückkehren. Elviras Vater erklärte sich mit allem einverstanden.

Die Scheidung wurde ohne große Schwierigkeiten durchgesetzt, und Elvira Rottmann, geborene Pesato, heiratete nach kurzer Frist in zweiter Ehe Señor Amadeo Torada.

In der Heimat angelangt, begab sich Werner Rottmann ohne Zögern zu seinem Vater, und da er ohne Frau kam, war die Versöhnung zwischen Vater und Sohn schnell zustande gekommen.

Das kleine Töchterchen seines Sohnes nahm der alte Herr liebreich auf.

Lange Zeit war sie und die kurze Ehe ihres Vaters der ausgiebige Gesprächsstoff in der Heimatstadt Werner Rottmanns. Von allen Seiten kamen Freunde und Bekannte und staunten das kleine Mädchen an. Eine ganze Weile nannte man sie nur die Brasilianerin.

So wuchs Felicie heran. Sie war ein stilles, zärtliches Kind mit einem reichen, weichen Herzen. Und von der Zeit an, da sie über sich und andere nachzudenken begann, lag zuweilen eine sinnende Traurigkeit, ein stilles Sehnen in ihren Augen. Ihr Vater sprach nie von ihrer Mutter. Sie wusste nicht, was die Eltern getrennt hatte, wusste nur, dass ihre Mutter jenseits des Ozeans in Brasilien lebte und jetzt einen anderen Gatten hatte als den Vater.

Sie musste oft darüber nachdenken. Wenn sie andere Kinder mit ihren Müttern zusammen sah, riss immer ein brennender Schmerz an ihrem Herzen. Je älter sie wurde, desto tiefer wurde das Sehnen nach der Mutter in ihrer Brust. Sie verbarg es vor ihrem Vater, um ihm nicht weh zu tun. Aber er fühlte sehr wohl, dass seinem zärtlich geliebten Kind etwas fehlte, das er ihr trotz seines Reichtums nicht verschaffen konnte.

Sein Vater hatte ihm, solange er lebte, zugeredet, er möge doch eine zweite Ehe eingehen. Werner Rottmann hätte als Freier an jede Tür klopfen können. Aber er konnte sich nicht dazu entschließen, weil er seiner Tochter keine Stiefmutter geben wollte.

Vor drei Jahren nun war sein Vater gestorben, und Werner war Herr der Vita-Werft geworden. Inzwischen hatte er eine Erzieherin für Felicie engagiert, und er hatte damit einen sehr guten Griff getan. Fräulein Haller war nicht nur eine tüchtige Lehrerin, sie war auch gütig, klug und verständnisvoll und hängte ihr einsames Herz mit großer Innigkeit an ihren Zögling.

Felicie hatte inzwischen fast das einundzwanzigste Lebensjahr erreicht und sich nicht nur zu einer eigenartigen Schönheit entwickelt, der ein fremdartiger Reiz anhaftete, sondern wie war auch ein wertvoller Mensch von vornehmer Denkungsweise geworden.

Ihr Vater hatte ihr, als sie älter und reifer geworden war mancherlei aus seinem Leben erzählt und versucht, ihr möglichst harmlos zu erklären, was ihn von ihrer Mutter getrennt hatte. In schonungsvoller Weise hatte er es getan. Sie sollte nicht gezwungen sein, ihre Mutter zu verachten. Von dem Treuebruch erfuhr sie nichts.

Vor einigen Wochen nun hatte Felicie endlich ein Herz gefasst und ihren Vater gefragt, ob es nicht möglich sei, dass sie ihre Mutter wenigstens ein einziges Mal sehen könnte.

„Willst du nicht einmal mit mir nach Brasilien reisen, Vater, damit ich mit meiner Mutter zusammentreffen kann?“, hatte sie gefragt.

Werner Rottmann war blass geworden. Hastig schüttelte er den Kopf und hatte geantwortet: „Nein, Felicie, daran ist nicht zu denken. Du darfst nicht vergessen, dass deine Mutter eines anderen Mannes Frau geworden ist.“

Mit ihren großen dunklen Augen hatte sie ihn flehend angesehen.

„Trotzdem ist sie doch meine Mutter, und… sie sehnt sich sicher nach mir, wie ich mich nach ihr sehne.“

Erschrocken hatte er sie angesehen.

„Du sehnst dich nach ihr?“

„Ja, Vater. Willst du mir nicht diesen Wunsch erfüllen? Wir könnten doch die Reise auf einem Schiff machen, das auf der Vita-Werft gebaut ist, vielleicht auf der ‚Felicie‘?“

Er atmete tief auf. „Ich reise mit dir, wohin du willst, Felicie, nur nicht nach Brasilien. Glaube mir, es ist zu deinem Besten. Du würdest nicht glücklich sein über das Zusammentreffen. Du bist in deiner ganzen Art so verschieden von deiner Mutter, wie ich es von ihr war. Und sie würde – ich muss dir das leider sagen – nicht erfreut sein, dich wiederzusehen… Oder sie müsste sich sehr geändert haben. In all den Jahren hat sie ja nicht ein einziges Mal nach dir gefragt, sich nach deinem Ergehen erkundigt.“

Mit geschlossenen Augen hatte Felicie eine Weile still gesessen. Dann hatte sie leise, mit verhaltener Stimme gesagt: „Ich möchte sie dennoch sehen, nur ein einziges Mal.“

„Felicie!“, rief er schmerzlich. Da fasste sie seine Hand.

„Zürne mir nicht, Vater! Ich sehe, dass ich dir weh tue, dich quäle. Das will ich nicht.“

„Nein, das willst du nicht, mein geliebtes Kind, ich weiß es. Und ebenso wenig möchte ich dir weh tun. Aber du musst dir doch sagen, dass ich schwer wiegende Gründe habe, wenn ich dir einen Wunsch versage.“

Sie richtete sich auf und lächelte tapfer. „Ja, ich weiß es. Und wir wollen nun nicht mehr davon sprechen.“

Damit war das Thema beendet gewesen. Felicie hatte nicht mehr nach ihrer Mutter gefragt und nicht von ihrer Sehnsucht gesprochen.

So waren Wochen vergangen. Und nun war heute Morgen etwas Seltsames geschehen. Es war an Felicie ein Brief gekommen, ein Brief mit brasilianischen Freimarken und dem Poststempel Rio de Janeiro. Die Aufschrift zeigte eine zierliche, unregelmäßige Handschrift, und der Brief war eingeschrieben.

Felicie hatte ihn empfangen, als ihr Vater drüben auf der Werft war, und als sie darüber quittierte, befiel sie ein heftiges Herzklopfen. Sie zog sich mit dem Brief in ihr Zimmer zurück und schloss sich ein, als habe sie ein Geheimnis zu hüten.

Mit einer unerklärlichen Erregung öffnete sie das Schreiben. Ihre Hände zitterten, als sie den Briefbogen entfaltete und las:

Meine liebe Tochter!

Weißt du überhaupt, dass du eine Mutter hast, die noch am Leben ist, oder hat man es dir verheimlicht? Seit vielen, vielen Jahren hat man uns getrennt. Du warst noch ein ganz kleines Baby, als ich dich von mir lassen musste. Dein Vater und ich, wir verstanden uns nicht, und so zogen wir es vor, uns zu trennen. Dein Vater nahm dich mit in seine deutsche Heimat und hat dich mir sicher ganz entfremdet.

