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Hedwig Courths-Mahlers "Märchen für Erwachsene", wie sie ihre Romane selbst nannte, sind ebenso zeitlose Klassiker wie die Themen, die sie behandeln: die Liebe, ihre Gefährdung und deren Überwindung, die Verwirrung der Gefühle und der Weg zum Glück. Seit über 100 Jahren verzaubert sie ihre Leserinnen und Leser mit ihren wundervollen Geschichten immer wieder neu, und mit einer Gesamtauflage von über 80 Millionen Exemplaren gilt Hedwig Courths-Mahler heute als DIE Königin der Liebesromane.
Dieser neunte Sammelband enthält die Folgen 25 - 27:
WAS TUT MAN NICHT FÜR DOROTHY
Aus geschäftlichen Gründen soll Dorothy Groner, Tochter eines Flugzeugfabrikanten, den ihr völlig unbekannten Jim Boker heiraten. Doch das widerspenstige junge Mädchen wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine solche Verbindung, obwohl es sonst alles für seinen Vater tun würde.
Jim hingegen hat sich Hals über Kopf in eine Fotografie der bezaubernden Dorothy verliebt. Zusammen mit Albert Groner ersinnt er eine List, das Mädchen für sich zu gewinnen.
Der sympathische Mann wird Dorothy als unbedeutender Ingenieur Harry Wight vorgestellt, und eine bezaubernde und turbulente Liebesgeschichte nimmt ihren Anfang...
MEIN LIEBES MÄDEL
Als Assistentin von Professor Marx führt Richarda Traßberg ein sorgloses, wenn auch sehr bescheidenes Leben. Wie ein unfassliches Wunder ist es deshalb, als sie durch das Testament Sebastian Kranachs, der einst ihre Mutter liebte, zur einzigen Erbin des Guts Herrenfelde bestimmt wird. Allerdings erlegt ihr das Testament eine Bedingung auf: Binnen eines Jahres muss sie sich verheiraten. Der Erblasser hat ihr zu diesem Zweck drei Männer zur Wahl gestellt.
Richarda ist bereit, das Erbe mitsamt den seltsamen Bestimmungen anzunehmen. Aber um die unbekannten Ehekandidaten wirklich kennenzulernen, beschließt sie, zunächst für einige Wochen unter falschem Namen nach Herrenfelde zu gehen...
DIE HEIMLICH VERMÄHLTEN
An Liebe auf den ersten Blick haben Traude Frensen, Sekretärin des Kommerzienrats Brenken, und Frank Manhart, ein junger Offizier, nie geglaubt. Doch das Schicksal belehrte sie eines Besseren. Für Traude ist es immer wie ein Lichtblick in dem Einerlei ihres Lebens, wenn sie dem stattlichen Sohn des Senators begegnet. Und Frank Manhart? Auch ihn treibt die Sehnsucht immer wieder zu der hübschen Frau mit dem bezaubernden Lächeln und den strahlenden Augen.
Doch als Franks Vater von der Neigung seines Sohnes erfährt, gibt er mit aller Deutlichkeit zu verstehen, dass der Sohn eines Senators wohl kaum eine kleine Angestellte heiraten kann. Und er lässt auch keinen Zweifel daran, dass er solch eine Verbindung mit allen Mitteln zu verhindern sucht...
Über 240 Seiten Romantik und Herzenswärme!
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Seitenzahl: 491
Hedwig Courths-mahler
Hedwig Courths-Mahler Collection 9 - Sammelband
Cover
Impressum
Was tut man nicht für Dorothy?
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag/Eigenproduktion
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-5392-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Was tut man nicht für Dorothy?
Spannender Liebesromanum eine junge Frauund ihr großes Glück
„Also auf Wiedersehen, geliebter Paps! Und das schlag dir aus dem Sinn, dass ich einen Mann heirate, den andere Leute mir ausgesucht haben, auch wenn mein eigener Vater darunter ist! Ich werde mir meinen Mann eines Tages selbst auswählen. Und heute komme ich in die Werke und suche mir einen Ingenieur aus, der mich das Fliegen lehren soll. Davon wirst du mich auch nicht zurückhalten können. Wirst schon einen tüchtigen Jungen unter deinen Herren haben, dem du mein kostbares Leben anvertrauen kannst.“
„Aber Kind, du willst doch deinen alten Vater nicht in die Grube bringen? Wie soll ich denn die Angst überstehen, wenn du mit dem Flugzeug in die Lüfte gehst?“
Dorothy küsste ihn auf die Wange.
„Diese Angst musst du dir abgewöhnen, Paps. Ich bin doch kein Flaschenkind mehr! Hast dich genauso angestellt, als ich chauffieren lernte. Und jetzt lässt du dich am liebsten von mir fahren. Du wirst auch noch mit mir in die Luft gehen, eines Tages, wenn ich fliegen gelernt habe.“
„Um Himmels willen! Du bist imstande, mir das auch noch zuzumuten!“
„Eigentlich ist es ja unerhört, dass der Chef der Groner-Werke noch nicht fliegen kann, überhaupt noch nie mit einem Flugzeug unterwegs war.“
„Dazu bin ich zu alt.“
„Paps, du bist ein schmucker junger Mann von fünfzig Jahren. Heute hat man die Verpflichtung, dann noch ganz frisch und unternehmend zu sein. Aber da du dich dazu nicht entschließen kannst, habe ich mir vorgenommen, fliegen zu lernen. Später bringe ich dich schon auch noch hinauf in den Äther. Und dann gucken wir allen Leuten auf die Köpfe, Paps. Sollst mal sehen, wie vergnügt wir dann sein werden!“
„Du bist schrecklich, Dorothy! Deshalb sollst du doch Jim Boker heiraten. Wenn seines Vaters Firma mit der meinen verbunden wird, dann kann er später, wenn ich nicht mehr bin, Chef der Groner-Werke werden. Und er kann fliegen, großartig sogar. Wozu soll ich es da noch lernen?“
„Dieser mir sehr unbekannte, aber jetzt schon sehr unsympathische Jim Boker soll sich gefälligst damit begnügen, in Zukunft der Firma seines Vaters vorzustehen. Ich kann diesen Menschen ganz gewiss nicht leiden, schon weil er sich als Sohn eines deutschen Vaters Jim nennt, statt sich zu seinem deutschen Vornamen Joachim, der doch sehr schön ist, zu bekennen.“
„Aber Kind, du bist doch auch die Tochter eines deutschen Vaters und einer deutschen Mutter und nennst dich Dorothy statt Dorothea.“
Sie stutzte einen Moment, dann zuckte sie die Achseln.
„Ich habe zwingende Gründe dafür. Die deutsche Dorothea – siehe Hermann und Dorothea von Goethe – ist so unausstehlich brav, dass ich ihr um keinen Preis nacheifern will. Stell dir das vor, Paps! Und dann – ihr habt mich ja von Kind auf Dorothy genannt. Was soll man da machen? Als Kind ist man doch wehrlos tyrannischen Eltern gegenüber.“
„Nun gut. Aber vielleicht hat Jim Boker genauso tyrannische Eltern?“
Wieder stutzte sie, sagte indessen gleich darauf. „Wozu ist er ein Mann? Er soll sich das nicht gefallen lassen, dass man ihn Jim nennt. Und überhaupt, ich mag nicht aus geschäftlichen Interessen mit einem fremden jungen Mann verheiratet werden, den ich nicht leiden kann.“
„Sieh ihn dir doch wenigstens erst mal an!“
„Unnötige Mühe! Er soll getrost in Philadelphia bleiben, dieser unausstehliche Jim, der sich eine Frau aufnötigen lassen will, die sein Vater ihm aus geschäftlichen Interessen ausgesucht hat. Nee, Paps, ich will nicht! Das ist nichts für mich, Und überhaupt, was brauchen wir einen männlichen Chef für die Groner-Werke? Ich will selber einmal Chef werden, wenn du – hoffentlich in hundert Jahren – einmal sterben solltest. Also schreibe deinem Freund Boker, er soll seinen Jim einer anderen Jungfrau zum Mann geben. Dorothy Groner dankt und sucht sich selbst einen Mann, wenn es unbedingt mal sein muss.“
„Du wirst es dir noch überlegen, Dorothy, und ihn erst mal ansehen.“
„Nichts zu machen! Und nun geh, Paps, du kommst sonst zu spät in die Werke, und das Auge des Herrn fehlt. Ich komme also im Laufe des Vormittags und suche mir einen Fluglehrer unter deinen Ingenieuren aus.“
„Du bist schrecklich, Dorothy!“
Sie küsste ihn herzlich, setzte ihm den Hut auf, zupfte ihm seine Krawatte zurecht und lachte ihn an, dass die beiden kleinen Grübchen in ihren Wangen zu sehen waren.
Dann schob sie den Vater zum Portal, und er musste abfahren, ob er wollte oder nicht.
Dorothy sah ihm lachend nach, wandte sich ins Haus zurück und trällerte ein Liedchen vor sich hin.
Ihr Vater fuhr inzwischen zu den Werken. Seine Tochter machte ihm Sorgen. Er hatte sie sich über den Kopf wachsen lassen, weil er sie allzu zärtlich liebte. Nun war es so gekommen, dass alles nach ihrem Willen gehen musste. Er hatte sich dabei auch immer ganz behaglich gefühlt, nur manchmal hatte sie ihm eine harte Nuss zu knacken gegeben. Wie damals, als sie chauffieren lernen wollte. Aber sie konnte es nun wirklich großartig.
