Hedwig Courths-Mahler - Folge 155 - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler - Folge 155 E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Baron Valberg ist nicht wenig erstaunt, als eines Tages seine Tochter vor der Tür steht. Seit seiner Scheidung hat er Rita nicht mehr gesehen. Damals war sie noch ein Kind, jetzt aber ist sie eine junge Dame. Und sie verlangt, für immer bei ihm bleiben zu dürfen. Valbergs erste Freude wandelt sich in Besorgnis. Was soll er mit Rita anfangen? Und was wird die Gesellschaft sagen, wenn er, der Frauenliebling, plötzlich mit einer erwachsenen Tochter auf den Festen erscheint? Verzweifelt sinnt der Baron auf einen Ausweg. Und er findet ihn. Rita muss so schnell wie möglich heiraten! Und er weiß auch schon wen: seinen Neffen Günter, der dafür der alleinige Besitzer des Majorats Valberg werden soll. Der Plan des Barons scheint aufzugehen - wäre da nicht eine eifersüchtige Frau, die alles daransetzt, Viktor Valbergs Neffen für sich zu erringen...

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Seitenzahl: 157

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Inhalt

Cover

Impressum

Dein ist mein Herz

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2186-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Dein ist mein Herz

Wie der Hass einer eifersüchtigen Frau ein junges Glück bedrohte

Baron Viktor Valberg war gestern von einer längeren Reise zurückgekehrt. Im Herbst war er nach Tirol gegangen, um die übliche Traubenkur zu absolvieren. Danach hatte er einen Winterkurort aufgesucht, um sich durch Wintersport für die kommende Ballsaison zu stärken. Er hatte seinem Körper Elastizität, seinen Nerven Spannkraft zurückerobert und war äußerst befriedigt wieder heimgekehrt.

Soeben stand er, schlank und geschmeidig, im elegantesten Besuchsdress, vor dem Ankleidespiegel. Er warf einen letzten prüfenden Blick auf die eigene Erscheinung und war zufrieden. Niemand hätte ihm ansehen können, dass er bereits die Fünfzig überschritten hatte.

Die gut geschnittenen Züge zeigten noch nicht die geringsten Anzeichen des Alterns. Voll und dicht bäumte sich das leicht gewellte Haar über der hohen Stirn, in die keine Sorgen Runen eingegraben hatten. An den Schläfen lag nur ein ganz leichter grauer Hauch über dem schwarzen Haar, so als wäre eine Puderquaste darüber hinweggehuscht. Dieses einzige kleine Anzeichen gab indes seiner Persönlichkeit eher noch eine interessante Note als dass es das Alter verraten hätte.

Die jugendlich blitzenden, feurigen Augen straften diesen grauen Hauch Lügen, ebenso die Bewegungen der schlanken mittelgroßen Gestalt, an der jeder Muskel von Stahl zu sein schien.

Baron Viktor Valberg war ein Liebling der Frauen, ein Sieger, dem alle Herzen zuflogen und der nicht einer von all den schönen Frauen, die ihm ihr Herz geschenkt hatten, die Treue halten konnte. Es gefiel ihm eine immer besser als die andere, und weil er eben jede, die ihm gefiel, zu erobern wusste, fand sein flatterhaftes Herz keine bleibende Stätte.

Vor nahezu zwanzig Jahren hatte Valberg einmal besonders stark Feuer gefangen. Er hatte sich mit einer bei seinem Naturell ungewöhnlichen Heftigkeit in das blonde Fräulein von Rippach verliebt. In dieser Verliebtheit vergaß er die nötige Vorsicht, und die schöne Lisa von Rippach streifte dem Schmetterling flugs Fesseln über, die ihn für alle Zeiten binden sollten.

Baron Viktor zog die Konsequenzen, ergab sich mit leidlicher Haltung seinem Schicksal, verspottete sich selbst in wenig schmeichelhaften Selbstgesprächen – und schritt nicht gerade freudig zum Altar.

„Ich ahne, dass die Sache schief geht, und bin neugierig, wie lange ich diese Ehefesseln ertragen werde“, hatte er damals zu einem Freund gesagt. Lisa aber war sehr stolz und sonnte sich im Neid ihrer weniger glücklichen Geschlechtsgenossinnen.

