Hedwig Courths-Mahler - Folge 176 - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler - Folge 176 E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Es ist ein seltsames Verhältnis, das Graf Udo mit Eva verbindet. Beide sind sich bewusst, dass sie sich lieben, und doch geht der Graf der reizenden Erzieherin seiner Schwester aus dem Weg. Eva weiß, dass ihn eine schwere Schuld von ihr fern hält. Aber sie ahnt nicht, dass ein Mord zwischen ihnen steht. Als Graf Udo ihr schließlich in einer Stunde tiefster Depression ein Geständnis macht, fasst sie einen verzweifelten Entschluss: Sie will versuchen, Liliane Clermont zu finden, um von ihr selbst zu erfahren, was damals wirklich geschah. Ihr Plan gelingt. Sie bewirbt sich bei Liliane Clermont als Zofe und wird angenommen. Aber je mehr sie das Vertrauen Lilianes gewinnt und aus dem Leben der zwielichtigen Frau erfährt, desto größer wird die Gefahr, die ihr droht. Und eines Tages kommt es zur Katastrophe in demselben kleinen Landhaus bei Paris, das einst Graf Udo zum Verhängnis wurde...

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Seitenzahl: 153

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Inhalt

Cover

Impressum

Im Glück vereint

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2207-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Im Glück vereint

Mitreißender Roman der berühmten Schriftstellerin

Graf Udo von Plessenhat schwere Schuld auf sich geladen. In blinder Eifersucht erschoss er einen Rivalen. Liliane, um derentwillen er zum Mörder wurde, hat ihm gegen eine hohe Abfindungssumme zwar gelobt zu schweigen und alle Spuren des Verbrechens zu beseitigen, aber seither ist die Angst Udos ständige Begleiterin. Von Liliane hört er jahrelang nichts mehr – bis er sie eines Tages als Kunstreiterin in einem Zirkus wiedersieht. Zu einem Gespräch kommt es nicht. Doch am nächsten Tag bei seiner Rückkehr ins Schloss findet er ein kleines Mädchen vor. Es ist seine Tochter aus jener unseligen Liebschaft mit Liliane. In einem Brief verpflichtet sie Udo unter Drohungen, Marina an Kindes statt anzunehmen. Sie selbst ist verschwunden. Von Neuem und stärker als je zuvor überfällt Graf Udo die Verzweiflung über das, was einst geschah, umso mehr, als sich sein Herz inzwischen der reizenden Erzieherin seiner Schwester Hella in Liebe zugewandt hat. Doch er weiß, dass er entsagen muss. Er darf Eva nicht in seine Schuld mit hineinziehen. Aber während einer Brandkatastrophe fallen jäh alle Schranken. In banger Sorge umeinander sinken sich Graf Udo und Eva in die Arme …

Graf Udo und Eva hielten sich umfangen und küssten sich, als sollte sich die Seligkeit einer ganzen Welt in diesem einen Kuss zusammendrängen. Vergessen war, was sie trennte. Sie fühlten nur, dass ihre heiße Sehnsucht endlich Erfüllung gefunden hatte.

Aber die raue Wirklichkeit schreckte sie jäh aus ihrem Glückstaumel. Ein Krachen und Poltern! Drüben im Vorwerk war eine Mauer eingestürzt.

Eva zuckte zusammen und richtete sich empor, Mit einem Mal kam ihr die Besinnung wieder. Sie erinnerte sich, wie auf ihrem Weg zur Verwalterin der Feuerlärm an ihr Ohr gedrungen war.

„Feuer! Feuer!“

So, gellte es ihr in die Ohren. Und als sie nach atemlosen Laufen aus dem Wald trat, da hatte sie eben noch gesehen, wie Udo in das brennende Haus stieg. Mit versagenden Knien war sie weitergetaumelt, immer den Blick auf das Fenster gerichtet, hinter dem er verschwunden war. Sie sah dann den Verwalter emporklettern auf der Leiter, sah, wie Udo ihm die gerettete Frau in die Arme legte. Unverwandt blickte sie empor. Sie sah den Geliebten taumeln – er entschwand ihren Blicken. Schon stand sie an der Leiter, um ihm zu Hilfe zu eilen, da … der furchtbare Krach der einstürzenden Decke … wo war er geblieben?

