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Der arbeitslose Rudolf Nordau wandert nach Amerika aus, um sich dort eine Stellung zu suchen. Er bringt es zu Wohlstand und heiratet. Sein Glück scheint vollkommen, bis er bei einem Schiffsunglück Frau und Kind verliert. Erst viele Jahre später erfährt Rudolf Nordau, der sich gramgebeugt in die Einsamkeit zurückgezogen hat, dass er einen Sohn in Deutschland hat. Er entschließt sich, diesen zu besuchen. Dabei ahnt er noch nicht, dass auch das Schicksal seiner verschollenen Liebe dort Aufklärung finden wird ...
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Seitenzahl: 151
Cover
Impressum
Das Findelkind von Paradiso
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2204-0
www.bastei-entertainment.de
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Das Findelkind von Paradiso
Roman um Liebe und Glück eines schönen Mädchens
Hans Jürgen, der Fährmann, saß auf einer der beiden die breite Fähre rechts und links begrenzenden Holzbänke. Die Fähre lief an einer eisernen Kette über den Fluss hinüber, und es konnten darauf mit einem Mal bis zu zwanzig Personen sowie auch Fuhrwerke oder Autos zum anderen Ufer übergesetzt werden.
Etwa zehn Minuten Weges flussabwärts befand sich ein Wehr, dessen Rauschen man bei günstigem Wind bis hierher hören konnte. Und für Hans Jürgen war das wie eine Art ferner Melodie, die sein eintöniges Leben begleitete.
Momentan verlangte niemand, übergesetzt zu werden, und auch kein Fuhrwerk war hüben oder drüben zu sehen. Die helle warme Frühsommer-Sonne schien auf Felder und Wiesen, die sich an beiden Flussufern dahinzogen. Sie schien auch auf das kleine, Hans Jürgen als Wohnung dienende Fährhaus und auf die behauenen Holzstämme, die dicht aneinander gefügt die Tragflächen der Fähre bildeten. Ein schmeichelndes Lüftchen spielte mit Hans Jürgens blondem Haarschopf. Zuweilen schweifte sein Blick hinüber zum anderen Ufer, um festzustellen, ob jemand die Fähre benutzen wolle, oder er sah zur nahen Stadt, wo eine elektrische Bahn Fahrgäste bis in die nächste Nähe der Fähre brachte.
Die ersten Gebäude der etwa eine Wegstunde entfernten Stadt waren die großen chemischen Feda-Werke. Dieses große Werk hatte einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Stadt. Es lockte viele Ausländer und auch deutsche Geschäftsleute herbei, und die zahlreichen Arbeiter und Beamten waren gute Kunden der ansässigen Kaufleute. So beschäftigten die Feda-Werke die Gedanken der Städter sehr, die jungen Leute wollten alle entweder als Arbeiter oder als Ingenieure und Beamte dort angestellt werden.
Auch auf Hans Jürgen, den Fährmann, übten sie einen bestimmten Einfluss aus. Irgendwie hatten sie seinen Zukunftsplänen Ziel und Richtung gegeben.
Er war eine sehr auffallende Erscheinung auf dem Posten, den er innehatte. Seine große, schlanke und doch sehr kräftige Gestalt steckte in einer dunkelblauen Leinenhose und einem ebensolchen Hemd. Der Kopf war unbedeckt. Er trug Halbschuhe ohne Strümpfe. Ein Lederriemen umgürtete seine Hüften. Das blonde Haar war aus der hohen Stirn zurückgestrichen und vom Wind durcheinander geweht. Das charakteristische, trotz seiner Jugend festgefügte Gesicht mit dem bronzefarbigen Teint hatte einen sehr ernsten Ausdruck. Um den Mund lag ein herber, fester Zug, der von Kämpfen sprach und Entschlossenheit verriet, aber die stahlblauen Augen sahen offen und mit einem guten Ausdruck in die Welt. Große Intelligenz verriet dieses junge, edel gebildete und geistig belebte Gesicht, so dass man sich bei seinem Anblick wundern musste, dass sein Besitzer den Dienst eines Fährmanns verrichtete, statt sich als Mensch des Geistes zu betätigen.
Hans Jürgen stand erst im dreiundzwanzigsten Lebensjahr.
Er war in ein Buch vertieft. Seine Lippen bewegten sich dabei, denn er sprach halblaut nach, was er las. Es war ein in englischer Sprache abgefasstes Buch, denn Hans Jürgen wollte sich im Gebrauch der englischen Sprache vervollkommnen, weil das zu seinen Lebensplänen gehörte.