Ich habe so oft an dich gedacht und mich nach meinem Töchterchen gesehnt. Meine zweite Ehe ist kinderlos geblieben. Kürzlich hörte ich von dir. Man sagte mir, du seiest eine sehr schöne, junge Dame geworden. Und da wurde meine Sehnsucht mächtiger denn je. Ich weiß, du bist in diesen Tagen mündig geworden, und selbst wenn es dir dein Vater verbieten würde, könntest du zu mir kommen. Willst du das nicht tun? Ich bin sehr reich – mindestens ebenso reich wie dein Vater, und du wirst meine Erbin sein, wenn ich eines Tages sterbe. Ich habe ein Herzleiden, das mich vielleicht einmal schnell abruft. Soll das geschehen, ohne dass ich meine Tochter umarmt und geküsst habe? Komm zu deiner Mutter, mein liebes Kind, sie sehnt sich nach dir. Dein Vater hat dich so lange für sich gehabt. Es ist deine kindliche Pflicht, nun auch einmal nach deiner Mutter zu sehen.

Bitte schreibe mir, möglichst gleich, dass du zu mir kommen willst. Es wird dir bei mir gefallen. Ich warte voll Sehnsucht auf deine Antwort.

In Liebe und Sehnsucht küsst

dich deine Mutter Elvira Torada

Wie gebannt sah Felicie auf dieses Schreiben herab.

In Liebe und Sehnsucht

deine Mutter

Diese Worte weckten ein mächtiges Echo in ihrer Brust. Ihr war, als müsse sie sich eilends aufmachen, um zu ihrer Mutter zu reisen. Sie stellte sich in dieser Mutter eine leidende, rührende Gestalt vor und fragte sich allen Ernstes, ob ihre Mutter dieses Herzleiden vielleicht von der Sehnsucht nach ihr bekommen habe. Sie ahnte nicht, wie ganz anders ihre Mutter in Wirklichkeit aussah, ahnte nicht, dass die Sehnsucht ihrer Mutter einen ziemlich egoistischen Ursprung hatte.

Señora Elvira hatte von einem Geschäftsfreund Rottmanns, der kürzlich in Deutschland gewesen war und Felicie kennen gelernt hatte, eine ganz entzückende Schilderung von der Schönheit und Anmut ihrer Tochter bekommen. Diese Schilderung hatte Señora Elvira nachdenklich gestimmt. Sie merkte seit einiger Zeit, dass ihre Schönheit stark im Verbleichen war. Gewöhnt, immer der gefeierte Mittelpunkt aller Feste zu sein, hatte sie mit Erschrecken bemerkt, dass man sie neuerdings vernachlässigte und anderen Schönheiten huldigte. Das kränkte die eitle, gefallsüchtige Frau. Sie konnte es nicht ertragen, übersehen zu werden, und sann auf ein Mittel, das Interesse der Gesellschaft wieder auf sich zu lenken.

Als sie nun von ihrer schönen, bezaubernden Tochter hörte, durchschoss ein Gedanke wie ein Blitz ihr Hirn.

Wenn ich meine Tochter bei mir hätte, würde sich mit einem Schlag wieder alles Interesse auf mich konzentrieren. Sie würde ein vortrefflicher Magnet sein, der die Herren fesseln und an sich ziehen würde.

Dieser Gedanke elektrisierte sie, und sie sann sich sofort einen wirkungsvollen Brief an ihre Tochter aus. Ein Herzleiden hatte sie allerdings. Aber sie dachte nicht im Entferntesten daran, dass es schon jetzt ihr Leben bedrohen könnte.

Felicies unerfahrenes Gemüt konnte diesen Dingen natürlich nicht auf den Grund sehen. Sie las nur eins aus dem Brief – dass ihre Mutter Sehnsucht nach ihr hatte und nach ihr verlangte.

Als ihr Vater nach Hause kam, lief ihm Felicie aufgeregt entgegen.

„Vater, ich habe einen Brief von meiner Mutter!“

Er erschrak. „Einen Brief?“

Sie reichte ihm das Schreiben. „Meine Mutter ruft nach mir, Vater. Lass mich zu ihr reisen, ich bitte dich, so sehr ich kann.“

Erblassend las Werner Rottmann den Brief und ballte ihn dann, von Grimm übermannt, zusammen. Er verstand besser als seine Tochter, was in diesem Brief echt und unecht war.

„Nein, du folgst diesem Ruf nicht, ich erlaube es nicht“, sagte er fast schroff.

Mit einem vorwurfsvollen Blick sah ihn seine Tochter an. „Vater!“

Er schüttelte heftig den Kopf, und sein Gesicht war wie versteinert. „Nein – nein – dreimal nein“, stieß er heftig hervor und warf den zerknüllten Brief voll Abscheu von sich.

Blass, mit zuckenden Lippen hatte sich Felicie nach dem Brief gebückt, hatte ihn aufgehoben und war langsam mit gesenktem Haupt aus dem Zimmer gegangen in den sonnigen Frühlingstag hinein.

***

Werner Rottmann hatte mit einem Gefühl schmerzlicher Angst hinter seiner Tochter hergesehen. Er liebte sie viel zu sehr, um ruhig zusehen zu können, wie sie sich mit der Sehnsucht nach ihrer Mutter quälte. Dass seine einstige Frau nur aus irgendeinem egoistischen Grund jetzt plötzlich nach ihrer Tochter verlangte, schien ihm außer Zweifel. Aber sie hatte ihre Worte gut gewählt, um Felicie zu betören. Wie gut sie das verstand, wusste er nur zu gut. All die schweren Kämpfe wachten wieder auf, in die ihn diese Frau einst gestürzt hatte. Jetzt riss sie ihre Tochter hinein in ihrer gewissenlosen, egoistischen Art. Und er konnte es Felicie nicht einmal sagen. Er warf sich in einen Sessel und starrte glühend vor sich hin. Heftige Angst wachte in ihm auf. Sollte es ihrer Mütter gelingen, Zwietracht zu säen zwischen ihm und seinem Kind?

Er biss die Zähne zusammen und stöhnte.

Und endlich rang er sich einen schweren Entschluss ab. Es half nichts – Felicie musste ihre Mutter sehen, musste sich selbst ein Urteil über sie bilden, musste erkennen, von welcher Art sie war. Hinderte er sie jetzt daran, dann sah sie in ihrem Vater einen despotischen Mann, der egoistisch ihre Sehnsucht nach der Mutter unterdrücken wollte. Nein, das durfte nicht sein. Seines Kindes Vertrauen zu ihm durfte nicht erschüttert werden, dahin durfte es nicht kommen. So gern er Felicie Enttäuschungen erspart hätte, jetzt musste sie klar sehen. Er selbst wollte den Schleier nicht vom Bild ihrer Mutter reißen, den er selbst aus Erbarmen darum gewoben hatte. Nun musste sie dieses Bild in Wirklichkeit und ohne alle Beschönigung kennen lernen. Das würde nicht ohne Wunden für Felicie abgehen, er wusste es nur zu gut. Aber er konnte sie nun nicht mehr vor diesen Wunden bewahren, wollte er sein Kind nicht verlieren.

Als er sich zu diesem Entschluss durchgerungen hatte, erhob er sich, um seine Tochter aufzusuchen. Felicie stand noch immer am Fenster, als ihr Vater bei ihr eintrat.

Er erfasste von hinten ihre Schultern und drehte sie langsam zu sich herum. Liebevoll sah er sie an.

„Felicie, du sollst nicht glauben, dein Vater versage dir aus Härte oder egoistischen Motiven einen Wunsch. Es geschah nur um deinetwillen, mein geliebtes Kind, weil ich dir eine Enttäuschung ersparen wollte. Aber ich kann nicht von dir verlangen, dass du das einsehen sollst, ehe du deine Mutter kennen gelernt hast. Schließlich hat jeder Mensch das Recht, seine Erfahrungen selbst zu machen. Und kurz und gut – du sollst deine Mutter sehen, sollst zu ihr reisen. Ich selbst werde dich nach Brasilien begleiten. Aber wenn du dieses Wiedersehen hinter dir hast, dann vergiss nicht, dass ich es nur zuließ aus Angst, das Herz meines Kindes könnte sich von mir wenden oder du könntest mir dein Vertrauen entziehen. Wenn du Enttäuschungen erlebst, dann denke daran, dass ich sie dir um jeden Preis ersparen wollte.“

Felicie hörte aus all diesen Worten nur, dass sie zu ihrer Mutter reisen durfte. Sie fiel ihrem Vater um den Hals und dankte ihm innig.