Mit dem Fliegen war das jedoch etwas anderes. Das war keine Sache für ein junges Mädchen. Dorothy würde es allerdings durchsetzen. Was setzte sie nicht durch? Es war wirklich an der Zeit, dass sie in die festen Hände eines Mannes kam. Und Jim Boker schien ein sehr energischer junger Mann zu sein. Sooft er mit ihm zusammengetroffen war – es war ja nur selten der Fall –, hatte er sich gesagt: Das wäre ein Mann für deine Dorothy. Und eigentlich war er zuerst darauf gekommen, das Bokersche Unternehmen mit den Groner-Werken zu vereinigen, und zwar durch eine Heirat der beiden jungen Leute.
Jim Boker war auch nicht ohne weiteres auf diesen Heiratsplan eingegangen und hatte den beiden Vätern, als sie ihm diesen Vorschlag machten, gesagt: „Erst muss ich Dorothy Groner kennen lernen, dann werde ich sagen, ob ich will oder nicht.“
Und heute Vormittag sollte er nun ankommen. Vielleicht fand er ihn schon in den Werken vor. Was sollte er ihm nun sagen? „Meine Tochter will nicht, also kann nichts daraus werden.“ So konnte er sich doch nicht blamieren!
Er war sehr gedrückter Stimmung, und als er in den Werken ankam, erfuhr er, dass Jim Boker tatsächlich schon im Privatkontor auf ihn wartete.
Albert Groner begab sich sofort dahin. Als er eintrat, erhob sich ein junger Mann aus dem Sessel vor dem Schreibtisch. Er hatte die große Fotografie Dorothys, die sie vor kurzem ihrem Vater dort hingestellt hatte, in den Händen. Anscheinend hatte er das Bild sehr aufmerksam betrachtet.
Nun stellte er es behutsam hin, kam auf den Vater Dorothys zu und reichte ihm die Hand.
„Well! Da bin ich! Und habe schon Bekanntschaft geschlossen mit Miss Dorothy. Wenn das Bild ähnlich ist, dann ist sie entzückend.“
Groner schüttelte ihm die Hand.
„Es freut mich, dass sie Ihnen gefällt, Jim, aber … es ist wohl gut, Sie befassen sich nicht allzu intensiv mit ihr. Sie will nämlich nicht!“
Es glänzte in Jims Augen auf.
„Was will sie nicht? Mich heiraten?“
„Nein, das eben will sie nicht. Sie hat mir, als ich ihr unseren Plan heute Morgen eröffnete, rundweg gesagt, sie ließe sich aus geschäftlichen Gründen nicht von dritter Seite einen Mann aussuchen, sie wolle sich, wenn es ihr an der Zeit erscheine, selbst einen wählen.“
Jim lachte.
„Famos! Nun gefällt sie mir erst recht.“
„Und was soll daraus werden?“
„Ich hoffe, ein glückliches Ehepaar.“
„Ach, Jim, stellen Sie sich das nicht so einfach vor! Dorothy ist mir völlig über den Kopf gewachsen. Ich habe keine Macht über sie. Jetzt will sie unbedingt fliegen lernen, will nachher hierher kommen und sich unter meinen Flugingenieuren einen als Lehrer aussuchen. Und ich soll dann auch noch mit ihr in die Luft gehen. So sehr ich mich dagegen sträuben werde, sie bringt es doch so weit. So ist sie! Unrettbar bin ich ihr verfallen und fühle mich dabei noch unerhört glücklich. Sie müsste einen Mann mit festen Händen bekommen. Jim, und so einer wären Sie. Aber sie will doch nun einmal nicht!“
Jim trat wieder an den Schreibtisch, nahm Dorothys Bild erneut auf und sah lange darauf nieder.
Dann sagte er ruhig: „Nun, wenn ich will, wird auch sie wollen müssen.“
„Ach, Jim! Sie kennen Dorothy nicht. Und wenn es Ihnen gelänge – eine bequeme Frau wird sie ganz gewiss nicht.“
„Wir werden sehen. Hören Sie zu, Mr. Groner! Ich werde mir Miss Dorothy ansehen. Ist sie so wie ihr Bild, dann soll sie meine Frau werden. Ich will sie schon zahm machen, das widerspenstige Käthchen. Wann wird sie hier sein?“
Albert Groner sah ihn erstaunt an. Dieser junge Mann schien wirklich viel Mut zu haben.
„Ich denke, in einer Stunde.“
„Gut. Wollen Sie mir helfen, Dorothy zu gewinnen?“
„So weit ich dazu imstande bin. Das ist aber nicht viel.“
Jim lachte, dass seine weißen Zähne blitzten. Sein Gesicht verriet sehr viel Energie. Er hatte graue Augen, die klug und zielsicher blickten, eine schön gebaute, hohe Stirn und dichtes blondes Haar, das glatt zurückgestrichen war, die einfachste Frisur, die er immer schnell wieder in Ordnung bringen konnte, wenn sie durch Wind und Wetter oder durch das schnelle Abreißen der Fliegerkappe in Unordnung geraten war.
„Also hören Sie zu, Mr. Groner. Ich warte hier, bis Miss Dorothy kommt. Sie stellen mich als neu eingestellten Ingenieur Harry Wight vor. Das ist einer unserer Ingenieure, der mir zur Not mal seine Papiere überlässt. Wenn Miss Dorothy mir in Wirklichkeit so gut gefällt wie ihr Bild, dann … Ja, dann werde ich Ihnen zublinken – so – und dann werden Sie mich mit einigen anderen Ingenieuren Ihrer Tochter als Lehrer zur Verfügung stellen. Wählt sie mich, dann ist schon viel gewonnen, denn dann bin ich ihr sympathisch. Alles übrige lassen Sie dann meine Sorge sein. Wählt sie mich nicht, werden wir weitersehen. Und gleich noch eins: Ich werde, falls sie mich wählt, ein wenig kategorisch vorgehen, um sie zahm zu machen. Mir ist da im Moment schon ein Plan gekommen. Sie dürfen sich auch nicht sorgen, wenn wir einmal auf einem Flug sehr lange ausbleiben werden. Weiter will ich nichts verraten. Mein Plan ist noch nicht ganz fertig, aber das wird sehr bald der Fall sein. Nun machen Sie sich bitte keine Sorgen mehr. Ich hoffe, es wird alles gut gehen. Und vergessen Sie nicht, ich bin Harry Wight, ein armer Ingenieur, der heilfroh ist, eine Anstellung gefunden zu haben!“
***
Sie besprachen noch einiges. Dann wurden mehrere Ingenieure gerufen, die mit Jim zusammen Dorothy zur Wahl gestellt werden sollten. Auf Jims Wunsch nannte Albert Groner ihn auch den anderen Herren gegenüber Harry Wight.
„Meine Tochter wird gleich erscheinen und sich unter Ihnen einen Lehrer aussuchen“, sagte Groner.
Die jungen Herren warteten sehr gern, denn alle schwärmten für Miss Dorothy. Sie war immer freundlich und liebenswürdig, und ihre reizende Erscheinung bezauberte alle Männer. Selbstverständlich stand sie als Tochter des Chefs unerreichbar hoch für alle da. Aber verehren dufte man sie doch, und ihr Lehrer zu werden, betrachtete jeder als den Gipfel des Glücks.
Groner war ziemlich gespannt, wie alles ablaufen würde. Aber Jims ganzes Verhalten flößte ihm Vertrauen ein. Vielleicht gelang es ihm doch, Dorothy zu zähmen und zu einer fügsamen Frau zu machen. Aber dabei dachte er schon wieder, Jim dürfe nicht gar zu streng vorgehen. Das musste er ihm noch sagen, wenn seine Kleine ihn wirklich als Lehrer wählte.
Prüfend sah er die anwesenden Ingenieure der Reihe nach an. Wenn er ein junges Mädchen gewesen wäre, er hätte bestimmt Jim bevorzugt, denn er war auch in seinem Äußeren ein ganzer Mann und hatte ein sehr angenehmes Wesen. Aber Dorothy war eben unberechenbar, bei ihr musste man immer auf Überraschungen gefasst sein.
Endlich fuhr Dorothys kleiner schnittiger Wagen, den sie selbst lenkte, unten vor. Jim hatte sich so gestellt, dass er sie aussteigen sehen konnte, und als dies so elastisch und elegant geschah und sie an dem Direktionsgebäude emporsah, dass er direkt in ihr Gesicht sehen konnte, klopfte ihm das Herz gewaltig.
Sie ist entzückend, dachte er und sah nun erwartungsvoll zur Tür, durch die sie eintreten musste.
Das geschah nach wenigen Minuten. Sie blickte etwas erstaunt auf die anwesenden Herren. Dann flog ein sonniges Lächeln über ihr reizendes Gesicht, und sie grüßte die Herren mit einem freundlichen Neigen des Kopfes.
