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Karl Hartmann, ein Mann aus einfachsten Arbeiterkreisen, hat es zu etwas gebracht im Leben. Aus eigener Kraft und durch bewundernswerten Fleiß hat er sich zum vielfachen Millionär emporgearbeitet. Die Krönung seines Glücks wäre, seine geliebte Tochter Margot mit einem Aristokraten verheiratet zu sehen. Er leitet alles Notwendige in die Wege, und als Fürst Nordheim dann um Margots Hand anhält, glaubt Karl Hartmann sich am Ziel seiner Träume. Er ahnt nicht, dass Margot sich längst in seinen Sekretär verliebt hat ...
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Seitenzahl: 160
Cover
Impressum
Der Scheingemahl
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2175-3
www.bastei-entertainment.de
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Der Scheingemahl
Roman um die Liebesträumeeines schönen Mädchens
Um mich sollst du dich nicht sorgen, liebe Mutter. Ich finde auch unter diesen traurig veränderten Verhältnissen meinen Weg durchs Leben.“
„Aber wie, mein armer Horst? Denkst du, ich weiß nicht, was es dich gekostet hat, den Abschied von deinem Regiment zu nehmen, von deinen Kameraden, von allem, was dir lieb war? Ich weiß, was es dich kosten wird, nun plötzlich in einer so ganz anderen Sphäre unterzutauchen.“
„Musst du es nicht auch können, liebe Mutter? Soll ich schwächer sein als du? Stelle dir meine Lage nicht schlimmer vor, als sie ist. Die größte Sorge, die mir auf dem Herzen lastet, ist die um dich …“
„An mich sollst du nicht denken, Horst. Ich habe doch gottlob die kleine Rente von Tante Gustava, die sie mir bei ihrem Tode hinterließ. Ohne diese sähe es freilich schlimm für mich aus.“
Baron Horst Oldenau strich sich das Haar aus der Stirn. Seine grauen Augen blickten starr über die Mutter hinweg. „Warum hat Vater uns nur nie in seine Vermögensverhältnisse eingeweiht. Er hat uns immer in dem Glauben gelassen, dass wir in den besten Verhältnissen leben. Erst als alles um ihn her zusammenbrach, sagte er uns die Wahrheit. Und da war es zu spät.“
Die Baronin krampfte mit einem schmerzerfüllten Ausdruck die Hände zusammen.
„Da war es zu spät! Und er brach selbst mit zusammen und ließ uns allein. Aber glaube mir, Horst, es war kein böser Wille von ihm, dass er uns seine Lage verheimlichte. Er wollte uns die Sorgen fern halten.“
„Gewiss, er hat es gut gemeint, aber es war doch Unrecht von ihm, dass er uns nicht in seine schwierige Lage einweihte, dass er mir nicht sagte, dass ich eines Tages vor dem Ruin stehen würde. Hätte ich alles gewusst, dann hätte ich mein Leben auf einer ganz anderen Basis aufbauen können. So habe ich sorglos in den Tag hinein gelebt und stehe nun unvorbereitet vor einer neuen Existenzfrage.“
Die Baronin seufzte. „Ja, obwohl es gut gemeint war, es war ein Unrecht von deinem Vater. Aber versuche, ohne Groll an ihn zu denken, er hat selbst Schweres getragen.“
„Ich grolle ihm nicht, liebe Mutter … mag er in Frieden ruhen. Gottlob hat der Verkauf von Oldenau wenigstens so viel gebracht, dass wir niemandem etwas schuldig geblieben sind, und wir unseren guten Namen rein erhalten haben.