Er hatte zu Lebzeiten seines Stiefvaters das Realgymnasium besucht, hatte sein Abitur mit höchster Auszeichnung bestanden und hatte auf einer Hochschule studieren wollen, wenn nicht der Tod seines Stiefvaters alles geändert hätte. Er hatte nach dessen Tod das Fähramt geerbt und war froh gewesen, damit seinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Aber seinen Vorsatz, später eine Hochschule zu besuchen, hatte er deshalb nicht aufgegeben, und ebenso wenig seine anderen Lebenspläne.
Ein Zug angespanntester Energie um Mund und Kinn zeigte, dass er so leicht nicht von seinem Ziel abweichen würde. Um dieses zu erreichen, musste er vor allem perfekt englisch sprechen können, denn er wollte später, nach Absolvierung seiner Studien, nach Amerika gehen. Es kamen viele Amerikaner und Engländer in diese Gegend, um die Feda-Werke zu besuchen, und diese Fremden machten dann zumeist einen Ausflug nach einem ehemaligen Lustschloss des früheres Königs, wo eine berühmte Gemäldesammlung untergebracht war. Hans benutzte diese Gelegenheit immer, um mit diesen Ausländern englisch zu sprechen, denn das Lustschloss lag jenseits des Flusses im Wald.
Was Hans Jürgen von seinem Verdienst erübrigen konnte, legte er für sein späteres Studium zurück. Nur Bücher kaufte er sich oder lieh sie sich in einer Buchhandlung der nahen Stadt, wo er auch sonntags eingelassen wurde. Nur an Sonntagen konnte er zuweilen die Fähre verlassen, wenn ein Bekannter, der in der Woche keine Zeit hatte, ihn für einige Stunden ablöste. Dann kramte Hans Jürgen manchmal stundenlang bei dem alten Buchhändler herum, um zu finden, was er für seine Zwecke brauchte. Was er nicht kaufen konnte, lieh ihm der gefällige Alte.
Die tiefe Stille um ihn her wurde plötzlich durch das Rattern eines Motors unterbrochen. Von der Stadt her kam ein Auto in schneller Fahrt auf die Fähre zu. Hans Jürgen sah auf, schlug mit einem Seufzer das Buch zu und steckte es in sein Leinenhemd. Dann erhob er sich, um die Kette zu lösen, die dazu diente, die Fähre festzuhalten. So stand er in Bereitschaft, um den Prahm sofort freizumachen, sobald das Auto hinaufgefahren sein würde. Denn der Weg führte nirgendwohin als zur Fähre.
Er sah dem Auto gelassen entgegen, aber auf einmal zuckte es in seinen Augen, denn das Auto verminderte seine Geschwindigkeit nicht, obwohl es schon ganz nahe herangekommen war. Er sah, dass der Chauffeur heftig das Steuer herumriss und dass er nun, Hans Jürgen erblickend, diesem aufgeregt etwas zuschrie, was dieser aber nicht verstehen konnte. Doch er begriff sofort, dass anscheinend die Bremsen versagten, denn schneller, als es sich beschreiben lässt, sauste das Auto, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern, auf die Fähre herunter, sauste darüber hinweg, sprengte durch den Aufprall die Sperrkette und stürzte in den Fluss.
Hans Jürgen sah nur, als der Wagen an ihm vorübersauste, dass sich hinter dem Chauffeur eine junge Dame erhoben hatte, die in dem Augenblick des Herabsausens laut aufschrie. Aber ehe er das alles erfasste, war die junge Dame samt Auto und Chauffeur in dem Fluss verschwunden, und das Wasser schlug gurgelnd über den Verunglückten zusammen.
Hans Jürgen machte die Haltekette schnell wieder fest, streifte seine Schuhe von den Füßen und sprang kopfüber in den Fluss, um zu retten, was zu retten war. Vor allen Dingen die junge Dame, die in einiger Entfernung eben wieder auftauchte. Sie wurde von dem rasch strömenden Wasser mitgerissen, flussabwärts, dem rauschenden Wehr entgegen. Hans Jürgen wusste nur zu gut: Würde sie bis dorthin getrieben, war sie unrettbar verloren. Jetzt sah er auch den Chauffeur auftauchen, der krampfhafte Anstrengungen machte, sich am Rand der Fähre festzuhalten, um sich dadurch zu retten. Hans Jürgen musste ihn vorläufig seinem Schicksal überlassen, die junge Dame war stärker gefährdet als er, ihr musste er zuerst helfen.