Valberg hatte mit seiner jungen Frau, auf deren Wunsch, sein Domizil in Düsseldorf aufgeschlagen, wo auch seine Schwiegereltern lebten.

Einige Zeit versuchte er sein Dasein als Ehemann mit Würde zu tragen. Aber das gelang ihm nur mangelhaft. Auch in Düsseldorf gab es viele schöne Frauen, und er blieb seiner Schmetterlingsnatur treu.

Dann erfüllte sich seine Vorahnung – die Sache ging „schief“. Drei Jahre nach seiner Verheiratung ließ sich Lisa von ihrem Gatten scheiden. Er hatte ihr reichlich Veranlassung dazu gegeben.

Das einzige Kind, das dieser Ehe entsprossen war, ein Mädchen, wurde Lisa zugesprochen, die mit ihrem Kind zu ihren Eltern zurückging.

Valberg war eine Weile ehrlich zerknirscht. Doch lange hielt seine Zerknirschung nicht an. Er fühlte sich viel zu glücklich, wieder fessellos und unabhängig zu sein, und legte sich selbst die heiligsten Eide ab, sich nie wieder zu verheiraten.

In den ersten Jahren erkundigte er sich höflich, aber ohne innere Anteilnahme bei den Eltern seiner geschiedenen Frau nach dem Ergehen seines Kindes. Er machte auch von seinem Recht, es von Zeit zu Zeit zu sehen, Gebrauch, obwohl ihm seine ehemalige Schwiegermutter, die diesen Wiedersehen beiwohnte, diese Stunden wenig angenehm machte.

Er hörte dann, dass seine Frau sich wieder verheiratet und ihr Kind aus erster Ehe im Hause ihrer Eltern gelassen habe. Dann starb sein Schwiegervater, und nach dessen Tod sah er sein Töchterchen nur noch einmal. Die Großmutter des Kindes benahm sich bei diesem Wiedersehen so feindlich, dass er ihr rundheraus erklärte, er habe kein Talent, sich wie ein Schuljunge maßregeln zu lassen, und wenn er auch der schuldige Teil bei der Trennung der Ehe gewesen sei, so verzichte er doch lieber ganz auf das Wiedersehen mit seinem Töchterchen, als dass er sich weiter solchen Widrigkeiten aussetze.

Er nahm darauf zärtlichen Abschied von seinem damals sechsjährigen Töchterchen, beschenkte es reich mit allerlei, was einem Kinderherzen Freude machen kann, und sagte zu der Kleinen:

„Wenn du groß bist, Maus, dann besuchst du deinen Papa, der dich sehr, sehr lieb hat. Bis dahin auf Wiedersehen.“

Wenige Jahre später starb auch seine Schwiegermutter, und seine ehemalige Gattin nahm ihre Tochter aus erster Ehe zu sich. Er sah und hörte fortan nichts mehr von seinem Kind.

Er hatte sich, in seine Heimatstadt zurückgekehrt, eine reizende Villa bauen lassen, die geradezu ideal als Junggesellenheim ausgestattet war. Seine Vermögensverhältnisse gestatteten ihm jeden Luxus. Er hatte von seiner verstorbenen Mutter ein Vermögen geerbt, das ihn zum Millionär machte. Seine Mutter war eine geborene Gräfin Gelderloh gewesen, die seinen Vater als vermögenslosen Offizier geheiratet hatte. Sein Vater hatte tatsächlich nichts besessen als seine bestrickende Persönlichkeit, sein Offizierspatent und – die Anwartschaft auf das Majorat Valberg, das einem kinderlosen Onkel gehörte. Dieser hatte jedoch den Neffen überlebt, und Baron Viktors Vater war als Major gestorben, bis zuletzt unabhängig vom Vermögen seiner reichen Frau.

Baron Viktor erbte dann von seiner Mutter das große Vermögen und kurz nach seiner Scheidung auch das Majorat Valberg. Fast empfand er es als eine Last, Majoratsherr zu sein, denn mit den Rechten waren auch mancherlei Pflichten verbunden. Und Pflichten verkörperten für den Freiheitsdurstigen einen Zwang – und jeder Zwang war ihm verhasst.