Du wirst dich freilich nun hier in der engen Mietswohnung einrichten und ängstlich mit dem Pfennig rechnen müssen, um mit deiner kleinen Rente auszukommen. Wenn ich dich so vor mir sehe, meine liebe Mutter. Die stolze Herrin von Oldenau in diesem engen niedrigen Zimmer …“
Begütigend legte die Mutter ihre Hand auf den Arm des Sohnes, und in dem feinen Gesicht der alten Dame zuckte ein bitterer Schmerz. „Glaube mir, mein Horst, ich würde ganz ruhig und zufrieden sein, wenn ich nur erst wüsste, dass sich für dich eine erträgliche Existenzmöglichkeit gefunden hätte.“
Er küsste ihre Hand. „Dieser Wunsch wird dir gewiss bald in Erfüllung gehen. Ich habe Aussicht, eine Stellung zu finden.“
Forschend sah sie zu ihm auf. „Wirklich?“
Er zog die Stirn ein wenig zusammen. „Sehr wählerisch darf ich vorläufig nicht sein, das weißt du. Ich muss so schnell wie möglich in die Lage kommen, meinen Unterhalt zu verdienen. Ich war heute bei Kommerzienrat Preis, dem bekannten Großindustriellen. Es ist nicht leicht, bis in sein Allerheiligstes vorzudringen, aber es gelang mir doch nach einigen Schwierigkeiten. Ich fragte ihn, ob ich in seinem Unternehmen Arbeit und Verdienst finden könne. Es war ein Glücksfall, dass der alte Herr gerade einige Minuten Zeit für mich hatte und guter Laune war … Er hörte mich ruhig an und ließ sich von mir erzählen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten ich besitze.
Ich merkte, dass ihn meine Persönlichkeit zu interessieren begann. Er fragte nach meinen Verhältnissen, meinem bisherigen Lebenslauf und so weiter. Offen teilte ich ihm mit, dass ich bisher Offizier bei den Xer Dragonern und in der Überzeugung aufgewachsen war, der Sohn eines wohlhabenden Mannes zu sein. Dass ich kein klösterliches und sparsames Leben geführt habe, verhehlte ich ihm so wenig, als dass ich jetzt vor dem Nichts stünde. Ich berichtete ihm auch, dass ich nach dem Verlust von Oldenau mit dir nach Berlin übergesiedelt bin, weil ich hier am ehesten eine Existenzmöglichkeit zu finden hoffe.“
Die Baronin hatte aufmerksam zugehört. „Und was erwiderte dir der Kommerzienrat?“, fragte sie, als Horst nun eine Pause machte.
Er strich sich übers Haar und fuhr dann fort: „Eine Weile sah er mich schweigend und forschend an und fragte dann: ‚Sie sind natürlich sicher in den vornehmsten Umgangsformen, haben wohl auch an Ihrem herzoglichen Hofe verkehrt?‘ Ich verneigte mich und bejahte, dann fragte er weiter: ‚Und Sie beherrschen die französische und englische Sprache in Wort und Schrift?‘
‚Gewiss, Herr Kommerzienrat‘, erwiderte ich.
Da sah er mich wieder eine Weile forschend an und fuhr fort: ‚Ich könnte Sie nach allem, was ich jetzt von Ihnen weiß, in meinem Betrieb höchstens als Korrespondent anstellen. Als solcher würden Sie freilich ein Gehalt beziehen, das Ihnen ein Auskommen sichert, aber natürlich könnten Sie damit Ihr bisher gewohntes Leben nicht fortsetzen.‘
Ich antwortete ihm: ‚Meine Ansprüche sind bescheiden, Herr Kommerzienrat. Ich weiß, dass ich ein völlig neues Leben anfangen muss. Und aller Anfang ist schwer.‘
Da sah er mich zum dritten Mal eine ganze Weile schweigend an, ehe er lächelnd antwortete: ‚Sie gefallen mir, und es trifft sich gut, dass ich Ihnen eventuell zu einer besseren und einträglicheren Stellung verhelfen kann, als ich sie Ihnen bieten könnte. Es fragt sich nur, ob Sie diese Stellung annehmen wollen.‘
‚Das will ich sicher, wenn ich sie ausfüllen kann‘, bemerkte ich.
‚Oh, daran zweifle ich nicht! Jedenfalls können Sie Ihr Glück versuchen. Werden Sie dort, wohin ich Sie senden werde, engagiert, dann ist es gut. Andernfalls bleibt Ihnen bei mir immer noch eine Anstellung als Korrespondent offen.‘
Ich dankte ihm und bat um nähere Angaben. Da sah er mich lächelnd an: ‚Die Stellung, die ich Ihnen in Vorschlag bringen will, ist keine alltägliche. Sie erfordert viel Takt und Delikatesse, ein sicheres Auftreten und beste Umgangsformen.