Sie wusste, dass sie mit einem Schrei zusammengebrochen war – glaubte sie doch, Udo sei vom Gebälk erschlagen worden.

Und nun kniete er neben ihr, heil und unversehrt, und auf ihren Lippen brannte noch sein Kuss.

Sein Kuss?

Sie erschauerte und schlug in jäher Scham die Hände vor das erglühte Gesicht.

Er zog sie fest an sich.

„Eva, mein armes Lieb, was ist dir?“

Sie umklammerte plötzlich seinen Arm und fasste erschrocken nach seiner Hand, die das blutige Tuch hielt. Er tröstete sie. „Nicht ich, mein Lieb, von deiner Stirn stammt das Blut. Du bist verletzt worden. Um Haaresbreite wärst du von der stürzenden Leiter erschlagen worden“, sagte er heiser vor Aufregung. Und wieder zog er sie wie schützend in seine Arme.

Da machte sie sich sanft frei. Mit einem Mal kam ihm die Besinnung zurück.

„Was habe ich getan, ich Unseliger?“, stöhnte er.

Eva stand vor ihm und drückte ihr Tuch an die Schläfe. Die Knie zitterten ihr. Sie vermochte sich kaum aufrecht zu halten. Da sah sie ihn scheu an, und Schreck durchzuckte sie. Verwischt war das selige Leuchten seines Gesichts, verwischt das zärtliche Licht der Augen. Das schmerzvolle Grauen jener Mondscheinnacht lag erneut auf seinen Zügen.

Da war es vorbei mit ihrer Zurückhaltung. Dem werbenden Mann gegenüber hatte sie jungfräuliche Scham erfasst. Beim Anblick des unglücklichen Mannes erwachte das liebende Weib in ihr, dem der Mann durch seinen Kuss ein Recht gegeben hatte, an seine Liebe zu glauben. Alles vergessend, schlang sie die Arme um ihn.

„Udo! – Udo! – Was ist dir?“

Er löste sanft, aber entschieden ihre Arme von sich.

„Liebling, ich habe mich an deiner Herzensruhe versündigt. Vergib – ich war zu schwach – meine Liebe zu dir ist zu groß – ich verlor die Herrschaft über mich. Aber ich darf mich nicht länger gehen lassen. Denke, ein schöner Traum habe uns ein süßes, holdes Glück vorgetäuscht. Ich darf dich nicht umfassen, mein heiß geliebtes Mädchen, darf dir nicht gestatten, deine Arme um mich zu schlingen. Weißt du, was ich dir einst sagte? Ein Fluch lastet auf mir, eine grauenvolle Schuld. Und wer zu mir gehört, ist diesem Fluch verfallen.“

Sie war totenblass geworden, aber ein Leuchten blieb in ihren Augen.

„Er schreckt mich nicht, dieser Fluch. Nichts kann mich von dir trennen, nun, da ich weiß, dass du mich liebst. Meine Liebe zu dir wird alles überwinden.“

Er biss die Zähne aufeinander, um nicht aufschreien zu müssen. „Hier ist nicht der Ort, um das auszusprechen, Eva. Du hast jetzt ein Recht, alles zu erfahren, aber nicht hier. Gönne mir Zeit, lass mich erst wieder ruhig werden! Morgen – übermorgen oder bald sollst du hören, was mich von dir trennt. Bis dahin sei mir, was du mir bisher gewesen bist: meine mutige, verständige Freundin. Willst du?“

Sie sah ihn an mit einem Blick, der ihn erschütterte.

„Es soll alles sein, wie du willst; aber das eine sage ich dir schon jetzt: Nichts kann mich von dir trennen als der Tod, denn ich liebe dich und will alles mit dir tragen.“

Er krampfte die Hände ineinander.