Mit raschen, kräftigen Stößen schwamm er der Dame nach. Sie wurde schnell flussabwärts getrieben. Aber noch viel schneller kam Hans Jürgen vorwärts, und nach einigen schnellen Stößen war er so nahe an sie herangekommen, dass er ihre Kleider erfassen konnte. Daran hielt er sie fest und schwamm auf das Ufer zu. Das war eine schwere Arbeit, denn er musste jetzt gegen den Strom ankämpfen, um nicht abgetrieben zu werden. Endlich aber erreichte er das Ufer, nur wenige Schritte von der Fähre entfernt. Er fasste im Gestrüpp festen Fuß und zog dann die bewusstlose Dame an Land.
Er nahm sie wie ein Kind auf den Arm und trug sie zur Fähre, wo er sie auf eine der Holzbänke bettete. Dann sah er sich erst einmal nach dem Chauffeur um, denn es war ringsum kein Mensch zu sehen, den er hätte zu Hilfe rufen können. Der Chauffeur hing noch immer, sich krampfhaft am Rand der Fähre festhaltend, im Wasser und mühte sich vergeblich, sich hinaufzuschwingen.
Hans Jürgen legte sich platt auf die Tragefläche der Fähre und half dem Chauffeur aus dem Wasser heraus, und der Chauffeur taumelte kraftlos auf die andere Bank. Der Fährmann kümmerte sich jetzt nicht weiter um ihn, denn er war nun in Sicherheit und würde sich von selbst wieder erholen. Jetzt musste er schnell Wiederbelebungsversuche bei der jungen Dame machen, denn diese lag noch vollkommen leblos da. Er taumelte auf sie zu, selbst ein wenig kraftlos von der großen Anstrengung, und knöpfte ihren Mantel auf. Es war nur ein leichter, seidener Staubmantel. Das Kleid darunter war, wie er mit Befriedigung feststellte, halsfrei und beengte ihren Körper in keiner Weise. So konnte er ungehindert ihre Arme auf und ab bewegen und alles tun, um sie ins Bewusstsein zurückzuholen.
Nach einigen Minuten kam sie zu sich und schlug die Augen auf, fassungslos erstaunt in Hans Jürgens Gesicht sehend. Und unter dem Blick ihrer schönen, samtbraunen Augen überkam diesen ein seltsames Gefühl, wie er es nie zuvor in seinem Leben gespürt hatte.
„Was ist geschehen?“, fragte sie nach einer Weile in englischer Sprache.
Hans Jürgen lachte und freute sich, dass er sie verstehen konnte.
„Ein kleiner Unfall, Miss. Sie haben ein bisschen zu viel Wasser geschluckt. Ist Ihnen nun wieder besser?“, fragte er, ebenfalls auf Englisch.
Sie richtete sich mit seiner Hilfe auf und sah verwirrt um sich. Das Wasser tropfte an ihr herab. Ein Schauer überlief sie. Da nahm er sie schnell wie ein Kind auf seine Arme und rief dem Chauffeur zu, ihm zu folgen.
„Sie müssen vor allem aus den nassen Kleidern heraus, Miss, auch der Chauffeur, sonst erkälten Sie sich beide. Alles weitere wird sich finden.“
So sagte er ruhig und bestimmt und trug die junge Dame hinüber zum Fährhaus. Das bestand nur aus zwei kleinen Zimmern und einer noch kleineren Küche. Sorglich ließ er die junge Dame in einen Rohrsessel gleiten und sah sie nachdenklich an.
„Hm. Für Sie habe ich nur Kleider von meiner seligen Mutter. Die werden Ihnen ein wenig zu weit und zu lang sein. Auch Wäsche von meiner Mutter ist noch vorhanden – sie ist wenigstens trocken und sauber, und das ist jetzt wohl die Hauptsache.“
Er kramte hervor, was er für nötig hielt, auch Strümpfe und Schuhe. Das legte er alles neben sie auf einen Stuhl. „Fühlen Sie sich kräftig genug, um sich umzukleiden?“, fragte er besorgt.
Sie nickte, schwieg aber, denn sie fror.
Dem Chauffeur warf er lachend blaue Arbeitskleider zu, wie er sie selber trug. „Da, gehen Sie in das Nebenzimmer, und kleiden auch Sie sich um. Ich komme gleich nach.“
Er nahm auch für sich trockene Sachen mit und verschwand durch die Tür in das Nebengelass, wo sich der Chauffeur bereits befand. Es war sein Schlafgemach. Die junge Dame befand sich in seinem Wohnzimmer. Der Chauffeur war schon dabei, sich umzukleiden, begann nun aber zu schimpfen über die verdammte Bremse, die nicht intakt gewesen sei.