Ich habe einen Geschäftsfreund, der bis vor kurzem in Amerika lebte. Er ist von Geburt Deutscher, hat sich drüben in Amerika ein Riesenvermögen erworben und will sich nun auf seine alten Tage hier in seinem Vaterland zur Ruhe setzen. Er ist ein Mann von großer Intelligenz und Tüchtigkeit, stammt jedoch aus den einfachsten Arbeiterkreisen und hat sich durch eigene Kraft und bewundernswerten Fleiß zum vielfachen Millionär emporgearbeitet.
In seinem arbeitsreichen Leben hat er nie Zeit gehabt, etwas für seine gesellschaftliche Bildung zu tun. Er ist in seinem Wesen der schlichte Mann aus dem Volk geblieben, doch ist er kein Emporkömmling im bösen Sinne des Wortes. Er besitzt eine Tochter, sein einziges Kind, und diese hat eine erstklassige Erziehung genossen. Dank dieser Erziehung und dem enormen Reichtum ihres Vaters ist sie ganz die große Dame von Welt. Ihr Vater, der sie zärtlich liebt, ist sehr stolz auf sie und wünscht sie auf den Höhen des Lebens zu sehen. Ihretwegen wünscht er nun hier einen Verkehr mit den ersten Kreisen einzuleiten und hat auch schon entsprechende Schritte unternommen.
Aber er spürt sehr wohl, dass er sich in diesen Kreisen nicht so bewegen kann, wie es ihm im Interesse seiner Tochter wünschenswert erscheint. Nun, seit er in den Ruhestand getreten ist und mehr freie Zeit hat, will er seine gesellschaftlichen Formen aufbessern.
Zu diesem Zweck ist er auf den gar nicht dummen Gedanken gekommen, sich eine Art Erzieher zu engagieren auf seine alten Tage, einen Mann, der vornehme Umgangsformen hat und ihm in jeder Beziehung mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. Er soll seine Formfehler korrigieren, ihm Verhaltensmaßregeln geben und ihm alles erklären, was er als Gesellschaftsmensch zu tun und zu lassen hat.‘“
Die Baronin schüttelte den Kopf. „Mein Gott, welch eine Idee!“, rief sie erstaunt.
Der Baron lächelte. „Ich kann diese Idee des reichen Mannes gar nicht so absurd finden, liebe Mutter. Des Weiteren teilte mir der Kommerzienrat mit, dass Herr Karl Hartmann – so heißt der Millionär – sich in Grunewald eine prachtvolle Villa hat bauen lassen, die mehr einem Palast gleicht. Er will dort ein großes Haus führen. Den Kommerzienrat hat er gebeten, ihm eine Persönlichkeit ausfindig zu machen, die zugleich als sein Sekretär und sein Erzieher fungieren soll. Natürlich darf das Amt des Erziehers in keiner Weise betont oder nur erwähnt werden.
Der Kommerzienrat versicherte mir, dass Herr Hartmann keineswegs ein unangenehmer Herr sein. Sein einziger Fehler, wenn man von einem solchen sprechen wolle, sei der Wunsch, seine Tochter eines Tages als Gräfin oder gar als Fürstin zu sehen. In dieser Beziehung erkenne er keine Grenzen an.
Der Kommerzienrat gab mir die Adresse, nannte mir ein sehr hohes Gehalt, das diese Stellung mir einbringen würde, und fragte mich, ob ich Lust habe, der Angelegenheit näher zu treten.“
Unruhig sah die Mutter zu ihrem Sohn auf. „Und du, Horst … was hast du dem Kommerzienrat darauf erwidert?“
Baron Horst sah vor sich hin. „Ich habe mir überlegt, liebe Mutter, dass diese Stellung zwar eine sehr eigenartige und ungewöhnliche ist, aber dass ich eben nicht sehr wählerisch sein darf in meiner Lage. Ein so hohes Gehalt kann ich so leicht nicht erlangen in einer anderen Stellung, und unehrenhaft ist sie auf keinen Fall.“
Seine Mutter sah voll Unruhe und Unbehagen zu ihm auf. Dann fasste sie plötzlich seine Hand und barg ihr Gesicht darin. „Ach, mein lieber Horst, dass du gezwungen bist, solch ein Angebot auch nur in Erwägung zu ziehen!“ Sie sah nicht, wie es in seinem Gesicht zuckte, wie sich die Lippen herb aufeinander pressten.
