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Die junge, schöne und unermesslich reiche Ceda Nordau, Tochter einer Spanierin und eines Deutschen, reist nach dem Tode ihres Vaters mit ihrer Mutter durch Europa. Zu ihrer Sicherheit beschließen die beiden Damen, einen Reisemarschall einzustellen, der über geradezu außergewöhnliche Qualitäten verfügt. Heinz Römer, der gewandte, gut aussehende und weltoffene Begleiter ist nicht nur ein Kavalier alter Schule, sondern er wird in einer gefährlichen Situation sogar zu Cedas Lebensretter. Nicht nur aus Dankbarkeit schenkt sie ihm ihr Herz - es beginnt eine Romanze, die Cedas Leben von Grund auf verändert...
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Seitenzahl: 176
Cover
Impressum
Ihr Reisemarschall
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag/Wolf
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2198-2
www.bastei-entertainment.de
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Ihr Reisemarschall
Zu Herzen gehender Roman um die Liebe einer reichen Erbin
„Nein, Ceda, nein, so geht das nicht weiter! Ich finde mich in diesen Rechnungen nicht zurecht. All diese Widerwärtigkeiten vergällen mir die ganze Reise. Diese Deutschen sind schwerfällige und gründliche Menschen.“
„Aber Mamia, Vater war auch ein Deutscher, und prächtig bist du mit ihm ausgekommen!“, rief Ceda lächelnd.
„Ja, dein Vater! Das war eben ein besonderer Mensch. Seinesgleichen gibt es nicht noch einmal. Ich habe ihm versprechen müssen, dass ich mit dir nach Europa gehe, hauptsächlich nach Deutschland, sobald du dein zwanzigstes Jahr vollendet hättest, falls er selbst nicht mehr dazu käme, mit uns zu reisen. Leider hat er uns allein gelassen. Und nun sind wir hier in Berlin, und dies Deutschland bringt mich schon beim Beginn unserer Reise fast um.“
Mercedes Nordau, von ihre Mutter und ihren Freunden nur Ceda gerufen, schlang den Arm um ihre Mutter. „Rege dich doch nicht auf, Mamia, es ist wirklich unnötig. Alles wird sich einrichten lassen. Mir gefällt es in der deutschen Heimat meines Vaters sehr gut. Von Berlin bin ich sogar entzückt. Ich freue mich, dass wir hier sind.“
Señora Nordau, eine echte Spanierin, gestikulierte heftig mit den schönen, ein wenig zu molligen Händen, an denen kostbare Ringe funkelten. „Ich halte es aber nicht aus, Ceda. Welchen Genuss habe ich von dieser Reise, wenn ich mich dauernd mit tausend Kleinigkeiten herumärgern muss. Um alles muss ich mich kümmern! Pedro, der sonst ein so guter und brauchbarer Diener ist, erscheint direkt hilflos hier, weil er die deutsche Sprache nicht beherrscht, und Juanita ist zwar eine erstklassige Kammerfrau, versteht aber von allen anderen Dingen nichts. Du aber kümmerst dich um gar nichts.
„Weil du es absolut nicht willst, dass ich mich um etwas kümmern soll.“
„Nein, das sollst du auch nicht! Ärger macht alt und hässlich! Du sollst schön bleiben, zu meiner Freude. Wenn ich nur die deutsche Sprache besser beherrschte! Vater habe ich immer verstanden, aber hier verstehe ich die Menschen oft nicht richtig.“
„Dann kann ich doch aushelfen, Mamia!“
„Damit auch du dann mitten im Ärger drin stehst! Nein, nein, so geht es nicht weiter!“
„Du hättest auf Alfonso hören sollen, Mamia, er riet uns dringend, für diese Reise einen Reisemarschall anzustellen, der uns all diese Unannehmlichkeiten abnehmen würde.“
Ganz verzagt sah Señora Nordau zu ihrer Tochter auf. „Ja, ja, Alfonso Mentora hatte Recht, ich hätte auf ihn hören sollen. Aber ich dachte mir alles viel leichter. Wenn man das nun noch nachholte, Ceda, ob es so etwas hier gibt?“
Mit einem Ruck erhob sich Ceda aus dem tiefen Sessel, in dem sie gesessen hatte, und stand nun in ihrer ganzen ranken und schlanken Höhe vor der kleinen Mutter, die hilflos zu ihr aufsah.
