Hedwig Courths-Mahler - Folge 145 - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler - Folge 145 E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Für Josta Waldow hängt der Himmel voller Geigen. Sie soll die Frau des stattlichen Grundbesitzers Rainer Ramberg werden! Doch schon bald fallen dunkle Schatten auf ihr Glück: Ungewollt belauscht sie ein Gespräch zwischen Rainer und ihrem Vater. Dabei erfährt die junge Frau, dass Rainer nur um ihre Hand angehalten hat, um seine Liebe zu einer anderen Frau zu vergessen. Josta ist zutiefst verzweifelt, doch sie ist zu stolz, sich ihre Gefühle anmerken zu lassen. Und so spielen sich die beiden jungen Menschen eine Komödie vor, die ihre Verbindung schließlich zu zerstören droht ...

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Seitenzahl: 182

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Inhalt

Cover

Impressum

Rote Rosen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2176-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Rote Rosen

Zauberhafter Roman um Leid und Glück zweier Menschen

Es war im Jahre 1908.

Josta Waldow lenkte ihren eleganten Dogcart, den sie von ihrem Vater vor einigen Tagen zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, durch die breite Einfahrt in den Garten bis zu dem Portal des „Jungfernschlösschens“.

Seit drei Jahren erfüllte es die Bestimmung als Ministerresidenz. Exzellenz Waldow war froh gewesen über diesen Wohnungswechsel, und seine Gemahlin und seine Tochter waren es noch mehr. Eiligst wurde damals zum Umzug gerüstet. Aber nur Vater und Tochter sollten daran teilnehmen. Frau Waldow erkrankte und starb kurze Zeit darauf.

Damals war Josta achtzehn Jahre alt gewesen. Jetzt hatte sie schon das einundzwanzigste Jahr vollendet und ersetzte im Ministerhotel die Hausfrau vollständig.

In das mit Blattpflanzen dekorierte Vestibül eintretend, fragte sie den Diener: „Ist Papa zu Hause, Schröder?“

„Sehr wohl, gnädiges Fräulein. Seine Exzellenz haben den Besuch des Herrn Ramberg empfangen“, antwortete dieser.

Über das jugendschöne Antlitz Jostas flog ein frohes Lächeln. „Wo befinden sich die Herren?“

„Im Arbeitszimmer Seiner Exzellenz.“

Josta neigte elegant das Haupt und eilte die Treppe empor zum Arbeitszimmer ihres Vaters. „Nicht zanken, Papa, wenn ich unangemeldet diesen geheiligten Raum betrete, wo das Wohl und Wehe des Staates beraten zu werden pflegt. Ich hörte, dass Onkel Rainer bei dir ist.“

An dem großen Diplomatenschreibtisch am Fenster saßen sich zwei Herren gegenüber. Der ältere von ihnen war Seine Exzellenz, der Herr Minister, ein stattlicher Herr Mitte fünfzig, mit einem klugen, energischen Gesicht und grau meliertem Haar und Schnurrbart.

Der jüngere Herr, Rainer Ramberg, mochte jedoch auch schon über Mitte dreißig sein. Er war eine schlanke Erscheinung. Auffallend wirkten in seinem Gesicht die tief liegenden grauen Augen, die seltsam hell aus dem gebräunten Gesicht herausleuchteten und, wie eben jetzt, sehr warm und gütig blicken konnten.

Als Josta Waldow auf der Schwelle erschien, wandte er ihr seine Augen mit hellem Aufleuchten zu und sah entschieden wohlgefällig auf ihre Erscheinung, die wie das holde blühende Leben selbst erschien. Rainer Ramberg erhob sich schnell und kam ihr entgegen.

Josta streckte ihm lächelnd beide Hände entgegen. „Grüß Gott, Onkel Rainer!“

„Grüß Gott, meine liebe, kleine Josta!“

Sie maß ihre Schultern schelmisch an den seinen. „Immer noch klein? Bin ich das wirklich?“, fragte sie, sich stolz aufrichtend.