„Paps, das ist ja fabelhaft von dir! Kaum habe ich einen Wunsch ausgesprochen, schon hast du ihn erfüllt. Ich nehme jedenfalls an, dass dies die Herren sind, unter denen ich mir einen Lehrer aussuchen darf?“
Sie küsste ihren Vater auf die Wange. Er aber sagte verdrießlich: „Du lässt mir ja doch keine Ruhe, also habe ich die Herren herbestellt. Sie sind durch die Bank tüchtige Flieger und Ingenieure. Nun kannst du deine Entscheidung treffen, denn auswählen willst du deinen Lehrer ja selber, nicht wahr?“
„Ja, Paps, weißt du, man muss gleich merken, mit wem man am besten auskommen kann. Dafür, dass sie alle mir gute Lehrer sein können, musst du selbstverständlich die Garantie übernehmen.“
„Jawohl.“
Dorothy wandte sich mit ihrem bezauberndsten Lächeln den Herren zu.
„Bitte, betrachten Sie es auf keinen Fall als ein Werturteil, wenn ich einen von Ihnen als Lehrer auswähle. Ich werde mich dabei nur von meinem Impuls leiten lassen.“
„Wie bei allem anderen“, sagte der Vater ein wenig knurrig.
Jim hatte ihm schon längst zugeblinkt, und er wusste somit, dass auch er sich zur Wahl stellte. Sonst hätte er sich gewiss unter irgendeinem Vorwand entfernt.
Dorothy sprach nun mit jedem der jungen Herren einige Worte. Sie prüfte sie dabei, ohne das einzugestehen, auf ihre Schlagfertigkeit. Bei diesem Examen schnitten die wenigsten gut ab. Nur einer hatte eine treffende Antwort gegeben.
Nunmehr wandte sie sich Jim zu, den der Vater ihr als Ingenieur Harry Wight vorstellte.
Einen Moment zuckte Dorothy leicht zusammen, als sie in diese grauen Augen schaute, aus denen ihr eine so konzentrierte Willenskraft entgegenstrahlte, dass sie im Moment von ihm gefesselt war.
„Also auch Sie würden bereit sein, mein Lehrer zu werden?“, fragte sie mit leichter Verlegenheit, die sie jedoch gleich wieder niederzwang.
„Unter einer Bedingung“, erwiderte er kurz und hart.
Erstaunt, fast betroffen sah sie ihn an. Dieser Mann stellte Bedingungen, wenn sie, Dorothy Groner, ihm die Ehre erweisen wollte, ihn als Fluglehrer zu akzeptieren? Ein wenig hochmütig warf sie ihr Köpfchen zurück.
„Ah! Sie stellen Bedingungen?“
„Ja.“
„Und zwar welche?“
„Dass Sie mir unbedingt gehorchen, solange Sie sich meiner Leitung anvertrauen, also solange wir beide uns im Flugzeug befinden. Auch müsste ich die Maschine selbst auswählen dürfen.“
Dorothy sah sich nach ihrem Vater um, als wollte sie sagen: Was hältst du von dieser Frechheit? Aber der Vater zuckte nur die Achseln.
Dorothy wandte sich Jim wieder zu.
„Sie haben gehört, dass keiner dieser Herren hier mir Bedingungen gestellt hat.“
Er richtete sich hoch auf und sah sie wieder mit seinem bezwingenden Blick an.
„Wenn ich Ihr Lehrer werde, muss ich auch alle Verantwortung tragen, und es gehört zu Ihrer Sicherheit, dass Sie mir während der Flüge gehorchen.“
Es zuckte trotzig in Dorothys Gesicht.
„Und wenn ich diese Bedingung nicht erfülle?“
„Dann werde ich eben Ihrer Lehrer ganz sicher nicht sein, Miss Groner.“
Sie war sprachlos. Gewöhnt, dass alles, was in den Groner-Werken kreuchte und fleuchte, stets ihren Willen tat, vom kleinsten Lehrbuben an bis zu ihrem Vater hinauf, war sie verblüfft, dass so ein armer, kleiner Ingenieur ihr Bedingungen stellte, wenn er sie als Schülerin annehmen sollte. Und dabei, ja, dabei sah er unerhört vertrauenswürdig aus! Er war von allen diesen jungen Leuten der einzig richtige Mann. Und er imponierte ihr, denn immerhin setzte er allerlei aufs Spiel, wenn er sich so wenig entgegenkommend ihr gegenüber verhielt.
Forschend sah sie noch einmal in sein festes, ruhiges Gesicht, in dem nur die Muskeln ein wenig, ein ganz klein wenig vibrierten.
Plötzlich richtete sie sich auf.
„Gut. Ich füge mich dieser Bedingung, solange wir uns im Flugzeug befinden.“
Sein Gesicht entspannte sich.
„Also wünschen Sie, das Fliegen von mir zu lernen?“
„So ist es, Mr. Wight.“ Und zu den anderen Herren gewandt, sagte sie dann mit liebenswürdigem Lächeln:
„Jeder von Ihnen wäre gewiss etwas liebenswürdiger zu mir gewesen, aber ich glaube, von Mr. Wight lerne ich am meisten, weil ich ihm parieren muss.“
Die Ingenieure entfernten sich, nachdem ihnen der Chef dankend zugewinkt hatte. Nur Jim Boker blieb zurück.
„Also, Mr. Wight, ich vertraue Ihnen meine Tochter an, da Sie mir als sehr gewissenhafter und vertrauenswürdiger Mann geschildert worden sind.“
Jim verneigte sich artig, aber durchaus nicht unterwürfig, was Dorothy wieder sehr gefiel, obwohl sie sich in einen gewissen Trotz gegen diesen Mr. Wight hineinsteigerte.
„Wann fangen wir an?“
Jim sah sie prüfend an.
„Morgen Vormittag um zehn Uhr auf dem Flugplatz.“
Das klang wieder sehr kurz und bestimmt.
Sie riskierte einen kleinen koketten Blick.
„Vielleicht.“
„Nein, bestimmt!“
„Und wenn ich nicht da sein kann?“
„Werde ich den Unterricht gar nicht erst beginnen, das hat dann doch keinen Zweck. Ich denke, Sie wollen ernsthaft fliegen lernen?“
Nun musste sie lachen. Er reagierte nicht auf Koketterie.
„Ja doch. Aber an Ihren Kommandoton muss ich mich erst gewöhnen.“
„Das dürfte allerdings notwendig sein, wenn Sie wirklich etwas lernen wollen, Miss Groner.“
„Gut. Ich werde pünktlich zur Stelle sein, um den gestrengen Herrn Lehrer nicht zu erzürnen.“
„Besitzen Sie alles, was zur Ausrüstung nötig ist?“
„Nein, gar nichts!“
„Dann beschaffen Sie sich das sofort. Ich werde Ihnen aufnotieren, was Sie selbst besorgen müssen. Alles andere schaffe ich zur Stelle.“
Darauf verabschiedete Dorothy sich von ihrem Vater mit einem kleinen Scherz und einem Kuss auf seine Wange, von Jim aber mit einer stolzen damenhaften Verbeugung.
Jim sah ihr nach und eilte dann an eines der Fenster, um sie in den Wagen steigen zu sehen, aber so, dass sie ihn nicht erblicken konnte. Sie sah jedoch gar nicht herauf und fuhr schneidig an.
Langsam wandte Jim sich dann Mr. Groner zu.
„Sie ist entzückend! Man muss sich sehr zusammennehmen, um sich nicht von ihr unterkriegen zu lassen.“
Groner atmete tief auf.
„Das weiß Gott! Aber ich bin fassungslos, dass sie trotz allem Sie zum Lehrer genommen hat. Ich dachte jeden Moment, sie würde Ihnen eine abweisende Antwort geben.“
Jim lachte.
„Offen gesagt, ich glaubte das auch. Es war eben eine Machtprobe. Und dass ich diesen ersten kleinen Sieg erfochten habe, macht mich hoffnungsvoll. Was ist sie für ein süßes Geschöpf! Ich bin Feuer und Flamme für diese Verbindung, lieber Schwiegervater!“
„Langsam, langsam, Jim! Denken Sie nur nicht, dass dies alles so glatt weitergeht!“
„Oh, ich bin so anmaßend, mir einzubilden, dass ich trotz allem einen guten Eindruck auf sie gemacht habe. Und das ist die Hauptsache. Jetzt gilt es, mir ihre Hochachtung und ihr Vertrauen zu gewinnen. Dann werde ich sie zähmen. Eine süße kleine Frau soll sie werden, das steht bei mir fest.“
Groner machte ein zweifelndes Gesicht. Er seufzte tief auf und sagte: „Meinen Segen haben Sie, Jim.“
„Und, nicht wahr, Sie vertrauen mir vollständig, auch dann, wenn ich eines Tages auf längere Zeit mit ihr verschwunden sein werde? Das gehört nämlich zu meinem Plan.“
„Wenn Sie mir versprechen, ihr keinen Schaden zuzufügen.“
Jim sah ihn mit einem Ausdruck an, der ihm alle Sorge nahm.
„Lieber würde ich mir selbst das Schlimmste zufügen, als ihr nur im Geringsten zu schaden. Bitte, seien Sie ganz außer Sorge, es wird ihr nichts geschehen, als dass sie einsehen muss, dass ihr Wille nicht immer maßgebend ist.“
Sie reichten sich die Hände, und der Bund war geschlossen.