„Gewiss, Mamia, warum soll es so etwas hier nicht geben? Ich habe im Inseratenteil verschiedener deutscher Zeitungen gelesen: Reisebegleiter gesucht! Dabei habe ich an dich und deine Nöte gedacht. Alfonso hatte ganz Recht! Wenn wir von dieser Reise etwas haben wollen, müssen wir einen Reisemarschall haben, der dir zugleich als Sekretär dienen kann, den du dir schon längst hättest anschaffen müssen. Seit Vaters Tod hast du viel zuviel mit allerlei Schreibereien zu tun, kleine Mamia, das schafft dir Ärger über Ärger. Also, kurz entschlossen, wir suchen uns einen Reisemarschall, einen Mann von guter Erziehung, der weiß, was er Damen schuldig ist, der uns überallhin begleiten kann als Kavalier, der uns alles Verdrießliche abnimmt, sich um Fahrscheine und Zuganschlüsse kümmert, Briefe für dich schreibt, in den Hotels Zimmer für. uns bestellt, Autos herbeiruft, wenn wir sie brauchen, und tausend andere Dinge tut, die wir nicht selbst besorgen können und für die weder Pedro noch Juanita zu gebrauchen sind. Dann erst werden wir Vergnügen an dieser Reise haben.“
„Also, du meinst wirklich, dass so ein Reisebegleiter all das erledigen kann?“
„Selbstverständlich! Wenn man in der Lage ist, zu bezahlen, gibt es alles, was man braucht. Es muss selbstverständlich ein Mann von gutem Aussehen sein, der ein elegantes, sicheres Auftreten hat und mit dem man sich sehen lassen und an einem Tisch essen kann. Wir werden gleich ein Inserat aufgeben.“
Señora Nordau atmete wie erlöst auf. „Ach, Ceda, wäre das eine Wohltat! Ja, das wollen wir tun, einen solchen Mann müssen wir haben. Erst dann werde ich wirklich Genuss von der Reise durch Europa haben. Zwei Damen allein das hat immer seine Schattenseiten. Dein lieber Vater ist ja leider nicht mehr am Leben, um uns zu beschützen. Mit ihm zu reisen war herrlich. Er war ein echter Kavalier. Alles Störende räumte er aus dem Weg, und durch ihn bin ich sehr verwöhnt worden. In jeder Beziehung.“
Cedas Augen waren feucht geworden. Noch immer konnte sie es nicht richtig mit anhören, wenn von ihrem Vater gesprochen wurde, der ihr vor mehr als zwei Jahren durch den Tod entrissen worden war. Sie hatte ihn sehr geliebt, vielmehr noch als ihre Mutter, die ihr immer nur als ein Wesen erschienen war, das man wohl sehr lieb hatte, mit dem man aber nicht das Ernste und Tiefe besprechen konnte, was man empfand. Ganz anders hatte sie mit Vater gestanden, mit diesem geistbetonten, zielbewussten und vornehm denkenden Mann, der ihr Unendliches gegeben, der sie eingeführt hatte in eine wunderbare Geisteswelt, der ihr das Verständnis für viele Dinge erschlossen hatte, die sie sonst nie begriffen hätte. Mit der kleinen, von ihr und dem Vater verwöhnten Mamia konnte man nur über Oberflächliches reden, sie lebte im Alltäglichen, glitt immer nur auf der Oberfläche des Lebens dahin. Sie war gewiss liebevoll und gutherzig, konnte sich auch leicht für einen Menschen begeistern, der ihr gefiel, aber ihre Gefühle und Gedanken basierten immer nur auf Äußerlichkeiten. Von der Mutter wurde sie geliebt, weil sie schön war, weil es ihrer Eitelkeit schmeichelte, eine schöne Tochter zu haben, und weil, da sie nun selbst nicht mehr umschwärmt und verehrt wurde, ihre Tochter die gesellschaftlichen Triumphe feiern sollte, die sie selbst in ihrer Jugend hatte verbuchen können. Die Triumphe ihrer Tochter sollten fortan ihr Glück sein. Der Vater hatte die kleine, schöne Mamia herzlich geliebt, aber er hatte oft gutmütig überlegen über sie gelächelt, hatte sie immer als ein zärtlich geliebtes, spielerisches Kind betrachtet, dem man keine ernsten Lebensaufgaben zutrauen durfte und dem man alles Schwere und Ernste aus dem Weg räumen musste, um es bei guter Laune zu erhalten. So war die Mutter auch für Ceda mehr ein Wesen, das man beschützen und behüten musste.