Er lächelte. „Da du noch immer zu mir aufsehen musst, habe ich doch das Recht, dich klein zu nennen. Oder willst du es mir streitig machen?“, antwortete er.

„O nein! Im Grunde habe ich es gern, dass ich deine kleine Josta bin. Ich möchte gar nicht, dass du mich anders nennst. Aber – nun will ich Papa schnell einen Kuss geben und dann verschwinden. Ihr beiden macht so schrecklich wichtige Gesichter, als ob ihr über eine Staatsaktion beraten müsstet“, sagte sie lachend, und dabei küsste sie den Vater herzlich. Dann eilte sie hinaus.

Die beiden Herren sahen ihr eine Weile nach. Dann blickten sie sich an, und der Minister sagte lächelnd: „Du siehst, Rainer, sie ist im Herzen noch das reine Kind, trotz ihrer einundzwanzig Jahre, obwohl sie mir nun schon seit drei Jahren die Hausfrau ersetzt und in Haus und Gesellschaft ihren Posten gut ausfüllt. Und wenn sie nun hört, was dich heute zu uns führt, wird sie es nicht fassen können. Bin ich doch selbst überrascht durch deine Werbung um Josta.“

Ramberg atmete tief auf. „Das heißt, du hast Bedenken Magnus? Du bist mir die Antwort schuldig geblieben.“

Sie hatten wieder Platz genommen.

„Mein lieber Rainer, wie diese Antwort von meiner Seite ausfällt, wird dir nicht zweifelhaft sein. Du hast einer Frau alles zu bieten, was selbst die anspruchvollste verlangen könnte. Du wärst auch vor dem Tode deines Vetters Rochus, dessen Nachfolger du geworden bist, eine sogenannte gute Partie gewesen. Jetzt bist du eine glänzende Partie. Und das wichtigste – ich kenne dich als einen durchaus vornehmen Charakter, weiß, dass du vortreffliche Eigenschaften als Mensch besitzt. Also wüsste ich nicht, was ich gegen deine Werbung einwenden sollte. Es fragt sich nur, ob Josta deine Frau werden will. Deine Werbung wird sie vollständig überraschen. Und wie ihre Entscheidung ausfällt, kann ich nicht wissen.“

Ramberg strich sich mit der schönen, kräftig gebauten Hand über die Stirn, als verscheuche er unbequeme Gedanken.

„Ganz offen, Magnus, auch ich habe zuvor nie daran gedacht, ihr diese Frage vorzulegen. All die Jahre habe ich den Gedanken an eine Ehe von mir gewiesen. Aber nun will das nicht mehr gehen. Ich stehe im achtunddreißigsten Jahr – und in meinem Herzen ist es nun endlich so ruhig und still geworden, dass ich den Entschluss zu einer Heirat fassen kann.“

„Das ist natürlich und verständlich, Rainer, und ich freue mich über deinen Entschluss. Er beweist mir, dass du mit der alten Geschichte fertig bist.“

„Vollständig, Magnus – sonst würde ich nicht um Josta werben. Ich will nicht sagen, dass ich ihr eine große leidenschaftliche Liebe entgegenbringe. Einer solchen Liebe ist man wohl nur einmal fähig, und dieser Sturm liegt hinter mir. Aber Josta ist mir lieb und wert, und keine andere Frau steht meinem Herzen jetzt näher. Aber ich bin mir ebenso bewusst wie du, dass Josta in mir nur immer Onkel Rainer gesehen hat. Ich bin ja auch nahezu siebzehn Jahre älter als sie. Und dann die Hauptsache – ich weiß nicht, ob ihr Herz noch frei ist. Du wirst mir das offen sagen; denn du hast mich, trotz unseres Altersunterschiedes, deiner Freundschaft gewürdigt.“

Der Minister nickte. „Ja, Rainer! Ich hatte dich immer gern! Dein treuer Freund aber bin ich geworden in jener Stunde, da ich dir eine tiefe Herzenswunde schlagen musste.“