***
Als Albert Groner aus den Werken nach Hause kam, um mit seiner Tochter zu speisen, fragte sie ziemlich empört: „Was sagst du eigentlich zu diesem Mr. Wight? Fandest du nicht, dass es sehr kühn von ihm war, mir eine Bedingung zu stellen? Wenn er nun dadurch, seine Anstellung verloren hätte?“
„Das wäre dem auch einerlei gewesen.“
„Ah, er ist wohl vermögend?“
„Nein, ein ganz armer Schlucker.“
„Und dabei Bedingungen? Beinahe könnte mir das imponieren, wenn es nicht so – so – nun, so sinnlos wäre.“
„Ach, dir imponiert etwas, Dorothy? Das gibt es doch gar nicht!“
„Nein, eigentlich nicht. Und ich weiß auch noch nicht, ob ich mich nicht ärgern soll über diese Kühnheit.“
Groner versuchte, gleichmütig auszusehen. „So gib doch das Fliegen auf, Dorothy!“
„Nein, nun erst recht nicht. Den werde ich schon auch noch klein kriegen.“
„Warum denn? Es lohnt sich ja nicht. So ein armer Ingenieur!“
„Aber – er scheint ein ganzer Mann zu sein.“
„Du, Dorothy, du wirst mir doch keine Torheiten begehen, dich am Ende gar in so einen armen Schlucker verlieben? Das fehlte mir gerade noch!“
Dorothy wollte etwas sagen, schwieg aber und zuckte die Achseln. Jedenfalls hatte Jim ihr so gewaltig imponiert, wie zuvor noch nie ein Mann. Und sie freute sich auf die Stunden, die sie in seiner Gesellschaft verbringen würde. Sie wollte ihm schon den Kopf verdrehen. Lange sollte er nicht so ruhig und überlegen sein. Oder … sollte sie lieber versuchen, sich kameradschaftlich mit ihm zu stellen? Wäre doch eigentlich schade, wenn so ein Mann sich von einer Frau beherrschen ließe! Sie beschäftigte sich jedenfalls viel mehr mit Jim, als sie sich je mit einem Mann beschäftigt hatte.
Sie hatte sich alle Ausrüstungsgegenstände besorgt, die er ihr aufnotiert hatte, und auch schon den Fliegerdress anprobiert. Sie sah darin reizend aus, war also sehr mit ihrem Anblick zufrieden.
***
Am nächsten Morgen wollte Paps unbedingt mit auf den Flugplatz fahren. Dorothy protestierte nicht einmal. Irgendwie war ihr doch etwas bange zumute. Sie wusste nur nicht, ob vor dem ersten Aufstieg oder vor dem Zusammentreffen mit Mr. Wight. Keinesfalls wollte sie sich davon etwas anmerken lassen. Aber dass Paps mit zum Flugplatz fuhr, war ihr ganz angenehm. Sie stellte sich jedoch über die Situation und tröstete Paps, er solle nicht so ängstlich sein.
Albert Groner war indessen so wenig ängstlich, wie es sich mit seiner sorgenden Vaterliebe vertrug. Er hielt Jim für sehr verlässlich, und er wusste, in seinen Händen war Dorothy gut aufgehoben. Er hatte Jim schon immer gern gehabt, aber seit er so versonnen vor sich hin gesagt hatte: „Sie ist entzückend!“ liebte er ihn und hätte ihn nun erst recht gern als Schwiegersohn gehabt.
Nach eingenommenem Frühstück zog sich Dorothy in ihre Zimmer zurück und machte Toilette für ihren ersten Flugversuch. Sie sah wirklich reizend aus mit ihrer schlanken Figur und dem schönen Gesicht, das von goldbraunen Locken umgeben war. Die Fliegerkappe wollte sie erst draußen auf dem Flugplatz aufsetzen.
Wie ein wilder Junge sprang sie die Treppe hinab, ihrem Vater in die Arme, der sie prüfend betrachtete. Und er musste denken: Jim wird sie wieder entzückend finden. Plötzlich presste er sie fest an sich.
„Gott behüte dich, Dorothy, und führe dich gesund wieder zu mir zurück.“
Sie musste ein wenig schlucken, um ihre Rührung zu verbeißen, und zwang sich zum Lachen.
„Nur nicht ängstlich, Paps!“
Das sagte sie ihm unterwegs noch einige Male, aber immer dann, wenn sie selbst eine leise Angst befiel. Sie wusste gar nicht, was heute eigentlich mit ihr los war. So kannte sie sich gar nicht, so zaghaft und unsicher. Das durfte sie keinesfalls aufkommen lassen. Also, Mut in die Brust und Kopf hoch! Dem überlegenen Mr. Wight wollte man schon zeigen, dass man sich vor nichts und vor niemandem fürchtete.
Jim stand bereits auf dem Flugplatz neben dem Flugzeug. Er trug einen Lederanzug, in dem seine schlanke, gut trainierte Figur bestens zur Geltung kam. Die Lederkappe hatte er bereits auf. Sie umschloss sein Gesicht wie ein Rahmen.
Etwas beklommen sah Dorothy in dieses markante, scharf gemeißelte Gesicht. Das hatte sie tags zuvor gar nicht so bemerkt. Unter dem dichten Blondhaar hatte es nicht so streng und hart gewirkt.
Prüfend sah sie ihn an.
Gewachsen ist er wie ein Gott, aber er sieht unerbittlich aus, dachte sie und musste alle Kraft zusammennehmen, um sich den Anschein ruhiger Sachlichkeit und Überlegenheit zu geben.
Jim verneigte sich artig, doch gerade nur so weit, wie die Höflichkeit es erforderte. Auch Groner begrüßte er so. Dann nahm der Dorothy ohne weiteres die Lederkappe aus der Hand und schob ihr Haar darunter. Danach prüfte er, ob der Verschluss ihres Anzugs an Hand- und Fußgelenken in Ordnung war. Er musste beides etwas fester schnallen. Sie verzog dabei ein wenig das Gesicht, doch darauf riskierte sie wieder ein kokettes Lächeln. Beides glitt anscheinend an Jim ab.
Er half ihr dann in die Maschine, wo er sie mit strenger Miene auf ihrem Platz festschnallte. Ihr Atem ging dabei schnell und erregt, das merkte er sehr wohl, und er erkannte, dass sie ein wenig ängstlich war. Es gefiel ihm aber, dass sie keinen Laut von sich gab.
Sie rief Paps noch einige forsche Worte zu.
Jim aber hatte, als er sich von Groner verabschiedete, leise gesagt: „Keine Angst! Heute bleiben wir nur eine halbe Stunde oben, das ist für den Anfang genug.“
Als Jim flugbereit neben Dorothy saß, fragte sie, ihrer Stimme Festigkeit gebend: „Wohin fliegen wir?“
„Nur ein Stück am Meer entlang, heute nur eine halbe Stunde.“
„Ach, so kurze Zeit?“, fragte sie, als sei ihr das nicht lange genug. Dabei dachte sie aber: Die halbe Stunde wird man ja überstehen.
Der Motor wurde angeworfen, dann rollte die Maschine erst langsam, dann immer schneller über den Platz, bis sie sich schließlich in die Luft hob. Höher und höher stiegen sie, immer kleiner wurden die Hallen der Groner-Werke, bis sie nach einer Weile kaum noch zu sehen waren. In einem sanften Bogen steuerte Jim die Maschine dem Meer zu.
Es war ein wundervoller Anblick, der sich Dorothys Blicken bot. Unter ihnen lag das leicht bewegte Wasser. Vereinzelte Boote, die nahe dem Ufer dahinfuhren, leuchteten wie kleine helle Punkte herauf.
Alle Angst war verflogen. Dorothy hätte jauchzen mögen, so froh fühlte sie sich.
Ab und zu warf sie einen kurzen Blick in Jims Gesicht. Es wirkte streng und konzentriert. Fest lagen seine Lippen aufeinander.
Ein Gefühl, das sie sich nicht erklären konnte, beschlich sie jedes Mal, wenn sie ihn ansah.
Um sich abzulenken, verfolgte sie nun die Handgriffe, mit denen er die Maschine bald höher, bald tiefer zog, sie hier in eine Kurve lenkte und dann wieder auf geraden Kurs brachte.
Eine ganze Weile flogen sie so dahin. Dann war es Zeit, zum Flugplatz zurückzukehren.
Dorothy bedauerte es. Und sie rief, so laut sie konnte: „Weiterfliegen! Immer weiter!“
Er hörte es wohl. Es kam wie aus weiter Ferne, weil der Motor zu laut war. Aber kein Zug regte sich in seinem Gesicht. Ruhig steuerte er dem Flugplatz zu, ging langsam im Gleitflug nieder, bis der Riesenvogel wieder mit ungeschickten Sprüngen auf der Erde dahinhüpfte.
Nachdem Jim die Maschine zum Stehen gebracht hatte, riss er die Lederkappe vom Kopf. Mit dem blonden Haar sah er gleich viel freundlicher aus als vorher.
Auch Dorothy riss ihre Kappe herab.
„Warum flogen Sie nicht weiter?“, fragte sie.