Zum Glück war er wenigstens nicht der letzte Valberg und hatte es nicht nötig, für einen Namenserben zu sorgen. Lieber hätte er auf das Majorat verzichtet, als nochmals eine Ehe einzugehen. Ein Vetter von ihm hatte einen Sohn hinterlassen. Dieser, Baron Günter Valberg, lebte in der gleichen Stadt wie Viktor. Er war Offizier und völlig vermögenslos. Baron Viktor betrachtete es als Ehrensache, diesem künftigen Majoratsherrn von Valberg einen anständigen Zuschuss zu gewähren.

Ein eigenartiges Verhältnis bestand zwischen Baron Viktor und Baron Günter. Sie verstanden sich sehr gut. Obwohl Baron Günter erst dreißig Jahre zählte und kein Kopfhänger war, sondern ein frisches, junges Blut, wirkte er doch wie der Vernünftigere von beiden. Ihm fehlte der Leichtsinn Baron Viktors.

Baron Günter hätte sich, da ihn Baron Viktor so nobel unterstützte, recht zufrieden fühlen können, wenn ihm nicht das Glück – oder das Malheur passiert wäre, sich in eine junge Dame zu verlieben, die genauso arm war wie er. Diese Liebe wurde zwar erwidert, aber er musste sich doch sagen, dass sie so gut wie aussichtslos war. Auf die ungewisse Zukunft hin, einst Majoratsherr von Valberg zu werden, konnte er keine Ehe schließen, denn erstens war Baron Viktor noch sehr rüstig, und zweitens war es nicht ausgeschlossen, dass dieser sich noch einmal verheiratete und einem Sohn das Leben gab.

Baron Viktor wollte heute eine Visitentour absolvieren und sich bei seinen zahlreichen Freunden und Bekannten von seiner Reise zurückmelden. Vorher aber erwartete er Baron Günter, den er zu sich bitten ließ, weil er ihn zuerst begrüßen wollte und zugleich etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen hatte.

Eben hatte er sich aus seinem Ankleidezimmer in einen der kleinen Salons begeben, als ihm Baron Günter Valberg gemeldet wurde.

Baron Viktor hatte sich mit tadellos geschulter Dienerschaft umgeben, die jeden Fingerzeig von ihm verstand. Günter wurde hereingelassen.

Er war eine schlanke Erscheinung, den die Uniform vorzüglich kleidete. Etwas größer als Baron Viktor, hatte Günter auch breitere Schultern, und sein gebräuntes Gesicht zeigte energischere Züge als die des Onkels.

Dieser erhob sich. Mit festem Händedruck begrüßten sich die beiden Herren.

„Pünktlich wie immer, mein lieber Günter“, sagte Viktor lächelnd.

„Ich konnte kaum die Zeit erwarten, dich zu begrüßen, Onkel Viktor. Ich freue mich, dass du so wohl und munter zurückgekehrt bist.“

„Und so weiter und so weiter“, fiel Viktor dem jungen Mann in die Rede. „Strapazier dich nicht, mein Junge! Ich kann mir wirklich nicht denken, dass es dich sonderlich freut, meine zähe Konstitution zu bemerken.“

Günter lächelte: „Wenn ich dir auch mit neun heiligen Eiden versichere, dass es dennoch der Fall ist, glaubst du es mir doch nicht. Aber das wirst du mir wenigstens glauben, dass ich mich freue, dass du wieder hier bist. In deiner Abwesenheit ist mir dieses herrliche Tuskulum verschlossen, und ich kann mich nicht an den Leistungen deines Kochs erfreuen.“

Viktor nickte.

