Hedwig Courths-Mahler - Folge 179 - Hedwig Courths-Mahler - E-Book

Hedwig Courths-Mahler - Folge 179 E-Book

Hedwig Courths-Mahler

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Beschreibung

Nur wenige Stunden des Glücks sind Eva Maria und Ralf beschieden. Dann greift jäh die Angst wieder in ihr Leben ein. Beide wissen, dass der skrupellose Arthur Mertens nach wie vor darauf sinnt, wie er Eva Marias Bruder Hans töten kann, um selbst Erbe der Rodenberg-Werke zu werden. Schon trifft er seine Vorbereitungen zu einem neuen Mordanschlag, da geschieht etwas Seltsames: Ralf begegnet in der Nähe der Werke einem Fremden, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Hans Dornau hat. Es ist Lutz Rodenberg, der totgeglaubte Sohn Georg Rodenbergs. Ralf und Lutz sind sich sofort sympathisch, und so werden sie zu Verbündeten, um Mertens zu entlarven und Hans von der drückenden Vormundschaft seines ehrlosen Onkels zu befreien...

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Seitenzahl: 161

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Inhalt

Cover

Impressum

Dich muss ich lieben immerdar

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2210-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Dich muss ich lieben immerdar

Roman um zwei junge Menschen, die tapfer ihr Schicksal meistern

Der reiche Industrielle Georg Rodenberg hat es nie zu glauben vermocht, dass sein Sohn Lutz bei einem Schiffsunglück ums Leben kam. Deshalb bestimmt er ihn auch in seinem Testament zum alleinigen Erben. Nur wenn Lutz nach zwanzig Jahren nicht zurückgekehrt ist, soll Georgs Enkel Hans Dornau die Rodenberg-Werke übernehmen. Diese Bestimmung jedoch lässt Rodenbergs Schwiegersohn Arthur Mertens nicht ruhen. Mertens ist überzeugt, dass Lutz tot ist. Um selbst Herr der Werke zu werden, braucht er nur Hans Dornau zu beseitigen. So geschehen, nachdem Georg Rodenberg das Zeitliche gesegnet hat, merkwürdige Dinge, die immer wieder Hans Dornaus Leben in Gefahr bringen. Aber Hans hat in dem jungen Ingenieur Ralf Bernd einen treuen Freund, der über ihn wacht. Ralf liebt Hans’ Schwester Eva Maria und ist entschlossen, sie vor Leid zu bewahren. Und ein großes Leid wäre es, wenn sie ihren geliebten Bruder verlieren würde. So setzt Ralf alles daran, die verbrecherischen Pläne Arthur Mertens’ zu durchkreuzen. Wird es ihm gelingen?

Arthur Mertens saß mit seiner Frau und seiner Tochter am Frühstückstisch. Er war sehr schlecht gelaunt. Das Missglücken seines Attentats auf seinen Neffen hatte ihm eine unruhige Nacht verursacht. Frau Melanie beobachtete ihren Gatten mit ängstlich besorgter Miene.

Jolante ignorierte jedoch des Vaters schlechte Laune vollständig. Sobald er sich eine Zigarre ansteckte, zündete sie sich eine Zigarette an und sah gelangweilt den Rauchwölkchen nach. Der Vater warf ihr einen mürrischen Seitenblick zu.

„Musst du gleich am frühen Morgen Zigaretten rauchen, Jo?“

Erstaunt wandte sie den Kopf.

„Du rauchst doch auch, Papa. Stört dich der Rauch meiner Zigarette?“

„Mich nicht, aber vielleicht Mama. Du könntest zum Mindesten erst um Erlaubnis fragen.“

„Oh? Da du rauchtest, ohne Mama um Erlaubnis zu fragen, tat ich es auch.“

Er schlug mit der Hand auf den Tisch.

„Sei nicht so frech!“, schrie er sie an.

„Aber Jo, wie kannst du in diesem Ton mit Papa reden“, mahnte Frau Melanie mit einem ängstlichen Blick auf den Gatten.

Jolante zuckte nur die Schultern, erhob sich und verließ das Zimmer.

„Schlecht hast du deine Kinder erzogen, Melanie“, tadelte der übel gelaunte Hausherr.

Frau Melanie nahm den Tadel ruhig hin.