Er lächelte wehmütig und streichelte ihr Haar. „Danke mir nicht! Aus Angst, deine Liebe, dein Vertrauen zu verlieren, erfülle ich dir einen Wunsch, den ich dir verweigern müsste. Aber nun nichts mehr davon! Jetzt gehen wir zu Tisch. Fräulein Haller wird uns schon erwarten.“

„Und wann werden wir reisen, Vater?“, fragte sie eifrig.

Er dachte nach. Dann sagte er schnell entschlossen: „Heute in acht Tagen fährt die ‚Felicie‘ ab. Sie geht nach Südamerika und ist unser bester Dampfer. Wirst du in acht Tagen mit deinen Reisevorbereitungen fertig sein?“

„Gewiss, Vater.“

„Nun gut, also bleibt es dabei.“

Noch am selben Tag schrieb Felicie einen Brief an ihre Mutter.

Er lautete:

Meine liebe Mutter!

Deinen lieben Brief habe ich erhalten und mich sehr, ach, so sehr darüber gefreut, dass du Sehnsucht nach mir hast. Ich habe auch Sehnsucht nach dir und wäre schon längst gern einmal mit dir zusammengetroffen. Nun habe ich meinen Vater gebeten, dass er mich zu dir reisen lässt, und er hat es mir erlaubt. Am 9. Mai geht unser Dampfer ab. Vater begleitet mich und besucht während der Zeit, da ich bei dir weile, in Geschäften einige südamerikanische Häfen. Ich darf also einige Wochen bei dir bleiben, wenn du mich so lange haben willst. Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen, liebe Mutter. Wir werden uns so viel zu sagen haben. In wenigen Wochen bin ich bei dir. Sobald ich eintreffe, melde ich mich bei dir.

Mit herzlichen Grüßen und Küssen

deine Tochter Felicie

***

Nach einer sehr angenehm verlaufenden Überfahrt, die nur einmal durch einen Gewittersturm etwas unruhig gewesen war, legte die „Felicie“ im Hafen von Pernambuko an. Hier stieg eine große Anzahl Passagiere aus, und einige neue nahm der Dampfer mit.

Felicie hatte mit ihrem Vater dem Ausschiffen der Passagiere zugesehen. Als sie jetzt die ankommenden Passagiere musterte, richtete sie sich plötzlich ein wenig empor. Ihre Augen sahen interessiert in ein gebräuntes, schmales Männergesicht, aus dem zwei tief liegende stahlblaue Augen scharf und energisch herausblitzten. Um den schmallippigen Mund lag ein harter Zug. Seine Art, mit den Leuten, die ihm ihre Dienste anboten, zu verkehren, verriet, dass er gewohnt war, zu herrschen. Ruhig und bestimmt gab er seine Befehle.

Als der Fremde den Kofferträger abgefertigt hatte, blickte er sich prüfend um. Und da begegneten seine Augen denen Felicies. Einige Augenblicke ruhten die beiden Augenpaare wie forschend ineinander.

In Felicies Gesicht stieg eine leichte Röte, und sie fühlte eine seltsame, nie gekannte Erregung unter dem kühl forschenden, abwägenden Blick dieser Männeraugen.

Während der Mittagstafel saß der Fremde in nächster Nähe von Vater und Tochter. Und wieder trafen seine Augen zuweilen in die Felicies. Dabei wollte er scheinen, als habe sich der scharfe, forschende Ausdruck dieser Augen verloren, als blickten sie jetzt wärmer, wie es eigentlich zu seinen eisernen Gesichtszügen gar nicht passte.

Nach der Mittagstafel begab sich Werner Rottmann ins Schreibzimmer, um einige Korrespondenzen zu erledigen.

Felicie hielt auf dem Deck Siesta. Ihre Gedanken flogen dem Dampfer voraus nach Rio de Janeiro. Sie zog den Brief ihrer Mutter hervor, den sie immer bei sich trug, und las ihn, wie schon so oft.

Während sie sich in die Lektüre vertiefte, kam langsam auf der Deckpromenade der Fremde heran. Er gewahrte Felicie nicht, da sie abseits unter einem Sonnenzelt saß.

Gerade der Stelle gegenüber, wo sie Platz genommen hatte, blieb er stehen und zündete sich eine Zigarette an. In Gedanken verloren, sah er den Rauchwölkchen nach.

Eine Weile stand er so. Aber dann wandte er sich ganz plötzlich um, wie von einem Magnet angezogen, und sah Felicie.

Wieder begegneten sich ihre Augen. Felicie, die ihn hatte stehen sehen, war durch sein plötzliches Umdrehen so erschrocken, dass der Brief der Mutter ihr aus der Hand glitt und zu Boden fiel. Der Wind erfasste ihn und trieb ihn gegen die Reling, gerade zu den Füßen des Fremden. Er beugte sich sofort herab, um den Brief aufzuheben. Und ohne es zu wollen, fiel sein Blick auf die Unterschrift.

Deine Mutter Elvira Torada

Einen Moment stutzte er. Es zuckte überrascht in seinen Augen auf. Aber er fasste sich schnell und ging nun langsam zu Felicie hinüber. Artig verneigte er sich.

„Meine Gnädigste, dieses Briefblatt hat Ihnen wohl der Wind entführt?“

Erschrocken sahen die Augen der jungen Dame zu ihm auf.

Sie sieht mich an wie Rotkäppchen den bösen Wolf, dachte er in gutmütigem Spott. Und doch berührte ihn dieser Blick seltsam.

Mit unsicherer Hand fasste Felicie nach dem Brief. „Ich danke Ihnen. Es wäre mir schmerzlich gewesen, wenn der Brief über Bord geflogen wäre“, sagte sie.

Er verneigte sich und trat wieder zurück. Langsam setzte er seine Promenade fort.

Wie kommt diese junge deutsche Dame zu einem Brief, den Señora Elvira Torada unterschrieben hat – so unterschrieben?, dachte er im Weitergehen. Ihre Ehe ist doch kinderlos, so viel ich weiß. Und doch nennt sie sich Mutter? Wessen Mutter? Etwa gar die Mutter dieses schönen Mädchens, das so beseelte Augen hat? In Form und Farbe erinnern diese Augen an die der Señora. Aber ganz gewiss nicht im Ausdruck.

Als er in seinem Gedankengang so weit gekommen war, warf er den Rest seiner Zigarette über Bord und presste die Lippen herb aufeinander. Was gehen mich diese Augen an, was diese junge Dame! Ich habe wahrlich an andere Dinge zu denken, an ganz andere Dinge.

Als er eine Weile später mit Kommerzienrat Rottmann auf der Treppe zusammentraf, verbeugte er sich kurz entschlossen und sagte in seiner bestimmten Art: „Gestatten Sie einen Augenblick, mein Herr. Ich sprach soeben einige Worte mit der jungen Dame, die in Ihrer Begleitung reist. Es entfiel ihr ein Gegenstand, den ich ihr zurückgäb. Um nicht unhöflich zu scheinen, erlaube ich mir, mich Ihnen vorzustellen, es Ihnen überlassend, ob Sie mich mit Ihrer Begleiterin bekannt machen wollen. Mein Name ist Malteck.“

Der Kommerzienrat verneigte sich ebenfalls und nannte seinen Namen. Mit unverhohlenem Wohlgefallen sah er in das energische Männergesicht.