„Schön, das wenigstens will ich dir glauben. Aber nimm Platz!“

Sie setzten sich, und Baron Viktor fuhr fort:

„Siehst du, mein Junge, dir gegenüber habe ich, wie bei keinem anderen Menschen, das verdammt fatale Gefühl, dass ich dir im Wege stehe – dass ich dir, so lange ich lebe, den Platz an der Sonne raube. Es wäre direkt ein märchenhafter Edelmut, wenn du dich über meine elastische Konstitution freutest. Nein, verteidige dich nicht! Dir müsste es, da du auch nur ein Mensch bist, viel erfreulicher sein, wenn ich ein gebrechlicher Mummelgreis wäre, dem man das Ende seiner Tage ansehen könnte.“

Günter lachte. „Du als Mummelgreis – hoffentlich erlebe ich das noch! Um aber den Stier bei den Hörnern zu fassen, lieber Onkel: Lass dir sagen, dass ich durchaus nicht mit einem Auge nach der Erbschaft des Majorats schiele, während ich in dem anderen eine Freudenträne über dein Wohlbefinden zerdrücke. Ich bin zwar nur ein armer Schlucker, aber trotzdem ein anständiger Kerl, der seinem Wohltäter ehrlichen Dank weiß. Glaub’s oder glaub’s nicht – es ist so. Punktum. Und nun spiele bitte nicht wieder darauf an, dass du mich für einen heuchlerischen Erbschleicher hältst.“

Das sagte der junge Mann ganz gelassen und ruhig. Viktor reichte ihm vergnügt die Hand. „Schön, da hätte ich meine Standpauke weg. Das nenne ich wirklich den Stier bei den Hörnern fassen. Du bist ein famoser Kerl, Günter. Aber ‚Punktum‘ kann ich trotzdem nicht hinter diese Angelegenheit setzen. Ich habe dich nämlich heute rufen lassen, um dir einen Vorschlag zu machen.“

Günter sah ihn fragend an. „Du siehst mich sehr gespannt, Onkel Viktor.“

„Hm! Gleich sollst du alles hören. Aber erst wollen wir uns eine Zigarette anzünden – bitte bediene dich! Willst du einen Kognak? Nicht – auch gut. So, nun brennen die Opferflammen. Also nun hör zu! Ich fühle schon lange, dass ich meine Pflichten als Majoratsherr nur sehr mangelhaft erfülle. Dieses verwünschte Majorat hängt mir wie ein Klotz am Bein und behindert mich in meiner Freiheit. Du weißt, was ich für ein Freiheitsfanatiker bin. Jeder Zwang ist mir verhasst. Was ich freiwillig mit Vergnügen tue, wird mir sofort zum Gräuel, wenn ich’s tun muss. Und trotz meiner mangelhaften Pflichterfüllung habe ich eine Menge Scherereien mit Valberg. Und jetzt droht mir wieder allerhand. Der Administrator, der seit vierzig Jahren seinen Posten ausfüllte, will sich zur Ruhe setzen, was man ihm mit seinen siebzig Jahren auch nicht übel nehmen kann. Nun soll ich einen Ersatz schaffen. Guter Gott, das ist leicht gesagt. Mir wird übel, wenn ich daran denke, was mir da alles bevorsteht. Der alte Administrator hatte alles am Schnürchen, ihn konnte man mit der größten Ruhe schalten und walten lassen. Aber einem neuen Beamten kann man doch nicht so ohne weiteres vertrauen und ihn ohne Aufsicht lassen! Leuchtet dir das ein?“

Günter war aufmerksam seinen Worten gefolgt. „Gewiss, Onkel Viktor, vollkommen. Du müsstest unbedingt einen längeren Aufenthalt in Valberg nehmen, wenn ein neuer Administrator eingestellt würde.“

Viktor nickte. „Siehst du wohl – ich müsste – müsste sogar unbedingt! Aber es fällt mir gar nicht ein, mich mit diesem ‚Muss‘ herumzuquälen. Das Landleben ist mir schon, wenn ich’s mal freiwillig genieße, suspekt. Ich gähne mich zuschanden, wenn ich mal acht Tage in Valberg sitzen muss.“

Günter lachte. Dann sagte er, tief aufatmend:

„So verschieden sind die An sichten. Ich kann deine Aversion gegen das Landleben nicht begreifen. Valberg ist doch so wunderschön und liegt in der herrlichsten Gegend! Das Schloss ist komfortabel eingerichtet – hat sogar elektrisches Licht. Der prachtvollste Jagdgrund steht dir zur Verfügung, und es sitzen in der Nachbarschaft doch einige nette, liebenswürdige Menschen, mit denen sich’s leben lässt.“

Viktor machte ein sonderbares Gesicht.