„Gehört er Ihnen?“
„Nein.“
„Also dem Fräulein?“
„Nein, auch nicht. Ihr Vater ist ein reicher Amerikaner, der in der Stadt im Hotel wohnt. Er hat den Wagen für die Dauer seiner Anwesenheit gemietet und mich dazu. Ich bin in einem Autogeschäft angestellt, das Gebrauchtwagen verleiht. Das gibt ja eine schöne Bescherung! Unsereiner ist ja immer schuld in solchen Fällen, und ich werde meine Stellung verlieren. Es heißt dann regelmäßig, man habe geschlafen oder nicht aufgepasst.“
„Nun beruhigen Sie sich nur, ich kann bezeugen, dass Sie sich nach Kräften bemühten, den Wagen zu bremsen, ich sah Sie ja kommen. Geschlafen haben Sie sicherlich nicht.“
„Verdammte Schweinerei!“ Der Chauffeur schimpfte wieder und rieb sich wütend das nasse Haar trocken. „Alles nass, die ganze Kluft hin!“
„Das wird wieder trocken“, tröstete Hans, „wir hängen alles hinaus in die Sonne und in den Wind. Dann wird es wieder aufgebügelt, und nichts wird mehr an Ihr nasses Abenteuer erinnern. Nur der Wagen ist verloren. Schade um den schönen Wagen, er war wohl noch ziemlich neu?“
„Das nicht gerade, er war nur ein bisschen frisch aufgeputzt, damit er nach was aussah. Meine Firma hat ihn gegen einen neuen Wagen in Zahlung genommen, das kommt ja oft vor. Ich glaube, versichert ist der Wagen auch, aber immerhin, mir wird die Schuld bestimmt zugeschoben.“
„Das kann ja nicht sein, beruhigen Sie sich nur. Also, das kleine Fräulein, die amerikanische Miss, ist mit seinem Vater in die Stadt gekommen?“
„Ja, und sein Vater hat Geschäfte mit den Feda-Werken, wie fast alle Ausländer, die hier herkommen. Ich sollte die Miss zu dem Lustschloss fahren; sie wollte die Bilder besichtigen, auf die alle Fremden so wild sind. Ihr Vater hatte keine Zeit, mitzukommen. Und ausgerechnet ich Pechvogel muss die kleine Miss samt dem Auto ins Wasser fahren!“
„Zum Glück ist ja nichts weiter geschehen, als dass sie ein bisschen zu viel Wasser geschluckt hat. Es hätte schlimmer kommen können.“
„Ja, sie verdankt Ihnen ihr Leben; sie wäre ohne Gnade dem Wehr zugetrieben worden. Und mich haben Sie schließlich auch gerettet, denn ich hätte mich nicht mehr lange halten können. Und ich habe mich noch nicht einmal bei Ihnen bedankt; wenn man so wütend ist, denkt man nur an seinen Ärger. Aber nun will ich Ihnen schönen Dank sagen – ich bin doch froh, dass ich wenigstens mit dem Leben davongekommen bin. Meine Frau und meine beiden Kinder – lieber Gott, was hätte aus ihnen werden sollen? Wenn ich nur meine Stelle nicht verliere, heutzutage ist schwer wieder anzukommen.“
Hans Jürgen raffte jetzt seine und des Chauffeurs nasse Kleider zusammen und legte sie zum Fenster hinaus auf eine Bank vor dem Haus.
„So, das hänge ich hernach draußen auf die Leine! Jetzt will ich erst einmal für die kleine Miss und für Sie einen heißen Tee kochen. Ein Restchen Rum ist auch noch vorhanden. Dann werden Sie schnell durchwärmt und hoffentlich keinen Schnupfen bekommen.“
„So ein warmer Trank wird auch Ihnen gut tun, Fährmann. Sie waren genauso im Wasser wie wir“, sagte der Chauffeur ein bisschen beschämt.
Hans Jürgen lachte. „Ach, mir macht das nichts aus, ich muss öfter mal in den Fluss springen, wenn auf meiner Fähre etwas über Bord geht.“
In diesem Moment klopfte es an die Tür.
„Ah, die kleine Miss ist auch schon fertig“, sagte Hans Jürgen und öffnete.