„Soll ich dir noch eine Orange schälen, Arthur?“, fragte sie freundlich.

Die Sanftmut seiner Frau brachte ihn zuzeiten mehr auf, als es ein zorniger Widerspruch getan hätte. Aber er bezwang sich. Melanie musste in dem Glauben erhalten werden, dass er sie über alles liebte. Gegen sie wurde er daher niemals ausfällig.

„Meinetwegen“, gestattete er gnädigst und fuhr dann mit sanftem Tadel fort: „Du bist wirklich zu nachsichtig den Kindern gegenüber, Melanie. Sicherlich hast du Egon wieder heimlich Geld zugesteckt.“

Sie errötete, wagte aber nicht zu leugnen.

„Nur eine Kleinigkeit, Arthur.“

„Schwache Mutter! Er muss doch lernen, auszukommen! Als ich in seinem Alter war, musste ich mich mit dem zehnten Teil einrichten.“

Sie schälte die Orange und legte sie auf seinen Teller. Er vertiefte sich wieder in die Zeitung. Plötzlich fuhr er auf und starrte ungläubig auf ein großes Inserat, in dem ihm der Name Lutz Rodenberg aufgefallen war. Wieder schlug er mit der geballten Faust auf den Tisch.

„Das ist doch unerhört! Was ist das für eine Frechheit, meinen Willen zu ignorieren!“, brauste er auf.

Erschrocken sah ihn seine Gattin an.

„Um Himmels willen, was ist denn, Arthur?“

Er hielt ihr die Zeitung so dicht vor die Augen, dass sie nichts lesen konnte.

„Da, sieh dir das an! Da steht ein Inserat in den Zeitungen – mit einer Ehrenerklärung für Lutz Rodenberg, mit der Versicherung seiner Unschuld und mit der Nachricht, dass sein Vater tot und er der Erbe von Rodenberg sei. Ich habe doch klar und deutlich meine Einwilligung zu diesem Unsinn versagt. Wer hat dieses Inserat in die Zeitungen lanciert? Denn wie in dieser Zeitung, wird es noch in unzähligen anderen stehen. Unerhört! Steckst du etwa mit dahinter, Melanie?“

Sie nahm ihm zitternd die Zeitung ab und las. Ganz blass war sie vor Schrecken geworden, und ängstlich wehrte sie ab:

„Aber nein, Arthur, du weißt doch, dass ich nie etwas gegen deinen Willen tue.“

Er sprang auf und ballte die Zeitung wütend zusammen.

„Das haben die beiden in Villa Rodenberg getan, dein sauberer Neffe und Eva Maria. Gegen meinen ausdrücklichen Willen haben sie es getan. Das viele Geld musste nutzlos vergeudet werden. Und gar nicht groß und fett genug konnten sie es drucken lassen. Ein Skandal ist es, wie hier mit dem Gelde herumgeworfen wird.“

Mit großen, ängstlichen Augen sah Melanie zu ihm auf. Es war sehr selten, dass Mertens sich so gehen ließ, fast immer hatte er sich in der Gewalt.

„Beruhige dich doch, lieber Arthur, du schadest deiner Gesundheit, wenn du dich so aufregst!“

„Wie kann ich ruhig sein, wenn diese Gesellschaft mich so aufregt und in einem fort ärgert? Das ist doch unerhört, meinen Willen so zu ignorieren.“

Die Personen dieses Romans

Georg Rodenberg Besitzer großer Werke

Lutz Rodenberg sein verschollener Sohn

Hans Dornau sein Enkel, Sohn seiner verstorbenen ältesten Tochter

Eva Maria Dornau seine Enkelin

Melanie Mertens seine jüngste Tochter

Arthur Mertens ihr Mann, Direktor in den Rodenberg- Werken

Jolante beider kapriziöse Tochter

Egon beider Sohn

Dr. Ralf Bernd Ingenieur in den Werken, Hans’ und Eva Marias ergebener Freund

Hermann langjähriger Diener im Hause Rodenberg

Fritz Diener im Haus Rodenberg, von Mertens

als Spitzel angeworben

Das traf ihn immer am härtesten, wenn jemand seinen Wünschen entgegenhandelte.