Wie viel hatte ihr der Vater bedeutet. Von ihm hatte sie geerbt, was tiefgründig und wertvoll in ihr war. Von der Mutter hatte sie nur das etwas feurige Naturell, das sie immer zu beherrschen suchte, und die graziöse Anmut des Wesens, die alle Menschen bestrickte. Der Verlust des Vaters hatte sie tief erschüttert, und es hatte lange gedauert, bis sie einem Leben ohne ihn wieder Interesse abgewinnen konnte.
Äußerlich hatte Ceda die Schönheit der Mutter geerbt, ihre feinen Züge, das wundervolle dunkle Haar, den schön geschwungenen blassroten Mund, die seidigen Wimpern und die herrlich geschwungenen Augenbrauen von dunkler Farbe. Die hohe, schlanke Gestalt, die so gar nicht an die kleine üppige Mutter erinnerte, war hingegen väterliches Erbteil, ebenso die hell leuchtenden grauen Augen, die einen überraschenden Kontrast bildeten zu den langen dunklen Wimpern und Brauen. Ihr Teint, gemahnte an die Haut eines reifen Pfirsichs. Solange sie die Augen nicht aufschlug, sah man ihr an, dass sie Südländerin war, aber die grauen Augen erinnerten an den deutschen Vater. Es war Señora Nordau nicht zu verdenken, dass sie sehr stolz auf ihre schöne Tochter war.
Ceda wandte sich schnell ab, um der Mutter die feuchten Augen zu verbergen. Sie liebte es nicht, ihre Gefühle zu zeigen. Wenn nicht zuweilen ihr südlich-feuriges Temperament mit ihr durchging, wirkte sie kälter, als sie in Wirklichkeit war.
Ceda ließ sich an dem Schreibtisch des mit der landläufigen Eleganz guter Hotels ausgestatteten Zimmers nieder und setzte ein Inserat auf. Sie versäumte auch nicht zu erwähnen, dass der gewünschte Reisemarschall die spanische Sprache beherrschen sollte. Das zeigte sie der Mutter, die es langsam durchlas, weil sie mit der deutschen Sprache noch immer auf Kriegsfuß stand. Dann nickte sie zustimmend und rief den Boy.
Als der Boy erschien, gab ihm Ceda in korrektem Deutsch, das nur einen leisen fremden Akzent hatte, den Auftrag, das Inserat sogleich zu besorgen. Der Boy verneigte sich und ging.
***
Seit dem Tode ihrer Mutter und seitdem ihr Bruder Heinz seinen Herrn, Konstantin Rohwald, verloren hatte und arbeitslos geworden war, arbeitete Christa Römer im Laboratorium Prof. Bergts. Zur Untermiete wohnte sie bei Frau Schwalbe, einer Freundin ihrer Mutter. Mit Prof. Bergt verband sie ein herzliches Verhältnis. Die beiden plauschten oft nach Arbeitsschluss noch ein Weilchen zusammen. Heinz jedoch litt unter der Tatsache, dass seine Schwester arbeiten musste, und sehnte den Augenblick herbei, wo er wieder für sie sorgen konnte.