„Na, über Geschmack lässt sich nicht streiten. Vielleicht fände ich das alles auch sehr nett – wenn es nicht sein müsste. Übrigens die Nachbarschaft – außer Cronersheim liegt alles ziemlich weit ab. Und nicht eine einzige hübsche Frau auf Meilen im Umkreis. Der Croner von Cronersheim ist mit seinen fünfundvierzig Jahren auch noch Junggeselle und nicht viel zu Hause. Außerdem ist mir der Mensch widerwärtig, ein unangenehmer Maulheld. Also viel angenehmer Verkehr ist da nicht zu haben.“

„Trotzdem – Valberg selbst entschädigt für alles.“

„So, so. Also du fändest es nicht schrecklich, den größten Teil deines Daseins in Valberg verbringen zu müssen?“

Günter lachte: „Durchaus nicht – im Gegenteil! Wenn du mich diesen Sommer einige Wochen Urlaub dort verbringen lassen willst, bin ich sofort einverstanden.“

„Hm! Nun ja – so ein Urlaub! Aber sag mal, du bist doch mit Leib und Seele Soldat. Du würdest dich natürlich bedanken, als Krautjunker in Valberg Kohl zu bauen – ich meine für den Fall, dass man dich vor die Wahl stellte.“

„Lieber Onkel, ich bin mit Leib und Seele Soldat, weil es nun mal mein Beruf ist und weil ein Mann seinen Beruf hochhalten und nach besten Kräften erfüllen soll. Aber ich kann dir sagen, dass ich mit Wonne meinen Kohl selber bauen würde, wenn ich nur die kleinste Klitsche mein Eigen nennen könnte.“

Viktor sah lächelnd in sein leuchtendes Gesicht und legte seine nervige Hand auf Günters Schulter.

„Junge, warum hast du mir diese schwärmerische Vorliebe für die Landwirtschaft nicht längst verraten?“

„Du hast mich ja noch nie darum gefragt, und ich konnte nicht wissen, dass dich das interessierte. Das sind so stille Liebhabereien, die man verschwiegen in der Brust trägt, weil sie unerfüllbar sind.“

Viktor schüttelte energisch den Kopf.

„Aber durchaus nicht, mein Junge! Jetzt kommen wir langsam auf den Kern der Sache. Also, gesetzt den Fall, du würdest heute Majoratsherr von Valberg, so würdest du deinen Abschied nehmen und Valberg selbst bewirtschaften?“

Günter nickte, ahnungslos, worauf sein Onkel hinauswollte. Eine Weile sah Viktor nachdenklich in sein Gesicht. Dann sagte er rasch:

„Na also, dann kann ich mich ja kurz fassen. Also höre, mein Junge, was ich dir für einen Vorschlag machen will, damit du nicht erst sehnsüchtig auf meinen Tod zu warten brauchst! Du übernimmst schon jetzt, zu meinen Lebzeiten, das Majorat Valberg unter folgenden Bedingungen: Du arbeitest dich unter der Leitung des alten Administrators in diesem Jahr, so lange er noch bleibt, ein, damit dir der neue Administrator keine Flausen vormachen kann. Du übernimmst dann die Oberleitung und verwaltest das Majorat so, dass mein Nachfolger, also du selbst, damit zufrieden ist. Für den Fall, dass ich auf meine alten Tage doch noch Geschmack am Landleben finden sollte, werden mir im Schloss Valberg auf Lebenszeit eine Reihe Gemächer reserviert, über die ich jederzeit verfügen kann. Die Einkünfte aus dem Majorat gehören zur Hälfte dir, zur Hälfte mir. So, das wäre das Wesentlichste vorläufig. Gehst du darauf ein, so bin ich die Sorge um das Majorat los und weiß es in den besten Händen. Und du wirst schon jetzt Majoratsherr, kannst schalten und walten, wie du willst, und hast für deine Mühe auch ein größeres Einkommen als bisher, denn du weißt ja, dass Valberg sehr ertragfähig ist. Was sagst du zu diesem Vorschlag?“

Günters Gesicht war etwas bleich geworden. Wie eine Fata Morgana stieg es vor ihm auf. Er dachte an das Mädchen, das er liebte. Dieser Vorschlag bot ihm eine Möglichkeit, ohne Sorge einen Hausstand zu gründen. Es war ein glänzendes Anerbieten, das ihn wohl verlocken konnte. Aber er sträubte sich, es ernsthaft für möglich zu halten.