„Ich verstehe das nicht, Arthur, wie konnten sie das nur tun“, sagte Frau Melanie verzagt.

„Nun, ich werde ihnen den Standpunkt gründlich klar machen, hier hat nichts gegen meinen Willen zu geschehen. Gleich jetzt fahre ich hinüber und stelle fest, wer mir das angetan hat“, stieß er wütend hervor.

Seine Frau wagte nicht, ihn aufzuhalten. Sie bat ihn nur wieder, sich nicht zu sehr aufzuregen.

Er traf Eva Maria allein in der Villa Rodenberg an. Hans war schon nach den Werken hinübergegangen. Zornig hielt Mertens seiner Nichte das Zeitungsblatt vor die Augen.

„Was ist das?“, fuhr er sie an.

Aber zu seinem Erstaunen blickte sie furchtlos in seine Augen.

„Du siehst es ja, es ist das Inserat, das Großvater in die Zeitung gerückt haben wollte und zugleich die Erklärung, dass Onkel Lutz schuldlos ist.“

„Ich habe doch aber strengstens untersagt, dass das Inserat in die Zeitungen gesetzt werden sollte!“

„Mir war Großvaters Wunsch maßgebender als dein Verbot“, erwiderte sie ruhig.

Er lachte zornig auf.

„Woher habt ihr das Geld, um dieses Inserat zu bezahlen?“

„Es ist noch nicht bezahlt, und ich will dich bei dieser Gelegenheit gleich bitten, mir das Geld anweisen zu lassen.“

„Fällt mir nicht ein!“

„Ich brauche das Geld aber, Onkel Arthur, du hast kein Recht, es mir zu verweigern.“

Er ärgerte sich, dass er keine Handhabe hatte, zu protestieren. Und so sagte er nur:

„Du bist verpflichtet, mir alle größeren Ausgaben, die über dein laufendes Nadelgeld hinausgehen, zu melden.“

„Das tue ich hiermit“, erwiderte Eva Maria gelassen.

Er sah, dass er sie nicht einschüchtern konnte, und so wandte sich sein Groll gegen Hans. „Selbstverständlich hat dein sauberer Bruder das ausgeheckt, um mich zu ärgern. Der Lümmel macht es mir wahrlich schwer, sein Vormund zu sein. Man müsste ihm eine Tracht Prügel verabreichen.“

Sie richtete sich hoch auf.

„Es ist besser, wenn du das unterlässt. Nie würde ich es dir verzeihen, wenn du die Hand an meinen Bruder legtest.“

Ihre letzten Worte ließen ihn leise zusammenzucken. Er dachte daran, wie sehr er gestern gewillt gewesen war, die Hand an Hans zu legen, als er ihn über die Maschine gebeugt stehen sah. Und zugleich fiel ihm wieder ein, dass er seinen Hass auf Hans sorgfältig verbergen musste, damit niemand einen Verdacht gegen ihn hegen konnte, wenn er seinen heimlichen Plan ausführen würde, Hans zu beseitigen. Er zwang sich zu einem Lächeln.

„Nun, nun, rege dich nicht auf, Eva Maria, so etwas redet man einmal im Ärger, und ich habe mich ein bisschen aufgeregt, weil ihr das Inserat doch einrücken ließet. Ich weigere mich doch wahrlich nur in eurem Interesse, ihr solltet das schöne Geld nicht sinnlos hinauswerfen. Es hat doch absolut keinen Zweck, Lutz ist tot. Dass ich Hans nicht wirklich verprügeln würde, kannst du dir doch denken, trotz allem habe ich den Schlingel lieb. Erst gestern habe ich ihm gesagt, dass er mir teuer ist wie mein eigen Fleisch und Blut. Ich habe mich gestern so namenlos geängstigt, als er in der Maschinenhalle so unvorsichtig über der großen Maschine stand und in das Getriebe blickte. Ein kleiner Schwindelanfall hätte genügt, um hinabzustürzen. Ich bin wie von Sinnen die Treppe hinaufgerannt, um ihn zurückzureißen. Kein Mensch war in der Nähe, der ihn hätte halten können. Aber gleich nach mir kam auch Doktor Bernd, und wir rissen Hans gemeinsam aus der gefährlichen Stellung zurück.“

Das alles sagte er mit seinem falschen, sanften Ton, der immer unecht auf Eva Maria wirkte.