Als Christa den Korridor mit ihrem Schlüssel öffnete, sah Frau Schwalbe lächelnd zur Tür ihres Wohnzimmers heraus.
„Ihr Herr Bruder wartet schon auf Sie, Fräulein Christa; ich habe Tee für ihn gemacht und Butterbrote belegt. Gleich bringe ich es in Ihr Zimmer.“
Heinz Römer ließ sich vorläufig bei Frau Schwalbe verköstigen; er speiste mittags mit seiner Schwester zusammen, abends war er nur gelegentlich da.
„Danke, liebe Frau Schwalbe. Kommen Sie dann nicht ein Weilchen zu uns herüber?“
„Ich habe noch eine Abschrift zu vollenden, Fräulein, Christa; wenn ich fertig werde, sehe ich noch mal bei Ihnen herein.“
Christa nickte ihr noch einmal zu und betrat dann ihr Zimmer, das sehr einfach, aber behaglich eingerichtet war. Das Bett stand hinter einer spanischen Wand.
Ihr Bruder kam ihr entgegen und breitete die Arme aus. Sie flog hinein.
„Guten Abend, Heinz! Hast du schon lange auf mich gewartet?“
„Kaum zehn Minuten, Christa; ich versäume ja nichts.“
„Ich kam mit Professor Bergt noch ins Schwatzen, obwohl ich zeitig genug mit meiner Arbeit fertig war. Wie ist es heute gegangen, Heinz?“
„Wie alle anderen Tage.“
„Wieder vergeblich?“
Er nickte.
„Überall, wo man anklopft, bekommt man den Bescheid: Keine Stelle frei! Ich war wieder den ganzen Tag unterwegs, habe alles Mögliche versucht, nichts ist geglückt. Während ich hier auf dich gewartet habe, sah ich die Abendzeitungen durch, ich bin noch nicht fertig damit. Einige Notizen habe ich mir gemacht. Morgen Früh gehe ich gleich wieder los. Einmal muss es doch glücken.“
Mit leuchtenden Augen sah Christa an der hohen, kraftvollen Gestalt des Bruders empor. Er hatte sehr sympathische, klare und energische Züge. Man sah diesem Gesicht an, dass Heinz Römer ein ganzer Mann war, der sich nicht so leicht vom Schicksal unterkriegen ließ. Die stahlblauen Augen, die er gleich der Schwester vom Vater geerbt hatte, blickten bei ihm noch viel ernster und fester, sie lagen tief unter einer charakteristisch hervorspringenden Stirn gebettet. Um den schmallippigen, fest geschlossenen Mund lag ein harter Zug, der Tatkraft und Entschlossenheit verriet. Tief gebräunt war das Gesicht von Luft und Sonne, es verriet, dass er jahrelang in den Tropen gelebt hatte. Er hatte seinen früheren Herrn durch aller Herren Länder begleitet, hatte mühsame Forschungsreisen mit ihm unternommen und dann wieder den eleganten Lebensstil des reichen Mannes mit ihm geteilt, wenn sie wieder in zivilisierte Gegenden kamen. Konstantin Rohwald hatte ihn durch alle Höhen und Tiefen des Lebens geführt, hatte in mondänen Badeorten mit ihm gelebt und ihn in die Gegenden mitgenommen, wo die Ärmsten der Armen hausten und das Verbrechen sich breit machte. Sie hatten im größten Luxus gelebt, und dann wieder die größten Entbehrungen und Strapazen erduldet. Heinz Römer hatte das eine wie das andere hingenommen und überall seinen Mann gestellt. Ob er in Frack und Lack in der exklusiven Gesellschaft verkehrte, ob er im Überfluss schwelgte oder wochenlang kaum das Notwendigste hatte, immer war er in guter Laune, immer imstande, seinen etwas melancholischen Herrn aufzumuntern. Tollkühn und verwegen hatten die beiden Männer monatelang die wildesten Gegenden durchstreift und waren dann wieder in den eleganten internationalen Bädern und Kurorten aufgetaucht.