„Hüte dich – ich könnte dich beim Wort nehmen, es ist zu verlockend für mich!“

„Tu es!“, sagte sie einfach. „Ich warte darauf.“

Da ergriff er ihre Hände und küsste sie.

„Nein, ich will nicht schlecht an dir handeln. Komm, wir wollen nach Wedlich und seiner Frau sehen! Dann begleite ich dich nach Hause. Wir müssen allen Gerüchten entgegentreten, damit sich die Kinder nicht beunruhigen! Darum komm! Komm schnell!“

Gehorsam schritt sie neben ihm her. In ihren Augen lag ein stiller Glanz; die seinen blickten düster und gramvoll wie immer.

Wedlich hatte seine Frau in die Scheune getragen. Dort lag sie auf Heu gebettet und mit einer Decke gut zugedeckt.

Sie hatte in der frischen Luft ihre Besinnung zurückerlangt und hielt nun ihren Mann und ihre Kinder umschlungen. Alle vier weinten vor Freude, dass sie sich wiederhatten.

In diesem Augenblick trat Eva mit Udo ein. Das junge Mädchen hatte sich am Brunnen eine Binde um die Stirn gelegt, weil der Kopf schmerzte. Schnell beugte sie sich zu der Frau des Verwalters hinab.

„Liebe Frau Wedlich, gottlob, dass ich Sie gerettet vor mir sehe!“

Die Frau richtete sich auf dem Arm empor und streckte Udo die Hand entgegen.

„Herr Graf – ich – ich kann nicht reden. Da – meine Kinder sie mögen Ihnen danken, was Sie für mich getan haben!“, rief sie weinend.

Graf Udo beugte sich nieder zu ihr und drückte ihr die Hand.

„Gott gebührt die Ehre. Sprechen wir nicht mehr davon. Ich freue mich, dass ich noch zur rechten Zeit gekommen bin. Die Mägde jammern draußen um ihr verbranntes Hab und Gut. Ich habe ihnen gesagt, was die Brandkasse nicht deckt, ersetze ich. Dasselbe gilt für Sie, Wedlich – ich will nicht, dass jemand Schaden leidet. Haben Sie eine Ahnung, wie das Feuer aufgekommen sein kann?“

Wedlich zuckte mit den Schultern.

„Wahrscheinlich ist eine von den Frauen der Tagelöhner unvorsichtig gewesen; es muss in den Leutestuben ausgebrochen sein. Wir sind ja alle seit frühmorgens draußen auf dem Feld. Das wird sich schwer feststellen lassen. Die Schuld will in solchen Fällen niemand tragen.“

„Geändert wird ja auch durch die Ermittlung des Schuldigen nichts. Die Kasse und die Bücher waren doch gut im Geldschrank verwahrt?“

„Alles, Herr Graf! Der wird ja unversehrt geblieben sein. Man kann es freilich bis jetzt noch nicht feststellen.“

Die beiden Männer gingen hinaus, um sich an den Löscharbeiten zu beteiligen. Eva bemühte sich weiter um Frau Wedlich. Diese klagte über starke Schmerzen in den Beinen. Die Verbände hatten sich gelockert. Frische konnte Eva jetzt nicht herbeischaffen, aber sie brachte die alten in Ordnung.

Der Verwalter Martin war auch mit seinen Leuten auf der Brandstelle erschienen. Der Graf teilte ihm mit, dass die Obdachlosen vorläufig auf dem östlichen Vorwerk untergebracht werden müssten. Da das Feuer langsam zusammenfiel, konnte Martin einige von seinen Leute nach Hause schicken, damit vor allem Vorkehrungen für die Aufnahme der Familie Wedlich getroffen wurden. Udo schickte Nachricht aufs Schloss zur Beruhigung für Hella.

Gegen vier Uhr, nachdem die Verwalterin auf einer Bahre nach dem östlichen Vorwerk gebracht worden war, trat Eva den Heimweg an.

Udo sah sie gehen, er eilte ihr nach.