Ramberg wehrte ab. „Nicht du hast mir diese Wunde geschlagen. Niemand hat es getan als das Schicksal selbst. Aber lassen wir das. Es liegt nun hinter mir mit allen Kämpfen und ist verwunden. Sage mir jetzt ehrlich – ist Jostas Herz frei?“

Der Minister lächelte. „Soviel ich weiß – ja.“

„Es ist fast ein Wunder, dass Josta noch frei ist. In den letzten Jahren hat sie sich zu einer außergewöhnlichen Schönheit entwickelt. Das hatte ich nie erwartet“, sagte Ramberg sinnend.

„Ja – bis über die Backfischzeit hinaus war sie eher hässlich als schön. Aber dann blühte sie plötzlich auf. Als wir sie in die Gesellschaft einführten, wurde sie gleich umschwärmt. Sie bezieht das nicht auf ihre Person, sondern auf meine Stellung. Also – soviel ich mich auf meine Augen verlasen kann, ist Jostas Herz noch frei. Ob sie deine Werbung annimmt, kann ich dir freilich nicht sagen. Meiner Einwilligung bist du sicher. Ehe du aber ihr selbst diese Frage vorlegst, möchte ich dir noch eine Eröffnung machen. Was ich dir jetzt sage, bleibt unter uns. Josta soll davon nichts wissen. Sie soll es erst nach meinem Tod erfahren. Du versprichst mir, zu schweigen?“

„Mein Wort darauf.“

„Ich danke dir. Also höre – Josta ist nicht meine Tochter!“

Überrascht fuhr Ramberg auf. „Nicht deine Tochter?“

„Josta ist die Tochter meines jüngeren Bruders Georg. Dieser war verheiratet mit einer Baronesse Halden – nur ein Jahr. Sie starb bei Jostas Geburt. Georg brachte Josta zu meiner Frau. Wir hatten damals gerade die betrübende Gewissheit erhalten, dass unsere Ehe kinderlos bleiben würde. Meine Frau, die sehr kinderlieb war, nahm sich Jostas mit wahrhaft mütterlicher Zärtlichkeit an. Mein Bruder war nicht sehr vermögend. Aber er war leicht entflammt für Frauenschönheit, und da er selbst ein bildschöner Mensch war, verwöhnten ihn die Frauen sehr. Josta ist ihm sehr ähnlich geworden, sie hat seine Augen und die Farbe seines Haares geerbt, aber im Wesen und Charakter gleicht sie mehr ihrer Mutter. Diese hatte mein Bruder in seiner leidenschaftlichen Art sehr geliebt, und ihr früher Tod brachte ihn der Verzweiflung nahe. Er wollte Josta nicht sehen, weil sie ihrer Mutter das Leben gekostet hatte.

Es war noch kein Jahr vergangen nach dem Tode seiner Frau, da verliebte er sich sinnlos in eine junge Sängerin. Georg gab ihretwegen seinen Beruf auf und heiratete sie, obwohl wir alles taten, ihn davon zurückzuhalten. Er ging mit seiner Gattin nach Amerika, wo sie ein glänzendes Engagement angenommen hatte. Schon vorher hatte er uns alle Rechte an Josta abgetreten. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Zwei Jahre später schickte mir seine Gattin, die drüben unter ihrem Mädchennamen auftrat, eine Anzeige vom Tode meines Bruders und eine Zeitungsnotiz, aus der ich ersah, dass Georg im Duell mit einem Mann gefallen war, der in einer Gesellschaft die Tugend seiner Frau in Zweifel gezogen hatte. Georgs Witwe hatte es verschmäht, nur ein Wort hinzuzufügen – wahrscheinlich, weil wir uns gegen Georgs Heirat aufgelehnt hatten. Ich ließ mir die Todesnachricht meines Bruders amtlich bestätigen. Von seiner Witwe hörte ich nie wieder etwas.