Dabei hatte Heinz Römer sehr viel gelernt, viel Interessantes gesehen und viele Eindrücke gesammelt. Aber all das konnte er jetzt nicht verwerten, und wahrscheinlich würde er nie wieder eine Stellung bekommen, wo es der Fall sein konnte. Darüber war er sich klar. Aber so hoch flogen seine Wünsche nicht einmal; er würde mit jeder Existenz zufrieden sein, die ihm seinen Lebensunterhalt gewährte und in der er nach und nach etwas zurücklegen konnte, bis er genug haben würde, um sich ein wenn auch bescheidenes Gut zu kaufen. Es war sein Lebensideal, eigenen Boden zu bebauen, wenn es auch nur ein kleines Stück war. Niemand hätte dem elegant und vornehm aussehenden Mann diese bescheidenen Wünsche zugetraut.
Frau Schwalbe hatte den Tee und die belegten Brote für die Geschwister hereingebracht, und nun verzehrten sie das bescheidene Mahl und plauderten dabei von allem, was ihre Herzen bewegte.
„Ich habe dir auch noch einige Zeitungen von Professor Bergt mitgebracht, die er im Laboratorium herumliegen lässt, wenn er sie durchgearbeitet hat. Die können wir auch noch einmal durchsehen, ob sich darin nichts für dich findet“, sagte Christa nach eingenommener Mahlzeit und kramte ein Paket Zeitungen aus ihrer Aktentasche.
„Dann wollen wir uns gleich an die Durchsicht machen, Christa. Ich darf doch noch bleiben?“
„Aber selbstverständlich! Ich freue mich immer, wenn ich dich mal einen Abend für mich habe.“
Sie ließen sich nebeneinander auf dem kleinen Sofa nieder und breiteten die Zeitungen aus. Sie suchten die Inseratenteile durch. Jeder nahm sich eine Zeitung vor. Plötzlich gab sich Heinz Römer einen Ruck und legte den Finger auf ein Inserat, als müsse er es festhalten:
Reisebegleiter gesucht!
Gebildeter, repräsentabler Herr mit besten gesellschaftlichen Formen, Alter zwischen 35 und 45 Jahren, bestimmtes Auftreten, der fähig ist, zwei Damen auf einer Reise durch Europa zu begleiten, ihnen alle Schwierigkeiten des Reiselebens abzunehmen und ihnen seinen männlichen Schutz angedeihen zu lassen, wird sofort gesucht. Erforderlich sind Sprachkenntnisse, wenn möglich auch Spanisch. Beste Referenzen erwünscht. Offerten an Señora Graziella Nordau, Berlin, Hotel Adlon.
„Christa, sieh dir das an!“, rief er tief atmend.
Sie las das Inserat und sah dann mit ihren großen, tiefblauen Augen zu ihm auf.
„Oh, Heinz, das wäre doch wie geschaffen für dich!“
Er lächelte ein wenig und nickte dann zustimmend.
„Du wirst dich also um diesen Posten bewerben, Heinz?“
„Sicher! Gleich heute Abend schreibe ich und reiche die Offerte ein. Es ist wahrscheinlich am besten, wenn ich morgen Vormittag gleich selbst in das Hotel Adlon gehe, meine Offerte abgebe und sagen lasse, dass ich warte, falls man mich zu sehen wünscht.“
***
Am nächsten Vormittag gegen elf Uhr betrat Heinz Römer das Vestibül des Hotels Adlon. Er gab bei dem Portier seine Offerte ab und zugleich seine Visitenkarte, auf deren Rückseite er notiert hatte: „Falls sofortige Vorstellung erwünscht, stehe ich zur Verfügung und bitte ergebenst um Bescheid.“
Er bat den Portier, Brief und Karte sogleich zu Señora Graziella Nordau hinaufzuschicken. Er werde im Vestibül auf Antwort warten.