„Warte noch einige Minuten, Eva, ich begleite dich!“

Sie blieb stehen und wartete, bis er seine Anordnungen getroffen hatte. Dann gingen sie gemeinsam über den Hof, nach dem Wald hinüber.

Es war ein wundersamer Weg, den die beiden Menschen zurücklegten. Keiner sprach ein Wort, aber zuweilen trafen die beiden Augenpaare zusammen und hielten sich fest. Die Augen des Mädchens glänzten in inniger Liebe und froher Zuversicht. Die des Mannes führten eine ergreifende Sprache. Angst, Unruhe, Besorgnis und heiße Zärtlichkeit lagen darin. Wusste er doch, dass es vielleicht das letzte Mal war, dass sie so liebevoll und vertrauend neben ihm schritt. Ihr Urteil würde sein Richtspruch sein: verdammt oder erlöst.

Nach dem, was zwischen ihnen vorgefallen war, gab es nur eins für ihn: ihr rückhaltlos zu beichten, was ihn von ihr trennte. Wenn er auch allen Menschen die Wahrheit vorenthalten konnte – ihr musste er sie enthüllen.

Als sie in Plessentin ankamen, stürzte ihnen Hella, außer sich vor Schreck, entgegen.

„Du bist verwundet, Eva! Liebe Eva, was ist geschehen?“

„Nichts, Liebling, eine Schramme, nicht wert, davon zu reden.“

„Und sonst ist kein Unglück bei dem Feuer geschehen? Du, Udobruder, du hast wieder ein Menschenleben gerettet. Der Bote hat es uns erzählt. Ach, wie bin ich stolz auf dich!“

Sie umschlang den Bruder ungestüm. Nun strebte aber auch Marina am Vater und an Eva empor. Mit beiden Armen zugleich umfing sie beide.

„Lieber Papa – gute Eva. Ihr kamt so lange nicht wieder!“

„Aber nun sind wir da, Goldherz, nun bleibe ich bei dir“, sagte Eva und umschlang das Kind des geliebten Mannes mit heißer Zärtlichkeit.

***

Klar und sonnig stieg der nächste Tag herauf, unbewegt durch Menschenfreund und Menschenleid.

Eva war aufs Vorwerk gegangen, um Frau Wedlichs Brandwunden zu verbinden.

Es stand fest bei Udo, Eva heute alles zu sagen. Er teilte Hella mit, dass Eva vielleicht etwas später nach Hause kommen würde, weil er sie noch ins Dorf zur Näh-Christel geschickt habe. Dadurch wollte er vermeiden, dass Hella sich sorgte, falls Eva wirklich länger ausblieb.

Dann machte er sich auf den Weg.

Im Wald, nahe dem östlichen Vorwerk, stand eine geschlossene Laube, die sein Vater für die Mutter als Ruheplatz hatte bauen lassen, wenn sie auf ihren Waldspaziergängen müde wurde.

Sie war in demselben Zustand geblieben wie zu Lebzeiten seiner Mutter. Zierliche Rohrmöbel standen darin. Den Schlüssel dazu hatte er an sich genommen. Dort wollte er Eva erwarten, wenn sie heimkehren würde. Hier waren sie sicher vor Lauschern. Was er Eva zu sagen hatte, durfte keines anderen Menschen Ohr hören als das ihre.

Nun schritt er langsam dem Wald zu und überlegte sich, wie er vor Eva so schonend wie möglich das furchtbare Geständnis ablegen konnte. So elend es ihn auch machte, dass er seine Schuld dem geliebten Mädchen beichten, dass er ihr Glück zerstören musste, so drängte es ihn in seinem Innern dazu. Welche Wohltat musste es sein, einmal davon sprechen zu dürfen, einem Menschen die fast unerträglichen Qualen zu enthüllen, die sein Herz zerrissen! Dass Eva sein Geheimnis anderen preisgeben würde, fürchtete er nicht. Sie würde trotz allem lieber sterben, als ihm schaden.

So kam er an die Laube. Er sah nach der Uhr.