„Irre ich mich nicht, so sind wir Landsleute, Herr Malteck. Nicht wahr, Sie sind Deutscher?“

„Allerdings, Herr Rottmann, aber ich lebe schon seit fast zehn Jahren in Brasilien und habe so ziemlich vergessen, dass Deutschland meine Heimat ist.“

„Vergessen? O nein, das glaube ich nicht, ein Deutscher vergisst seine Heimat nie.“

Es zuckte wie Wetterleuchten in den Blicken des jungen Mannes. „Gelegentlich ruft man es sich wohl in die Erinnerung zurück – oder es drängt sich einem ungerufen auf. Ich glaube, Sie haben Recht, man vergisst die Heimat nicht, auch wenn sich trübe Erinnerungen damit verknüpfen.“

Das kam herb und schwer über die Lippen des jungen Mannes.

„Haben Sie nie Sehnsucht gespürt, wieder in die Heimat zurückzukehren?“, fragte Rottmann teilnahmsvoll.

Maltecks Stirn zog sich finster zusammen. Endlich sagte er heiser: „Sie hat mich gequält und gepeinigt, diese Sehnsucht. Aber die Heimat ist mir verschlossen. Ich bin daraus vertrieben worden. Nun habe ich da drüben nichts mehr zu suchen und habe deshalb versucht, in Brasilien Wurzeln zu schlagen.“

Fast widerwillig rang sich das über seine Lippen. Werner Rottmanns Interesse wurde immer stärker. Etwas Seltsames zwang die beiden Männer, die gewiss nicht zu den Mitteilsamen gehörten, sich bei dieser ersten Unterhaltung weniger reserviert, als es sonst ihre Art war, zu begegnen.

„Und ist Ihnen das gelungen?“, fragte der Kommerzienrat.

Wieder zuckte es wie Wetterleuchten in den stahlblauen Augen. „Ich glaube nicht. Entwurzelte Bäume wachsen so leicht nicht fest in fremdem Boden und fristen meist ein kümmerliches Dasein.“

Das sollte scherzhaft klingen, aber es klang vielmehr bitter und höhnisch.

Um dem Gespräch eine leichtere Wendung zu geben, erwiderte Werner Rottmann lächelnd: „Sie machen aber einen recht kraftvollen Eindruck, der nicht von einem kümmerlichen Fristen des Daseins zeugt.“

Ein herbes Lächeln flog um die Lippen des jungen Mannes. „Man beißt sich durch“, sagte er. Und dann, als sei ihm dieses Thema zu persönlich geworden, fuhr er ablehnend fort: „Der Dampfer hatte eine gute Fahrt, wie ich hörte.“

„Ja, eine sehr gute Fahrt.“

„Die ‚Felicie‘ ist ein wackeres Fahrzeug. Und schon ihr Name verbürgt ja eine glückliche Fahrt. Felicie heißt doch die Glückliche.“

Rottmann lächelte.

„Ich hoffe, dass alle Felicies glücklich sind. Also der Dampfer gefällt Ihnen?“

„Sehr. Ich machte schon einige Reisen mit ihm. Allerdings immer nur von Pernambuko bis Rio de Janeiro. Und ich habe mich genügend über den prachtvollen Bau des Schiffes orientiert.“

Die Augen des Kommerzienrats leuchteten auf. „Sie verstehen etwas vom Schiffbau?“

Ein Lächeln, diesmal ohne alle Bitterkeit, huschte um Maltecks ausdrucksvollen Mund. „Ein wenig. In meiner Jugend wollte ich entweder Schiffsingenieur oder Seeoffizier werden – es kam nicht dazu. Meine Mutter wollte mich nicht aufs Wasser lassen. Da resignierte ich – ihr zuliebe. Aber Wasser und Schiffe sind immer meine unglückliche Liebe geblieben.“

Werner Rottmann sah noch viel wohlgefälliger auf den jungen Mann. „Dann haben wir die gleiche Liebhaberei, Herr Malteck. Ich betreibe sie freilich als Beruf.“

„Ach, Sie sind Schiffbauingenieur?“

Der alte Herr nickte lächelnd.

„Ja, ich habe eine Werft in Deutschland. Das Schiff, auf dem wir uns befinden, ist auf meiner Werft gebaut – auf der Vita-Werft.“

Es blitzte überrascht auf in den Augen Maltecks. „Ah, Sie sind Kommerzienrat Rottmann, der Besitzer der berühmten Vita-Werft?“

Der alte Herr nickte. „So ist es.“

Straff richtete sich Malteck auf.

„Wie glücklich müssen Sie sein – und wie stolz! Es ist mir nun eine doppelte Freude, Sie kennen gelernt zu haben. Hätte ich allerdings gewusst, wer Sie sind, dann hätte ich es schwerlich gewagt, mich Ihnen vorzustellen.“

„Warum nicht?“

„Weil ich nur ein schlichter Plantagenverwalter bin. Man nennt mich zwar hochtönend ‚Plantagendirektor‘, aber die Brasilianer lieben volltönende Bezeichnungen, und es steckt oft nicht viel dahinter. Ich bin nur ein Mensch, den das Schicksal arg zerzaust hat und der sich durch harte Arbeit und mit verbissener Energie diese Position errungen hat. Ich habe schon schlimmere Zeiten hinter mir, in denen ich noch tief unter meiner jetzigen Lage vegetierte.“

Ernst sah Werner Rottmann in Maltecks gebräuntes Gesicht. „Was der Mensch ist, bestimmt nicht seinen Wert, sondern wie er ist. Sie machen mir übrigens den Eindruck, als sei Ihnen ein anderes Los an der Wiege gesungen worden. Man erkennt Herrenmenschen auch im Kleid der Dienstbarkeit.“

Ein bitteres Lächeln umspielte Maltecks Mund.

„Vielleicht steift mir der deutsche Aristokratenstolz, der mir oft sehr lästig war in meinem Kampf ums Dasein, noch den Nacken. In der Heimat war ich ein Junker, stolz auf meinen Freiherrentitel. Leichtsinn und Torheit – und die Schurkerei eines anderen jagten mich über das Weltmeer. Und da wurde ich… ein Mensch.“

Er hatte das vor sich hin gesprochen, wie zu sich selbst. Nun schrak er plötzlich auf.

„Verzeihen Sie, ich bin unter dem Einfluss meiner deutschen Muttersprache schwatzhaft geworden, wie es sonst nicht meine Art ist.“

Die beiden Herren waren während dieses Gesprächs langsam auf und ab gegangen. Nun blieben sie an der Reling stehen.

„Sie sind oft in Rio de Janeiro, Herr von Malteck?“, fragte der Kommerzienrat.

„Jedes Jahr zwei- oder dreimal auf einige Wochen, wenn auf den von mir verwalteten Plantagen stille Zeit ist. Ich habe dann in Rio de Janeiro Geschäfte abzuwickeln, teils mit großen Exporthäusern, die unsere Erzeugnisse ausführen, teils mit dem Besitzer der Plantagen, der in Rio seinen Wohnsitz hat. Diesmal werde ich voraussichtlich fünf bis sechs Wochen bleiben. Sie kennen Rio, Herr Kommerzienrat?“

Rottmann nickte. „Ja, ich kenne diesen schönsten Hafen der Welt, kenne das Leben in Rio, so wie es vor zirka zwanzig Jahren war. Damals hielt ich mich einige Jahre dort auf – die schwersten, unglücklichsten Jahre meines Lebens.“

Busso von Malteck blickte teilnahmsvoll in das Gesicht Rottmanns. Er dachte an die Unterschrift des Briefes, den er für die junge Dame aufgehoben hatte. Es war, als wollte er etwas sagen. Aber gerade jetzt kam die junge Dame auf die beiden Herren zu und sah mit Staunen, dass ihr Vater mit dem Fremden sprach.