Der Boy trug Brief und Karte hinauf zu den Damen, die das Hotel heute Morgen noch nicht verlassen hatten. Es waren schon mehrere Offerten eingegangen, aber all diese Bewerber bedauerten, die spanische Sprache nicht zu beherrschen. Die Damen zogen schon in Erwägung, einen der Bewerber zu engagieren, man musste sich dann eben mit Englisch oder Französisch behelfen. Ceda sagte dann aber zu ihrer Mutter:
„Lass uns noch bis morgen warten, Mamia. Vielleicht kommt doch noch etwas Passenderes. Ich muss sagen, all diese Schreiben gefallen mir nicht besonders.“
Und nun brachte der Boy Heinz Römers Offerte und überreichte sie Ceda mit einer Verbeugung. Diese sah zuerst auf die Visitenkarte, auch auf die Rückseite. Sie lachte ein wenig und sagte dann zu dem Boy:
„Bitte, warten Sie draußen, bis ich den Brief gelesen habe; ich werde rufen, wenn ich fertig bin.“
Sie öffnete den Brief und rief erfreut: „Oh, Mamia, er hat die Offerte in spanischer Sprache abgefasst!“
„So lies doch schnell, Ceda!“
Ceda las die Offerte vor. Heinz Römer gab in kurzen, klaren Worten seinen Lebenslauf an, berief sich auf seine neunjährige Tätigkeit als Reisebegleiter und Sekretär Konstantin Rohwalds, von dem er glänzende Zeugnisse vorlegen könne, erklärte, dass er die spanische Sprache außer Englisch, dazu Deutsch und Französisch beherrsche und auch jede Konversation in der italienischen Sprache führen könne. Er habe fünfzehn Jahre in Spanien gelebt und die ganze Welt in seiner vorherigen Stellung bereist. Zum Schluss schrieb er: „Referenzen stehen zur Verfügung. Sonst hoffe ich allen Anforderungen genügen zu können.“
Irgendetwas in diesem Schreiben nötigte den beiden Damen ein besonderes Interesse ab. Ceda sah ihre Mutter an, als sie zu Ende gelesen hatte.
„Wenn dieser Heinz Römer ein sympathischer Mann ist, dürften wir das Richtige gefunden haben, Mamia.“
Lächelnd drückte sie auf die Klingel. Der Boy erschien wieder. Er zwang sein verschmitztes Berliner Jungengesicht in einen würdigen Ausdruck, was Ceda amüsierte.
„Bitte, führen Sie den Herrn, der diesen Brief brachte, herauf; wir möchten ihn sprechen.“
Der Boy machte seine Verbeugung und verschwand.
Er kehrte wieder in Begleitung von Heinz Römer. Dieser blieb drinnen an der Tür stehen und verneigte sich artig vor den beiden Damen. Etwas betroffen sah er, dass er sich falsche Vorstellungen von ihnen gemacht hatte. Die eine dieser Damen war wohl erst Anfang Vierzig und noch immer sehr ansehnlich, die andere aber – Heinz Römer atmete tief – war eine sehr junge und sehr schöne Dame, die sogleich einen tiefen Eindruck auf ihn machte. Aber er gewann rasch seine Fassung wieder.
„Señora, Señorita, ich habe mir gestattet, Ihrem Ruf Folge zu leisten“, sagte er in spanischer Sprache.