Josta haben wir adoptiert. Und um ihr die Unbefangenheit zu erhalten und nichts Fremdes zwischen uns treten zu lassen, haben wir ihr nie gesagt, dass sie nicht in Wirklichkeit unsere Tochter war. Aber du musst das natürlich wissen, wenn du um Jostas Hand anhalten willst. Bei meinem Testament, das Josta zu meiner Universalerbin einsetzt, liegt ein an Josta geschriebenes Schreiben, in dem ich ihr selbst diese Einhüllung mache. So, Rainer – nun habe ich dir nichts mehr zu sagen.“

Ramberg hatte aufmerksam zugehört. An seinem Entschluss, um Jostas Hand anzuhalten, änderte diese Eröffnung jedoch nichts. Er richtete sich mit einem tiefen Atemzug auf. „Du siehst mich natürlich überrascht, lieber Magnus. Es erscheint mir ganz unfassbar, dass Josta nicht deine Tochter ist. Ein innigeres Verhältnis zwischen Kind und Eltern habe ich nirgends gefunden. Ich bleibe bei meiner Werbung.“

Der Minister reichte ihm die Hand. „Ich will sie nun rufen lassen.“ Er drückte die elektrische Klingel auf seinem Schreibtisch. Der Diener erschien.

„Melden Sie meiner Tochter, dass ich sie bitten lasse, sogleich in den grünen Salon zu kommen.“

Der Diener verschwand, und der Minister wandte sich an Ramberg. „So, mein lieber Rainer. Du begibst dich wohl in den grünen Salon hinüber. Was du mit Josta zu besprechen hast, geschieht am besten ohne Zeugen.“

Mit einem Händedruck schieden die beiden Männer.

***

Als Josta ihren Vater und Ramberg verlassen hatte, war sie in froher Stimmung in ihr Zimmer geeilt. Ihre Augen strahlten vor Freude über den Besuch Onkel Rainers.

Wie immer freute sie sich recht von Herzen darauf, dass sie Onkel Rainers Gesellschaft einige Tage würde genießen können. Seit ihren Kindertagen war ihr Onkel Rainer der Inbegriff von allem Guten, Lieben und Schönen. Ihm gehörte ihre kindliche Freundschaft, ihm die erste Backfischschwärmerei. Als sie dann älter wurde, trat an Stelle ihrer Backfischschwärmerei eine bewusste Wertschätzung und Freundschaft. Sie verglich im Stillen alle Männer, die sich ihr nahten, mit Onkel Rainer, und nie wäre ihr eingefallen, an ihn wie an einen Mann zu denken, dessen Frau sie werden könnte! Sie dachte überhaupt nicht wie andere Mädchen ans Heiraten, sondern malte sich aus, dass sie in Ruhe und Frieden in Waldow sitzen, jeden Tag Onkel Rainer besuchen und mit ihm plaudern würde.

Deshalb war es ihr gar nicht recht gewesen, dass er nach dem jähen, unerwarteten Tod seines Vetters Rochus nach Schloss Ramberg übersiedelte und nicht mehr auf dem Waldow benachbarten Gute Schellingen, das seine Mutter in die Ehe gebracht hatte, war. Sehr rasch hintereinander waren alle Anwärter gestorben, zuletzt Rochus Ramberg, und dieser hatte eine schöne junge Witwe hinterlassen, Gerlinde.

In die Einkünfte von Schellingen musste Rainer sich mit seinem Bruder Henning teilen. Beide liebten sich sehr. Der jüngere Bruder sah in dem älteren ein leuchtendes Vorbild, während Rainer fast väterlich für Henning empfand.

Josta kannte natürlich auch Henning seit ihrer Kinderzeit, war aber mit diesem schon seit fast sechs Jahren nicht mehr zusammengetroffen, und so hatte er nur als Onkel Rainers Bruder einige Bedeutung für sie.

Nachdem Josta eine Weile zum Fenster hinausgesehen hatte, klingelte sie ihrer Zofe und ließ sich umkleiden.

„Ein weißes Kleid will ich anziehen, Anna“, sagte sie.