Befangen blieb sie stehen.

Da erblickte sie ihr Vater. Lächelnd rief er sie an.

Sie kam vollends herbei. „Was wünschst du, Vater?“

„Ich möchte dich mit einem jungen deutschen Landsmann bekannt machen, Felicie. Herr von Malteck – meine Tochter.“

Felicie neigte freundlich das Haupt.

„Herr von Malteck war so freundlich, mir einen Brief zurückzubringen, den der Wind entführt hatte. Ich hätte ihn ungern verloren, es war der Brief meiner Mutter.“

Der Kommerzienrat zog die Stirn wie im Schmerz zusammen. Malteck bemerkte es, und er machte sich seine Gedanken darüber.

Der Kommerzienrat forderte den jungen Mann dann auf, mit ihm und seiner Tochter zusammen das Abendessen einzunehmen. Er nahm sichtlich erfreut an. Und auch nach dem Abendessen plauderten die drei Menschen angeregt zusammen.

***

Solange die Fahrt bis Rio de Janeiro dauerte, waren die drei fast unzertrennlich. Der Kommerzienrat fand immer größeres Wohlgefallen an dem jungen Freiherrn, der seinerseits wiederum dem alten Herrn große Sympathie entgegenbrachte. Über sich selbst hatten sie nicht mehr gesprochen seit jener ersten Stunde ihrer Bekanntschaft. Trotzdem dachte der Kommerzienrat immer wieder darüber nach, was diesen jungen Deutschen aus der Heimat getrieben haben konnte. Dass es nichts Unehrenhaftes war, davon war er überzeugt. Und Busso von Malteck grübelte über den Zusammenhang von Vater und Tochter mit Señora Elvira Torada nach.

So kamen sie Rio de Janeiro immer näher. Als der Dampfer an den vorgelagerten Inseln vorüber dem Hafen zusteuerte, standen Vater und Tochter mit Busso von Malteck an der Reling und blickten nach dem Land hinüber, das wie ein grauer Streifen, in Dunst gehüllt, vor ihnen aufstieg.

Busso von Malteck wandte sich an Felicie, die mit großen, verträumten Augen vor sich hin sah.

„Sie werden doch sicher in Rio von Freunden erwartet, gnädiges Fräulein, da Sie dort, wie ich hörte, ohne Ihren Vater längere Zeit bleiben wollen?“

Felicie blickte etwas unsicher ihren Vater an, sie wusste nicht, ob sie von ihrer Mutter sprechen durfte. Rottmann nahm für sie das Wort.

„Meine Tochter wird von Ihrer Mutter erwartet, Herr von Malteck. Sie hat sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, da ihre Mutter nach ihrer Scheidung von mir eine zweite Ehe einging.“

Es blitzte in Maltecks Augen auf. „Ah, ich bitte um Verzeihung, wenn ich durch meine Frage indiskret war.“

„Keineswegs, Herr von Malteck. Das konnten Sie nicht wissen. Ich habe mich schweren Herzens dazu entschlossen, meiner Tochter diesen Besuch zu gestatten. Sie wird in sehr fremde, ungewohnte Verhältnisse hineinkommen. Sie kennen sicher die brasilianische Gesellschaft und wissen, wie verschieden sie der unseren ist.“

„Allerdings.“

„Leider kann ich meiner Tochter nicht zur Seite stehen, wie ich es gern möchte. Die Verhältnisse lassen ein Zusammenleben zwischen Felicies Mutter und mir nicht zu. Ich muss sie allein diesen Weg gehen lassen – schweren Herzens. Aber meine Tochter wünschte dringend, ihre Mutter endlich kennen zu lernen, und ich durfte mich diesem Wunsch nicht widersetzen. Sie können wohl verstehen, dass ich einigermaßen besorgt bin.“

„Das verstehe ich vollkommen, Herr Kommerzienrat.“

„Es mag sich viel geändert haben in zwanzig Jahren, aber immerhin – übrigens, vielleicht kennen sie, wenigstens dem Namen nach, die Mutter meiner Tochter, sie heißt Señora Elvira Torada.“

Malteck vermochte im Moment nicht zu antworten. Im Geist verglich er Mutter und Tochter miteinander. Endlich sagte er, so ruhig er konnte: „Ja, ich kenne die Señora, sehr gut sogar. Der Zufall, der uns zusammenführte, spielt sonderbar, Herr Kommerzienrat. Ich bin Direktor der Plantagen, die Señora Torada von ihrem Vater geerbt hat.“

Vater und Tochter sahen ihn überrascht an.

„Sie kennen meine Mutter?“, rief Felicie, und ihre dunklen Augen blickten ihn flehend an, als wollten sie sagen: Erzähle mir von ihr, aber nur Liebes und Gutes!

Ihm war, als verstehe er diesen Blick, und ein heißes Erbarmen mit diesem jungen Geschöpf erfüllte ihn.

Wie wird sie von ihrer Mutter enttäuscht sein, dachte er mitleidig.

Er hatte das Leben in allen Höhen und Tiefen kennen gelernt, und ihm war, als könne er Werner Rottmann die ganze Geschichte seiner Ehe vom Gesicht ablesen. Hier der ehrenhafte, treue, gemütsvolle Deutsche – und dort drüben am Stand in der weißen Marmorvilla die heißblütige und doch gefühlskalte Kreolin mit ihrer frivolen Leichtfertigkeit, die jetzt noch nicht verlernt hatte, zu kokettieren und zu flirten.

Mit Abscheu dachte er daran, dass Señora Torada sogar versucht hatte, mit ihm selbst, dem um Jahre jüngeren Mann, ihrem Angestellten, in nicht misszuverstehender Weise zu kokettieren. Sie war sogar ziemlich aufdringlich gewesen, als er eines Tages mit ihr allein war. Nach dieser für ihn ungemein peinlichen Szene betrat er die Marmorvilla nur noch, wenn er gewiss war, auch Señor Torada zu Hause zu finden.

Und diese Frau war die Mutter Felicie Rottmanns!

Kommerzienrat Rottmann hatte noch kein Wort gesprochen, seit er wusste, in welchem Zusammenhang der Freiherr mit seiner ehemaligen Gattin stand. Jetzt richtete er sich entschlossen auf.

„Du möchtest nun wohl deine Koffer packen, Felicie. Bald sind wir am Ziel, und du hast nicht mehr viel Zeit. Wenn du fertig bist, kommst du wieder herauf“, sagte er.

Felicie hätte gern noch Fragen an Herrn von Malteck gerichtet, aber sie sah ein, dass er ihr doch nicht sagen konnte, was sie am liebsten hätte wissen mögen – ob ihre Mutter sie lieb haben würde.

So ging sie nach einigen verabschiedenden Worte davon.

Kaum waren die beiden Herren allein, legte der Kommerzienrat erregt seine Hand auf den Arm des jungen Mannes.

„Herr von Malteck, uns hat ein seltsamer Zufall zusammengeführt. Besonders Umstände nötigen mich, diesen Zufall auszunutzen und Ihnen eine Frage vorzulegen. Wollen Sie mir diese Frage offen beantworten?“

„Wenn es in meiner Macht steht, gewiss.“

„Nun wohl. Sie kennen Señor Torada und seine Frau. Wollen Sie mir ehrlich auf die Frage antworten, ob die Verhältnisse im Hause Torada derart sind, dass ich meine Tochter unbesorgt einige Wochen allein dort lassen kann?“

Fest sah Busso von Malteck in die Augen des alten Herrn.