Lange konnte Eva nicht mehr ausbleiben. Er öffnete mit dem Schlüssel die Tür und trat ein. Hier drinnen wehte ein Erinnerungshauch aus vergangenen Jahren. Oft hatte er als Knabe seine Mutter hierher begleitet. Dort, in dem bequemen Rohrsessel, hatte sie gesessen. Durch die bunten Glasscheiben konnte man den Weg übersehen, den Eva kommen musste.

Ach, hier stand auch noch der niedrige kleine Sessel. Darauf hatte er der Mutter zu Füßen gesessen und manche Unart, manchen tollen Streich gebeichtet. Und dann war die sanfte Mutterhand über seinen Kopf geglitten, und statt einer Strafpredigt waren kluge, mahnende Worte an sein Ohr gedrungen:

„Du hast zu heißes, ungestümes Blut, mein Sohn. Lass es nicht Macht über dich gewinnen, suche es unter deinen Willen zu zwingen!“

So hatte sie gesprochen. Aber dieses heiße Blut hatte ihn trotzdem in jener unglücklichen Stunde hingerissen.

Er stöhnte auf und warf sich in den Lehnstuhl der Mutter. Mit brennenden Augen sah er den Weg entlang, den Eva kommen musste. Und endlich sah er sie. Sie schritt langsam, den Blick träumerisch zu Boden gerichtet. Er erhob sich und trat hinaus.

„Eva!“

Ihr Fuß stockte, sie sah erschrocken auf. Dann flog ein sonniges Leuchten über ihr Gesicht. Mit wenigen flüchtigen Schritten war sie an seiner Seite.

Er fasste ihre Hand und zog sie an seine Lippen.

„Eva, bitte, tritt hier ein. Ich habe dich hier erwartet. Ich kann es nicht länger ertragen, dir gegenüber zu schweigen. Willst du mich anhören?“

Sie trat ruhig an ihm vorbei in die Laube. Er folgte ihr und zog die Tür hinter sich zu. Dann führte er sie zu dem Lehnstuhl seiner Mutter.

„Komm, setze dich hier nieder! Hier saß meine Mutter so oft. Und hier, zu deinen Füßen, lass mich sitzen und beichten.“

Sie tat, wie er geheißen.

Nun nahm er zu ihren Füßen Platz und sah zu ihr auf. Heißer Schmerz brannte in seinen Augen. „Lass mich dich noch einmal betrachten, mein holdes Lieb. So voll Liebe und Vertrauen schauen mich deine schönen Augen an, so viel Güte liegt in deinem Blick! Herzlieb, all das wird in wenigen Minuten anders sein.“ Er presste ihre Hand an seine Wange und legte den Kopf mit geschlossenen Augen an ihre Knie.

„Liebster, quäle dich nicht! Hältst du so wenig von meiner Liebe, dass du glauben kannst, dein Unglück würde sie auch nur einen Augenblick ins Wanken bringen?“

„Mein Unglück? Nicht ein Unglück habe ich zu beichten, sondern Schuld, furchtbare Schuld!“

Sie erbebte unter dem verzweifelten Ton seiner Stimme, ihr Gesicht wurde blass, aber das Leuchten in ihren Augen erlosch nicht. Sie lehnte ihre Wange an seine Stirn.

„Sprich, Liebster, und vertraue meiner Liebe. Leid und Not – Schuld und Schmach, alles trage ich mit dir und will glücklich sein, wenn ich es darf.“

Er sah mit totenblassem Gesicht zu ihr auf. Sein Blick bohrte sich in ihre Augen.

„Eva – ich bin – ein Mörder!“

Eva zuckte jäh zusammen, ihre Arme umschlangen ihn fest, als müssten sie ihn schützen. Sie fühlte, wie er zitterte, wie er matt und gebrochen an ihrem Knie lehnte. Das machte sie stark. Sie hatte nach einer schweren Aufgabe verlangt, um ihre Kräfte zu erproben. Die hatte sie nun. Und ein schweres Opfer hatte sie sich zu bringen gesehnt, um ihm seine Seelenruhe zu erkämpfen. Das würde ihr ja nicht gelingen – auf dem Mörder ruht ungesühnte Schuld, bis das eigene Leben die Schuld bezahlt. Aber tragen helfen, konnte sie ihm, konnte einen Teil des Fluchs auf sich nehmen.