„Nimm es doch nicht zu schwer, liebe Mutter“, sagte er endlich mit rauer Stimme.
Die richtete sich seufzend auf. „Ich nehme es schwer, weil ich weiß, dass es dir schwer werden wird, der Untergebene eines Emporkömmlings zu werden.“
Er umfasste ihre Schultern und rüttelte sie sanft. In seinen Augen wurde es wieder hell. Es zuckte sogar wie ein leiser Übermut darinnen, und man konnte erkennen, wie bestrickend dieser junge Mann im glücklichen Übermut seiner frühen sorglosen Jugend gewesen sein musste.
„Mütterchen, mein liebes Mütterchen, nimm es doch von der heiteren Seite! Denk dir, wie pläsierlich es für mich sein wird, den alten Herrn zu drillen und ihm beizubringen, was er nötig hat, um in guter Gesellschaft nicht unliebsam aufzufallen.“
Gewaltsam zwang die Baronin ihr Unbehagen nieder. Sie musste sogar ein wenig lachen. Aber gleich wurde sie wieder ernst. „Ich weiß, mein Horst, dass du dich mir nur so sorglos zeigst, um es mir leichter zu machen. Wie es in dir aussieht, weiß ich darum doch. Und ich will dir deinen Entschluss, dich um diese Stellung zu bewerben, nicht noch schwerer machen.“
Er beugte sich herab und küsste sie auf die Wange. „Recht so, liebe Mutter, wir wollen tapfer sein. Die Zähne zusammenbeißen … und durch! Erhalte ich die Stelle, bin ich vorläufig wenigstens aus allen pekuniären Nöten und kann vielleicht auch für dich etwas tun.“
„Nun ja, wie die Verhältnisse leider für uns liegen … Aber sage mir, Horst, dieser Herr Hartmann will ein großes Haus führen und die vornehme Gesellschaft bei sich sehen. Was ist, wenn du in seinem Haus ehemaligen Bekannten, vielleicht gar Kameraden begegnest?“
Einen Moment biss sich der Baron auf die Lippen. Dann nahmen seine Züge etwas Hartes, Festes an. „Es wird sich dann zeigen, wie sie sich zu mir stellen. Ein wirklicher Freund wird mich nicht geringer achten, weil ich mir meinen Lebensunterhalt in abhängiger Stellung verdienen muss. Und die anderen … die dürfen nicht bestimmend auf meine Entschlüsse wirken.“
„Also, du wirst dich jedenfalls um diese Stellung bewerben?“
„Ja, Mutter, und ich wünsche sehr, dass ich sie erhalte.“
„Nun denn … in Gottes Namen, mein Horst! Er helfe dir, dass dein guter ehrlicher Wille gesegnet sei.“
„Ich danke dir, Mutter.“
***
Am nächsten Morgen fuhr Baron Oldenau mit der Stadtbahn nach Grunewald hinaus und begab sich vom Bahnhof aus direkt zur Villa Hartmann.
Als er sie erreicht hatte, stand er eine Weile still davor und betrachtete das Gebäude.
Es sah sehr vornehm und gediegen aus mit seiner soliden Sandsteinfassade. Protzig wirkte es in keiner Weise. Wenn es nach dem Geschmack des Besitzers erbaut war, sprach es für dessen Geschmack.
Entschlossen zog der Baron endlich die Klingel an dem schmiedeeisernen Tor. Dieses wurde nach wenigen Minuten – wie von unsichtbaren Händen – geöffnet.
Baron Oldenau betrat den großen, wohlgepflegten Garten und schritt auf einem breiten, mit graublauem Kies bestreuten Weg auf das Portal der Villa zu.
Hier erschien ein Diener in einer erfreulich schlichten und vornehmen Livree.