„Das will ich tun, Herr Kommerzienrat. In der weißen Villa am Strand verkehrt neben der guten Gesellschaft von Rio auch eine etwas gemischte. Señora Elvira ist noch immer gefallsüchtig, hat heiße Sinne und ein kaltes Herz. Aber ich glaube doch, dass sie alles tun wird, was in ihrer Macht steht, um einen guten Eindruck auf ihre Tochter zu machen, und in so kurzen Wochen ist wohl für die junge Dame nichts zu fürchten. Wenn es Sie aber beruhigen kann und wenn ich Ihnen damit nicht aufdringlich erscheine, will ich ein wachsames Auge auf die junge Dame richten. Ich bleibe einige Wochen in Rio und bin dann regelmäßig jeden Tag in der weißen Villa, speise auch fast täglich in Gesellschaft der Herrschaften und werde zu allen Gesellschaften eingeladen. So wäre es mir möglich, auf Ihr Fräulein Tochter zu achten und ihr nötigenfalls meinen Schutz angedeihen zu lassen – wenn Sie die junge Dame meinem Schutz anvertrauen wollen.“

Mit festem Druck umfasste der alte Herr seine Hand. „Ich danke Ihnen – ich danke Ihnen von ganzem Herzen, Herr von Malteck. Es ist ja vielleicht töricht von mir, mich so zu sorgen. Aber mir ist wahrlich ein Stein vom Herzen, weil zwischen all den fremden Menschen, mit denen meine Tochter zusammenkommen wird, ein deutscher Landsmann ihr zur Seite steht. Und sollten Sie irgendeine Gefahr für meine Tochter herankommen sehen, darin depeschieren Sie mir bitte. Ich notiere Ihnen meine Reiseroute, damit Sie immer wissen, wo ich bin und wo mich Ihre Nachrichten treffen können.“

„Das will ich Ihnen gern versprechen.“

Der Kommerzienrat notierte schnell seinen Reiseplan und gab ihn Malteck. Dann sagte er aufatmend: „Ich habe wahrlich nicht das Gefühl, dass wir uns fremd sind, Herr von Malteck. Nicht ein Zufall, sondern eine gütige Schicksalsfügung hat uns zusammengebracht.“

Busso von Malteck atmete tief auf.

„Ich halte es für meine Pflicht, Herr Kommerzienrat, Ihnen einen etwas genaueren Einblick in meine Verhältnisse zu geben. Sie haben mir einen großen Beweis Ihres Vertrauens gegeben, indem Sie mir das Wohl Ihres Fräulein Tochter anvertrauen. Ehe ich dieses Ehrenamt antrete, sollen Sie mich und meine Geschichte ganz kennen lernen, damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben.“

„Mit einem Ehrenmann, dessen bin ich sicher“, sagte der alte Herr warm.

„Ich danke Ihnen – und bei Gott, ich habe nie etwas getan, was sich nicht mit meiner Ehre vereinbart hätte. Aber trotzdem lastet ein schwerer Verdacht auf mir. Ich war Offizier, ein junger, lebensfroher und etwas leichtsinniger Dachs, der in seiner Lebensfreude zuweilen ein wenig über die Schnur schlug. Ich machte die üblichen Schulden, ohne die ein Leutnant mit einem kleinen Monatswechsel nicht auskommen kann. Diese Schulden bezahlte mein Onkel Heinrich, ein vermögender Grundbesitzer, der auf Schloss Malteck, unserem Stammschloss, lebt. Er hatte nach dem Tod meines Vaters auch meiner Mutter und meiner Schwester eine Freistatt in seinem Haus gewährt. Meine Mutter führte ihm den Haushalt. Wenn meine liebe alte Mutter am Leben geblieben wäre, vielleicht hätte sich mein Schicksal anders gestaltet, aber sie starb, als ich eben Leutnant geworden war, und ich schloss mich nun mit doppelter Zärtlichkeit meiner fünf Jahre jüngeren Schwester an. Jeden Urlaub verbrachte ich bei Onkel und Schwester, und die innigste Harmonie verband uns.

Dann kam plötzlich noch ein anderer Neffe meines Onkels, unser Vetter Herbert, nach Malteck. Er war ein bildschöner Mensch und hatte einschmeichelnde Manieren, trotzdem mochte ich ihn nicht, er erschien mir falsch und hinterlistig. Diese Antipathie wurde noch stärker, als ich merkte, dass meine Schwester ihr Herz an ihr verlor. Vielleicht war es eine Art Eifersucht, die mich immer mehr gegen ihn einnahm, weil ich eben meine Schwester innig liebte und weil wir beide bis dahin so fest aneinander gehangen hatten. Kurzum – er bewarb sich um meine Schwester und heiratete sie. Ich bemühte mich nun ernstlich, meine Abneigung zu überwinden, schon meiner Schwester wegen. Und Herbert versuchte mehr und mehr, mich zu beeinflussen. Ich hatte, bei all meinem jugendlichen Leichtsinn, noch nie eine Karte angerührt. Das wusste Herbert. Er spottete über mich, meinte, ein rechter Mann müsse alles im Leben durchgemacht haben, sonst sei er eben kein Mann. Das kränkte mich in meiner jungenhaften Männlichkeit. Und ich wollte ihm zeigen, dass ich ein Mann war.

So spielte ich eines Tages – spielte sinnlos und verrückt, als ich einige hundert Mark verloren hatte, die ich unbedingt wiedergewinnen wollte. Das Resultat war eine Spielschuld von zwanzigtausend Mark.

Entsetzt sah ich dem nächsten Tag entgegen. Zuerst beichtete ich meine Spielschulden Herbert und meiner Schwester. Herbert macht mir entrüstete Vorwürfe, dass ich gespielt habe, er, der mich dazu aufgestachelt hatte!

Als ich danach meinen Onkel aufsuchte, um ihn um seine Hilfe zu bitten, wies er mich zurück. Heftige Vorwürfe prasselten auf mich nieder, aus denen ich mit grimmigem Erstaunen entnahm, dass Herbert alle meine kleinen und großen dummen Streiche dem Onkel in entstellter Form hintergebracht hatte. Ich merkte, dass es Herbert gelungen war, den Onkel gegen mich zu beeinflussen.

Ich erhielt also das Geld nicht und wollte am anderen Morgen betrübt wieder abreisen. Als ich nach dem Frühstück mein Zimmer noch einmal aufsuchen wollte, sah ich plötzlich Herbert aus meinem Zimmer treten. Er schien mir etwas verlegen, fasste sich aber schnell und sagte mir hastig, er habe mich gesucht, um mir einige hundert Mark anzubieten, die er habe flüssig machen können. Ich war sehr erstaunt über das Angebot, aber meine Erbitterung gegen ihn war noch stärker. Schroff lehnte ich das Anerbieten ab, da es mir doch nicht helfen konnte.

Was dann kam, ist mir heute noch wie ein schwerer Traum. In letzter Stunde hatte mir mein Onkel doch noch helfen wollen. Er zog die Schreibtischschublade auf, in die er am Abend vorher in meiner und Herberts Gegenwart eine Summe von dreißigtausend Mark eingeschlossen hatte – von diesen dreißigtausend Mark waren zwanzigtausend verschwunden.

Es folgte eine aufregende Stunde. Herbert forderte Visitation für alle, die sich im Schloss aufhielten, auch für sich, meine Schwester und mich. Ich wies dieses Ansinnen entrüstet als eine Demütigung zurück. Aber Herbert drang darauf – damit nicht ein Unschuldiger in Verdacht käme.“

Hier machte Busse von Malteck eine Pause und sah finster vor sich hin. Dann fuhr er rau fort: „Eine unerhörte Schurkerei war geschehen. Die entwendeten zwanzigtausend Mark fanden sich in meiner fertig gepackten Reisetasche, die unverschlossen in meinem Zimmer gestanden hatte. Ich stand wie erstarrt. Und dann wurde es plötzlich klar vor meiner Seele. Ich wusste jetzt, was Herbert in meinem Zimmer getan hatte, wusste, weshalb er mir in heuchlerischer Teilnahme einige hundert Mark hatte geben wollen.