Sie war zusammengezuckt, als Mertens von der Maschinenhalle sprach. Ihr Gesicht war blass, und sie starrte ihn ganz betreten an.

„Was sagst du? Was ist gestern geschehen?“, stieß sie hervor.

„Nun, ich sage dir doch, Hans war in seiner Unvorsichtigkeit nahe daran, ins Getriebe einer großen Maschine zu stürzen. Ich wollte ihn gerade zurückreißen, aber Doktor Bernd kam mir zuvor.“

Immer noch starrte Eva Maria ihn mit großen Augen an. Warum hatten ihr Hans und Doktor Bernd verschwiegen, dass Arthur Mertens dabei gewesen war. Ein Blick in dessen falsches, scheinheiliges Gesicht jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Weshalb sprach er plötzlich so ganz anders von Hans – als liebe er ihn wie sein eigen Fleisch und Blut? Das musste doch einen Grund haben. Instinktiv fühlte sie, dass es von diesem Manne ausströmte wie eine Gefahr für den Bruder. Gerade seine übergroße Freundlichkeit, das Betonen seiner Liebe erschien ihr gefährlich.

„Du? Du warst dabei?“, fragte sie bestürzt.

„Nun ja, hat dir das Hans nicht erzählt, hat er dir nicht gesagt, wie ich mich um ihn gesorgt habe?“

Sie schüttelte den Kopf, immer wieder darüber nachgrübelnd, weshalb ihr die beiden verschwiegen hatten, dass Mertens bei jener Affäre zugegen war.

„Hans sprach nur davon, er sei unvorsichtig gewesen und dass Doktor Bernd ihn zurückgerissen und ihn wegen seiner Unvorsichtigkeit gescholten habe. Aber von dir sprach er nicht.“

Das hörte Mertens sehr gern, es schien ihm ein Beweis, dass Hans keinen Verdacht gegen ihn hegte, sonst hätte er sicher von ihm gesprochen.

„Nun siehst du, kein Wort verliert der Schlingel darüber, dass man sich seinetwegen so gesorgt und gebangt hat. Weil ich als Vormund die Pflicht habe, zuweilen etwas streng mit ihm zu sein, deshalb ist er mir gram. Und ich meine es doch so gut mit ihm.“

Das sagte er in einem gekränkten Ton. Eva Maria achtete kaum darauf. Halb geistesabwesend sagte sie nur:

„Du brauchst nicht so streng zu Hans zu sein, er tut nichts Schlimmes.“

„Oh, du weißt nicht, was für Streiche er heimlich macht. Ich bin wahrlich nicht zu streng, eher zu nachsichtig. Aber nun will ich mich nicht länger aufhalten, es ist Zeit, dass ich ins Kontor komme.“

Er sagte ihr noch allerlei Liebenswürdigkeiten, machte ihr Komplimente über ihr Aussehen und erkundigte sich, ob sie noch andere Wünsche habe. Sie bezwang sich zur Ruhe und verneinte. Es kostete sie viel Selbstüberwindung, ihm die Hand zum Abschied zu reichen. Als er gegangen war, wusch sie sich erst einmal gründlich die Hände, was sie immer tat, wenn sie die seinen hatte anfassen müssen. Ihr war dann immer, als habe sie etwas Unreines berührt. Aber dabei grübelte sie unablässig darüber nach, warum ihr Hans und Doktor Bernd verheimlicht hatten, dass Mertens gestern in der Maschinenhalle gewesen war. Hans war in Gefahr gewesen, das war sicher. Aber wie hing das alles zusammen, warum hatte man ihr das nicht erzählt?

Unruhig und beklommen ging sie ihren häuslichen Geschäften nach. Sie sah überall im Haushalt nach dem Rechten und fasste auch selbst mit zu, wo es nötig war. Voll Ungeduld erwartete sie die Heimkehr des Bruders, und als er endlich eintrat, umfasste sie ihn und sah ihn forschend an.

„Hans, was ist gestern eigentlich geschehen? Warum habt ihr beide, du und Doktor Bernd, mir nicht gesagt, dass Mertens dabei war, als Doktor Bernd dir das Leben rettete?“

Hans bekam vor Schreck einen roten Kopf.