Der Baron fragte, ob Herr Hartmann zu sprechen sei, und gab seine Karte ab, auf die er zur Vorsicht geschrieben hatte: Auf Veranlassung von Herrn Kommerzienrat Preis.
Der Diener hatte, einen Blick für die elegante, vornehme Erscheinung des Barons, der einen sehr gut sitzenden Anzug trug und dessen bartloses, aber energisches Gesicht zur Genüge den Herrenmenschen verriet. Er bat ihn höflich, näher zu treten und in einem kleinen Salon neben dem Vestibül Platz zu nehmen. Dann entfernte er sich.
Nach wenigen Minuten kehrte der Diener zurück und bat den Baron, ihm zu folgen. Er führte ihn die breite, mit kostbaren Teppichen belegte Marmortreppe hinauf und öffnete im ersten Stock in einem elegant eingerichteten Vorraum eine hohe Flügeltür.
Baron Oldenau betrat ein großes schönes Zimmer mit dunklen schweren Eichenmöbeln und gediegenen Klubsesseln. An einem der großen Fenster stand ein breiter geräumiger Schreibtisch. Vor demselben saß in einem Sessel Herr Karl Hartmann, der Besitzer der Villa.
Ohne sich zu erheben, blickte er dem Eintretenden entgegen und musterte ihn mit klugen scharfen Augen sehr aufmerksam.
Der Baron verneigte sich. „Habe ich die Ehre, mit Herrn Hartmann zu sprechen?“
Der Millionär, der in der Mitte der Fünfzig stehen mochte, war ein ziemlich unscheinbarer Mann. Er war mittelgroß, etwas wohlbeleibt und hatte ein kluges energisches Gesicht mit harten kantigen Linien. Der Ausdruck der Augen war scharf, aber nicht ohne Gutmütigkeit. Feine Fältchen um Mund und Augenwinkel zeugten davon, dass Herr Hartmann auch Sinn für Humor hatte.
Er hielt die Karte in der Hand, die der Baron mit dem Diener hereingeschickt hatte.
„Sie sind Baron Oldenau?“, fragte er, ohne aufzustehen.
Es zuckte leise um des Barons Mund. „So ist es, Herr Hartmann.“
„Kommerzienrat Preis hat mir gestern telefonisch Bescheid gegeben, dass Sie mich aufsuchen würden, um sich um die Stellung zu bewerben, um deren Besetzung ich meinen alten Geschäftsfreund gebeten hatte. Das stimmt doch?“
„Ja, es stimmt. Der Herr Kommerzienrat sagte mir, dass Sie einen Sekretär zu engagieren wünschen.“
„Hat Ihnen der Herr Kommerzienrat auch gesagt, welches Amt Sie außerdem bei mir bekleiden müssten?“
„Ja.“
Es zuckte humoristisch um Herrn Hartmanns Mund. „Also Sie wissen, dass Sie als mein Erzieher zum guten Ton fungieren müssten. Ich setze voraus, dass Sie die nötigen Fähigkeiten haben und in allen gesellschaftlichen Fragen durchaus firm sind.“
„Wenn dies nicht der Fall wäre, hätte ich mich nicht um diese Stellung beworben.“
„Wenn ich jetzt von Ihnen verlangen würde, mir eine Probelektion zu geben, was würden Sie dann tun?“
Es zuckte wie leiser Übermut in den Augen des Barons. Er verneigte sich und richtete sich dann straff auf. Den Millionär scharf fixierend, sagte er ruhig und bestimmt: „Bitte stehen Sie auf und begrüßen Sie mich höflich mit einer Verbeugung. Wenn Sie sich dann wieder niederzulassen beabsichtigen, so tun Sie es nicht, bevor Sie auch mir einen Platz angeboten haben. Man empfängt Besucher nicht in der Art, wie Sie mich eben empfangen haben. Und vorläufig bin ich noch nicht Ihr Angestellter.“
Herr Hartmann lachte leise in sich hinein. Seine Augen funkelten. „Bravo! Die erste Lektion haben Sie mir gratis und prompt erteilt … ich danke Ihnen! Und Sie haben Mut. Das gefällt mir.“
Damit war er aufgestanden, machte nun eine Verbeugung und deutete auf einen Stuhl neben seinem Schreibtisch.