Eine Weile sah er mit großen Augen seinem Onkels ins Gesicht, dann atmete er hastig auf und sagte mit erzwungener Ruhe:

„Du sahst mich einen Moment fassungslos, Onkel Viktor. Wenn einem armen Schlucker plötzlich das Große Los geboten wird, so verschlägt es ihm den Atem. Ich weiß ja so ungefähr zu taxieren, was du da verschenken willst. Es ist kein Wunder, wenn mir dabei das Blut ein wenig rebellisch wurde. Aber wenn das von dir kein Scherz ist, so ist es doch wohl nicht reiflich bedacht, mir solch ein Angebot zu machen.“

Viktor schüttelte den Kopf. „Keineswegs, mein Junge, es ist reiflich überlegt. Ich weiß, dass Valberg in deinen Händen besser aufgehoben ist als in den meinen. Und ich bin, wie du weißt, reich genug, um auf die Hälfte der Einkünfte von Valberg verzichten zu können.“

Günter strich sich über die Stirn.

„Ja, das mag alles sein. Aber du hast vergessen, mit einem Faktor zu rechnen.“

„Mit welchem Faktor?“

„Dass du dich noch einmal verheiraten und einen männlichen Erben bekommen könntest.“

Viktor machte eine abwehrende Bewegung.

„Ich denke nicht im Traum daran, noch einmal zu heiraten. Ich bin doch kein Idiot!“

Günter musste lachen.

„Man soll nichts verreden, Onkel Viktor.“

„Ach, das ist ja Unsinn! Verbeiß dich nicht in eine so absurde Idee, an der mein ganzer schöner Plan scheitern könnte! Aber warte – da komme ich auf einen Ausweg. Wir wollen mal das Fürchterliche in den Bereich der Möglichkeit ziehen. Gesetzt also den Fall, ich heirate und bekäme einen Sohn – der könnte doch, sagen wir, vor seinem einundzwanzigsten Jahre das Majorat nicht übernehmen. Wir beide schließen also einen Vertrag, dass du, selbst wenn ich einen männlichen Leibeserben hinterlasse, bis zu dessen vollendetem einundzwanzigstem Lebensjahre Valberg verwaltest und dass dir keiner dreinzureden hat. Na, ich denke, daraufhin kannst du es doch wagen, den Abschied zu nehmen; den Vertrag machen wir nur zu deiner Beruhigung, denn es fällt mir nicht ein, nochmals Ehefesseln zu tragen. Also sag Ja und Amen, setz dich hin und schreib dein Abschiedsgesuch und siedle nach erhaltenem Abschied nach Valberg über! Es ist leicht möglich, dass ich dann öfter mal nach Valberg komme, wenn ich dich dort weiß. Jedenfalls reisen wir zusammen hin und bringen alles in Ordnung. Ich übergebe dir den ganzen Kram und suche mir die Zimmer aus, die ich für mich reserviert haben will. Also besinne dich nicht lange! Einverstanden?“

Günters Gesicht rötete sich vor Erregung. Seine Stimme zitterte merklich, als er fragte: „Ist es wirklich dein Ernst? Dieses großmütige Anerbieten …“

„Ach, Larifari. Von Großmut keine Spur. Alles Egoismus. Also willst du – oder nicht?“

Günter sprang auf. „Am Wollen fehlt’s nicht, Onkel Viktor. Wenn man so etwas geboten bekommt, dann muss man schon ein Narr sein, wenn man nicht mit beiden Händen zugreift. Du ahnst ja nicht, welch großes Glück du mir da bietest – ich – ach Onkel Viktor – wenn ich dir nur danken könnte – ich finde die rechten nicht, ich …“