„Wie kommst du denn darauf, woher weißt du, dass Mertens dabei war?“

„Er hat es mir selbst gesagt.“

„Er selbst? Wo hast du ihn getroffen?“

„Er war hier. Er hat das Inserat in der Zeitung gelesen und kam, um mich deswegen zur Rede zu stellen. Und da er mir nichts anhaben konnte, wurde er böse auf dich, meinte, du habest das eingefädelt, um ihn zu ärgern. Und er drohte, dich zu prügeln, worauf ich ihm sagte, er möge das nie tun, denn das würde ich ihm nie verzeihen. Plötzlich wurde er dann ganz anders, legte eine falsche Freundlichkeit an den Tag, behauptete, dich zu lieben wie sein eigen Fleisch und Blut, und erzählte mir von seiner Sorge um dein Leben, als du dich gestern sehr unvorsichtig über eine Maschine gebeugt habest. Er habe dich zurückreißen wollen, aber da sei zugleich Doktor Bernd gekommen und habe dich zurückgehalten. Siehst du, Hans, seine seltsame Freundlichkeit, die unechte Versicherung seiner Zuneigung zu dir, die er ganz gewiss nicht empfindet, hat mir Angst gemacht. Dahinter steckt doch irgendetwas!“

Hans lachte bitter auf.

„Die Komödie hat er mir gestern schon vorgespielt – aus welchem Grund, weiß ich nicht.“

„Aber warum hast du mir nicht gleich gesagt, dass er dabei war und was überhaupt geschehen ist? Und jetzt fällt mir ein, ihr saht euch gestern Abend so seltsam an, als Doktor Bernd dir Vorwürfe machen wollte, dass du mir überhaupt etwas mitgeteilt hattest. Ihr verschweigt mir etwas, Hans, was ist wirklich geschehen?“

So fragte sie ängstlich.

Hans wusste nicht, was er erwidern sollte. Er zog sie an sich, streichelte sie und sagte dann stockend:

„Ach weißt du, Eva Maria, Mertens’ Gegenwart war eigentlich so – so nebensächlich, du kannst dir doch denken, dass er sich nur hat aufspielen wollen. Wenn er schon den liebevollen Verwandten heuchelt, ist das zum Davonlaufen. Er und sich um mich bangen? Das ist ja ekelhafte Heuchelei! Der Schuft, der Schuft!“

Das stieß Hans in höchster Erregung hervor. Aber dann bezwang er sich und fuhr ruhiger fort: „Ich bitte dich, Eva Maria, lass uns nicht mehr daran denken, ich mag nicht mehr davon sprechen. Ich war eben unvorsichtig und werde es nie mehr sein. Bitte, lass es ruhen!“

Und er machte ein so gequältes Gesicht, dass sie abließ mit Fragen. Aber sie wusste nun gewiss, dass ihr Hans etwas Schwerwiegendes verschweigen wollte, etwas, das sie beunruhigt hätte. Und dass es mit Mertens zusammenhing, war ihr ebenfalls klar. Hatte sie schon immer ein heimliches Grauen vor ihm gehabt, so verstärkte sich das jetzt noch. Dass sie nur für ihren Bruder, nicht für sich zu fürchten hatte, fühlte sie. So sagte sie nur bedrückt und traurig:

„Ich werde dich nicht mehr fragen, Hans, weil ich fühle, dass du mir etwas verbergen willst, das mich beunruhigen könnte. Aber ich sage dir, es beunruhigt mich mehr, als wenn du es mir sagen würdest. Etwas Gutes ist es jedenfalls nicht. Du verheimlichst mir doch sonst nichts.“

Er streichelte ihre Hand.

„Es ist nur, weil ich Ralf versprochen habe, dich nicht zu beunruhigen. Ich darf doch mein Wort nicht brechen! Bitte, quäle dich nicht weiter, du kannst ganz ruhig sein, Ralf wacht über mich.“

Sie merkte, wie schwer es ihm fiel, nicht offen sein zu dürfen, und nickte ihm lächelnd zu. Sie zwang sich auch, heiter und unbekümmert zu scheinen, und plauderte von anderen Dingen mit ihm, aber er merkte, wie sie bekümmert war.