„Mein armer, armer Liebster“, sagte sie leise.

Da sah er zu ihr auf, wie der zum Tod Verurteilte aufsieht, wenn er begnadigt wird.

„Du stößt mich nicht von dir, du verachtest mich nicht … du hältst mich in deinen Armen“, stammelte er fassungslos.

„Was wäre meine Liebe für ein jämmerliches Ding, Udo? Das hast du von mir geglaubt?“

„Liebling – ist es nicht nur Mitleid, das dich so sprechen lässt? Darf ich’s glauben, dass deine Liebe über das Entsetzen siegt, das dir meine Eröffnung verursacht hat?“

Sie schmiegte sich an ihn.

„Ich liebe dich, und wenn du dich selbst Mörder nennst – ich weiß, du bist es durch Unglück oder Unbedacht geworden, nicht aus bösem Herzen. Denn du bist gut und edel, ich habe es so oft empfunden. Komm, Liebster, sei ruhig, sieh mich nicht so verzweifelt an! Nun musst du mir alles erzählen – alles. Ich habe ein Recht zu fragen, denn ich muss wissen, was dich in diese Schuld getrieben hat.“

„Liebes, tapferes Herz – du Engel, von Gott gesandt! Wie kann ich dir danken, was du in deiner Seelengröße für mich tust?“

„Danke es mir durch deine Liebe“, antwortete sie leise.

Er atmete auf, wie von einem Albdruck befreit. Dann begann er: „Liebling, wie du mich jetzt kennst, ruhig und beherrscht, war ich nicht immer. Ich war ein heißblütiger Geselle, voll Lebensfreude, voll Ungestüm. Ich war jung, gesund und reich. Alle Genüsse des Lebens waren mir erreichbar. Dass ich trotzdem kein ausschweifendes Leben führte, lag daran, dass meine Eltern mich nur am Schönen und Guten die Freude finden lehrten. In jener Zeit gab es nichts, was ich zu bereuen hätte.

Später, in Paris, fingen auch die Frauen an, in meinem Leben eine Rolle zu spielen. Aber da folgte eine Enttäuschung der anderen. Die fremden Frauen gefielen mir nicht. Ich schwärmte für die deutsche Frau mit ihrer Herzensreinheit, Treue und Innigkeit.

Es fehlte nicht an Damen, die mir, dem reichen Edelmann, entgegenkamen, weder in der Gesellschaft noch außerhalb. Mein Herz blieb kalt.

Eines Abends ging ich an der Seine spazieren. Die Lust, allein zu sein, hatte mich in eine stille, menschenleere Gegend geführt. Der Mond stand am Himmel und spiegelte sich im Wasser. Von fern tönte das dumpfe Brausen der Weltstadt herüber.

Da sah ich plötzlich eine schlanke Frauengestalt vor mir. Sie hastete dem Ufer des Flusses zu mit verzweiflungsvoller Gebärde. Ich eilte ihr nach. In dem Augenblick, wo sie sich in den Fluss stürzen wollte, fasste ich sie und zog sie zurück.

Sie brach in die Knie und sah zu mir empor. Ein Antlitz, so schön, so reizvoll wie das einer Göttin, sah ich im hellen Mondlicht vor mir. Mein Herz zog sich zusammen vor Mitleid.

‚Was wollten Sie tun?‘, fragte ich vorwurfsvoll.

Sie sah mich fast trotzig an und erwiderte: ‚Weshalb?‘ Da flog ein bitteres Lächeln über ihr Gesicht. ‚Weil ich keine Lust mehr habe, zu hungern!‘

Ich erschrak.

‚So schlecht geht es Ihnen?‘

‚Ja.‘