Schon öffnete ich die Lippen, um ihm seine Schandtat ins Gesicht zu schleudern. Da warf sich plötzlich meine Schwester, fassungslos aufschluchzend, in meine Arme. Sie glaubte an meine Schuld und zitterte vor Angst und Entsetzen am ganzen Körper. Es sprach ja auch alles, alles gegen mich. Herbert hatte alles schlau berechnet – denn ich bin fest davon überzeugt, dass er das Geld entwendet und in meine Tasche gelegt hatte, um mich völlig aus dem Haus und dem Herzen meines Onkels zu vertreiben.

Als ich nun meine Schwester so erschrocken vor mir sah, als ich fühlte, wie sie um mich zitterte und fast zusammenbrach vor Schmerz und Gram, dachte ich: Wie soll sie es erst ertragen, wenn sie die Wahrheit erfährt, wenn sie die ganze Erbärmlichkeit des Mannes erkennt, den sie so innig liebt? Und da vermochte ich nicht zu sprechen, vermochte Herbert nicht anzuklagen. Ich schwieg – und ließ mich von meinem Onkel aus dem Haus weisen.

Welches Opfer ich auf mich genommen hatte, wie groß es war, das habe ich damals gar nicht ganz ermessen. Heute würde ich vielleicht eines solchen Opfers nicht mehr fähig sein. Aber ich bin darüber hinweggekommen.

So, Herr Kommerzienrat, nun wissen Sie alles von mir. Und nun frage ich Sie, ob Sie mir auch jetzt noch das Wohl Ihres Fräulein Tochter anvertrauen wollen, solange Sie selbst sie nicht beschützen können.“

Der Kommerzienrat hatte seinen Blick nicht von Busso von Maltecks Gesicht gelassen. Nun reichte er ihm die Hand.

„Ich glaube an Ihre Unschuld, Herr von Malteck. Und ich bin fest davon überzeugt, dass meine Tochter in Ihrem Schutz wohl aufgehoben ist.“

Es leuchtete hell auf in den Augen des jungen Mannes. Fest umschloss er die Hand des Kommerzienrates. „Ich danke Ihnen für diese Worte“, stieß er erregt hervor.

„Weiß Ihr Onkel, wo Sie sich jetzt befinden?“

Busso von Malteck schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe nie ein Wort von mir hören lassen. Wozu auch! Sie sehen daheim einen Verlorenen in mir – außer meinem Vetter natürlich – und ich bin tot für sie. Ich kann mich ja nicht rechtfertigen, wenn ich meine Schwester nicht vernichten will. Und außerdem – kann ich den Beweis erbringen? Ohne Beweis aber glauben sie mir nicht.“

„Wissen Sie überhaupt, ob Ihr Onkel noch lebt?“

Der junge Mann atmete tief auf.

„Von Zeit zu Zeit habe ich Erkundigungen eingezogen. Ich weiß, dass mein Vetter mit seiner Familie – es ist ein Töchterchen da – in Schloss Malteck lebt. Vor zwei Jahren lebten sie jedenfalls noch alle. Ich muss wieder einmal Erkundigungen einziehen.“

Der Kommerzienrat richtete sich auf. „Wollen Sie mir erlauben, das für Sie zu tun, wenn ich wieder in Deutschland bin?“

In den Augen des jungen Mannes schimmerte es seltsam weich.

„Wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht und Sie könnten in Erfahrung bringen, wie es meiner Schwester geht, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Ich möchte doch wissen, ob mein Opfer wenigstens nicht vergeblich war. Aber… wir haben viel Zeit verplaudert. Sehen Sie da hinüber, Sie können schon die weiße Villa am Strand wie einen hellen Punkt leuchten sehen.“

Rottmann sah hinüber, und ein tiefer Atemzug hob seine Brust. Da lag das Bild vor ihm, wie er es damals bei seiner Abreise hinter sich gelassen hatte. Es hatte sich nicht verändert. Aber er selbst war inzwischen alt und grau geworden. Und er wünschte, dass er wieder auf der Heimreise wäre mit seiner Tochter.

***

Die weiße Villa lag wie ein Märchenschloss im hellen Sonnenschein. Auf der Terrasse, die mit einer Marmorbalustrade abgeschlossen war, befand sich auf der einen Seite unter einem leuchtend roten Sonnenzelt ein Arrangement von Bambusmöbeln. Weiche Strohmatten lagen auf dem Marmorfußboden. Um einen runden Tisch standen bequeme Sessel mit seidenen Kissen und ein mit kostbaren Decken belegtes Ruhebett. Der Tisch war einladend gedeckt.

Allerlei Erfrischungen, Konfekt und Früchte waren in silbernen und kristallenen Schalen aufgetragen worden. Auf dem Ruhebett lag in malerischer Pose Señora Elvira Torada. Ihr gegenüber saß ihr Gatte, Señor Amadeo Torada.

Stumm und gelangweilt sahen die beiden aufs Meer hinaus. Sie hatten sich scheinbar nichts mehr zu sagen. Diese beiden Menschen pflegten ihre Tage in stumpfsinnigem Nichtstun zu verbringen.

Erst des Abends lebten sie auf. Dann stürzten sie sich mit einer wahren Gier ins Gesellschaftstreiben und jagten nach Genüssen, die ihrem Alter nicht mehr zustanden. Einen eigentlichen Lebenszweck hatten sie beide nicht.

Dabei kamen sie im Allgemeinen gut miteinander aus. Sie gaben sich gegenseitig die größte Freiheit und waren einander im Laufe der Jahre so gleichgültig geworden, dass es fast nie zu einem Wort des Streits kam. Sie taten einander nichts zuliebe und nichts zuleide. Señor Amadeo gab seiner Gattin in der Gesellschaft den nötigen Halt, und Señora Elvira ließ ihrem Gatten in generösester Weise über ihre Einkünfte verfügen, denn sie hatte ein wahrhaft fürstliches Vermögen. Ihre von ihrem Vater geerbten Plantagen brachten ihr so hohe Einkünfte, dass sie sie nicht verbrauchen konnte, wenn sie auch noch so verschwenderisch lebte. Und Señor Amadeo hatte das größte Interesse am Wohlbefinden seiner Frau, denn nur solange sie lebte, durfte er darauf rechnen, so aus dem Vollen schöpfen zu können. Der Vater der Señora hatte nämlich in seinem Testament bestimmt, dass nach dem Tod seiner Tochter all seine Besitzungen an seine Enkelin, Felicie Rottmann, fallen sollten und dass seinem Schwiegersohn nur der gesetzliche Pflichtteil zukommen sollte.

So hatte Señor Amadeo alle Ursache, zu wünschen, dass ihn seine Gattin überleben möge.