Hans berichtete Ralf getreulich den Inhalt seiner Unterredung mit Eva Maria. Er schloss: „Weißt du, Ralf, Eva Maria kann sehr tapfer sein, sobald sie einer Gefahr ins Auge sieht, aber sie kann ebenso verzagt sein, wenn sie eine solche wohl ahnt, aber nicht weiß, worin sie besteht. Sie hat vor Mertens dasselbe Grauen wie ich und spürt gleich mir, dass mir etwas von ihm droht. Ich hatte das Empfinden, als ahne sie schon ein wenig von der Wahrheit. Und da sie nun leider schon so viel weiß, ist es vielleicht doch besser, wenn wir nichts mehr verheimlichen. Was meinst du?“

Ralf hatte vor sich hingegrübelt. Nun hob er den Kopf.

„Da der Wurm sowieso schon an ihrem Herzen nagt, ist es vielleicht wirklich besser, wir schenken ihr reinen Wein ein.“

Hans nickte.

„So dachte ich auch. Ungewissheiten sind immer viel unerträglicher als Gewissheiten, wenn sie auch noch so hart sind. Und wir brauchen keine Sorge zu haben, dass sie sich irgendwie Mertens gegenüber verrät. Ich wollte nur erst mit dir darüber sprechen.“

„Gut, Hans, bringe ihr heute Abend alles möglichst schonend bei und beruhige sie, so gut es geht!“

Hans sah ihn bittend an.

„Am besten, Ralf, du kommst mit mir. Wenn wir beide sie beruhigen, wird es wirksamer sein.“

Ralf stimmte nur zu gern zu, trieb ihn doch sein Herz, Eva Maria das innere Gleichgewicht wiederzugeben. Er wusste, wie sehr sie den Bruder liebte.

Am Abend begleitete er Hans zur Villa Rodenberg.

Eva Maria hatte den Nachmittag in heimlicher Unruhe verbracht und atmete auf, als sie den Bruder wiedersah. Dass Ralf Bernd ihn begleitete, freute sie, aber sie konnte es sich nicht erklären. Hans ließ ihr aber gar keine Zeit zu fragen.

„Eva Maria, ich habe Doktor Bernd gebeten, mit mir zu kommen, weil wir dir etwas zu sagen haben. Wir haben heute Nachmittag hin und her überlegt, ob es besser sei, dir reinen Wein einzuschenken, oder ob wir dich in Ungewissheit lassen sollen über das, was geschehen ist. Ich nehme an, dass dich die Ungewissheit mehr quälen wird als die Gewissheit, wenn sie auch nicht erfreulich ist.“

Sie sah die beiden mit blassem Gesicht an.

„Bitte, sag mir alles, Hans, du weißt, ich kann alles leichter ertragen, wenn ich klar sehe. Und ich fühle, du und Herr Doktor Bernd wollt mir etwas verbergen, das ich wissen muss. Ich habe heute den ganzen Tag in großer Angst und Sorge verbracht.“

„Wir haben uns das gedacht, gnädiges Fräulein, und Hans bat mich daher, ihn zu begleiten, damit auch ich versuche, Sie zu beruhigen. Es ist für uns sehr schmerzlich, dass Sie, zuerst durch ein unvorsichtiges Wort von Hans und dann durch Herrn Direktor Mertens, aus dem Gleichgewicht gebracht wurden, wir hätten es Ihnen gern erspart. Aber da in Ihnen anscheinend sowieso ein Verdacht ist, ist es wirklich besser, Sie erfahren alles, was wir selbst wissen“, sagte Ralf.

Impulsiv fasste sie seine Hand.

„Verschweigen Sie mir nichts!“, bat sie mit halb erstickter Stimme.

„Wir müssen aber vor Lauschern sicher sein“, sagte er.

Sie hatten nur halblaut miteinander gesprochen. Eva Maria nickte.

„Kommen Sie mit in Großvaters Arbeitszimmer, da sind gepolsterte Doppeltüren, und kein Wort dringt hinaus.“

Sie gingen nun alle drei in dieses Zimmer, und hier erfuhr Eva Maria alles.

Eva Maria hatte blass und zitternd zugehört. Nun barg sie das Gesicht in den Händen.

„Wie schrecklich, wie entsetzlich, was ist das für ein Mensch!“