Onkel Rainer hatte ihr bei seinem letzten Besuch gesagt: „Du müsstest immer weiße Kleider tragen, Josta.“

Bald war sie fertig und stellte sich einen dunklen Fliederzweig im Gürtel befestigend, vor den Spiegel. Weich und anmutig schmiegte sich der weiße Stoff ihres Kleides um ihre edel gegliederte Gestalt.

Gerade, als sie ihr Boudoir betrat, meldete ihr der Diener, dass Seine Exzellenz sie in den grünen Salon bitten lasse.

Als sie eintrat, stand Ramberg am Fenster und sah durch die Spitzenstores hinaus. Schnell wandte er sich um und ging ihr entgegen.

„Ist Papa nicht hier?“, fragt sie harmlos.

„Nein, Josta – er hat Staatsgeschäfte“ antwortete er. Zum ersten Male betrachtete er sie mit den Augen eines Mannes und wurde sich ihrer Schönheit so recht bewusst.

Josta seufzte. „Ach die leidigen Staatsgeschäfte.“

„Bist du sehr ungehalten, dass du mich allein hier findest?“

Sie lachte schon wieder. „Ach was du denkst, Onkel Rainer! Nein, von Herzen froh bin ich, dass ich wenigstens deine Gesellschaft genießen darf. Du bleibst doch zu Tisch?“

„Wenn du mich nicht fortschickst, gern.“ Er atmete tief und wurde noch unruhiger. „Ich weiß doch nicht, Josta, ob du mich nicht in einigen Minuten gehen lassen wirst.“

Sie schüttelte verwundert den Kopf. Fragend sah sie ihn an.

„Mir ist feierlich zumute, Josta, und ein wenig bange. Ich bin heute gekommen, dir eine ernste Frage vorzulegen. Und nun, da ich es tun will, meine ich, du müsstest mich auslachen.“

„Auslachen? Wenn du eine ernste Frage an mich richtest? Wie sollte ich denn? So sprich doch nur – was ist es denn?“

Er richtete sich entschlossen auf und sah sie fest an. „Josta – willst du meine Frau werden?“

Sie zuckte zusammen, und ihr junges Antlitz wurde plötzlich bleich. Ihre großen schönen Augen sahen mit einem unruhig forschenden Blick in die seinen. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück. „Onkel Rainer – so darfst du nicht scherzen“, sagte sie mit verhaltener Stimme.

„Es ist mein Ernst, Josta“, antwortete er leise, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck leichter Entmutigung.

Josta stand reglos, wie gebannt. Ein leises Zittern lief über sie dahin. „Onkel Rainer“, sagte sie noch einmal. Hilflos sah sie zu ihm auf. „Ich bin so erschrocken, ich – nein – wie hätte ich je daran denken müssen. Du und ich – ach, Onkel Rainer, ich bin doch so ein dummes Ding.“

In seinem Herzen war ein tiefes schmerzliches Bedauern.

„Also – ich soll für dich Onkel Rainer bleiben, du könntest dich nicht entschließen, mir einen anderen Namen zu geben?“

Sie sah in sein Gesicht, unsicher, befangen und zaghaft. „Ach – ich weiß nicht. Das kommt so überraschend.“

„So sage mir wenigstens, ob dein Herz noch frei ist, ob du keinen anderen liebst.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich liebe niemand als  …“ Sie stockte. Als dich, hatte sie sagen wollen. Aber das wollte jetzt nicht über ihre Lippen. Bisher hatte sie nie daran gedacht, ihm etwas zu verbergen. Nun musste sie es tun, einem inneren Zwang folgend. „Niemand als Papa“, vollendete sie hastig.

„Und mich hast du gar nicht ein wenig lieb, kleine Josta?“, fragte er weich.

Sie atmete. schnell und hastig. „Doch, das weißt du, dich habe ich immer lieb gehabt.“

„So frage ich doch nochmals willst du meine Frau werden?“

Ihre dunklen Augen sahen ernst und fragend in die seinen.