Vor ihm stand die Gerettete, eine zierliche, schlanke Mädchengestalt, die das Sonntagskleid von Hans Jürgens verstorbener Mutter hatte ein gutes Stück übereinander stecken müssen. Ihr blondes Haar, das sie tüchtig trocken gerieben hatte, kräuselte sich schon wieder zu Locken. Sie hatte sich inzwischen besonnen, dass sie ja in Deutschland war und nicht in Amerika, und bediente sich nun der deutschen Sprache, die sie nicht ganz geläufig beherrschte.
„Oh, die Kleider sein mich viel zu weit! Aber schön warm und trocken“, sagte sie lachend.
„Das ist die Hauptsache, Miss, und nun bringe ich Ihnen gleich heißen Tee.“
Hans nötigte die junge Dame auf das Sofa, aber diese fasste jetzt seine Hand.
„Ich muss Ihnen sagen so viel Dank, Sie haben mir gerettet aus die Fluss. Ich wäre gewesen ganz tot, wenn Sie mir nicht herausgeholt hätten.“
Hans Jürgen sah sehr verlegen aus und fasste ganz behutsam nach der feinen, zarten Hand.
„Ist ja nicht der Rede wert, Miss.“
„Der junge Mann ist sehr bescheiden, Miss“, fiel jetzt der Chauffeur ein, „er hat auch von mir keinen Dank annehmen wollen. Aber wir wissen beide, dass wir ohne seine Hilfe ertrunken wären. Und Sie wurden von der Strömung dem Wehr zugetrieben, das ein Stück flussabwärts liegt. Da hätte es keine Rettung mehr gegeben.“
Die junge Dame schauerte zusammen und sah mit großen Augen in Hans Jürgens verlegenes Gesicht. Aber noch ehe sie ein Wort sagen konnte, war er schon in die kleine Küche gegangen, und man hörte ihn eifrig darin hantieren. Nun wandte sich die junge Frau an den Chauffeur.
„Was sein gewesen mit das Auto, Chauffeur, warum konnten Sie es nicht bringen zum Stehen vor die Fähre?“
„Die Bremse ist kaputt gewesen. Ich konnte, als ich es merkte, den Wagen nicht mehr herumreißen. Mich trifft jedenfalls keine Schuld, Miss, das müssen Sie mir bezeugen. Man wird selbstverständlich mir die Schuld zuschieben wollen, und ich werde meine Stellung verlieren und vielleicht sogar meinen Führerschein. Und was wird dann aus meiner Frau und meinen Kindern?“
„Nun, Sie werden nicht verlieren Ihre Stellung und Ihr Führerschein. Ich werde sagen, dass Sie nicht sein schuldig an die Unglück. Seien Sie ruhig! Wir wollen uns freuen, dass wir nicht liegen tot in die kalte Wasser.“
„Aber der Wagen ist hinüber! Selbst wenn man ihn heben kann, ist er erledigt.“
Mitleidig sah sie ihn an. „Was kosten die Wagen?“
„Das weiß ich nicht. Er war ja nicht mehr neu und ist wohl auch versichert. Aber einige tausend Mark war er immer noch wert. Der schöne Wagen! Nun liegt er im Wasser!“
„Sie müssen sein nicht mehr so traurig! Ich werde bitten mein Vater, dass er dafür eintritt, dass Sie nicht haben Schaden.“
Jetzt kam Hans Jürgen wieder herein. Er trug auf einem Tablett eine Kanne Tee, einige Tassen und einen Teller mit Butterbroten. Das stellte er alles auf den Tisch vor dem Sofa, über den eine helle Wachstuchdecke gebreitet war. Aus einem Wandschränkchen nahm er eine Flasche, die noch Rum enthielt, und eine blaue Glasschale, mit Zuckerstückchen gefüllt. Rasch füllte er die drei Tassen, tat in jede zwei Stück Zucker und einen tüchtigen Schuss Rum. Dann erst öffnete er die Haustür und sah die Straße entlang und zum gegenseitigen Ufer. Befriedigt konstatierte er, dass niemand mit der Fähre überzusetzen begehrte. Er ließ aber die Tür offen stehen, so dass er die Fähre überblicken konnte. Dann ließ er sich nieder und redete der jungen Dame zu.
„Trinken Sie den Tee so heiß wie möglich, Miss, ich fülle noch mal nach. Sie müssen ordentlich warm werden, damit Sie keine Erkältung davontragen.“
Die junge Dame sah sich lächelnd und aufatmend im Zimmer um, während sie die große Tasse zum Mund führte und gehorsam trank. Hans Jürgen reichte ihr freundlich den Teller mit den Butterbroten.
„So ein kaltes Bad macht hungrig, Miss. Etwas anderes habe ich leider nicht anzubieten. Bitte, wollen Sie zulangen?“