„Wir sind genau eine halbe Stunde unterwegs gewesen.“
„Aber haben Sie nicht gehört, dass ich Ihnen zurief, Sie möchten weiterfliegen?“
„Doch, ich habe es gehört, bitte Sie aber dringend, in Zukunft derartige Anrufe zu unterlassen, außer wenn Sie etwas sehr Wichtiges zu sagen haben.“
„Das war mir sehr wichtig. Ich wollte länger oben bleiben, es hat mir großartig gefallen.“
„Die Dauer der Flüge habe stets ich zu bestimmen. Für heute war es genug.“
Ruhig hatte er sie, während er so sprach, losgeschnallt und half ihr nun beim Aussteigen. Dorothy hätte ihm am liebsten wie ein wilder Junge die Zunge herausgestreckt, aber sie brachte es nur so weit, dass die Zungenspitze ein wenig zwischen ihren weißen Zähnen sichtbar wurde.
Er hätte gern laut aufgelacht. Sie war wirklich entzückend.
Doch nun, da sie sich wieder auf dem Erdboden befand, wollte sie ihm gleich wieder ihre Überlegenheit beweisen.
„Morgen fliegen wir überhaupt nicht“, erwiderte er ruhig.
Sie trat heftig mit dem Fuß auf.
„Ich will aber!“
Er sah interessiert mit einem unbeschreiblichen Blick auf den Boden, als suche er die Spur ihres Trittes, und meinte lakonisch. „Ich nicht.“
Wieder wollte sie aufstampfen, unterließ es aber unter seinem zwingenden Blick und warf nur den Kopf zurück.
„Warum denn nicht?“
„Weil Sie einen Tag Ruhe brauchen. Sonst strengen Sie Ihr Herz über Gebühr an.“
Eine Weichheit wollte sie überkommen. Warum hatte er nicht gleich gesagt, dass er nur aus Besorgnis für sie morgen nicht fliegen wollte? Aber sie zwang sich wieder zu einem trotzigen Ton: „Ich fühle mich ganz wohl, und ich wünsche, dass wir morgen fliegen.“
„Bedaure, morgen nicht!“
„Dann fliege ich überhaupt nicht mehr mit Ihnen und suche mir einen anderen Lehrer.“
Es zuckte in seinem Gesicht, und nun musste er sich zwingen, ruhig und unnachgiebig zu bleiben. Er brachte es aber fertig, verneigte sich kühl und sagte: „Wie es Ihnen beliebt.“
Da erschrak sie. Gleich darauf lachte sie ihn schelmisch an.
„Ich meine es ja nicht so ernst, ich bin nur verdrießlich, dass sie mich wie ein ungezogenes Baby behandeln.“
Er lachte, und sie fand, dass er sehr hübsch lachte und dass er ein prachtvolles Gebiss hatte. So schöne Zähne hatte sie noch nie gesehen.
Doch bei seinen nächsten Worten vergaß sie, seine Zähne zu bewundern, denn er sagte ruhig: „Das sind Sie auch, Miss Groner.“
Empört funkelte sie ihn an.
„Das ist stark!“
„Ja, das finde ich auch. Mit neunzehn Jahren! Ich hörte, dass dies Ihr Alter sei.“
Ernst starrte sie ihn eine Weile sprachlos an, dann sagte sie wütend: „Ihr Benehmen einer Dame gegenüber ist empörend.“
„Sie sind nur meine Schülerin, Miss Groner.“
„Und … haben Sie keine Angst, dass ich meinen Vater bitte, Sie zu entlassen, weil Sie unhöflich zu mir waren?“
„Nein, ich habe keine Angst. Das werden Sie auch nicht tun. Wenn Sie mir jetzt auch zürnen – Sie werden keinen Menschen um einer Laune willen um Lohn und Brot bringen.“
„Ah, Sie halten mich für sehr gutmütig?“
Er sah sie einen Moment mit weichem Blick an.
„Für anbetungswürdig“, erwiderte er leise und mit einem Ausdruck, dass ihr das Blut ins Gesicht stieg.
Er hatte sie während dieses Gesprächs zu ihrem Wagen geleitet. Ruhig half er ihr beim Einsteigen und sagte dabei ganz korrekt und sachlich, als sei nichts geschehen: „Also, übermorgen Vormittag, wieder um zehn Uhr!“
Sie antwortete nicht, machte sich am Steuer zu schaffen und fuhr dann ziemlich jäh an, so dass er zurückspringen musste.
Lächelnd sah er ihr nach.
„Sie wird pünktlich sein, dann habe ich gewonnen – oder sie wird nicht wiederkommen, dann habe ich keine Chance mehr“, sagte er zu sich selbst.
***
Dorothy jagte mit ihrem Wagen dahin. Ihre Gefühle wogten auf und nieder wie ein aufgewühltes Meer. Sie hätte weinen mögen über ihre Niederlage und fand Jim dennoch in seiner unbestechlichen Männlichkeit und Ehrlichkeit bewundernswert.
Das wäre alles gut und schön gewesen; darüber hätte man hinwegkommen können. Nicht aber über dieses „für anbetungswürdig!“. Das war ihr wie ein Stich ins Herz gedrungen, hatte sie fast schwindlig gemacht. Das klang ganz anders als alle seine sonstigen Worte. Und angesehen hatte er sie dabei! Noch einmal jagte ihr das Blut in die Stirn. Wie konnte er es wagen, sie so anzusehen! Anbetungswürdig? Ja, so hatte er sie angesehen nach allen Grobheiten, die er ihr versetzt hatte.
Und über dieses „anbetungswürdig“ kam sie nicht hinweg. Das verfolgte sie, wo sie ging und stand. Sie hörte es, während sie Paps eine begeisterte Schilderung ihres ersten Flugs lieferte; sie hörte es, als sie morgens aufwachte. Im Traum aber war sie wieder mit ihm geflogen, hatte ihn wieder von der Seite angesehen, und da hatte er ihr seine Augen zugewandt mit dem gleichen Blick wie in dem Moment, als er sie „anbetungswürdig“ gefunden hatte. Und da hatte er nicht auf das Steuer geachtet und sie waren mit dem Flugzeug gesunken, immer tiefer und tiefer. Aber sie hatte gar keine Angst gehabt – er war ja bei ihr.
Und als sie aufwachte, hörte sie ihn sagen: „Anbetungswürdig!“
Erregt sprang sie von ihrem Lager, nahm ein Bad, machte ihre gymnastischen Übungen und kleidete sich mit Hilfe ihrer Jungfer an.
Sie saß dann mit Paps beim Frühstück und hörte ihn fragen: „Wie gefällt dir eigentlich dein Fluglehrer bei näherer Betrachtung?“
Beinahe hätte sie gesagt: anbetungswürdig! So sehr war sie noch immer mit diesem Wort beschäftigt. Sie richtete sich auf, strich sich anscheinend gleichmütig die Toastschnitte und sagte: „Ach, weißt du Paps, die Hauptsache ist doch, dass ich etwas bei ihm lerne. Sehr freundlich ist er gerade nicht, aber darauf kommt es hier nicht an.“
„Und du willst es wirklich nicht aufgeben?“
„Aber nein, Paps, auf keinen Fall. Fliegen ist himmlisch, und wenn ich erst ein Flugzeug lenken kann, dann musst du mit mir hinauf. Es geht wirklich nicht, dass du das als Flugzeugfabrikant nicht kennen lernst.“
Der Vater widersprach nicht. Er hoffte auf den Erfolg von Jims Erziehung seines Töchterchens. So ließ er sich im Genuss seines Frühstücks nicht stören. Er fragte nur nebenbei: „Und wie ist es mit Jim Boker, Dorothy? Hast du dir das nun überlegt?“
Da sah er, dass seine Tochter ganz blass wurde.
Sie sagte mit tiefem Ernst: „Bitte, sprich nicht mehr davon, Paps! Nie heirate ich einen Mann, den ich nicht liebe.“
„Ach was, die Liebe kommt in der Ehe von selbst.“
„Bei mir müsste sie vorher kommen, darauf kannst du dich verlassen. Du brauchst diesen Jim Boker gar nicht herkommen zu lassen. Ich will ihn nicht.“
Das klang noch viel energischer als gestern.
***
Als Albert Groner in die Werke kam, traf er mit Jim zusammen, der die Gelegenheit benutzte, sich überall in den Arbeitssälen und Hallen umzusehen. In dem Unternehmen seines Vaters wurden nur Motoren gebaut, und die Groner-Werke bezogen teilweise ihre Motoren von ihnen. Flugzeuge baute die Firma Boker nicht, und so war es Jim ganz lieb, wenn er auch das aus eigener Anschauung kennen lernte.
„Wie geht es meinem Käthchen?“, fragte er übermütig.
„Ach, Jim, sie hat mir heute noch energischer als gestern gesagt, dass sie Sie nicht heiraten mag. Ich soll diesen Jim Boker gar nicht erst herkommen lassen, sie will ihn nicht. Sie verlangt, dass die Liebe bei ihr vor der Ehe kommt, und will nicht darauf warten, dass das erst in der Ehe geschieht.“
Jims Blick war bei den Worten Mr. Groners weich geworden.
„Recht hat sie, Schwiegervater! Toll muss es einen packen schon vor der Ehe, das ist das Richtige, davon habe auch ich mich überzeugt. Und nun sagen Sie mir: Hat sie etwas davon erwähnt, dass ich grob zu ihr war?“
„Nein, sie sagte nur, die Hauptsache sei, dass sie etwas bei Ihnen lerne. Sehr freundlich seien Sie nicht, aber darauf komme es nicht an.“
„Und hat sie gesagt, ob sie morgen Vormittag wieder fliegen wird?“
„Gewiss, sie freut sich schon darauf und will mich auch für den Flugsport begeistern. Aber da müssen Sie mir helfen, Jim, da mache ich nicht mit.“
Jim strahlte. Sie würde kommen! Das war die Hauptsache! Also hatte sie ihm verziehen, dass er sie erst grob behandelte und dann anbetungswürdig fand. Das war viel.