Nachdem die beiden Gatten stumpfsinnig aufs Meer hinausgesehen hatten, gähnte Señor Amadeo verstohlen und sagte: „Deine Tochter muss doch in diesen Tagen in Rio eintreffen, Elvira.“

Señora Elvira gähnte ebenfalls. „So ist es. Hoffentlich enttäuscht sie mich nicht und sie ist wirklich eine so große Schönheit geworden, wie man mir gesagt hat.“

Er verneigte sich mit gewohnheitsmäßiger Galanterie. „Sie ist ja deine Tochter, Elvira.“

Ein eitles Lächeln umspielte ihren Mund. „Sie wird hoffentlich nach mir geraten sein. Ein wenig bange ist mir doch vor diesem Wiedersehen. Wenn sie die langweilige deutsche Art ihres Vaters geerbt hat, werde ich sie schwerlich lieben können.“

„Oh, das treibt man ihr aus. Es fließt ja dein Blut so gut in ihren Adern wie das ihres Vaters. Und wenn mein Wunsch in Erfüllung geht, wird sie bald ihre deutsche Erziehung vergessen haben und ganz zu uns gehören. Hast du dir überlegt, was ich dir gestern über diese Angelegenheit sagte?“

Sie gähnte wieder. „Was meinst du, Amadeo?“

Mit einem lauernden Seitenblick sah er sie an. „Hast du es vergessen? Ich sagte dir doch gestern, wie gut es sein würde, wenn deine Tochter die Gattin meines Neffen Affonso würde.“

Señora Elvira stützte das Haupt in die Hand. „Ach richtig! Ich habe noch nicht weiter darüber nachgedacht. Aber ich habe natürlich nichts dagegen einzuwenden, wenn sich Affonso mit Felicie verbindet, vorausgesetzt, die jungen Leute wünschen es selbst.“

„Affonso wünscht es sehr.“

„Hast du mit ihm schon darüber gesprochen?“

„Ja, schon ehe ich dir mit dem Vorschlag kam. Hätte er nicht eingewilligt, dann hätte ich dir gar nichts darüber gesagt. Aber Affonso ging mit Entzücken auf den Plan ein. Du weißt, er betet dich an und wäre glücklich, dir durch eine Verbindung mit Felicie noch näher zu kommen.“

Geschmeichelt lächelte sie. „Ja, er ist ein lieber Junge. Ich habe ihn gern, sehr gern. Es würde mich freuen, wenn er auf diese Weise gewissermaßen mein Miterbe würde. Ich verstehe, dass du deinem Neffen dieses Erbe sichern willst.“

Im Grunde war Señor Amadeo hauptsächlich darauf bedacht, selbst im Genuss des Reichtums seiner Frau zu bleiben und sich auch für den Fall ihres Todes zu sichern. Deshalb hatte er seinem Neffen ein gemeinsames Geschäft vorgeschlagen. Er wolle sich bemühen, ihm die Hand der Tochter seiner Frau zu verschaffen, dafür sollte ihm sein Neffe eine entsprechende Nutznießung am Vermögen garantieren. Die beiden Ehrenmänner hatten darüber einen förmlichen Vertrag abgeschlossen und beiderseitig unterschrieben.

Die beiden Gatten versanken nun wieder eine Weile in Schweigen. Señora Elvira knabberte Konfekt, und ihr Gatte saugte ein eisgekühltes Getränk durch den Strohhalm.

„Wollte unser Plantagendirektor, Herr von Malteck, nicht heute kommen?“, fragte die Señora plötzlich.

Ihr Gatte warf ihr einen ironischen Seitenblick zu. „Eigentlich erwartete ich ihn schon gestern.“

Sie richtete sich halb empor. „Gestern schon? Und er ist noch nicht da?“

„Nein, er ist noch nicht da. Aber er wird kommen, heute oder morgen. Vielleicht hat ihn noch etwas aufgehalten.“

Wieder schwiegen sie beide. Die Señora sah mit einem seltsamen Lächeln auf ihre Fußspitzen herab, die unter dem Kleidersaum auf und nieder wippten.

Einige Minuten später erschien ein Diener und meldete mit feierlicher Grandezza: „Señor Direktor.“

In Señora Elviras Augen tanzten begehrliche Lichter. Sie richtete sich auf ihrem Arm empor und griff nach einem goldenen Spiegel, der auf einem kleinen Taburett neben ihr lag und stets in ihrer erreichbaren Nähe seinen Platz hatte. Ein Blick in den Spiegel überzeugte sie, dass sie so schön aussah, wie es ihr jetzt noch möglich war.

Señor Amadeo sah ihr spöttisch zu. „Wollen wir ihn hier empfangen, Elvira, oder soll ich ihn in meine Zimmer führen lassen?“, fragte er.

„Nein, nein. Er soll hierher kommen. Er ist ein sehr interessanter Mann, und ich plaudere gern mit ihm.“

Langsam wandte sich Señor Amadeo dem Diener zu und gebot ihm, Herrn von Malteck hierher zu führen.

Wenige Minuten später trat Busso von Malteck auf die Terrasse hinaus. Er begrüßte zuerst die Hausfrau mit einer Verbeugung und führte ihre Hand an die Lippen, die sie ihm mit einem aufglühenden Blick reichte. Dann verneigte er sich vor dem Hausherrn.

„Wir erwarten Sie schon seit gestern, Señor Direktor“, sagte die Señora.

„Ich wollte auch schon gestern hier sein, Señora. Aber dann hätte ich die Bahn benutzen müssen, Und die Fahrt über das Meer lockte mich so sehr. Da habe ich mich für die etwas längere Seereise entschlossen.“

„Nun, jedenfalls freuen wir uns, Sie zu sehen und wieder einmal auf einige Zeit Ihre Gesellschaft zu genießen.“

Er verneigte sich dankend.

„Hoffentlich bringen Sie uns gute Nachrichten von den Plantagen?“, fragte Señor Amadeo.

Busso von Malteck nahm auf dem Sessel Platz, den ihm die Hausfrau an ihrer Seite anbot. „Die besten Nachrichten, Señor. Die Ernten haben ein äußerst günstiges Ergebnis gebracht, und ich garantiere glänzende Abschlüsse mit unseren Geschäftsfreunden, die ich in diesen Wochen perfekt machen werde.“

Señor Amadeo nickte ihm lächelnd zu.

„Ich weiß, dass Sie äußerst tüchtig sind und dass man sich auf Sie verlassen kann.“

„Mein Mann spricht mir aus dem Herzen, Señor Direktor“, pflichtete die Señora bei. Dabei sah sie ihn mit ihren dunklen Augen schmachtend an. Noch hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben, ihn doch noch in ihre Netze zu ziehen. So kokettierte sie auch heute wieder sehr auffallend mit ihm, ohne sich sonderlich um ihren Gatten zu kümmern.

Malteck hatte die koketten Manöver dieser Frau noch nie so abstoßend empfunden wie heute. Im Geist stellte er das schöne, schlanke Mädchen neben sie, das er auf dem Schiff kennen gelernt hatte. Es erschien ihm unglaublich, dass Felicie Rottmann die Tochter dieser Frau war.

„Sie kommen diesmal zu gelegener Zeit, Señor Direktor“, begann die Señora wieder. „Wir planen eine Reihe größerer Festlichkeiten. Und dabei rechnen wir natürlich auch auf Ihre Begleitung.“

Malteck verneigte sich. Er dachte an das Versprechen, das er Rottmann gegeben hatte. Diesmal nahm er die Aufforderung, sich an den Festen zu beteiligen, mit besonderer Freude auf. „Wenn man den größten Teil des Jahres auf dem Land lebt, angewiesen auf die Gesellschaft der Beamten und Arbeiter, dann ergreift man doppelt gern die Gelegenheit, Feste mitfeiern zu dürfen, Señora.“

„Das glaube ich Ihnen gern, Señor Direktor“, warf Señor Amadeo ein. „Es muss sehr stumpfsinnig für Sie sein, das Leben auf den Plantagen.“

„Das will ich nicht sagen. Aber die Abwechslung ist doch erfreulich. Wenn Sie also gestatten, Señora, dann beteilige ich mich sehr gern an der Geselligkeit, die in Ihrem Haus geübt wird.“

Huldvoll reichte sie ihm ihre ringgeschmückte Hand.