„Warum fragst du mich das, O  …?“ Nein – „Onkel“ konnte sie ihn jetzt nicht nennen; es wollte ihr nicht über die Lippen.

„Warum ich dich bitte, meine Frau zu werden?“, erwiderte er schnell. „Weil ich keine Frau wüsste, die ich lieber heiraten möchte als dich.“

„Aber warum willst du so plötzlich heiraten? Ich habe immer gedacht, du wirst es nie tun,“ sagte sie hastig.

Er musste lächeln. „Es ist die Sehnsucht jeden Mannes, jemanden zur Seite zu haben, zumal wenn man auf einer so verantwortungsvollen Stelle steht. Lange genug habe ich schon gezögert. Nun wird es hohe Zeit. Nicht wahr, ich erscheine dir schon reichlich alt zum Heiraten?“

Sie schüttelte den Kopf. „Du bist doch nicht alt; aber als Onkel Rainer warst du mir immer so vertraut.“

„Könnte ich dir nicht noch mehr sein? Vermagst du dich zu entschließen, meine Frau zu werden, oder muss ich betrübt mit einem „Nein“ von hier gehen?“

„Ich möchte dich um alles nicht betrüben“, sagte sie leise.

„So willigst du ein?“

Einen Augenblick schwankte sie noch, dann aber sagte sie hastig, als fürchte sie, nochmals unschlüssig zu werden:

„Wenn du es willst – so willige ich ein.“

Da erst zog er ihre Hand an seine Lippen, und dann legte er den Arm um sie und wollte sie auf den Mund küssen. Aber sie neigte schnell, wie in instinktiver Abwehr, das Haupt, und seine Lippen berührten nur ihre Stirn. Er merkte, dass sie ihm auswich, und das weckte eine seltsame Unruhe in ihm.

„Ich danke dir herzlich für dein Vertrauen, meine liebe kleine Josta. Ich war sehr bange, dass du mir einen Korb geben würdest“, sagte er herzlich.

Ehe sie etwas erwidern konnte, trat der Minister ein und sah fragend auf die beiden. Josta flüchtete in seine Arme, als suche sie Schutz vor sich selbst. „Papa – lieber Papa!“

Der Minister wechselte über ihren Kopf hinweg einen Blick mit Ramberg. Dieser neigte bejahend das Haupt. Da schloss der Minister seine Tochter fest in seine Arme.

Ramberg trat heran. „Josta hat mir ihr Jawort gegeben. Nun sei du mir ein treuer Vater, wie du mir bisher ein väterlicher Freund warst, und gib uns deinen Segen“, bat er ernst.

Schweigend legte der Minister die Hände beider ineinander. Und dann sagte er warm: „Gott segne euch beide!“

Josta war es zu eng in der Brust. Sie fühlte, dass sie jetzt, wenigstens einige Minuten, mit sich allein sein müsse. Sie küsste den Vater und stammelte eine hastige Entschuldigung. Dann ging sie schnell hinaus und sank im Nebenzimmer in einen Sessel. Die Hände fest auf das klopfende Herz gepresst, saß sie das und lauschte in sich hinein, bis von drüben die Stimmen der beiden Männer an ihr Ohr drangen.

Die beiden Herren hatten keine Ahnung, dass Josta im Nebenzimmer saß. So wurde sie Zeugin ihres Gespräches.

Zuerst sprach ihr Vater. „Mein lieber Rainer, es macht mich sehr glücklich, dass ich meine Tochter an deinem Herzen geborgen weiß. Wenn du mir auch offen gesagt hast, dass du Josta nicht leidenschaftlich liebst, wenn ich auch weiß, dass du dein Herz nur mit Schmerzen losgerissen hast von der Frau, der deine große Liebe gehörte, so weiß ich doch auch, dass du meine Josta immer hochhalten und deine Hände über sie breiten wirst. Und so hoffe ich, dass ihr glücklich miteinander werdet.“