Er versprach Groner, er würde sich dafür einsetzen, dass er nicht zu fliegen brauche.
Vergnügt ging Jim dann an seine Arbeit, denn er legte nicht etwa die Hände in den Schoß, sondern griff zu, wo es nötig war, ganz gleich, wobei.
Und er pfiff leise vor sich hin.
***
Am nächsten Morgen stand Jim pünktlich neben dem startbereiten Flugzeug, gespannt nach der Richtung blickend, aus der Dorothy kommen musste.
Und sie kam wirklich!
Er zeigte wieder das strenge, unbewegte Gesicht, und sie markierte die stolze Dame von Welt, die sich herbeilässt, einem Untergebenen eine Gnade zu erweisen.
Er ignorierte es jedoch vollständig, half ihr auf ihren Platz, schnallte sie fest und vermied dabei, sie anzusehen. Er spürte nur wieder ihren leisen, schnellen Atem und hätte sie sehr gern erst einmal fest in seine Arme genommen.
„Wohin fliegen wir heute?“
„Landeinwärts. Doch bitte vergessen Sie nicht, dass Sie nicht sprechen sollen.“
„Wie lange bleiben wir heute?“
„Eine Stunde. Und achten Sie auf alles, was ich tue. Der Anschauungsunterricht ist immer der beste.“
Sie neigte stolz, kühl und damenhaft den Kopf.
Hinter dieser stolzen Kühle suchte sie Schutz gegen etwas, das sie irgendwie beunruhigte.
Der Flug selber entzückte sie wieder sehr. Auch heute sah sie zuweilen von der Seite in sein Gesicht und dachte daran, dass sie geträumt hatte, er sähe sie an wie vorgestern, als er „anbetungswürdig!“ gesagt hatte.
Was hatte er sich wohl dabei gedacht? Gewiss nichts! Vielleicht war es eine kleine Bosheit gewesen. Spott? Aber nein, seine Augen hatten etwas anderes gesagt. Wenn er sie doch noch einmal so ansehen würde! Jetzt gleich! Er sollte! Sie wollte es.
Aber da erschrak sie, weil seine Hände leise zuckten, wie durch ihren Willen beunruhigt. So töricht war sie! Wenn er sie nun wirklich ansah und dabei die Herrschaft über das Steuer verlor! Dann sanken sie – tief, tief, und dann war alles vorbei, und niemals konnte er sie mehr ansehen, niemals mehr sagen: „Anbetungswürdig!“
Verwirrt blickte sie von ihm fort.
Als sie von diesem Flug zurückgekehrt waren, sagte er, ehe sie ausstiegen: „Sie dürfen nie mehr wollen, dass ich Sie ansehe, wenn wir oben sind.“
Sie wurde glühend rot, machte jedoch ein abweisendes Gesicht.
„Was fällt Ihnen ein? Es ist mir nicht eingefallen, das zu wollen.“
Groß und ernst sah er sie an.
„Doch, ich habe es gespürt. Dort oben sind alle Sinne geschärft. Es darf nicht sein, dass ich Sie ansehe.“
Sie zuckte die Achseln.
„Ist mir doch gleichgültig, wohin Sie sehen.“
Ruhig, ohne etwas zu erwidern, half er ihr beim Absteigen.
„Wann fliegen wir wieder?“, fragte sie anscheinend uninteressiert.
„Übermorgen. Aber wenn Sie morgen Zeit haben, möchte ich Sie ein wenig mit dem Motor und der Führung vertraut machen. Oder wissen Sie damit schon Bescheid?“
„Nein, absolut nicht.“
„Gut. So müssen Sie das lernen. Also morgen Vormittag um zehn Uhr.“
„Und wo treffe ich Sie?“
„Ich erwarte Sie am Eingang.“
Ein kühles Kopfneigen ihrerseits, eine steife Verbeugung seinerseits, und sie waren getrennt. Aber ihre Gedanken hingen aneinander und kamen nicht voneinander los.
***
Jim entwickelte in nächster Zeit eine seltsame Tätigkeit. Er unternahm verschiedene Flüge über Land. Vor jedem dieser Flüge machte er allerlei Einkäufe, die er sich gewissenhaft überlegte, damit nichts fehlte, was er brauchte. Er flog stets einem bestimmten Ziel zu. Es lag im Inneren des Landes zwischen New York und Philadelphia. Dort ging er stets auf der gleichen Stelle nieder, auf einer großen ebenen Fläche, wo er einen guten Anlauf und Auslauf hatte.
Dieser Erdenfleck war anscheinend von jeder Kultur unberührt geblieben. Rings um die große Fläche erhoben sich dichte Wälder, und an einem Ende zeigte sich ein mäßig hoher, ebenfalls mit Bäumen bestandener Hügel.
Jim hatte diese Stelle eines Tages entdeckt, als er vom Sturm auf einem Flug von Philadelphia nach New York abgetrieben worden war und wegen eines Motordefektes niedergehen musste. Er hatte dort seinen Motor reparieren müssen und war ziemlich lange aufgehalten worden, so dass er die Nacht im Freien hatte zubringen müssen.
An diesen Platz hatte er sich erinnert, als er einen ganz bestimmten Plan gefasst hatte.
Die von ihm erhandelten Waren brachte er in einer auf einer Anhöhe stehenden Bretterbude unter, die Waldarbeiter errichtet haben mochten. Sie war vollkommen verwahrlost, aber noch fest und widerstandsfähig, so dass alles darin gut aufgehoben war. Niemals begegnete Jim einem Menschen. Es war ihm bekannt, dass hier meilenweit kein Dorf, keine Stadt zu finden war. Es war vollkommen einsam. Aber gerade das war ihm recht.
Kein Mensch erfuhr etwas von diesen Vorbereitungen. Da Jim in den Groner-Werken kommen und gehen konnte, wie und wann er wollte, brauchte er niemandem Rechenschaft abzulegen.
Als Dorothy am nächsten Vormittag pünktlich eintraf, sah er sie mit überlegenem Lächeln an, obwohl es ihm schwer fiel, denn sie sah in dem eleganten Kleid, mit dem offenen Staubmantel und dem reizendsten Hütchen, das man sich denken konnte, geradezu verführerisch aus.
„Darf ich fragen, warum Sie nicht Ihren Fliegeranzug angelegt haben?“, fragte er spöttisch.
Sie sah ihn verdutzt an.
„Wozu sollte ich das? Wir fliegen heute doch nicht.“
„Nein, aber Sie sollen sich heute mit dem Motor vertraut machen. Dazu passen Ihr elegantes Kleid und dieser ebenso schöne Mantel – vom Hut ganz zu schweigen – durchaus nicht.“
„Warum denn nicht? Ich werde mich schon vorsehen, dass ich mir die Garderobe nicht ruiniere. Ich brauche ja nicht so nahe heranzugehen“, sagte sie sehr von oben herab.
Er schüttelte den Kopf.
„Fahren Sie nur gleich wieder nach Hause! Entweder ziehen Sie sich um und kommen wieder, wie ich es wünsche, oder wir verschieben die Lektion auf morgen.“
Schon wollte sie wieder mit dem Fuß aufstampfen, unterließ es aber doch aus Angst vor seinem spöttischen Blick. Sie hob nur ein wenig das Näschen.
„Es kann Ihnen doch schließlich gleich sein, ob ich mir mein Kleid ruiniere oder nicht.“
Er verbeugte sich ruhig und unbewegt.
„Gut, wie Sie wollen! Dann kommen Sie!“
Und er führte sie zu dem Flugzeug.
Unterwegs sprachen sie kein Wort. Sie biss sich fast die Lippen wund, so schwer fiel es ihr, zu schweigen.
Dann standen sie am Motor. Er streifte feste Lederhandschuhe über, sah bedenklich auf ihre eleganten hellgrauen Handschuhe aus dänischem Leder, zuckte aber die Achseln, als wollte er sagen: Sie haben es ja gewollt.
Dann nahm er ihr aber doch das reizende Hütchen ab. Es kleidete sie so entzückend, dass es schade darum gewesen wäre. Dabei rechnete er amüsiert aus, was Papa Groner für die verdorbene Toilette würde bezahlen müssen. Dann begann er den Unterricht, wobei er Dorothy absolut nicht schonte. Sie musste mit ihren eleganten Handschuhen allerlei schmierige Maschinenteile anfassen, abschrauben, anschrauben, musste sich in den Kühler beugen, musste sich so viel merken, dass ihr der Kopf brummte und dass ihr abwechselnd heiß und kalt wurde.
Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, schob die goldbraunen Locken zurück und ahnte nicht, dass sie dadurch im Gesicht schwarze Streifen bekam. Es erbarmte ihn aber doch, dass sie vielleicht auch ihr schönes Haar beschmutzen könnte, und so stülpte er ihr ziemlich energisch seine eigene Mütze auf.
„Es wäre schade um das wunderschöne Haar“, sagte er dabei mit jener gefährlichen Weichheit, die ihr das Blut ins Gesicht trieb.