„So, nun habe ich Sie begrüßt und zum Sitzen eingeladen. Und jetzt erzählen Sie mir, wenn Sie wollen, wie Sie dazu kommen, sich um eine solche Stellung zu bemühen.“
„Ja, Herr Hartmann.“ Der Baron lächelte. Der alte Herr gefiel ihm.
Als der Baron seinen Bericht beendet hatte, sagte Herr Hartmann: „Hm. Ich finde es aller Ehren wert, dass Sie, trotzdem Sie doch sicher verwöhnt sind, so unverzagt ein neues Leben beginnen wollen, um sich eine Existenz zu schaffen. Wie gesagt, Sie gefallen mir und imponieren mir auch. Wenn Sie Lust haben, die Stellung bei mir anzutreten, können wir die Bedingungen gleich vereinbaren.“
Baron Oldenau atmete auf. „Ich bin mit der Absicht hierher gekommen, mich um diese Stellung zu bewerben und habe Lust, sie anzutreten. Bitten teilen Sie mir Ihre Bedingungen mit.“
„Das soll geschehen. Welches Gehalt Sie beziehen werden, hat Ihnen Kommerzienrat Preis schon gesagt?“
„Ja.“
„Sind Sie einverstanden damit?“
„Gewiss, Herr Hartmann.“
„Nun gut. Also engagiere ich Sie offiziell als Sekretär. Im geheimen haben Sie das Amt meines Erziehers zu erfüllen … davon braucht niemand etwas zu wissen. Ich möchte es begreiflicherweise nicht an die große Glocke hängen, dass ich auf meine alten Tage noch bei Ihnen in die Schule gehen will. Sie müssten natürlich hier in meinem Hause wohnen und werden zwei behagliche Zimmer bekommen und selbstverständlich freie Station. Ist Ihnen das recht?“
Der Baron verneigte sich, und er war erfreut, diese Bedingungen zu hören. Dadurch, dass er freie Wohnung und freie Verpflegung erhielt, erschien sein Gehalt noch bedeutend höher. Auf diese Weise konnte er seine Mutter sehr gut unterstützen.
Der alte Herr fuhr fort: „Sie müssen nun nicht denken, Baron, dass ich Ihnen jede freie Zeit beschneiden will. Ich kann Ihnen nur keine scharf begrenzte Arbeitszeit anweisen. Es kann vorkommen, dass ich Ihrer zuweilen von früh bis spät bedarf und dass ich Sie dann tagelang nur wenige Stunden beschäftige. Das kommt ganz auf die Umstände an. Sind Sie auch damit einverstanden?“
„Gewiss, ich werde immer zu Ihren Diensten stehen, wenn Sie meiner bedürfen.“
„Gut, die Sache ist erledigt. Und nun betrachten Sie sich als meinen Sekretär und Erzieher. Ich will Sie nun gleich noch meiner Tochter vorstellen.“
Mit einer Verbeugung erhob sich der Baron. „Ich bitte um den Vorzug, dem gnädigen Fräulein vorgestellt zu werden.“
Auch Herr Hartmann erhob sich lächelnd. „Das haben Sie sehr hübsch gesagt … das werde ich mir für ähnliche Fälle merken. Ich bitte um den Vorzug, dem gnädigen Fräulein vorgestellt zu werden … gut, sehr gut!“
Damit drückte der alte Herr auf den Knopf einer elektrischen Klingel, die an seinem Schreibtisch angebracht war. Der Diener, der den Baron hereingeführt hatte, erschien.
„Schicken Sie meine Tochter sofort hierher“, gebot Herr Hartmann schnell.
Als sich der Diener entfernt hatte, sah der Baron den alten Herrn fest an.
„Da ich schon engagiert bin, Herr Hartmann, erlaube ich mir zu bemerken, dass Sie einen solchen Auftrag einem Diener gegenüber in andere Worte fassen müssen.“
Der alte Herr sah ihn fragend an.
„War das nicht richtig?“
„Nein.“
„Also, dann schießen Sie los! Wie muss ich in solchen Fällen sagen?“