„Das wünsche und hoffe ich auch“, erwiderte Ramberg ernst, „und was in meiner Macht steht, will ich tun, dass sie es niemals zu bereuen braucht, mir ihre Hand gereicht zu haben. Was ich ihr vielleicht innerlich schuldig bleiben muss, hoffe ich ihr durch Äußerlichkeiten zu ersetzen.“ So sagte Rainer ruhig und klar, und jetzt, da Josta nicht zugegen war, fühlte er sich auch sehr ruhig. Josta hatte jedes dieser Worte gehört. Sie war wie gelähmt. Rainers Herz gehörte einer anderen Frau, einer Frau, von der er sich schweren Herzens losgerissen hatte. Warum hatte er sie nicht zu seiner Frau gemacht? Sie war wohl unerreichbar für ihn aus irgendeinem Grund. Und nun – nun war sie seine Braut geworden. Warum? Warum hatte er gerade sie erwählt?

Und dann dachte sie daran, dass sie von den beiden Männern hier entdeckt werden könnte. Das durfte nicht sein, sie durften nicht ahnen, dass sie ihr Gespräch belauscht hatte. Mit einiger Anstrengung erhob sie sich, trat auf den Korridor hinaus und eilte auf ihr Zimmer. Dort saß sie eine ganze Weile und lauschte in sich hinein, und dabei kam sie zur Erkenntnis ihrer eigenen Empfindungen, dass sie Rainer von jeher geliebt und es nur nicht gewusst habe. Und dass ihr alle Männer nur deshalb so gleichgültig gewesen waren.

Wie ein helles Licht war es in dieser Stunde in ihr bisher so unklares Denken und Empfinden gefallen, und diese Klarheit erschreckte sie mehr, als sie beglückte.

„Nein – ich kann seine Frau nicht werden, nicht mit der Gewissheit, dass ich ihn liebe und dass er mir im Herzen so ruhig und gelassen gegenübersteht. Wie soll ich es ertragen, dass sein Herz einer anderen gehört? Nein – das kann ich nicht.“

Und sie wollte hinuntereilen und ihm sagen, dass sie seine Frau nicht werden könne. Aber ehe sie die Tür ihres Zimmers erreicht hatte, stockte sie und konnte nicht weitergehen. Wenn ich ihm das sage, dann wird er gehen und vielleicht niemals wiederkommen. Und – dann wird er bald eine andere Frau an seine Seite nehmen, eine, die zufrieden ist mit dem, was er ihr bietet. – Der Gedanke, dass er eine andere heiraten könnte, war ihr unerträglich.

Sie fiel in ihren Sessel und faltete die Hände wie im Gebet: „Vielleicht lernt er es doch eines Tages, mich zu lieben – so wie ich von ihm geliebt sein möchte.“

Diese Hoffnung belebte sie. Aufatmend erhob sie sich. Sie musste nun wieder hinübergehen zum Vater und zu dem Verlobten. Sie würden sich sonst über ihr langes Ausbleiben Gedanken machen.

Als sie gleich darauf wieder den grünen Salon betrat, schien sie ruhig und unbewegt. Und zum ersten Mal in ihrem Leben zeigte sie sich gegen den Vater und Ramberg anders, als sie war.

Die beiden Herren hatten inzwischen allerlei Gespräche über die Veröffentlichung der Verlobung und den Termin der Hochzeit geführt. Sie hatten den 10. Juli dafür in Aussicht genommen und fragten Josta, ob sie einverstanden sei. Sie bejahte ruhig, obwohl sie darüber erschrak, dass die Zeit so kurz bemessen war.

Rainer gab sich seiner Braut gegenüber mit der feinen, liebenswürdigen Artigkeit, die so bestrickend bei ihm wirkte, und suchte sie durch harmlose Scherze aufzuheitern. Er wollte Josta die Unbefangenheit vor allen Dingen wiedergeben. Sie nahm das scheinbar heiter auf.

Und so täuschten sich die beiden Verlobten eine große Herzensruhe vor, die sie beide gar nicht empfanden.

***