Hastig riss sie sich von ihm los, nestelte selbst die Mütze zurecht und hinterließ dabei noch einige schwarze Flecke im Gesicht, so dass sie wirklich nicht mehr damenhaft aussah, sondern wie ein kleiner schmutziger Schlosserlehrjunge.
Jim musste sich das Lachen verbeißen, aber es gefiel ihm doch, dass sie sich in heißem Eifer bemühte, ihm alles recht zu machen. Sie war unbedingt sehr anstellig, intelligent und forsch. Zwar sah sie etwas konsterniert auf ihre befleckten Handschuhe, merkte auch, dass das Kleid verschiedene Ölflecken aufwies, ahnte aber nicht, dass sie im Gesicht noch schlimmer aussah.
Jim ließ sich nun nicht mehr abhalten, ihr eine sehr gründliche Lektion zu erteilen. Er sagte sich, die hübsche Toilette sei nun einmal verdorben, und je gründlicher das geschähe, umso lehrreicher würde es für sie sein. Aber wenn sie geahnt hätte, wie zärtlich er immer wieder auf sie hinabsah, wenn sie sich Mühe gab, seinen Anweisungen zu folgen, dann hätte sie sehr schnell ihre Ruhe verloren.
Dieser Unterricht dauerte länger als zwei Stunden. Dann brachte Jim den Motor wieder in Ordnung, ihr noch allerlei begreiflich machend, und sagte: „So, für heute sind wir fertig. Aber wie kommen Sie nun in eine einigermaßen leidliche Verfassung, so dass Sie nach Hause fahren können?“
Sie sah an sich herab.
„Ja, meinem Kleid ist diese Arbeit in der Tat übel bekommen. Nun, ich sitze im Auto, da wird man nicht viel davon sehen, und zu Hause übergebe ich es meiner Jungfer zum Reinigen“, erwiderte sie leichthin. Er sollte nicht sehen, dass sie sich über das befleckte Kleid ärgerte, sollte um keinen Preis Recht behalten damit, dass sie besser daran getan hätte, ihren Fliegeranzug anzulegen.
Er sah sie prüfend an.
„Das wäre das Kleid. Aber was machen wir mit dem Gesicht? Das Haar ist ja dank meiner Mütze vom Schmieröl verschont geblieben. Doch das Gesicht. So können Sie unmöglich unter Menschen gehen.“ Und er hielt ihr einen kleinen Spiegel vor.
Sie sah hinein, zuckte fassungslos zusammen und wurde sehr rot. Sie schämte sich, so vor ihm zu stehen. Gerade er hätte sie nicht so sehen dürfen.
Aber als ahne er gar nicht, was in ihr vorging, zog er aus einer Tasche ein frisches Tuch.
„Haben Sie vielleicht etwas Kölnisch Wasser bei sich?“
Sie öffnete ihre Handtasche und hielt ihm die Flasche hin, ohne ein Wort hervorzubringen. Mit gespreizten Fingern und weit abgestreckten Armen stand sie vor ihm, als er nun ein sehr sachliches und gründliches Reinigungswerk begann, wie es die sorgsamste Jungfer nicht besser hätte verrichten können. Mit dem befeuchteten Taschentuch rieb er ihr die Ölflecken aus dem Gesicht, fuhr dann sorglich mit der Puderquaste darüber; betrachtete kritisch sein Werk, nickte zufrieden und hielt ihr abermals den Spiegel vor.
Aufatmend sah sie, dass sie wieder sauber war. Und nun erlangte sie ihre Fassung zurück. Als sei er wirklich nichts weiter als ihre Jungfer, streckte sie ihm die Hände hin.
„Ziehen Sie mir die Handschuhe ab, sonst mache ich mich von neuem schmutzig!“
„Bitte, sagt man da“, bemerkte er ruhig.
Da stampfte sie doch wieder mit dem Fuß auf, dass er, anscheinend erschrocken, den seinen zurückzog, als habe er Sorge, getroffen zu werden, worauf sie wieder errötete.
„Also, bitte!“, sagte sie schroff und ungnädig.
Er sah sie lächelnd an.
„Ich kann wirklich nichts dafür, dass Sie sich Ihre reizende Toilette verdorben haben und ebenso die schönen Handschuhe“, sagte er und zog sie ihr von den Händen, die sorgsam gepflegt und sehr schön waren. Ruhig legte er die Handschuhe zusammen und barg sie, ohne zu fragen, in seiner Brusttasche.
Sie sah es mit Erstaunen und wollte die Handschuhe schon zurückfordern.
Da meinte er seelenruhig: „Ich werde sie in eine Reinigungsanstalt geben. Vielleicht sind sie noch zu retten.“
Sie wandte sich ab und wollte gehen.
„Einen Augenblick noch, Miss Groner! Ihr Hütchen fehlt noch!“
Er brachte das reizende Hütchen herbei, setzte es auf ihr goldbraunes Haar und rückte es sachverständig zurecht. Noch einmal hielt er ihr den Spiegel vor, dann trat er mit einer Verbeugung zurück.
„Morgen Vormittag also bitte wieder um zehn Uhr zum Fliegen!“
Sie grüßte ihn sehr von oben herab und ging davon.
Jim sah ihr lächelnd nach. In seinen Augen lag ein warmer, weicher Ausdruck.
***
Eine Stunde später stand er vor Dorothys Vater im Privatkontor.
„Guten Morgen, Schwiegervater!“
„Guten Morgen, Jim! Seien Sie Ihrer Sache nur nicht gar zu sicher!“
„Oh, sie behandelt mich miserabel. Deshalb bin ich sehr hoffnungsvoll.“
„Eine seltsame Theorie.“
„Sie werden sehen, dass sie richtig ist. Aber ich bin gekommen, um eine Frage an Sie zu richten: Bitten Sie wohl zuweilen einen Ihrer Ingenieure zu Tisch?“
„Das kommt allerdings zuweilen vor, wenn ich gerade mit einem von ihnen etwas Besonders zu beraten habe.“
„Dann bitte ich Sie, mich heute als Tischgast einzuladen.“
„Aha, der Flugplatz genügt nicht mehr als Operationsfeld?“
„Nein, da sehe ich Miss Dorothy entweder nur in ihrem Fliegeranzug – und sie mich selbstverständlich auch –, oder sie macht sich Flecken in ihre schönsten Kleider. Aber sie muss doch Gelegenheit haben, sich mir auch in eleganten Toiletten zu zeigen, das steigert das Behagen einer Frau und macht sie umgänglicher als irgendetwas sonst.“
Nun mussten beide lachen.
„Also gut, Jim. Sie fahren mit mir nach Hause und speisen mit uns.“
„Danke. Und bitte lassen Sie uns etwas erfinden, was mich jetzt recht oft in Ihr Haus führt.“
„Ja, aber was?“
„Vielleicht haben wir zusammen wichtige mathematische Berechnungen zu machen? Vielleicht reden wir ganz geheim und privatim bei Ihnen zu Hause über eine neue Erfindung, wovon noch nichts in den Werken bekannt werden darf?“
„Das Letztere wäre ein guter Vorwand.“
„Das können Sie heute bei Tisch ganz nebenbei mit vorbringen. Dann wird Dorothy einsehen, dass Sie meiner bedürfen, und es verständlich finden, wenn ich künftig häufig in Ihrem Haus bin und von Ihnen zu Tisch geladen werde.“
„Außerdem kann ich durchblicken lassen, dass ich gesonnen bin, Ihnen als Dorothys Lehrer eine Ausnahmestellung einzuräumen.“
„Sehr gut. Das machen Sie ihr nur, bitte, begreiflich! Erschrecken Sie aber nicht, wenn sie darüber abfällige Bemerkungen macht. Das hat aber nichts auf sich.“
„Sie scheinen Ihrer Sache ja wirklich schon sehr sicher zu sein, Jim.“
Der junge Mann lachte leise in sich hinein.
„Ich glaube, ich darf es sein.“
Und er dachte daran, dass Dorothy den Flugunterricht bei ihm nicht aufgegeben hatte, obwohl er sie anbetungswürdig gefunden und ihr das gesagt hatte. Das verträgt eine Frau nicht von einem Mann, der ihr gleichgültig ist. Vor allem verträgt das eine so stolze Frau wie Dorothy nicht von einem Untergebenen ihres Vaters, ohne ihn seines Dienstes zu entheben.
***
Dorothy war in einer sehr merkwürdigen Gemütsverfassung nach Hause gekommen, hatte ihr beflecktes Kleid abgestreift und es wütend von sich geschleudert, hatte sich kritisch im Spiegel betrachtet und sich die Zunge herausgestreckt, so weit es ging. Das galt aber alles nur ihrem Fluglehrer Harry Wight.
Was bildete dieser Mensch sich eigentlich ein, dass er sich erkühnte, sie zu einer Arbeit heranzuziehen, bei der man sich derartig beschmutzen musste? Schön, er hatte ihr geraten, sie möge wieder nach Hause fahren und ihren Fliegeranzug anlegen. Das zu tun, hatte sie sich geweigert. Aber er hätte ihr doch sagen müssen, wie schmutzig man sich machte, wenn man sich mit so einem Motor beschäftigte.