Mutter und Tochter hatten schnell einen Blick gewechselt. Ceda war von Heinz Römers Erscheinung sehr angenehm berührt; sie sah sofort, dass er ein Mann von guter Erziehung war, sein Äußeres war vornehm und repräsentabel, und gleich auf den ersten Blick erschien er ihr sehr sympathisch. Schon der erste Eindruck entschied zu seinen Gunsten. Dass ihre Mutter sehr entzückt war, hatte ihr Blick ihr verraten. Die Mutter ergriff nun schnell in ihrer lebhaften Art das Wort und fiel mit einer Menge Fragen über Heinz Römer her. Dieser musste sich zusammenreißen, damit er einen klaren Kopf behielt, denn eine so eigenartige und bezaubernde Erscheinung wie diese Señorita Nordau war ihm noch nicht begegnet. Es gelang ihm aber, alle Fragen der Mutter klar und präzise zu beantworten. Er legte dann seine Referenzen und Zeugnisse vor, bat auch, dass man sich auf dem spanischen Konsulat nach ihm erkundige, wo er gut bekannt sei.
Die Señora sah alles nur flüchtig durch und schob es Ceda hin.
„Bitte, Ceda, du wirst das alles viel besser verstehen als ich.“
Heinz Römer konnte nun, ohne aufdringlich zu scheinen, seine Augen Ceda zuwenden, und er fühlte, wie ihm das Blut zum Herzen schoss, als sie ihn mit den eigenartig hell leuchtenden Augen fest ansah. Diese Augen faszinierten ihn. Sie nahmen sich sehr eigenartig in der Umrahmung der wundervollen dunklen Brauen und Wimpern aus. Er wusste, dass er in seinem ganzen Leben noch keiner Frau so befangen gegenübergestanden hatte wie ihr. Aber er behielt sich in der Gewalt. Ceda war es außerdem gewohnt, dass der Kontrast zwischen ihrer brünetten Erscheinung und den hellen Augen auffiel. Aber es war ein Gefühl großer Befriedigung in ihr, dass sie auch auf diesen Mann wirkte; das sah sie an dem jähen Aufleuchten seiner Augen. Diese Befriedigung löste jedoch einen leisen Unwillen gegen sich selbst in ihr aus. Was konnte sie ein Eindruck auf diesen Mann interessieren? Sie richtete sich stolz auf, während sie die Papiere aufnahm und durchsah. Dann sagte sie kühl und reserviert:
„Ihre Zeugnisse sind zufrieden stellend. Würden Sie sofort antreten können, wenn wir Sie engagieren?“
Er verbeugte sich, und während er ein Gefühl hatte, als sei es das klügste, er ergriffe sofort die Flucht, damit er nicht mehr in diese hellgrauen Augen hineinblicken müsse, sagte er wie gegen seinen Willen: „Ich stehe sofort zur Verfügung, Señorita.“
Ceda Nordau bestand jedoch darauf, sich noch einmal kurz mit ihrer Mutter zu besprechen, bevor man eine endgültige Entscheidung traf. Während Heinz unten im Hotelfoyer wartete, holten die Damen Informationen über ihn bei Professor Bergt und Verwandten von Konstantin Rohwald ein, die nur das Beste über ihn zu berichten wussten. Kurz danach ließen sie ihn wieder zu sich rufen und gaben ihm eine verbindliche Zusage.
Nachdem das Wichtigste erklärt war, unterhielt man sich noch eine Weile. Im Laufe des Gesprächs hörte Heinz nun, dass die Damen nicht in Spanien lebten, sondern in Mexiko, und die Señora sagte:
„Werden Sie uns bis nach Mexiko zurückbegleiten, wenn wir unsere Reise beenden?“
Er verneigte sich lächelnd. Das Lächeln gefiel Mutter und Tochter in gleichem Maße. Es stärkte ihr Vertrauen.
„Es soll mir eine Ehre sein, wenn ich die Damen nach Mexiko begleiten darf. Gerade dieses Land kenne ich noch nicht, wenn ich auch Nord- und Südamerika schon bereist habe.“