Und während sie sich immer mehr in Zorn redete, blieb sie plötzlich stehen, schloss die Augen und fühlte wieder, wie sorgsam seine Hände ihr Gesicht gesäubert hatten, wie er ihr den Hut sorglich zurechtrückte und wie er um ihr Haar besorgt gewesen war.
„Es wäre schade um das wunderschöne Haar“, hatte er gesagt, und zwar, ja, in genau dem gleichen weichen Ton, in dem er ihr gesagt hatte, dass er sie für „anbetungswürdig“ halte.
Dabei wurde sie selber weich und träumte eine Weile vor sich hin.
Aber dann richtete sie sich wieder trotzig auf.
„Eine Frechheit, wie er sich über mich lustig gemacht hat! Wenn ich ihm nur etwas antun könnte, dass er seine Überlegenheit einmal gründlich verlöre! Was könnte ich ihm nur antun? So klein muss er werden, so klein!“ Sie deutete mit den Händen an, wie klein er werden sollte. Aber dann dachte sie doch wieder, es wäre schade, wenn er so klein würde. Eigentlich war es doch wundervoll, dass er so überlegen war – ein ganzer Mann, wie sie noch keinen kennen gelernt hatte.
Und das war nun ein armer, unbedeutender Ingenieur, der im Monat vielleicht so viel verdiente, wie sie für Handschuhe und Hüte ausgab, vielleicht nicht einmal so viel! Und … ihre Handschuhe hatte er auch eingesteckt mit einem geradezu unbeschreiblichen Gesicht. Ganz leise, wie schmeichelnd, waren seine Hände über die beschmutzten Handschuhe geglitten. Die wurden ja im Leben nie wieder sauber, wenigstens nicht so, dass sie sie würde tragen können.
Langsam kleidete sie sich um, gab ihrer Jungfer die beschmutzten Kleider und gebot ihr, sie reinigen zu lassen.
Kritisch betrachtete die Jungfer die Sachen.
„O weh, Miss Dorothy, diese Flecken werden kaum aus dem Stoff herausgehen, ohne die Farbe anzugreifen.“
„Lassen Sie es versuchen, wir werden sehen.“
***
Als Dorothy umgekleidet war, ging sie hinunter in das behaglich eingerichtete Wohnzimmer, kuschelte sich in eine mollige Ecke und wollte einen Roman lesen.
Kaum aber hatte sie damit begonnen, als sie an den Fernsprecher gerufen wurde. Als sie sich meldete, hörte sie die Stimme ihres Vaters.
„Dorothy, ich wollte dir nur mitteilen, dass ich dir einen Tischgast mitbringe. Ich muss jetzt öfter einen meiner Ingenieure mit nach Hause bringen, weil es geheime Arbeiten zu erledigen gibt, von denen niemand etwas merken soll. Es handelt sich da um eine neue Erfindung. Also, bitte, mache dich darauf gefasst, dass der Herr jetzt öfter mit uns speisen wird.“
„Ist gut, Paps.“
„Wie war es denn auf dem Flugplatz?“
„Scheußlich schmutzig, Paps. Ein Kleid und einen Mantel habe ich mir dabei verdorben. Dieser Mr. Wight ist sehr rücksichtslos – aber nein, ich war eigentlich selber schuld, er kann nichts dafür.“
„Na, also, dann können wir ihn auch nicht verantwortlich machen. Sonst müsste er für den Schaden mit seinem Gehalt aufkommen.“
„Auf gar keinen Fall, Paps. Ich war wirklich selber schuld. Also, auf Wiedersehen bei Tisch!“
Sie ahnte nicht, dass ihr Vater dieses Gespräch Jim wörtlich wiederholte, der noch bei ihm war und sich eben bei ihm erkundigte, welche Süßigkeiten Dorothy am meisten bevorzugte.
Der Vater hatte ihn erstaunt angesehen und gefragt: „Wollen Sie ihr Bonbons schenken?“
Darauf hatte Jim lachend erwidert: „Gelegentlich. Sobald ich weiß, dass sie dergleichen von mir annehmen wird, werde ich ihr welche anbieten.“
Da hatte ihm der Vater verraten, dass Dorothy am meisten französisches Konfekt liebe, und hatte ihm auch genau angegeben, wo es erhältlich sei. Jim notierte es sich mit ernsthaftem Gesicht.
***
Dorothy ahnte nicht, welcher Ingenieur den Vater heute begleiten würde. An ihren Fluglehrer hatte sie überhaupt nicht gedacht, denn sie glaubte, der befände sich noch immer auf dem Flugplatz. Ebenso wenig ahnte sie, dass ihr Vater ihm ihre Worte wiederholt und dass Jim Schlüsse daraus gezogen hatte, weil sie den Vater davon abhielt, ihm den Schaden, den ihr Kleid erlitten hatte, anzurechnen.
Sie wusste auch nicht, dass Jim ihre Handschuhe bereits in die Wäscherei gegeben hatte, und zwar nachdem er sie unterwegs in seinem Auto verschiedene Male an seine Lippen drückte. Ebenso war es ihr verborgen, dass er den Vater dazu veranlasst hatte, ihn des Öfteren als Tischgast mitzubringen. Wie hätte sie auch darauf kommen können, da sie Jim nur als den armen Ingenieur Harry Wight kannte.
Es wurden auch keine Umstände gemacht, weil einer der Ingenieure mitspeisen würde. Er würde eben essen, was ohnedies aufgetragen wurde. Nur ein Gedeck mehr wurde aufgelegt, das war das einzige.
Und dann kam der Paps zu Tisch – und neben oder gleich hinter ihm trat eine hohe, männliche Erscheinung in tadellosem Anzug ein, Mr. Wight.
Dorothy war ein wenig fassungslos, sie war ganz und gar nicht auf ihn vorbereitet. Ihr gewohnheitsmäßig freundliches Lächeln erstarrte, dafür schoss ihr das Blut verräterisch ins Gesicht. Die Begrüßung fiel sehr herablassend aus.
Der Vater heuchelte Unbekümmertheit und sagte wie verabredet: „Ich kleide mich sofort um, Dorothy. Mr. Wight mag dich inzwischen ein wenig unterhalten.“
Sie neigte ein ganz klein wenig den Kopf und deutete auf einen Sessel.
„Bitte!“
Jim verneigte sich artig und nahm Platz, nachdem auch sie sich niedergelassen hatte.
„Ich ahnte nicht, dass Sie heute unser Gast sein würden, Mr. Wight“, begann sie förmlich die Unterhaltung.
„Es wäre Ihnen vielleicht angenehmer gewesen, wenn einer der anderen Ingenieure gekommen wäre?“
„Oh, warum? Einer ist mir so gleichgültig wie der andere.“
Wieder verneigte er sich. „Ich danke verbindlichst.“
Erstaunt sah sie ihn an. „Wofür?“
„Dass ich Ihnen nicht noch gleichgültiger bin als die anderen.“
Das Blut schoss ihr zu ihrem Arger schon wieder ins Gesicht.
„Sie sind ja sehr bescheiden“, spottete sie.
Er verzog keine Miene.
„Nicht wahr?“, fragte er nur, als habe er erwartet, dass sie seine Bescheidenheit anerkannte.
Sie bemühte sich krampfhaft, ihre stolze Haltung zu bewahren.
„Wohin fliegen wir morgen?“, fragte sie.
„Nach Norden.“
„Am Meer entlang oder ins Land hinein?“
„Nach dem Inneren des Landes.“
„Ich möchte aber lieber am Meer entlang fliegen.“
Er verbeugte sich, sagte jedoch sehr ruhig und bestimmt: „Die Richtung habe stets ich zu bestimmen.“
„Oh, wie galant!“, spottete sie wieder.
„Es ist nur wegen der Luftströmungen. Ich möchte Sie nicht unnötig in schwierige Böen bringen.“
Sie strich sich die weichen Haarwellen aus dem Gesicht.
„Das hätten Sie gleich sagen müssen, dann – dann hätte ich nicht an Ihrer Galanterie zu zweifeln brauchen.“
„Oh, bitte, das ist mir vollkommen gleichgültig“, kopierte er ihren Tonfall von vorhin.
Sie zuckte zusammen, wollte zornig werden und sah ihn kampfbereit an. Aber sie brachte kein Wort heraus. Seine Augen hatten wieder den gefährlichen weichen Blick, der sie aller Kraft beraubte.
„Wie lange sind Sie eigentlich schon in New York?“, fragte sie anscheinend gleichgültig.
„Seit ich in den Groner-Werken arbeite. Früher war ich nur immer flüchtig hier. Sie wohnen wohl schon lange hier?“
„Seit meiner Geburt. Ich war immer hier, wenn ich nicht auf Reisen war. Und … gefällt ihnen New York?“
„Sehr gut. Ich werde wahrscheinlich immer hier bleiben, außer wenn ich mal auf Reisen gehe.“
Er sprach genau in ihrem Tonfall, genauso förmlich wie sie. Das merkte sie wohl und wurde schon wieder nervös.
„Darüber sind Sie sich schon einig?“
„Ja, da die Groner-Werke sich doch in New York befinden.“
Erstaunt sah sie ihn an. „Wollen Sie denn immer in den GronerWerken bleiben?“
„Ja, das will ich.“ Es klang sehr bestimmt und energisch.
„Aber darüber haben Sie doch nicht allein zu bestimmen?“, fragte sie erstaunt.